Viele Menschen haben den Wunsch nach Veränderung, da sie erkennen, dass sie nicht den eigenen Idealvorstellungen entsprechen. An Silvester werden gute Vorsätze beschlossen. Selbsthilfebücher und Motivationscoaches sollen Anregungen geben, um das Leben, Probleme oder Persönlichkeitsdefizite zu ändern. Fitnessstudios und Diäten bieten die Möglichkeit zur Selbstoptimierung des eigenen Körpers an. Auch viele Christen wünschen sich Veränderung, wenn sie erkennen, dass vieles in der Gemeinde nicht richtig läuft oder dass man als Christ doch anders leben und schlechte, sündige Gewohnheiten ablegen müsse. Doch in der Regel bleibt es beim Wunsch, da man nie Schritte der Veränderung geht oder nach wenigen Wochen wieder in alte Gewohnheiten zurückfällt.
Als erste Annäherung an dieses umfangreiche Thema werden in dieser Hausarbeit die Lebensstiländerung der individualpsychologischen Therapie sowie die Veränderung durch den Heiligen Geist vorgestellt und abschließend miteinander verglichen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Ziel, den Merkmalen und dem Weg der Veränderung.
Inhaltsverzeichnis
1. Der Wunsch nach Veränderung
2. Therapeutische Lebensstiländerung
2.1. Ziel
2.2. Merkmale
2.3. Weg
3. Veränderung durch den Heiligen Geist
3.1. Ziel
3.2. Merkmale
3.3. Weg
4. Therapeutischer Lebensstiländerung und Veränderung durch den Heiligen Geist - Unterschiede und Gemeinsamkeiten
4.1. Ziel
4.2. Merkmale
4.3. Weg
5. Konsequenzen für die Gemeindepraxis
Literaturverzeichnis
1. Der Wunsch nach Veränderung
Viele Menschen haben den Wunsch nach Veränderung, da sie erkennen, dass sie nicht den eigenen Idealvorstellungen entsprechen. An Silvester werden gute Vorsätze beschlossen. Selbsthilfebücher und Motovationscoaches sollen Anregungen geben, um das Leben, Probleme oder Persönlichkeitsdefizite zu ändern. Fitnessstudios und Diäten bieten die Möglichkeit zur Selbstoptimierung des eigenen Körpers an. Auch viele Christen wünschen sich Veränderung, wenn sie erkennen, dass vieles in der Gemeinde nicht richtig läuft oder dass man als Christ doch anders leben und schlechte, sündige Gewohnheiten ablegen müsse. Doch in der Regel bleibt es beim Wunsch, da man nie Schritte der Veränderung geht oder nach wenigen Wochen wieder in alte Gewohnheiten zurückfällt.
In Phil 2,12b schreibt Paulus „Arbeitet an euch selbst mit Furcht und Zittern, damit ihr gerettet werdet!“ (Gute Nachricht Bibel). Er zeigt damit auf, dass es unsere Pflicht ist, an uns zu arbeiten. Veränderung geschieht also nie von selbst, sondern erfordert Kraft und Entschiedenheit. Zugleich geschieht jede Veränderung durch Gott und lässt sich nicht selbst erarbeiten, wie der darauffolgende Vers verdeutlicht: „Ihr könnt es, denn Gott selbst bewirkt in euch nicht nur das Wollen, sondern auch das Vollbringen, so wie es ihm gefällt.“ (ebd.). Dieses Veränderungs-Paradoxa zwischen eigenem Tun und göttlichem Tun soll in dieser Hausarbeit thematisiert werden.
Als erste Annäherung an dieses umfangreiche Thema werden in dieser Hausarbeit die Lebensstiländerung der individualpsychologische Therapie sowie die Veränderung durch den Heiligen Geist vorgestellt und abschließend miteinander verglichen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Ziel, den Merkmalen und dem Weg der Veränderung.
2. Therapeutische Lebensstiländerung
Die Individualpsychologie, welche von Alfred Adler entwickelt und von Rudolf Dreikurs weiterentwickelt wurde, sieht den Menschen als unteilbare Einheit, vom Gemeinschaftsgefühl bestimmt, zielgerichtet und selbstverantwortlich an.
Adler geht davon aus, dass schon das Kind sich [...] ohnmächtig, hilflos und schwach fühlt. Gerade aus diesem Gefühl entsteht aber eine Kraft, sich zu verändern, um das Gefühl der Ohnmacht zu überwinden, um Anerkennung Geltung und Macht zu erhalten. Der Mensch [...] strebt nach Vollkommenheit, um sich selbst und der Gemeinschaft von Nutzen zu sein. (Ondracek 2018: 7f)
Das Kind, als soziales Wesen strebt demzufolge nach sozialen Beziehungen und wird vom Gemeinschaftsgefühl bestimmt. Daher sucht das Kind „neue Möglichkeiten der Eingliederung [...] Es handelt nach dem Prinzip von Probe und Irrtum“ (Dreikurs 2014: 49). Das Kind entwickelt „Fiktionen, wie es erfolgreich sein und seinen Platz in der Gemeinschaft finden kann“ (:56). Unter Fiktion versteht man „eine Annahme, die den Tatsachen des Lebens nicht entspricht“ (:130). Die in diesem Prozess gemachten Erfahrungen und deren subjektive Deutung bestimmen das Selbstbild, Fremdbild, Weltbild, die Mittel und Ziele des Menschen. Bis zum 4.-6. Lebensjahr „schafft sich das Kind irrend und unverständig seine Schablone, sein Ziel und Vorbild und den Lebensplan, dem es wissend-unwissend folgt“ (zit. in Acker 2018:164). Bei dem so entstehenden Lebensplan bzw. Lebensstil handelt es sich um eine Art Leitbild bzw. um automatisiertes Verhalten. Dieses automatisierte Verhalten ist von Kindheit an emotional verankert, umfasst alle Lebensbereiche, kann nicht in Worte gefasst werden, besitzt eine starke Steuerungskraft und beeinflusst auch noch im Erwachsenenalter Selbstbild, Fremdbild, Gottesbild, Wahrnehmung, Empfindung, Denken und Tun (vgl. Ondracek 2018: 10ff). Der Lebensstil beschreibt die Zielperspektive eines Menschen (Wozu handle ich?) und der daraus anstehenden Motivation (Wie handle ich?).
Nun kann es im Leben eines Individuums passieren, dass ein bisher erfolgsversprechender Lebensstil nicht mehr sinnvoll ist und die gewünschten Ergebnisse nicht mehr liefert. Adler empfiehlt, nicht die Ursachen zu beseitigen, sondern den Umgang mit herausfordernden Situationen zu verändern. Dabei soll störendes und belastendes Verhalten durch neue, positiv wirkende Automatismen ersetzt werden. Dies nennt man Lebensstilländerung.
2.1. Ziel
Adlers Erkenntnis war, dass das Gemeinschaftsgefühl entscheidend für den Charakter, Handlungen und Gefühlsregungen eines Menschen ist (vgl. Dreikurs 2014: 16). Trotz des Strebens nach Gemeinschaft verhindern Zweifel am eigenen Wert und den eigenen Fähigkeiten ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Daraus entsteht eine Spannung zwischen Minderwert und Überkompensation, bei welchem das Streben darauf ausgerichtet ist, Geltung zu erhalten und die subjektiv empfundene Überlegenheit der anderen zu überwinden. Dreikurs folgert daraus:
Jeder, der seinen Platz im Leben finden will, wird notwendigerweise erfolglos sein. Gleichgültig, was er erringt, Macht, Bildung, Schönheit, Liebe, Anerkennung, was immer es sein mag, er wir niemals genug davon haben und unter ständiger Angst leben, das zu verlieren, was er sich erobern konnte. Niemand kann seinen Platz »finden«, da er nicht weiß, daß er durch seine bloße Existenz seines Platzes im Leben sicher ist. (:31f)
Sowohl Minderwert als auch Überkompensation zeigen demnach eine falsche Einstellung über sich selbst und auch das empfundene Gemeinschaftsgefühl auf. Zugleich ist bei diesem Verhalten das eigentliche Ziel, das Gemeinschaftsgefühl herzustellen. Doch weder Minderwert noch Überkompensation sorgen dafür, dass dieses Ziel erreicht wird. Adler betrachtet daher als wichtigstes Ziel der Lebensstilländerung „die Selbsterkenntnis der mit dem Minderwertigkeitsgefühl zusammenhängenden Mechanismen“ (Acker 2014:167) sowie die „Wiederherstellung des Gemeinschaftsgefühls“ (ebd.).
2.2. Merkmale
Wie bereits erwähnt, entwickelt jeder Mensch einen eigenen Lebensstil. Daher ist es sinnvoll den eigenen Lebensstil zu entdecken, da man dadurch sich und die eigenen Beweggründe des Handelns besser verstehen und deuten kann. Zugleich können auch andere Menschen besser verstanden werden, wenn man deren Lebensstil kennt. Adler schreibt dazu:
Das Wissen der Menschen um die Beweggründe ihrer Handlungen, das allgemeine Verständnis von den seelischen Erscheinungen bei Gesunden und Nervösen, die immer anderes bedeuten können, als sie oberflächlich zum Ausdruck bringen, ist unzulänglich, solange die formale Gestaltung und die Dynamik ihrer Leitlinie verborgen bleibt. (zit. in:165)
Jeder Lebensstil ist zunächst weder positiv noch negativ, sondern zeigt lediglich auf, wie ein Mensch seinen Platz in der Gemeinschaft gefunden hat und nun sicherstellt. Doch jeder Lebensstil beruht auf Fiktion und kann daher auch zu Schwierigkeiten im Leben führen oder trotz sozialannehmbarer Erscheinung ein Irrtum und dadurch falsch und gefährlich sein. Demzufolge ist es notwendig „jeden Lebensstil so zu formulieren, daß man auf der einen Seite feststellt, was der Mensch im Leben anstrebt, und auf der anderen, wo seine grundsätzliche Fehlannahme liegt“ (Dreikurs 2014: 130). Dabei ist zu beachten, dass ein Mensch ohne die Hilfe eines Ratgebers keine Möglichkeit hat, seinen Lebensstil zu erkennen und damit auch Veränderungen anzugehen.
2.3. Weg
Dreikurs erkennt vier Phasen der Lebensstilländerung in der Psychotherapie (:124ff).
I. Herstellung der Beziehung: Da es sich bei der Lebensstilländerung um eine intime Aufgabe handelt, bedarf es gegenseitigen Vertrauens, Respekts, Achtung voreinander und Verständnisses. Keinesfalls darf der Berater versuchen, seine eigenen Ziele zu realisieren. Da alles, was „in der Behandlung geschieht [...] im gemeinsamen Einvernehmen geschehen“ muss, ist die Auftragsklärung bei der Beratung sehr wichtig.
II. Analyse der gegenwärtigen Situation: Zunächst geht es darum, den Patienten über seine Probleme, Schwierigkeiten und Beweggründe für die Hilfesuche erzählen zu lassen. Dabei muss der Berater aktiv zuhören, d.h. jede Information daraufhin untersuchen, inwiefern sich ein Muster erkennen lässt. Durch zielgerichtete Fragen kann die subjektive Lage verstanden werden. Anschließend wird untersucht, wie der Patient sich tatsächlich in den Aufgaben seines Lebens verhält. Nun kann der Lebensstil erkannt werden. Dabei ist die Familienkonstellation hilfreich, da man dadurch die für den Lebensstil prägendsten ersten Lebensjahre rekonstruieren kann (vgl.:127). Außerdem sind die ersten Kindheitserinnerungen von großer Bedeutung, da man sich nur an diejenigen Erlebnisse der Kindheit erinnert, welche „einem in die Einstellung des Lebens hineinpassen. Wenn man weiß, an was sich jemand erinnert, dann weiß man, wie er das Leben ansieht“ (:129).
III. Enthüllung der Ziele als stärkstes Mittel der Veränderung: Keinesfalls darf dem Patienten gezeigt werden „was er ist oder was er hat, Fähigkeiten oder Schwä- chen, Eigenschaften oder Komplexe“ (: 131). Es geht darum, die Ziele und den Zweck des Verhaltens zu erklären und dem Individuum dadurch die Möglichkeit zu geben, Handlungsalternativen zu erkennen. Besonders wichtig ist dabei, dass es sich um eine mögliche Erklärung oder Arbeitshypothese des Ratgebers handelt, welche der Ratsuchende nicht annehmen, sondern prüfen müsse. „Unter diesen Vorsichtsmaßnahmen sind die meisten Menschen nicht nur bereit, sondern sogar interessiert und befreit, weil sie plötzlich zu verstehen beginnen, was sie tun und lassen“ (:132).
IV. Umstellung: „Im Vordergrund steht immer das Bemühen [...] zu zeigen, daß seine Fehlerhaftigkeit eine Absicht hat“ (:133). Jeder Mensch ist selbstbestimmt und selbstverantwortlich für sein Leben. Dies muss man dem Ratsuchenden immer wieder neu bewusst machen, da dies die Basis für jede Umstellung ist. Die zentrale Frage lautet somit: „Und was wirst du damit anfangen, damit tun?“(:133). Als Hilfsmittel empfiehlt Dreikurs die Ermutigung. „Falsche Vorstellungen und falsche Methoden stammen von der Angst vor dem Versagen“ (:134) und zeigen sich in Minderwert und Überkompensation. Hilft man dem Ratsuchenden sich von diesen Gefühlen zu befreien, so wird das Gemeinschaftsgefühl verstärkt und Wertemaßstäbe werden verändert, welche den Ratsuchenden zuvor fehlgeleitet haben (vgl. ebd.). Somit ermöglicht erst der Ratgebende Veränderung bei zeitgleicher Eigenverantwortung des Ratsuchenden.
3. Veränderung durch den Heiligen Geist
Entsprechend des apostolischen Glaubensbekenntnisses glauben Christen an den Heiligen Geist. Dieser Heilige Geist ist der Geist Gottes, welcher Teil der göttlichen Trinität ist. Dieser hat nach Joh. 16,13 das Ziel, Jesus zu verherrlichen. Der Heilige Geist wirkt dabei soteriologisch (d.h. rettend und erneuernd), transformativ (d.h. verändernd), charismatisch (d.h. befähigend und Gabenspenden) und pädagogisch (d.h. leitend) an Menschen (vgl. Afflerbach 2016: 2). Diese vier Wirkungsbereiche werden nie explizit benannt und lassen sich nicht klar voneinander abgrenzen. Dennoch helfen sie dabei, das Wirken des Heiligen Geistes in Worten darzulegen.
Im Neuen Testament (zukünftig mit NT abgekürzt) meint Veränderung eine vom Heiligen Geist „initiierte Wirksamkeit zur Umgestaltung der Person in das Bild von Christi hinein“ (:51). In der Einteilung von Horst Afflerbach ist Veränderung primär in den Bereichen soteriologisches und transformatives Wirken einzuordnen.
3.1. Ziel
Die Schöpfungsberichte zeigen, dass der Mensch als Gottes Ebenbild und zur Beziehung zu Gott sowie zur Beziehung zu seiner Umwelt geschaffen wurde. Doch der Sündenfall verdeutlicht, dass der Mensch ein gefallenes Geschöpf ist und daher verändert werden muss.
Veränderung durch Gottes Geist hat entsprechend Röm 8,29 zum Ziel, dass Menschen Jesus ähnlich werden und „in denselben Kraftbereich wie er“ (Baumann 1979: 541) kommen, sodass man „entsprechend den hell. Mysterienreligionen, von einer »Vergottung« bzw. einer »Verchristung« sprechen“ (ebd.) kann. Inwiefern diese Ver- änderung/Vergottung in das Bild Christi schon hier auf der Erde geschieht, ist umstritten. So zeigt Pöhlmann auf, dass der Kontext von Röm 8 darauf deutet, dass Paulus hier von der künftigen Herrlichkeit spricht, weshalb manche Theologen diese Aussagen rein zukünftig deuten (vgl. Pöhlmann 1992: 689). Auch wird nicht deutlich, „ob das hier als »Gleichgestaltung« mit Christus beschriebene Gesehenen als Seinsoder Wesensverwandlung oder als Wechsel der Identität“ (ebd.) verstanden wird.
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- Quote paper
- Erich Böke (Author), 2019, Unterscheidung und Gleichklang von therapeutischer Lebensstiländerung und Veränderung durch den Heiligen Geist, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1032807
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