I. Einleitung
Dieses Thema wurde von mir unter der Fragestellung bearbeitet, wie die Nationalsozialisten es geschafft haben, in einer Zeit vor 1933, wo das politische Bewusstsein sehr groß war, die Macht zu erlangen.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass zu dieser Zeit viele Parteien existierten und die KPD in der Bevölkerung sehr stark verbreitet war. Auch die SPD hatte eine breite Basis. Es gab keine Familie, in der es nicht den einen oder anderen Sympathisanten in die eine oder andere politische Richtung gab. Auch auf der Straße gab es viele Gruppen, die sich politisch äußerten (Wandervögel u.s.w.).
Wie also kam es, dass eine Gesellschaft mit hohem politischen Bewusstsein sich derart „überrumpeln“ ließ. Ich persönlich sehe eine der Ursachen darin, dass die Nationalsozialisten die Klaviatur der Rhetorik beherrschten. Sie selbst prägten dafür einen Begriff: Propaganda.
II. Verwendung der Sprache im Nationalsozialismus
1. Propaganda
Das Phänomen des Nationalsozialismus und die Fakten, die dieses Phänomen für die Welt des 20. Jahrhunderts geschaffen hatten, können in ihrer Ursache nur dann in angemessener Weise hinterfragt werden, wenn man ihr Zustandekommen auch als das Ergebnis einer hochgradigen effizienten Öffentlichkeitsarbeit von grausamer Perfektion begreift. Ohne die Leistungsfähigkeit ihrer Propaganda wäre es den Nationalsozialisten kaum möglich gewesen, ihr „Drittes Reich“ zu errichten, geschweige denn, sich und ihre , Mitte der zwanziger Jahre noch unbekannten Partei überhaupt Gehör zu verschaffen.
Im zweiten Band von „Mein Kampf“ betont Adolf Hitler 1928 die Bedeutung einer schlagkräftigen Propaganda und definiert ihre Aufgaben:
Die Aufgabe der Propaganda ist die Gewinnung von Menschen für die spätere Organisation1. Die Propaganda versucht eine Lehre dem ganzen Volk aufzuzwingen.2. Wenn die Propaganda ein ganzes Volk mit einer Idee erfüllt hat, kann die Organisation mit einer Handvoll Menschen Konsequenzen ziehen3.
Hitlers Ausführung über die „Bedeutung der Rede“ zeigt eindrucksvoll, welcher Mittel sich die Propaganda bedienen darf. Es sind dies eine „Primitivität der Sprache“, eine „Ursprünglichkeit ihrer Ausdruckformen“, denn die Rede eines Staatsmannes zu seinem Volk habe sich nicht zu messen nach dem Eindruck, den sie bei einem Professor macht, sondern an der Wirkung, die sie auf das Volk ausübt4
Eine Propaganda darf nach der Überzeugung Hitlers nicht überzeugen oder überreden, sondern sie muss „eine Lehre aufzwingen“, sie muss eine vorgeformte Weltsicht feilbieten und deren Übernahme als unbedingt notwendig darstellen. Hierbei ist jedes Mittel recht.
Es stellt sich aber die Frage, wie erreicht man die breite Masse der Menschen, die nicht zu Parteiveranstaltungen geht. Hierbei half den Nationalsozialisten eine geniale Erfindung: Der Rundfunk.
Nach der Machtergreifung der Nazis sollte es allen Volksschichten möglich sein am Rundfunk teilzunehmen. Es wurde ein sogenannter „Volksempfänger VE 301 entwickelt und auf den Markt gebracht. Unter dem Motto: „Ganz Deuts chland hört den Führer“ sollte damit der Rundfunk die Propaganda in die Wohnstube des kleinen Mannes bringen.
Die Bezeichnung 301 war dabei keine richtige Typenbezeichnung, sondern sollte vielmehr an den Tag der Machtergreifung, den 30.01.1933 erinnern. Damit sich auch jedermann das Gerät leisten konnte, war es möglich den Volksempfänger auch in Raten abzubezahlen. Der Händler stellte dafür eine VE Sparbüchse zur Verfügung.
Wie aber war diese Sprache derer sich die Nationalsozialisten bedienten aufgebaut und welcher Stilmittel bediente sie sich:
2. Grundlagen der politischen Rede
Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde ihre Sprache von einer Sprache der Gruppen, zu einer Sprache des Volkes, d.h. durch ihre permanente Präsenz (Lautsprecher, Radio, Wochenschau und Plakate) bemächtigte sie sich aller privaten und öffentlichen Bereiche. Der Nazismus, ging dem Volk durch die Einzelworte, die Redewendungen und die Satzformen, die in millionenfacher Wiederholung aufgezwungen und dann von diesem unbewusst übernommen wurde, in Fleisch und Blut über. „Wenn einer lange genug für heldisch und tugendhaft , fanatisch sagt, glaubt er schließlich wirklich, ein Fanatiker sei ein tugendhafter Held und ohne Fanatismus könne man kein Held sein“5
Das dritte Reich hat die wenigsten Worte seiner Sprache selbst erfunden. Die Nationalsozialisten greifen meist auf Worte zurück, die es vorher schon gegeben hatte in der Zeit vor Hitler. Als Beispiel sei das Wort Fanatismus genannt:: Vor Hitler hatte es eine eher negat ive Bedeutung, es steht im Deutschen unübersetzbar und immer als wertender Ausdruck mit starker Negation. Die Nazis begannen es als positives Wertwort zu gebrauchen. Z.B. unsere in der Normandie „fanatisch kämpfenden Truppen“. Es gab keinen Festtag ohne ein „fanatisches Gelöbnis“.6 Sie änderten Wortwert und Häufigkeit, machten zum Allgemeingut was früher nur ihrer Gruppe verständlich war. Sie machten die Sprache ihrem System dienstbar und gewannen dadurch ihr bestes Werbemittel. Das diese Sprache auf ihrem Höhepunkt eine Sprache des Glaubens war bzw. sein musste, versteht sich fast von selbst, denn sie zielte auf den Fanatismus. Doch das seltsame war, das sie sich an das Christentum lehnte. Beispiele dafür gibt es genug: So lautete die Antwort eines Lehrlings auf die Prüfungsfrage: Was kommt nach dem Dritten Reich, nichts kommt nach dem Dritten Reich, das Dritte Reich ist das ewige Reich der Deutschen. Weitere Schlagworte worin die Anlehnung an das Christentum deutlich wird waren: „Auferstehung des Großdeutsc hen Reiches“, „ewige Wache“.7 Oft erwähnte Hitler auch die „Vorsehung“.
Auffällig war, dass Hitler nicht immer sprach, er ließ reden. Der Führer durfte auch nicht alle Tage reden, dies verlieh ihm einen besonderen Nimbus, denn „die Gottheit muss im allgemeinen über den Wolken thronen und soll sich über seine Priester artikulieren“8.
Goebbels selbst sagte kurz vor dem Einmarsch in Russland: Wir brauchen nicht zu wissen was der Führer tun will, wir glauben an ihn.9
III. Spezifische Wortwendungen im Nationalsozialismus
Es stellt sich nun die Frage, wie waren diese Reden gestaltet, was für Wortwendungen tauchen immer wieder auf. Zuerst fällt auf, dass das Wort „Volk“ oft verwendet wird. Z.B. Volksgenossen,. Volksgemeinschaft, Volksnah usw. Dies hatte den Zweck, dem Bürger zu vermitteln, dass alles ein Teil von ihnen ist und sie wiederum ein Teil vom Ganzen, vom Staat und seinen Institutionen. Ebenso häufig fällt das Wort: „Sturm“. In meine Augen steht diese Wort für die NSDAP weil sie nicht skeptisch, nicht abwägend und nicht willensschwach wie die Epoche davor sei wollte. Es spiegelt das Wesen des Nationalsozialismus wieder, weil Bewegung (= Sturm) der Kern dieses Systems war. Die Nazis wollten Handeln, das Gesetz des Handelns nicht aus der Hand geben. Der ganze Sprachschatz ist von dem Willen zur Bewegung, zum Handeln beherrscht.
Beispiele dafür sind: Sturmabteilung (SA), Volkssturm, Reitersturm (Teil derß), Sturmtruppe (das Heer), ihr Kampfblatt hieß „Stürmer“, Blitzkrieg. Aber ebenso wichtig wie die Wortwahl, war die Art wie geredet wurde. Hitler selbst redete einmal salbungsvoll, dann wieder höhnisch. Es sind die Tonarten zwischen denen er immer zu wechseln liebte.
In einer Rede zum Ausdruck kommender Hohn entspricht einem ironischen Ausführungszeichen. Es gab fast keinen die Reden zitierende Zeitungsartikel in dem es von diesem Zeichen nicht wimmelte. Und eben dieses ironische Ausführungszeichen setzt Zweifel in die Wahrheit des Zitierens, erklärt von sich aus den Ausspruch zur Lüge. In der Sprache der Nationalsozialisten überwiegte der ironische Gebrauch. Weil sie immer einen Feind haben mussten und ihnen Neutralität zuwider war.
Daneben war das Aufzählen eigener Erfolge und die höhnische Beschimpfung der Gegner im Sprachgebrauch wichtig. Was die Nationalsozialisten bis zum Abwinken gebrauchten war die Superlative. Denn das Superlativ ist das Hauptwirkungsmittel des Redners und Agitators, es ist die Reklameform. Deshalb hatte die NSDAP auch den Anspruch, dass nur sie es benutzen durfte. So war es verboten für Geschäftswerbung das Superlativ zu benutzen. Wenn z.B. geschrieben wurde: Sie werden durch geschulteste Fachkräfte bedient, mussten die Geschäftsleute statt dessen geschult allenfalls gut geschult daraus machen.10
Auffällig ist auch, dass in den Reden oft die Situation des Krieges mit einem Sportereignis verglichen wurde. Beispiele aus dem Boxsport: „... wischen uns das Blut aus den Augen ...“, „... geht es in die nächste Runde...“, „... fest auf den Beinen stehen ...“, „... ein Volk das bisher nur mit der Linken geboxt hat und eben dabei ist, seine Rechte zu bandagieren, um sie in der nächsten Runde rücksichtslos in Gebrauch zu nehmen.“, oder aus dem Fußballsport: „Wir kämpften ausschließlich im gegnerischen Strafraum.“11
Wenn man sich in Erinnerung ruft, was Goebbels sagte: „Wir müssen die Sprache sprechen, die das Volk versteht. Wer zum Volke reden will, muss, wie Martin Luther sagt, dem Volke aufs Maul schauen“12. Orte dieser Reden war der Sportpalast. Dort sprach Goebbels am häufigsten. Von dort kam auch seine Rede zum totalen Krieg, die als Sportpalast-Rede in die Geschichte einging.
Es wurden aber auch eindeutige Begriffe umgewandelt oder umgedeutet, so dass der Sinn bzw. das Verständnis für die Bevölkerung ein anderer wurde. So sprach man vom Afrikafeldzug als „Vorfeld Afrika“, man deutete damit an, dass es ungefährdet aufgegeben werden kann ohne Entscheidendes zu verlieren. Der Rückzug wurde zur „Frontbegradigung“. Die Niederlage wurde zum „Rückschlag“, die den Vormarsch nicht beendete sondern nur aufhielt. Durchbrüche des Feindes gelangen nie, es waren immer nur „Einbrüche“, schlimmstenfalls tiefe Einbrüche, welche aber aufzuhalten waren.
IV. Schlussbetrachtung
Adolf Hitlers Figur wurde faszinierend durch seine Sprache. Und die Sprache hatte wiederum die Aufgabe diese Faszination - welche von Adolf Hitler zweifellos auf die damalige Bevölkerung ausging - aufzubauen und zu erhalten. Die Sprache war es, die die Menschen dazu trieb, ihn zu bejubeln. So standen beim Einmarsch in Österreich über eine Millionen Menschen auf dem Heldenplatz in Wien und jubelten ihm zu, obwohl er gerade ihr Land annektiert hatte. Ja sogar von seinen Opfern gab es den Ausspruch: „Und wenn von uns ein paar Prozent gegen ihn sind; lassen sie ihn hier nur eine einzige Rede halten und alle gehören ihm wieder, alle! Ich habe ihn am Anfang als ihn in Norddeutschland noch niemand kannte, wiederholt in München sprechen hören. Niemand hatte ihm widerstanden, ich auch nicht. Man kann ihm nicht widerstehen.“13
Man darf aber nicht vergessen, dass die Reden im Nationalsozialismus immer von einer theatralischen Rahmenhandlung (Fackeln, Massenaufmärsche, Umzüge) begleitet wurden, die auffallende Ähnlichkeit mit den Opern Wagners hatten. Die damalige Wagner-Mode, die sich in den Vornamen der Kinder niederschlug (z.B. Horst, Sieglinde,Siegfried) und der Wagner-Kult in der Bevölkerung machte es ihm leicht, Menschen zu begeistern. Wenn man dann noch bedenkt, dass Hitler selbst ein großer Anhänger bzw. Bewunderer Wagners war, erkennt man, dass dies kein Zufall war.
Gleichsam schaffte es der Nationalsozialismus mit seiner Sprache innerhalb der Bevölkerung einen gemeinsamen ständig präsenten Feind zu schaffen: Die Juden. Hitler selbst gab dafür das oberste Gesetz heraus: Lass deine Hörer nicht zum kritischen Denken kommen, behandle alles simplisch! Wenn du von mehreren Gegnern sprichst, so könnten mache auf die Idee verfallen, das du, der einzelne, vielleicht im Unrecht bist. Bringe die vielen auf einen Nenner, klammere sie zusammen, gib ihnen Gemeinsamkeit.14
Im Großen und Ganzen bestand die Sprache des Nationalsozialismus aus vier Faktoren:
1. Alles vereinfachen
2. Den Gegner verhöhnen
3. Sich selbst und seinen Worten Größe verleihen
4. Einen gemeinsamen Feind schaffen.
Diese Faktoren erklären zwar manches, aber nicht alles. Vielleicht liegt dies auch an der deutschen Mentalität: Der entscheidende Charakterzug der deutschen Geistesbewegung heißt Grenzenlosigkeit.15 Eben diese Missachtung jeder Grenze ist wirklich eine deutsche Eigenschaft. Wir verfolgen hartnäckig ein Ziel, selbst in schlechter Sache und nennen es Treue. Dabei wollen wir immer alles 100%ig machen. Wir waren überzeugte Anhänger eines Monarchen, einer Republik, eines Diktators, der Demokratie oder des Kommunismus. Vielleicht sollten wir lernen, die jeweiligen Repräsentanten zu hinterfragen und auf ihre Sprache zu achten. Denn immer noch es ist die Sprache, auch die verschleierte und beschönigte, die das Ziel und die Richtung des Redners verrät. Deshalb hört genau hin und hinterfragt den Propagandisten.
[...]
1 Adolf Hitler, Mein Kampf, S. 654
2 ders., S. 652
3 ders., S. 653
4 Hitler, Mein Kampf, S. 534
5 Victor Klemperer, LTI, S. 27
6 Klemperer, S. 80
7 ders., S. 144
8 ders., S. 146
9 ders., S. 147
10 Klemperer, S 281
11 ders., S. 299
12 ders., S. 297
13 Klemperer, S. 74
14 ders., S. 225
15 Klemperer, S. 182
- Citation du texte
- Michael Spenglere (Auteur), 2000, Sprache im Nationalsozialismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103151
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