Wie können Technologien innovativer Start-ups bewertet werden? Das Ziel der Arbeit ist es, eine systematische und praxistaugliche Methode zur Bewertung von Technologien innovativer Start-ups aus der Perspektive eines VC-Gebers zu erarbeiten. Zur Erreichung der Zielsetzung wurden verschiedene Studien über die Investitionskriterien innovativer Start-ups sowie deren Einfluss auf den zukünftigen Erfolg der Beteiligungsunternehmen analysiert. Die aus der Literatur identifizierten 18 Erfolgsfaktoren konnten in die Dimensionen Technologieattraktivität und Ressourcenstärke unterteilt werden und anhand der Scoring-Methode quantitativ bewertet und in einem Technologie-Portfolio integriert werden. Anschließend wurde das konzipierte Technologiebewertungssystem anhand von neun Experten aus der VC-Branche validiert. Ergebnis der Arbeit ist somit ein validiertes Modell zur Bewertung von Technologien innovativer Start-ups.
In der Literatur und Praxis besteht Einigkeit darüber, dass Technologien als wesentliche Innovations- und Wettbewerbstreiber sowie als Überlebensdeterminanten von Unternehmen betrachtet werden können. Haupttreiber dieser innovativen Technologien stellen Start-ups dar. Bedingt durch hohe Investitionen und erst zeitlich versetzten Einzahlungen benötigen vor allem Start-ups in der Seed- und Wachstumsphase Kapital von Investoren. Da der Wert dieser innovativen Start-ups sich allerdings zumeist ausschließlich in den Wachstumsmöglichkeiten dieser innovativen Technologie widerspiegelt und konventionelle Bewertungstechniken für Start-up Technologien aufgrund des innovativen Charakters der Technologien nicht verwendet werden können, stehen Unternehmensgründer sowie die VC-Finanziers vor der Herausforderung das Potential der Technologie zu evaluieren.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einführung in die Thematik
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Terminologie und Begriffsabgrenzung
2.1.1 Innovation
2.1.2 Technologie
2.1.3 Besonderheiten innovativer Start-ups
2.1.4 Venture Capital
2.1.4.1 Der idealtypische Verlauf einer Venture Capital Finanzierung
2.1.4.2 Venture Capital-Prozess
2.2 Strategische Analyseansätze
2.2.1 Portfolio-Methode als strategisches Instrument der Ressourcenallokation
2.2.2 Geschäftsmodell-Entwicklung nach dem Ansatz von Osterwalder und Pigneur
2.2.3 Das Fünf-Kräfte Modell nach Porter
3 Technologiebewertungsmodell
3.1 Überblick ausgewählter Technologie-Portfolio Ansätze
3.1.1 Grundlagen und historische Entwicklung von Technologie-Portfolios
3.1.2 Varianten zur Verbesserung der Portfolio-Analyse
3.1.3 Das Beschreibungsraster für die bestehenden Technologie-Portfolio-Ansätze
3.1.4 Technologie-Portfolio (Pfeiffer et al., 1982)
3.1.5 Technologie-Portfolio (McKinsey, 1982)
3.1.6 Technologie-Portfolio (Booz, Allen & Hamilton, 1983)
3.1.7 Technologie-Portfolio (Arthur D. Little, 1985)
3.1.8 Vergleichende Zusammenfassung der Ansätze
3.2 Stand der Forschung
3.2.1 Bewertungsprobleme innovativer Start-ups
3.2.2 Literaturanalyse zu Studien über qualitative Bewertungsfaktoren für die Beteiligungsentscheidung von VCG
3.2.2.1 Management
3.2.2.1.1 Vollständigkeit der erforderlichen Kompetenzen
3.2.2.1.2 Erfolgsbilanz/ Erfahrungen
3.2.2.1.3 Motivation und Incentivierung
3.2.2.1.4 Organisationsstruktur
3.2.2.1.5 Emotionale Intelligenz/ Sozialkompetenz
3.2.2.1.6 Besetzung des Aufsichtsrats/ wissenschaftlichen Beirats
3.2.2.2 Markt
3.2.2.2.1 Bedrohung durch neue Anbieter
3.2.2.2.2 Rivalität innerhalb der Branche
3.2.2.2.3 Bedrohung durch Ersatzprodukte
3.2.2.2.4 Verhandlungsmacht von Kunden
3.2.2.2.5 Verhandlungsmacht der Lieferanten
3.2.2.2.6 Marktpotential
3.2.2.2.7 Kunden
3.2.2.2.8 Politisch-rechtliches Umfeld
3.2.2.2.9 Kosten & Umsatzkalkulation
3.2.2.2.10 Marktakzeptanz
3.2.2.3 Produkt/ Technologie
3.2.2.3.1 Patentschutz o.Ä
3.2.2.3.2 Unique Selling Proposition
3.2.2.3.3 Strategische Kooperationen & Allianzen
3.2.2.3.4 Innovationsmanagement
3.2.2.3.5 Produkteinführungszeit
3.2.2.3.6 Funktionierender Prototyp
3.2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse
4 Entwicklung eines Technologiebewertungssystems für innovative Start-ups
4.1 Konzeption des Bewertungsmodells
4.1.1 Konzeptionelle und inhaltliche Anforderungen an das Bewertungsmodell
4.1.2 Ableitung relevanter Bestandteile eines Technologiebewertungssystems anhand des Technologie-Portfolios von Pfeiffer et al. (1982)
4.1.3 Ableitung relevanter Kriterien eines Technologiebewertungssystems anhand der Entscheidungskriterien von VCG
4.1.3.1 Markt
4.1.3.1.1 Marktpotential
4.1.3.1.2 Marktakzeptanz
4.1.3.1.3 Bedrohung durch neue Anbieter
4.1.3.1.4 Brancheninterne Rivalität
4.1.3.1.5 Bedrohung durch neue Ersatzprodukte
4.1.3.1.6 Verhandlungsmacht von Kunden
4.1.3.1.7 Verhandlungsmacht von Lieferanten
4.1.3.1.8 Strategische Kategorie der Technologie
4.1.3.2 Staat
4.1.3.2.1 Politisch-rechtliches Umfeld
4.1.3.3 Technologie
4.1.3.3.1 Schutzmöglichkeiten
4.1.3.4 Unique Selling Proposition
4.1.3.5 Strategische Kooperationen & Allianzen
4.1.3.6 Time-To-Market
4.1.3.6.1 Funktionierender Prototyp
4.1.3.7 Management
4.1.3.7.1 Vollständigkeit der erforderlichen Kompetenzen
4.1.3.7.2 Track Record/ Branchenerfahrung
4.1.3.7.3 Führungsqualität/ Emotionale Intelligenz
4.1.3.8 Commitment
4.1.4 Bewertungsmethodik
4.1.4.1 Das Scoring-Modell als Bewertungsverfahren
4.1.4.2 Bewertung von Technologien innovativer Start-ups
4.1.4.3 Auswertung des Technologie-Portfolios
4.2 Excel-Tool für eine rechnergestützte Anwendung
4.3 Darstellung des validierten Technologiebewertungssystems
5 Fazit und Ausblick
6 Anhang
Anhang A: Teaser der Masterthesis
Anhang B: Webbasierte Umfrage mit FormAssembly
Anhang C: Interviewleitfaden
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
et al. et alli/ et aliae/ et alia
bzw. beziehungsweise
z.B. zum Beispiel
bspw. beispielsweise
F&E Forschung und Entwicklung
VC Venture Capital, Venture Capitalists
VCG Venture Capital Gesellschaften
Etc. et cetera
MECE mutually exclusive and collectively exhaustive
PU Portfoliounternehmen
sog. sogenanntes
CTO Chief Technical Officer
CEO Chief Executive Officer
CFO Chief Financial Officer
USP Unique Selling Proposition
o.Ä. oder Ähnliches
g Marktwachstum
Mg Marktgröße
MVP Minimum Viable Product
Abstract
In der Literatur und Praxis besteht Einigkeit darüber, dass Technologien als wesentliche Innovations- und Wettbewerbstreiber sowie als Überlebensdeterminanten von Unternehmen betrachtet werden können (Hartmann: 2013: 358). Haupttreiber dieser innovativen Technologien stellen Start-ups dar. Bedingt durch hohe Investitionen und erst zeitlich versetzten Einzahlungen benötigen vor allem Start-ups in der Seed- und Wachstumsphase Kapital von Investoren (Wittenberg, 2006: 98). Da der Wert dieser innovativen Start-ups sich allerdings zumeist ausschließlich in den Wachstumsmöglichkeiten dieser innovativen Technologie widerspiegelt und konventionelle Bewertungstechniken für Start-up Technologien aufgrund des innovativen Charakters der Technologien nicht verwendet werden können, stehen Unternehmensgründer sowie die VC-Finanziers vor der Herausforderung das Potential der Technologie zu evaluieren. Vor diesem Hintergrund strebt die vorliegende Arbeit die Beantwortung der folgenden Frage an: Wie können Technologien innovativer Start-ups bewertet werden? Das Ziel der Arbeit ist es, eine systematische und praxistaugliche Methode zur Bewertung von Technologien innovativer Start-ups aus der Perspektive eines VC-Gebers zu erarbeiten. Zur Erreichung der Zielsetzung wurden verschiedene Studien über die Investitionskriterien innovativer Start-ups sowie deren Einfluss auf den zukünftigen Erfolg der Beteiligungsunternehmen analysiert. Die aus der Literatur identifizierten 18 Erfolgsfaktoren konnten in die Dimensionen Technologieattraktivität und Ressourcenstärke unterteilt werden und anhand der Scoring-Methode quantitativ bewertet und in einem Technologie-Portfolio integriert werden. Anschließend wurde das konzipierte Technologiebewertungssystem anhand von neun Experten aus der VC-Branche validiert. Ergebnis der Arbeit ist somit ein validiertes Modell zur Bewertung von Technologien innovativer Start-ups.
In dieser Arbeit wird aus Gründen einer flüssigeren Lesbarkeit bewusst auf die Genderrechtschreibung verzichtet. Es sind jedoch stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint.
1 Einführung in die Thematik
1.1 Problemstellung
„Technology is evolving from a functional silo to a foundation for break-through innovation in products, services, and business models” (Ringel, Taylor, & Zablit, 2015: 17)
Innovation – die Idee, Entwicklung und Vermarktung von neuen Produkten, Dienstleistungen oder Unternehmen – ist unbestreitbar eine der wichtigsten strategischen und operativen Hebel, die den Führungskräften zur Verfügung stehen, um Wettbewerbsvorteile zu schaffen (Birchall, Chanaron, Tovstiga, & Hillenbrand, 2011: 1; Dulkeith, & Schepurek: 5, 2013; Dainiene & Dagiliene, 2014: 589). Innovation gewinnt kontinuierlich an Bedeutung. So gaben in der jährlichen Boston Consulting Group Umfrage zum Stand der Innovation in Unternehmen, 79 % der Befragten an, Innovation als Top-Priorität oder als Top-3-Priorität in ihrem Unternehmen zu bewerten (Ringel, Taylor, & Zablit, 2015: 3). Das ist seit Beginn der jährlichen Umfrage im Jahr 2005 der höchste Prozentsatz und zeigt damit die zunehmende Bedeutung von Innovation in Unternehmen auf. Diese wachsende Bedeutung spiegelt sich auch in den stetig steigenden Ausgaben für Forschung und Entwicklung des Wirtschaftssektors Deutschland wider: Die Ausgaben stiegen von 30.334 Mio. EUR im Jahr 1998 auf 62.425 Mio. EUR im Jahr 2015 und haben sich somit mehr als verdoppelt (Statistisches Bundesamt, 2017).
Besonders in Start-ups, die über ein hohes Innovationspotential verfügen, fließen viele Aufbauinvestitionen in immaterielle Vermögenswerte wie z.B. Know-how, Technologie oder Mitarbeiter. Bedingt durch hohe Investitionen und erst zeitlich versetzten Einzahlungen benötigen vor allem Start-ups in der Gründungs- und Wachstumsphase Kapital von Investoren (Wittenberg, 2006: 98). Der Wert dieser innovativen Start-ups spiegelt sich allerdings zumeist ausschließlich in den Wachstumsmöglichkeiten einer schützungsfähigen Idee und ihrem Humankapital wider. Durch das Fehlen von aussagekräftigen Vergangenheitsdaten der Start-ups und der unbestimmbaren Erfolgswahrscheinlichkeit der innovativen Idee, können konventionelle Bewertungstechniken für Start-up Technologien nicht verwendet werden. Um die hohen zukünftigen Investitionssummen und den Einsatz des investierten Kapitals vor Investoren rechtfertigen zu können, stehen Unternehmensgründer somit vor der Herausforderung das Potential ihrer Technologie und die Ressourcenstärke ihres Start-ups bewerten zu können. Für die Finanziers der Wachstumsphase von Start-ups wie Business Angels, Family Offices und vor allem VCG stellt sich die Frage, auf welcher Basis Entscheidungen für eine Investition und gegen eine Investition getätigt werden. Mit dem Ziel möglichst frühzeitig aussichtsreiche „Highflyer“ zu identifizieren, sich zu beteiligen und am rasanten Erfolg des Technologie Start-ups zu partizipieren, benötigen Investoren eine adäquate Methode zur Evaluierung und Klassifizierung der Technologie (Everling, Riedel, & Weimerskirch, 2000: 5). Somit besteht sowohl für innovative Start-ups als auch Investoren der Bedarf nach einer möglichst effektiven und effizienten Beurteilung von Technologien.
Trotz der in der Literatur und Praxis unumstrittenen Bedeutung von Innovationen für Wachstum und langfristigen Erfolg von Unternehmen, besteht erheblicher Forschungsbedarf in Bezug auf die Bewertung von Innovationen. In der Praxis existieren zwar unterschiedliche auf Erfahrungswerten beruhende Bewertungstechniken, doch zeichnen sich diese häufig durch geringe Systematik und theoretische Fundierung aus. Nicht selten erfolgt die Bewertung eines Start-ups und damit inbegriffen ihrer Technologie nach einem „guten Gefühl“ der jeweiligen Venture Capitalists (im Folgenden VC) (MacMillan, Zemann, & Subbanarasimha, 1987: 124). Darüber hinaus besteht sowohl in der Praxis als auch in der Forschung Uneinigkeit über die bei der Technologiebewertung einzusetzenden qualitativen bzw. quantitativen Kriterien. So existiert bis dato kein umfassender Erklärungsansatz, welche Kriterien für die Bewertung von Technologien innovativer Start-ups heranzuziehen sind und wie eine ganzheitliche Bewertung komprimiert dargestellt werden kann. Aufkommende Fragen im Beurteilungsprozess potentieller Beteiligungsunternehmen der Venture Capital Gesellschaften (im Folgenden VCG) wie z.B. reicht das Technologie-Know-how des innovativen Start-ups aus, um das Projekt zu realisieren, existiert ein tragfähiger Markt oder wie wird die Technologie bzw. das Produkt-Know-how geschützt, werden bis dato oftmals anhand von unvollständigen Checklisten beantwortet (Riedel & Wilke, 2000: 20). Eine zusammenfassende Darstellung der für den Erfolg innovativer Start-ups verantwortlichen Kriterien existiert bis heute weder in der Theorie noch in der Praxis. Für die vorliegende Arbeit stellt sich somit die übergeordnete Frage wie Technologien innovativer Start-ups bewertet und anhand welcher Kriterien diese Evaluierung getätigt werden kann?
Eine Antwort auf diese Frage bieten zum Teil Innovations- und Technologie-Portfolios, welche zur Strukturierung von Entscheidungsprozessen im Technologie- und Innovationsbereich dienen und dabei schwierige Zusammenhänge durch Visualisierung aggregierter Größen für die Akteure veranschaulichen (Mieke & Nagel, 2015). Zu den bekanntesten und am häufigsten angewendeten Innovations- und Technologie-Portfolios zählen unter anderem die Technologie-Portfolios von Pfeiffer, Metze, Schneider und Amler (1982), McKinsey (1982) sowie Arthur D. Little (1983) als auch innovationsbezogenen Portfolios wie dem Darmstädter Portfolioansatz (1985). Portfolios bestehen oftmals aus einer zweidimensionalen Matrix, welche die von Unternehmen nicht beeinflussbaren, externen Parameter, den internen vom Unternehmen beeinflussbaren Parametern gegenüberstellt (Abele, 2006: 82). In Technologie-Portfolios werden häufig die Parameter „Technologieattraktivität“, als externe Dimension, der internen Dimension „Ressourcenstärke des Unternehmens“, gegenübergestellt. Nach Bewertung der einzelnen Subkriterien der zwei Dimensionen und Positionierung der Technologien in der Matrix, können zukünftige Aussichten der Technologie im Branchenwettbewerb evaluiert werden. Diese Portfolioansätze stellen allerdings vielmehr einen geeigneten Rahmen zur Visualisierung der Technologiebewertung dar, verfehlen jedoch eine ganzheitliche Betrachtung der Frühindikatoren des technologischen Erfolgs innovativer Start-ups.
VCG lösen diese Bewertungsproblematik durch die Analyse der potentiellen Beteiligungsunternehmen in Hinblick auf das Vorhandensein und Nicht-Vorhandensein von Erfolgsfaktoren. Diese Erfolgsfaktoren stammen aus einer Vielzahl an internationalen empirischen Forschungsarbeiten aus dem Bereich der Innovations-, Entrepreneur- und VC-Forschung sowie aus Erfahrungswerten von anderen erfolgreich durchgeführten Transaktionen. Da wesentliche Wertbeiträge der Technologien innovativer Start-ups erst zukünftig realisiert werden können und die Unternehmensentwicklung von verschiedenen internen sowie externen Faktoren abhängig ist, kann das Erfolgspotential und die damit einhergehende Wertableitung eines innovativen Start-ups mittels qualitativer und quantitativer Faktoren evaluiert werden. Demzufolge steht im Fokus dieser Arbeit die Entwicklung eines praxisrelevanten Bewertungsmodells von Technologien innovativer Start-ups, welches die relevanten qualitativen und quantitativen Kriterien der Technologiebewertung mit Hilfe einer Portfolio-Darstellungsweise verdichtet.
1.2 Zielsetzung
Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Arbeit eine systematische und praxistaugliche Methode zur Bewertung von Technologien innovativer Start-ups aus der Perspektive eines VC-Gebers, als bekannter Finanzier von innovativen Start-ups, erarbeitet. Basis für diese Systematik ist eine ausführliche Literaturanalyse im Bereich der Innovations-, Entrepreneur- sowie VC-Forschung sowie mehreren explorativen Gesprächen mit Experten aus dem VC-Sektor. Zur Erreichung der Zielsetzung wurden verschiedene Studien über die Investitionskriterien innovativer Start-ups sowie deren Einfluss auf den zukünftigen Erfolg der Beteiligungsunternehmen analysiert. Nachdem eine theoretische Fundierung von bestehenden Technologie-Portfolio-Ansätzen sowie relevanten Kriterien der Technologiebewertung aus der Innovations-, Entrepreneur- und VC-Forschung gelegt wurde, werden die identifizierten qualitativen Faktoren anschließend mit Hilfe der Scoring-Methode operationalisiert und in einem Technologie-Portfolio zusammengeführt.
Dieses übergreifende Technologiebewertungssystem soll so aufbereitet werden, dass das Modell als strategisches Instrument von Unternehmern und insbesondere VCG genutzt werden kann. Dabei wird vor allem auf dessen Konsistenz sowie die Anwendbarkeit auf innovative Start-ups geachtet.
Nach der Entwicklung des theoretischen Gerüsts, soll der Erfolg dieses Bewertungsmodells mit Hilfe von Experteninterviews aus der VC-Branche validiert werden. Nach anschließender Einarbeitung der Entwicklungspotentiale des Technologiebewertungssystems aus Sicht der Praxis, soll ein validiertes Bewertungssystem für Technologien innovativer Start-ups vorliegen. Dieses validierte Bewertungssystem soll darauffolgend für die „Conversational Service“-Innovation des Start-ups Fineway angewendet werden.
Die vorliegende Arbeit strebt demnach die Beantwortung der folgenden Forschungsfragen an:
1. „Wie können Technologien innovativer Start-ups bewertet werden?“
2. „Welche Kriterien sind für eine solche Bewertung von Relevanz und wie können diese in einer ganzheitlichen Betrachtung Anwendung finden?“
3. „Welche Gewichtung erhalten die relevanten Kriterien?“
4. „Wie muss ein solches Bewertungssystem modelliert werden, um von Unternehmern und Investoren akzeptiert zu werden?“
Ergebnis der Arbeit ist ein validiertes Modell zur Bewertung von Technologien innovativer Start-ups aus der Perspektive eines VC-Gebers. Da Start-ups als Haupttreiber von Innovationen betrachtet werden, dienen innovationsgetriebene Start-ups als Forschungsobjekt dieser Arbeit.
Die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit sind insbesondere für drei Zielgruppen interessant:
- VCG/ Anbieter von VC: VCG, als institutionelle Intermediäre, aber auch andere Unternehmen und Einzelpersonen, die innovative Start-ups finanzieren, erhalten neue Erkenntnisse zu den relevanten Technologie-Erfolgsindikatoren der Literatur und Praxis. Diese aus der Literatur und Praxis identifizierten Kriterien unterstützen VCG in der Entscheidungsfindung bzgl. der Aufnahme eines innovativen Start-ups in ihr Portfolio.
- Investoren: Investoren verlassen sich auf die Evaluierung der VCG, diejenigen Start-ups zu identifizieren, welche die größten Erfolgspotentiale haben. Durch die vorliegende Arbeit erhalten Investoren einen umfassenden Einblick in die für den Erfolg innovativer Start-ups relevanten Technologiebewertungskriterien. Durch diese Kenntnis sind Investoren zukünftig besser in der Lage, die von den VCG getroffenen Investitionsentscheidungen nachzuvollziehen. Die vorherrschende Informationsasymmetrie zwischen VCG und ihren Investoren kann somit durch das in der vorliegenden Arbeit konzipierte transparente Technologiebewertungssystem reduziert werden.
- Unternehmensgründer innovativer Start-ups: Für Unternehmensgründer innovativer Start-ups, die eine VC-Finanzierung anstreben, sind die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit von besonderem Interesse. So erhalten sie einen umfassenden Einblick in die für ihre Technologie relevanten Bewertungskriterien einer Investitionsentscheidung von VCG und können mit Hilfe der Bewertungsmethode prüfen, wie attraktiv das eigene Unternehmen für VC-Geber ist. Die an einer VC-Finanzierung interessierten Unternehmen werden somit für die entscheidenden Selektionskriterien und die damit verbundenen Qualitätsansprüche sensibilisiert. Darüber hinaus können sie durch die Kenntnis, der aus Sichtweise der VCG relevanten Technologiebewertungskriterien, den einzureichenden Geschäftsplan auf Basis der für eine Kapitalbereitstellung geknüpften Erfordernisse erstellen und somit eine bessere Vorbereitung auf den VC-Prozess erzielen. Das Technologiebewertungssystem vermittelt somit ein umfassendes Bild über die relevanten Beteiligungskriterien im Zuge der Beteiligungswürdigkeitsprüfung der VCG.
1.3 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel mit mehreren Unterkapiteln und entwickelt schrittweise ein Modell zur Technologiebewertung innovativer Start-ups. Der Aufbau der Arbeit wird in Abbildung 1.1. grafisch dargestellt.
In der Einleitung wird zunächst kurz auf die vorliegende Problemstellung bzw. Motivation der Arbeit und anschließend auf die Zielsetzung eingegangen.
Im zweiten Kapitel werden definitorische Grundlagen, die für das Verständnis im Verlauf der Arbeit unabdingbar sind, gelegt. Beginnend mit den Definitionen relevanter Begrifflichkeiten werden zunächst die Termini Innovation und Technologie voneinander abgegrenzt. Anschließend werden die Besonderheiten von innovativen Start-ups und VCG sowie der idealtypische Verlauf einer VC-Finanzierung und -Beurteilungsprüfung erläutert. Schließlich werden die zwei aus der Literatur und Praxis bekannten strategischen Analyseinstrumente, Porters Fünf-Kräfte-Modell sowie das Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur vorgestellt. Abschluss des Kapitels bildet die kurze Einführung in die Portfolio-Methode.
In Kapitel drei wird mit der Vorstellung der bekanntesten Technologie-Portfolios sowie der Untersuchung der relevanten qualitativen und quantitativen Kriterien der Technologiebewertung aus der Innovations-, Entrepreneur- und VC-Forschung, der Grundstein für den in der Arbeit entwickelten Technologiebewertungsansatz für innovative Start-ups gelegt.
In Kapitel vier erfolgt die Entwicklung des Technologiebewertungssystems für innovative Start-ups. Die aus der Literatur abgeleiteten relevanten qualitativen und quantitativen Kriterien der Technologiebewertung werden in ein ausgewähltes Technologie-Portfolio anhand einer Baumstruktur in die Dimensionen „Technologieattraktivität“ und „Ressourcenstärke des Unternehmens“ aggregiert. Darüber hinaus wird die Bewertung anhand der Scoring-Methode sowie die vier verschiedenen Handlungsempfehlungen für VCG vorgestellt. Am Ende des vierten Kapitels wird das Technologiebewertungssystem für innovative Start-ups dargestellt, welches zugleich die Basis für das darauffolgende Kapitel liefert.
Im fünften und letzten Kapitel werden die Ergebnisse und die Erreichung der Zielsetzung der Arbeit diskutiert. Den Abschluss der Arbeit bildet ein zusammenfassendes Fazit mit Ausblick auf weiteren Forschungs- bzw. Optimierungsbedarf.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Terminologie und Begriffsabgrenzung
In den folgenden Unterkapiteln wird auf die grundlegenden Begriffe eingegangen, die für das Verständnis im Verlauf der Arbeit unabdingbar sind und eine zentrale Rolle für den Inhalt dieser Arbeit spielen. Zunächst werden die beiden in der Theorie und Praxis oft synonym verwendeten Begriffe „Innovation“ und „Technologie“ voneinander abgegrenzt. Anschließend werden die Besonderheiten innovativer Start-ups sowie die Bedeutung des VC, als Finanzierungsform innovativer Start-ups, kurz dargestellt.
2.1.1 Innovation
Um Innovationen in Start-ups evaluieren zu können, muss zunächst geklärt werden, was unter dem Begriff „Innovation“ zu verstehen ist. Der Begriff Innovation leitet sich aus dem lateinischen Wort „innovatio“ ab, das sich wiederum aus „novus“ ableitet, und kann ins Deutsche mit „Erneuerung“ übersetzt werden (Völker et al., 2012: 18). Einen wesentlichen Beitrag zur Begriffsdefinition aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht hat Schumpeter mit seinem im Jahr 1912 veröffentlichten Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ geleistet. Schumpeter prägte durch seine Ausführungen bzgl. der „Durchsetzung neuer Faktorkombinationen“ die Innovationsforschung in hohem Maße (Möller, Menninger & Robers, 2011: 2). In späteren Werken definiert Schumpeter den Begriff Innovation als „die schöpferische Zerstörung des Alten durch das Neue“ und verweist damit auf die Neuartigkeit als entscheidendes Merkmal (Schumpeter, 1942, 1980: 134). Seit diesen ersten Anfängen der Begriffsdefinition der Innovation sind unzählige Werke zum Thema Innovation erschienen. Da der Begriff allerdings aus verschiedenen Forschungsperspektiven der Wissenschaft und Wirtschaftspraxis analysiert und die inhaltliche Ausgestaltung der Innovationsdefinition grundlegend durch das Erkenntnisinteresse des Forschers bestimmt wird (Tkotz, Munck, & Gleich, 2015: 28), existiert bis dato weder in der Praxis noch in der Wissenschaft ein allgemeingültiges Verständnis des Innovationsbegriffes.
Damit Innovation nicht zu einem „Buzzword“ wird, ist es für eine wissenschaftlich und anwendungsorientierte Betrachtung der vorliegenden Arbeit nötig, den Begriff Innovation vor dem Hintergrund innovativer Start-ups so zu definieren, dass Aussagen hinsichtlich einer Technologiebewertung möglich sind. Im Folgenden werden für ein verbessertes Verständnis des Innovationsbegriffes zunächst allgemeingültige konstitutive Merkmale aus der Literatur identifiziert.
Durch den Vergleich unterschiedlicher Innovationsdefinitionen leiten Hauschildt und Salomo (2011: 4) folgende Erkenntnis ab:
„Innovationen sind qualitativ neuartige Produkte oder Verfahren, die sich gegenüber einem Vergleichszustand „merklich“ – wie auch immer das zu bestimmen ist – unterscheiden“. (Hauschildt & Salomo, 2011: 4)
Hauschildt und Salomo (2011: 5) zielen mit dieser generischen Begriffsdefinition ähnlich wie Schumpeter vor allem auf eine wahrzunehmende Neuartigkeit (z.B. disruptive Neuheit, radikale Neuheit, Verbesserungs-Neuheit etc.) ab. Laut den beiden Forschern liegt eine Innovation lediglich bei einer neuartigen Zweck-Mittel Kombination vor. Demnach bietet Technologie entweder neue Mittel zur Erfüllung neuer Zwecke oder die Nachfrage setzt neue Zwecke, welche neue Mittel benötigen. Somit setzt sich die Neuartigkeit aus einer Verknüpfung der Zweck-Mittel-Kombination in einer bisher unbekannten Form zusammen (Hauschildt & Salomo, 2011: 5). So wird Innovation grundsätzlich in Zusammenhang mit etwas „Neuartigem“ beschrieben. Diese Neuartigkeit kann sich in Produkten, Verfahren, Vertragsformen, Vertriebswegen, Werbeaussagen oder einer neuen Corporate Identity widerspiegeln (Hauschildt & Salomo, 2011: 4).
Neben der Neuartigkeit als definitorisches Charakteristikum, identifizieren Hauschildt und Salomo (2011: 5) den Markt oder den innerbetrieblichen Einsatz als Verwertungsabsicht der Innovation. Demnach müssen die Produkte und Verfahren erfolgreich im Markt oder Unternehmen umgesetzt werden (Hauschildt & Salomo, 2011: 5). Die Marktkomponente findet sich auch in der Innovationsdefinition von Gerpott wieder:
„Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Innovationen von Unternehmen mit der Absicht der Verbesserung des eigenen wirtschaftlichen Erfolgs am Markt oder intern im Unternehmen eingeführte qualitative Neuerungen“ (Gerpott, 2005: 37).
Mit Hilfe der marktbezogenen Charakteristik können Innovationen von Inventionen, der reinen Ideenentwicklung, abgrenzt werden. Diese Erkenntnis wird von Roberts bereits im Jahr 1987 in einer Formel gebündelt: „Innovation = invention + exploitation“ (Roberts, 1987: 3). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die beiden Merkmale „Neuartigkeit“ und „Verwertungsabsicht am Markt oder intern im Unternehmen“ kennzeichnend für Innovationen sind. Die beiden allgemeingültigen Charakteristiken „Neuartigkeit“ und „Verwertungsabsicht am Markt oder intern im Unternehmen“ tragen zu einem verbesserten Verständnis des Innovationsbegriffs bei, lassen allerdings Fragen wie z.B. was als neu zu bezeichnen ist bzw. wer über die Neuartigkeit zu entscheiden hat, offen.
Die Beantwortung dieser Fragen identifiziert die differenzierenden Merkmale einer Innovation, welche zu einem verbesserten Verständnis des Terminus beitragen. Die differenzierenden Merkmale lassen sich nach Gerpott (2005: 37 ff.) in ergebnis- oder outputorientierte und prozessorientierte Dimensionen unterscheiden. Im Folgenden werden die beiden Betrachtungsweisen kurz dargestellt und durch weitere bekannte Innovationsforschungsarbeiten wie z.B. der von Hauschildt und Salomo (2011) ergänzt.
Ergebnisorientierte Sicht
Die ergebnisorientierte Sichtweise kann durch drei Merkmale differenziert werden: Das Innovationsobjekt („Was ist neu?“), den Innovationsgrad („Wie neu ist es?“) und die Bezugseinheit („Für wen ist es neu?“) (Hauschildt & Salomo, 2011: 7; Gerpott, 2005: 37).
1. Differenzierung nach dem Innovationsobjekt
Zu den Innovationsobjekten können Produkt-, Prozess-, Sozial- oder Dienstleistungsinnovationen gezählt werden (Hauschildt & Salomo, 2011: 5; Gemünden & Littkemann, 2007: 5; Gerpott, 2005: 38). Nach Hauschildt und Salomo können Prozess- und Produktinnovationen hinsichtlich des Ziel-/ und Durchsetzungsaspekts voneinander abgegrenzt werden (Hauschildt & Salomo, 2011: 5). Prozessinnovationen stellen demnach „neuartige Faktorkombinationen, durch die die Produktion eines bestimmten Gutes kostengünstiger, qualitativ hochwertiger, sicherer oder schneller erfolgen kann“ dar (Hauschildt & Salomo, 2011: 5). Zu Prozessinnovationen können technische Innovationen im Sinne neuer Fertigungsverfahren sowie Veränderungen von Prozessabläufen in unterstützenden Tätigkeiten gezählt werden (Tkotz, Munck & Robers, 2015: 29). Somit verfolgen Prozessinnovationen durch eine kostengünstigere, qualitativ hochwertigere oder schnellere Erstellung des Gutes bzw. der Dienstleistung, Effizienzziele und werden i.d.R. innerbetrieblich durchgesetzt (Tkotz, Munck & Robers, 2015: 29; Hauschildt & Salomo, 2011: 5).
Produktinnovationen offerieren nach Hauschildt und Salomo „eine Leistung, die dem Benutzer erlaubt, neue Zwecke zu erfüllen oder vorhandene Zwecke in einer völlig neuartigen Weise zu erfüllen“ (2011: 5). Demnach zielen Produktinnovationen auf Effektivität ab und werden am Markt umgesetzt. Dienstleistungsinnovationen werden nach Gemünden und Littkemann (2007: 5) zu den Produktinnovationen hinzugezählt, welche über den Markt, Erlöse für das Unternehmen erwirtschaften. Sie können sowohl selbstständig als auch produktbegleitend aufgebaut sein und sind immaterieller Natur (Liesebach, 2017: 21). Nach Tkotz, Munck und Robers bieten Produkt- und Dienstleistungsinnovationen eine Leistung an, die neue Zwecke erfüllt oder vorhandene Zwecke auf neuartige Weise löst (2015: 28). Somit zielen Produkt- und Dienstleistungsinnovationen auf die Lösung von Kundenproblemen ab.
Sozialinnovationen sind Neuerungen, die den Human- und Organisationsbereichen (z.B. abteilungsübergreifende Workshops von F&E- und Marketing-Mitarbeitern zum Abbau von Konflikten bei Neuprodukt-Einführungen) zugeordnet werden können (Gerpott, 2005: 38). Folglich begleiten bzw. ergänzen Sozialinnovationen den Innovationsprozess von Unternehmen durch die Organisationsentwicklung, zählen nach herrschender Meinung allerdings nicht zu den Hauptinteressen der Innovations- und Technologieforschung.
Für die Zwecke dieser Arbeit sind Sozial- und Prozessinnovationen von nachrangigem Interesse und werden aus diesem Grund nicht weiter betrachtet. Das Technologiebewertungssystem innovativer Start-ups der vorliegenden Arbeit, wird auf Basis von Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, die Kundenprobleme lösen und am Markt umgesetzt werden, entwickelt.
2. Differenzierung nach dem Innovationsgrad
Das Ausmaß der Neuartigkeit einer Produkt- bzw. Prozessinnovation kann zwischen den Extrempolen geringfügigen (inkrementalen) und fundamentalen (radikalen/ revolutionären) Innovationen unterschieden werden (Gerpott, 2005: 41). Während radikale Innovationen, welche oftmals auch als Basis-, Durchbruch- oder Pionierinnovationen bezeichnet werden, durch eine Neugestaltung von Produkt-/ Prozessbausteinen (quantitativer Innovationsgrad) charakterisiert sind und stärker naturwissenschaftlich-technische Erkenntnisse in das Produkt bzw. den Prozess einfließen lassen, sind inkrementale Produktinnovationen auf seit längerer Zeit etablierten Produkt-Markt-Feldern zu beobachten (Gerpott, 2005: 41). Inkrementale Produktinnovationen werden von Unternehmen häufig eingeführt, da sie ungenügend befriedigte Kundenbedürfnisse identifiziert haben und mittels eines modifizierten Produkts dieses Kundenproblem lösen möchten (Gerpott, 2005, S. 41). Somit lassen sich inkrementale Produktinnovationen als „Markt Pull“ (vom Markt nachgefragte) Neuerungen klassifizieren. Radikale Innovationen definieren völlig neue Märkte und verändern die Wettbewerbssituation durch neue Anbieter in einer Industrie maßgebend. Demnach lassen sich radikale Produkt- und Prozessinnovationen als „Technology Push“ (= von einer Technologie vorangetriebenen) Neuerung charakterisieren (Gerpott, 2005: 41). Zwischen den beiden Extrempolen existieren verschiedene Mischformen (Liesebach, 2017: 21).
Die Unterscheidung des jeweiligen Innovations- bzw. Neuheitsgrads von Produkten und Prozessen ist problematisch, da es sowohl in Theorie als auch in Praxis an akzeptierten Methoden zur Gewinnung operationaler und objektiver Messkriterien fehlt (Gerpott, 2005: 43). Nach Hauschildt und Salomo (2011: 12) kann das Ausmaß der Neuartigkeit einer Innovation durch verschiedene Methoden (Dichotomien, Ordinalskalen, Scoring-Modellen sowie multidimensionalen Ansätzen) bestimmt werden. Einigkeit in der Theorie besteht in der Erkenntnis, dass das Ausmaß der Neuartigkeit nach zumindest ordinal skalierten Größen bestimmt werden sollte. Besonders bekannte Dichotomien der Innovationsgrad-Unterscheidung wie „radikale versus inkrementale“, „revolutionäre versus evolutionäre“ sowie „diskontinuierliche versus kontinuierliche“ genießen aufgrund der fehlenden Kriterienzuweisung der einzelnen Begriffspaare sowie eines inhomogenen Verständnisses über die Trennlinie der Begriffspaare kein hohes Ansehen in der Wissenschaft (Völker et al., 2012: 20; Hauschildt & Salomo, 2011: 12). Aufgrund dessen wird das Technologiebewertungsmodell auf der Basis einer Nutzwertanalyse (Synonyme: Punktbewertungsmodell oder Scoring-Modell) aufgebaut. Die in Kapitel 4.1.4 vorgestellte Methode der Nutzwertanalyse stellt ein geeignetes Instrument zur Multikriterienbewertung dar und ermöglicht den Bewertenden, qualitative Kriterien durch subjektive Einschätzung bzw. objektive Messgrößen zu evaluieren.
3. Differenzierung nach der Bezugseinheit für die Feststellung der Neuheitseigenschaft
Durch dieses Präzisierungskriterium wird bestimmt, wer für die Beurteilung des Neuheitscharakters einer Innovation verantwortlich ist. Nach Gerpott kann der Neuheitsgrad von Produkten und Prozessen aus Sicht des Unternehmens, des Wettbewerbers bzw. des Kunden bewertet werden (2005: 46). Für Hauschildt und Salomo ist eine Innovation das, was für innovativ gehalten wird (Hauschildt & Salomo, 2011: 18). Die Forscher konstatieren, dass nicht der technische Wandel maßgeblich ist, sondern der Wandel des Bewusstseins (Hauschildt & Salomo, 2011: 18). Demnach ist für eine differenzierte Begriffsabgrenzung zu unterscheiden, wer für die Einschätzung des innovativen Zustands verantwortlich ist. Hauschildt und Salomo (2011: 18) differenzieren zwischen Experten, Führungskräften, der jeweiligen Branche, der Nation sowie verallgemeinernd der Menschheit. In der vorliegenden Arbeit wird die Technologie der innovativen Start-ups durch VCG und Unternehmensgründer bewertet.
Prozessorientierte Dimension
Neben der ergebnisorientieren Betrachtungsweise einer Innovation kann der Innovationsbegriff auch durch eine prozessorientierte Sichtweise differenziert werden. Der Innovationsprozess stellt nach Gerpott eine Abfolge von Aktivitäten und Entscheidungen dar, die zu einer Vermarktung eines neuen Produkts oder der Nutzung eines neuen Produktprozesses durch das Unternehmen selbst oder einem Kunden führt (2005: 48).
Demnach wird der für eine Innovation notwendige Zusammenhang von einer Folge von Aktivitäten und Entscheidungen, die für die Vermarktung des Produkts bzw. Nutzung eines neuen Prozesses im Unternehmen notwendig sind, prozessual dargestellt (Gerpott, 2005, 48). Je nach Definition des Start- und Endpunktes der Aktivitätenfolge können drei unterschiedliche Abgrenzungen eines Innovationsprozesses definiert werden:
Innovationsprozess im engeren Sinn:
Nach dem Innovationsprozess im engeren Sinn erfolgt der Ablaufstartpunkt bei der Einführung eines neuen Produkts am Markt oder eines internen Prozesses/ Verfahrens im Unternehmen. Im Vordergrund stehen demnach Aktivitäten wie der Entwicklung einer Marketing- und Vertriebsstrategie, der Beschaffung von Produktionsmitteln sowie der Auswahl von Zulieferern (Gerpott, 2005: 49). Das Prozessende erfolgt durch die Verfügbarkeit des Produkts in den Distributionskanälen (Gerpott, 2005: 49).
Innovationsprozess im erweiterten Sinn:
Der Ablaufstartpunkt des Innovationsprozesses im erweiterten Sinn erfolgt bei der Suche nach Ideen und Informationen, die als Anregung neuer Produkte und Prozesse dienen können (Gerpott, 2005: 49). Anschließend sind die aus dem ersten Schritt entstandenen Ideen in Hinblick auf ihren Beitrag zur Erreichung von F&E-/Unternehmenszielen zu bewerten (Gerpott, 2005: 50). Im nächsten Schritt werden die positiv bewerteten Ideen unter Berücksichtigung von Ressourcenverfügbarkeitsbeschränkungen in F&E-Vorhaben umgesetzt, die auf technisch verwertbare Innovationsergebnisse abzielen (Gerpott, 2005, 50). Abschließend wird wie nach dem Verständnis des Innovationsprozesses im engeren Sinne das „F&E-Ergebnis“ an die Produktion übergeben.
Innovationsprozess im weitesten Sinn:
Der Innovationsprozess im weitesten Sinn unterscheidet sich in Bezug auf den Innovationsprozess im erweiterten Sinn, lediglich durch den Prozessendpunkt und umfasst zusätzlich noch die erstmalige Ausbreitung bzw. der Erstkauf eines Produkts durch Kunden (Gerpott, 2005: 50).
Dieser in Abbildung 2.1 dargestellte idealtypische Innovationsprozess nach Gerpott findet in der vorliegenden Arbeit Verwendung, wobei der Fokus auf die Betrachtung „im weitesten Sinn“ gelegt wird. Da in der vorliegenden Arbeit ein Technologiebewertungssystem für einen transparenteren und effektiveren Beteiligungswürdigkeitsprozess von VCG entwickelt wird, gilt darüber hinaus die von Hartmann (2013: 257) formulierte Definition: Aus Sichtweise der Investoren bzw. der Unternehmensgründer innovativer Start-ups bedeutet Innovation, die richtige Technologie zu identifizieren (Effektivität) und diese produktiv und wirtschaftlich einzusetzen (Effizienz).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1 Abgrenzungen von betriebswirtschaftlichen Innovationsprozessen in Anlehnung an Gerpott (2005: 49) (eigene Darstellung)
2.1.2 Technologie
Trotz der weiten Verbreitung des Technologiebegriffs im gewöhnlichen Sprachgebrauch sowie auch in wissenschaftlichen Forschungsarbeiten existiert bis dato noch keine einheitlich allgemeingültige Definition. Der Technologiebegriff wird oftmals synonym mit dem Technikbegriff verwendet, wobei beiden Begriffen eine unterschiedliche Bedeutung zukommt. In der Theorie wird deshalb oftmals der Versuch der analytischen Trennung der beiden Begriffe Technologie und Technik unternommen. Zur Verdeutlichung und Abgrenzung der beiden Begrifflichkeiten werden nachfolgend in Tabelle 2.1 für Technologie, und Tabelle 2.2 für Technik, die in der Literatur bekanntesten Definitionen aufgeführt.
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Tabelle 2.1: Technologiedefinitionen aus der Literatur (eigene Darstellung)
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Tabelle 2.2: Technikdefinitionen aus der Literatur (eigene Darstellung)
Den Definitionen zufolge können durch Technologien praktische Probleme wissenschaftlich gelöst werden. Demnach kann unter Technologie Anwendungswissen über technisch-naturwissenschaftliche Phänomene verstanden werden, welche die Grundlage für die Entwicklung von Produkten und Prozessen bildet. Bekannte Wissenschaftsbereiche, welche zur anwendungsorientierten Ziel-Mittel-Beziehung einen Beitrag leisten können, sind unter anderem die Natur- (z.B. Physik, Biologie), Formal- (z.B. Mathematik, Informatik) sowie Ingenieurswissenschaften (z.B. Maschinenbau) (Gerpott, 2005: 17). Somit kann festgehalten werden, dass die Technologie die Wissenschaft bzw. das Wissen über die Technik darstellt und die Ausgangsbasis zur Entwicklung von Verfahren und Produkten ist (Hartmann, 2013: 257, Schuh et al., 2011: 34). Die daraus resultierenden Ergebnisse werden als Technik bezeichnet und stellen konkrete Anwendungen einer oder mehrerer Technologien zur konkreten Problemlösung dar (Schuh et al., 2011: 34).
Diese Art der Abgrenzung der beiden Begriffe Technik und Technologie ist allerdings zu hinterfragen, da Technologie nicht nur als Wissen von der Technik betrachtet werden sollte, sondern auch als Ausprägung des technischen Wissens in materiellen und immateriellen Objekten (Hartmann: 2013: 257 ff.). Schließlich basiert jede Technik auf eine oder mehreren Technologien und verkörpert somit deren Anwendung bzw. Materialisierung (Schuh et al., 2011: 34). Wenn bspw. eine Maschine als Technik wahrgenommen wird, repräsentiert diese gleichzeitig die zugrundeliegende Technologie bzw. die verschiedenen inkorporierten Technologien (Binder & Kantowsky, 1996: 90).
Diese Annahme kann durch einen Blick in die englischsprachige Literatur bestätigt werden. Im englischen Sprachgebrauch findet eine begriffliche Differenzierung der beiden Begriffe nicht statt. Der Begriff Technologie subsummiert vielmehr die beiden Denkweisen: Technologie als Wissen und Technologie als Anwendung/ Materialisierung (Binder & Kantowsky, 1996: 91).
Unter Technologie wird in der englischsprachigen Literatur folgende Definition verwendet:
„Systematic knowledge of and its application to industrial process; closely related to engineering and science.” (Binder & Kantowsky, 1996: 91)
Aufgrund dessen schlagen Binder und Kantowsky ein integratives Begriffsverständnis vor, das die strikte Trennung von Technologie als Wissen und Technik als Anwendung nicht weiterverfolgt. Nach Binder und Kantowsky beinhaltet „Technologie Wissen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Lösung technischer Probleme, sowie die Anlagen, Einrichtungen und Verfahren die dazu dienen, naturwissenschaftliche Erkenntnisse praktisch umzusetzen (Binder & Kantowsky, 1996: 91). Die Technik wird somit als Untersystem der Technologie verstanden. Das traditionelle Begriffsverständnis der Technik bleibt jedoch bestehen, dass Technik als Materialisierung der Technologie definiert wird. Somit wird Technologie als übergeordneter Begriff verwendet.
Neben den Ausführungen von Binder und Kantowsky, konstatiert Gerpott, dass Unternehmen Technologie stetig unter dem Gesichtspunkt der kommerziellen Verwertbarkeit am Markt bzw. der Umsetzbarkeit in innovative Technik betrachten (2005: 19). Das integrative Begriffsverständnis von Kantowsky und Binder findet sich auch in der weiteren Fassung des Technologiebegriffs wieder. In der weiteren Fassung wird Technologie nicht nur als Wissen von der Technik, sondern als Ausprägung des technischen Wissens in materiellen und immateriellen Objekten bezeichnet (Hartmann: 2013: 257 ff.). Das integrative Begriffsverständnis nach Binder & Kantowsky (siehe Abbildung 2.2) wird für die vorliegende Arbeit übernommen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2: Unterschiedliche Begriffsverständnisse für Technologie und Technik nach Binder & Kantowsky (1996: 92) (eigene Darstellung)
Die Diskussion bzgl. des Technologiebegriffs zeigt, dass es sich um einen vielschichtigen Terminus handelt. Neben den dargestellten Definitionen des Begriffs Technologie existieren verschiedene Klassifizierungsansätze, um den Terminus zu strukturieren. Die wohl bekannteste Methode zur Klassifizierung von Technologien ist eine Einstufung hinsichtlich des Wettbewerbspotentials bzw. Entwicklungsstadiums (Arthur D. Little, 1988: 38). Im Rahmen der Betriebswirtschaft und des Technologiemanagements hat sich das Technologielebenszyklus-Konzept von Arthur D. Little etabliert.
Das Technologielebenszyklus-Konzept basiert darauf, dass im Verlauf der Entwicklung einer Technologie Muster auftreten, welche der Verlaufsentwicklung biologischer Entstehungs-, Wachstums- und Degenerationsprozessen ähnlich sind (Specht et al., 2002: 64). Ziel des Technologielebenszyklus-Konzepts ist es, einen gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen der unabhängigen Variable, Zeit, und einer anderen unabhängigen Variable und Parametern der Technologieentwicklung zu finden, um den Entwicklungsverlauf einer Technologie zu determinieren (Specht et al., 2002: 64). Mit dem Konzept der Technologielebenszyklen werden somit idealtypische Entwicklungsverläufe von Technologien beschrieben (Schuh et al., 2011: 37). Das von der Unternehmensberatung Arthur D. Little entworfene Technologielebenszyklus-Modell zeigt dabei den Zusammenhang zwischen der Position einer Technologie zu einem bestimmten Zeitpunkt und dem Wettbewerbspotential auf (Schuh et al., 2011: 45). Danach ist der Technologielebenszyklus S-förmig und kann analog zum Produktlebenszyklus in die Phasen Entstehung, Wachstum, Reife und Alter unterteilt werden (Gerpott, 2005: 115 ff.). Den einzelnen Lebenszyklusphasen können anschließend aufgrund des sich ändernden wettbewerbsstrategischen Potentials, Technologietypen abgeleitet werden (Schuh et al., 2011: 45, Specht et al., 2002: 66). Die jeweiligen Phasen zeichnen sich dabei durch verschiedene Charakteristika aus, die in Abbildung 2.4 dargestellt sind. Nach dem Konzept des Technologielebenszyklus erfolgt eine Klassifizierung in Schrittmacher-, Schlüssel- und Basistechnologien. Hervorzuheben ist, dass das Modell um die Phase Forschung erweitert wurde, welche Zukunfts- und embryonische Technologien enthält, sowie um die Phase Degeneration, welche die verdrängten Technologien beinhaltet (Schallmo, 2013: 173). In Abbildung 2.3 ist diese Zuordnung graphisch dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.3: Das Technologielebenszyklusmodell in Anlehnung an Specht et al. (2002: 66) und Binder & Kantowsky (1996: 94) (eigene Darstellung)
Die zugeordneten Technologietypen lassen sich wie folgt erläutern (Hartmann, 2013: 260 ff., Schallmo, 2013: 174, Gerpott, 2005: 116, Specht et al., 2002: 67, Wolfrum, 1994: 6, Arthur D. Little, 1988: 38):
- Zukunftstechnologie/ Neue Technologien: Die Zukunftstechnologie befindet sich noch im Forschungsstadium und wird noch nicht innerhalb der Industrie eingesetzt. Da die wirtschaftliche Realisierung noch nicht erkennbar bzw. sehr unsicher ist, weisen Zukunftstechnologien ein hohes Investitionsrisiko auf.
- Schrittmachertechnologie: Schrittmachertechnologien befinden sich noch in einem frühen experimentellen Entwicklungsstadium und sind aufgrund dessen nur begrenzt auf dem Markt verfügbar. Potentielle Anwender können in dieser frühen Phase der Technologieentwicklung häufig keine spezifischen Aussagen dazu machen, unter welchen Bedingungen und in welchem Maße sie die Technologie einsetzen würden. Die Entwicklungs- sowie Einsatzpotentiale lassen sich nur schwer feststellen, sie weisen aber potentiell einen beträchtlichen Einfluss auf die Leistungsmerkmale sowie Kosten der gekoppelten Produkte auf. Aufgrund der geringen Verbreitung besitzen Schrittmachertechnologien ein hohes Entwicklungspotential, welches den Wettbewerb grundlegend verändern könnte. Daher sollte das Unternehmen in diejenigen Schrittmachertechnologien investieren, welche eine hohe zukünftige Relevanz erwarten lassen.
- Schlüsseltechnologie: Schlüsseltechnologien weisen ein beträchtliches Entwicklungs- und Einsatzpotential auf und bestimmen somit maßgeblich die Wettbewerbsfähigkeit. In der Wachstumsphase ist das anwendungsbezogene Wissen weiter ausgereift, so dass die Technologie praktisch realisiert werden kann. Schlüsseltechnologien werden von den wichtigsten Wettbewerbern eingesetzt und sind entscheidend für den Wettbewerbserfolg. Dieses hohe strategische Wettbewerbspotential wird allerdings im Laufe der Zeit abnehmen, da immer mehr Wettbewerber über das technische Know-how verfügen und die Technologie einsetzen. Allerdings können Unternehmen die Schlüsselrolle der Technologie lange erhalten, indem sie z.B. einen wirksamen Patentschutz aufbauen.
- Basistechnologie: Basistechnologien bieten kaum Spielraum zur Weiterentwicklung bzw. Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern. Sie werden im Normalfall von allen Marktakteuren in gleichem Maße beherrscht und sind in einer großen Bandbreite an Produkten und Prozessen etabliert. Da Basistechnologien von allen Wettbewerbern eingesetzt werden, bieten sie kaum eine Möglichkeit sich von diesen Wettbewerbern zu differenzieren. Eine Weiterentwicklung dieser Technologien sollte von Unternehmen aufgrund des geringen Wettbewerbspotentials in einem Minimum ausgeführt werden. Zu viele Unternehmen investieren in Basistechnologien, da sie das geringe Wettbewerbspotential ignorieren und aus Tradition an den Erfolgstechnologien der Vergangenheit festhalten.
- Verdrängte Technologie: In der Degenerations- und Verfallsphase nimmt das Wettbewerbspotential der Technologien immer mehr ab, bis sie letztendlich durch Substitutionstechnologien mit höheren Wettbewerbspotentialen abgelöst werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.4: Charakteristika der Technologietypen in Anlehnung an Schallmo et al. (2013: 174) und Gerpott (2005: 115 f.) (eigene Darstellung)
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Technologielebenszyklus-Konzept von Arthur D. Little verschiedene Entwicklungsphasen mit unterschiedlichem strategischen Wettbewerbspotential identifiziert. In der Praxis muss allerdings beachtet werden, dass nicht alle Technologien diesen idealtypischen Lebenszyklus durchlaufen (Wolfrum: 1994: 6). Z.B. können Schrittmachertechnologien, die sich im angestrebten Einsatzbereich nicht bewähren, nie das Stadium der Schlüsseltechnologie erreichen. Darüber hinaus kann die Klassifizierung der Technologie branchenabhängig variieren. So kann es sein, dass eine Technologie in einer Branche bereits als Basistechnologie deklariert ist, während in einer anderen Branche das Anwendungspotential erst erkannt wird und sie sich folglich noch im Stadium der Schrittmachertechnologie befindet.
Das Technologielebenszyklusmodell von Arthur D. Little ist mit dem in der Literatur und Praxis weit verbreiteten S-Kurvenkonzept von McKinsey eng verwandt (Völker et al., 2012: 61). Das S-Kurven Konzept von McKinsey beschreibt den Entwicklungsverlauf der Leistungsfähigkeit einer Technologie in Abhängigkeit vom kumulierten F&E-Aufwand. Damit wird der Faktor Zeit indirekt durch den kumulierten F&E-Aufwand miteinbezogen. Das S-Kurven-Konzept zeigt demnach das Verhältnis zwischen dem F&E-Aufwand für die Verbesserung einer Technologie und den Leistungssteigerungen, die durch diese Investitionen erzielt werden. Auf diese Weise schematisiert sie die Fortschritte einer Technologie (Wolfrum, 1994: 117). Die Aussagekraft des S-Kurven-Konzepts, welches in Abbildung 2.5 beispielhaft dargestellt ist, liegt vor allem darin, dass es Erkenntnisse zu den Leistungsgrenzen einer Technologie aufweist sowie rechtzeitig andere neue Technologien mit größerem Entwicklungspotential in den Fokus der Betrachtung stellt (Binder & Kantowsky, 1996: 95). Demnach kann die Differenz zwischen dem technischen Leistungslimit und dem realisierten Stand der Technik in einem Technologiebereich als das noch verbleibende technologische Potential erklärt werden (Wolfrum, 1994: 116). Eine S-Kurve bildet dabei die aktuelle Technologie ab, während eine zweite S-Kurve eine neue, noch nicht eingesetzte Technologie abbildet (Hartmann, 2013: 261). Nach der jeweiligen Positionierung der Technologie leiten die Autoren von McKinsey die ertragsgesetzlichen Technologieentwicklungen Start-, Boom- und Reifephase ab. In der Start-Phase weisen die Technologien relativ geringe, aber steigende Wachstumsraten auf. In der Boomphase nehmen die Wachstumsraten bis zum technologischen Durchbruch zu. Nach diesem Durchbruch flacht die S-Kurve in der Reife-Phase ab, da zusätzlicher F&E-Aufwand nur noch zu marginalen Leistungsverbesserungen führt (Specht et al., 2002: 70 ff.). Der abflachende Kurvenverlauf charakterisiert die Annäherung an die Leistungsgrenze der Technologie und stellt einen Indikator für eine strategische Verlagerung der F&E-Ressourcen hin zu neuen, leistungsfähigeren Substitutionstechnologien dar (Specht et al., 2002: 71).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.5: Das S-Kurven Prinzip nach McKinsey in Anlehnung an Specht et al. (2002: 70) (eigene Darstellung)
In der vorliegenden Arbeit wird Technologie in Anlehnung an Hartmann (2013: 257) als wesentlicher Innovations- und Wettbewerbstreiber für Unternehmen betrachtet. Im Folgenden werden die Begriffe Technologie und Innovation nicht getrennt voneinander betrachtet, vielmehr werden sie nach dem Verständnis des subsummierten Oberbegriffs technologische Innovation verstanden. Demnach ist die Zielsetzung einer jeden technologischen Innovation, im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg, die Schaffung einer Nutzeninnovation für den potentiellen Anwender (Wolfrum, 1994: 9).
2.1.3 Besonderheiten innovativer Start-ups
Der Terminus „innovative Start-ups“ wird in der Literatur und Praxis häufig synonym mit Begriffen wie „innovative Unternehmen“, „innovative Unternehmensgründungen“, „junge Technologieunternehmen“, „High-Tech-Gründungen“, „Technologie-Start-ups“, „Start-up-Unternehmen“, „junge Wachstumsunternehmen“ sowie „technologieorientierte Unternehmen“ verwendet. Die synonym verwendeten Begriffe zeigen erneut die sprachliche Verschmelzung der beiden Begrifflichkeiten Technologie und Innovation. Grundsätzlich werden unter den Begriffen, Unternehmen in der Neugründungsphase verstanden, die auf einer innovativen Produkt- oder Dienstleistungsidee beruhen und von der sich die Unternehmensgründer ein hohes Wachstumspotential versprechen. Aufgrund des hohen Wachstumspotentials sind innovative Start-ups, besonders für VCG, attraktive Investments. So bezeichnet der Begriff, nach der in der Entrepreneurforschung etablierten Definition, Unternehmen, die sich in lediglich einer von mehreren für VC-Investoren relevanten Entwicklungsphase befinden (Frei, 2006: 13). In der Literatur werden innovative Start-ups häufig als neugegründete Unternehmen, die als Kern ihrer Geschäftstätigkeit innovative Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen entwickeln und vermarkten, charakterisiert (Jablonski, 2000: 141; Baaken, 1989: 28). Eine ähnliche Definition findet sich in der Forschungsarbeit von Steinle & Bolz, welche Start-ups als rechtlich selbstständige Produktions- und Dienstleistungsunternehmen definieren, „deren Geschäftszweck vor allem in der Vermarktung von Gütern und Dienstleistungen besteht, die auf der Verwertung neuer technologischer Ideen, Forschungsergebnissen oder Systemen basieren (…)“ (Steinle & Bolz, 2008: 208).
Diese Definitionen gelten im nachfolgenden und werden inhaltlich wie folgt ergänzt:
Der Begriff innovative Start-ups wird für die Gesamtheit an Unternehmen verwendet, die als Kern ihrer Geschäftstätigkeit innovative Produkte und Dienstleistungen, welche auf neuen technologischen Ideen, Forschungsergebnissen und Systemen basieren, entwickeln und vermarkten sowie die aufgrund ihres Wachstumspotentials für VC-Finanzierungen in Frage kommen. Von Relevanz für diese Arbeit sind demnach Start-ups, die forschungs- und entwicklungsorientiert sowie wissensintensiv sind, einen hohen Kapitalbedarf aufweisen und den Innovationsaktivitäten eine zentrale Bedeutung zumessen.
Allgemein lassen sich folgende Merkmale von innovativen Start-ups zusammenfassen:
- Die Unternehmensführung innovativer Start-ups ist gründergeführt (Diehm, 2017: 23)
- Innovative Start-ups verfügen über eine kurze Unternehmenshistorie. Vergangenheitsdaten, die als Basis für Planungsaufgaben und zur Entscheidungsvorbereitung herangezogen werden könnten, sind daher altersbedingt begrenzt bis gar nicht vorhanden (Diehm, 2017: 21, Engel, 2003: 81).
- Innovative Start-ups entwickeln innovative Produkte und Dienstleistungen, die aufgrund ihres Neuheitscharakters wenige bis keine Prognosen für die zukünftige Unternehmensentwicklung zulassen (Baum & Silverman, 2004: 415, Gompers & Lerner, 2001: 23).
- Innovative Start-ups weisen einen sehr hohen Kapitalbedarf auf. Insbesondere in der Gründungsphase verfügen innovative Start-ups über limitierte Ressourcen. Neben finanziellen Mitteln für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, Produktion, Markteinführung, Aufbau der Organisation und Vertrieb, fehlen ihnen Netzwerk (strategische Partner), Kontakte und Wissen (Liesebach, 2017: 16, Baum & Silverman, 2004: 415; Engel, 2003: 92, Everling et al., 2000: 141).
- Innovative Start-ups sind in ihrer Entwicklung aufgrund ihres hohen Innovationsgrads stark von den im Unternehmen vorhandenen immateriellen Vermögensgegenständen abhängig. Diese immateriellen Ressourcen stellen die wesentlichen Assets für den Unternehmenserfolg dar. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor stellt dabei der Schutz dieses Wissens in Form von Patenten und Rechten dar (Engel, 2003: 82, Baaken, 1989: 28).
- Innovative Start-ups sind in den ersten Jahren ihrer Entwicklung durch große Chancen und hohe Risiken geprägt. Diesen hohen Risiken stehen allerdings überdurchschnittliche Chancen gegenüber. Bei einer positiven Unternehmensentwicklung kann sich der Wert eines Unternehmens innerhalb sehr kurzer Zeit um ein Vielfaches erhöhen. Die Gefahr des Scheiterns ist jedoch omnipräsent (Jablonski, 2000: 141).
2.1.4 Venture Capital
“Ninety percent of new entrepreneurial businesses that don´t attract venture capital fail within three years” (Gompers & Lerner, 2001: 21)
Das obige Zitat verweist auf die Bedeutung des Venture Capitals als wesentlicher Erfolgs- und Überlebensfaktor innovativer Start-ups. Der Begriff Venture Capital stammt aus dem Englischen und kann ins Deutsche mit Wagnis- oder Risikokapital übersetzt werden (Weitnauer, 2016: 3). Unter dem Begriff Venture Capital wird die Beteiligungsfinanzierung in Unternehmen, die zumindest zum Finanzierungszeitpunkt nicht börsenreif sind, verstanden (Schefczyk, 2006: 7). Die Besonderheiten innovativer Start-ups (siehe Kapitel 2.1.3) sowie der sich daraus ergebende finanzielle Aufwand in der Anfangsphase führt dazu, dass innovative Start-ups mit sehr hohem Risiko behaftet sind und somit eine Finanzierung über Kreditinstitute nicht in Frage kommt. Da ein erfolgreiches innovatives Start-up durch seine Vorreiterrolle demgegenüber aber auch wesentlich höhere Chancen auf starkes Wachstum und deutliche Wertsteigerungen in den ersten Jahren hat, kommen Risikokapitalgeber wie VCG ins Spiel (Jablonski: 2000: 139). Die VCG streben mit der Beteiligung der innovativen Start-ups die Erzielung einer möglichst hohen Rendite zum Ende der Beteiligung an (Diehm, 2017: 17). Die VCG fungieren dabei als Intermediäre der Kapitalgeber und führen die Finanzierungen durch (Schefczyk, 2006: 7). Somit haben VCG eine finanzwirtschaftliche Mittlerfunktion und investieren das Kapital ihrer Investoren direkt in die Unternehmen. Die Kapitelnehmer werden in der VC-Branche als Portfoliounternehmen (im Folgenden PU) bezeichnet.
Bedingt durch die amerikanischen Garagengründungen wie Apple, Microsoft oder AOL, wird VC als Anschubfinanzierung betrachtet. Durch VC können Unternehmen in der Frühphase eine bestehende Idee entwickeln (Weitnauer, 2016: 4). Die VC-Finanzierung unterscheidet sich im Gegensatz zur üblichen Bankenfinanzierung dadurch, dass sich der VC-Geber ohne Stellung von Sicherheiten durch die VC-Nehmer langfristig zur Finanzierung des unternehmerischen Vorhabens in Form haftenden Eigenkapitals verpflichtet (Weitnauer, 2016: 4). Der VC-Geber trägt wie die Unternehmer das unternehmerische Risiko sowie die Chancen des Gelingens und wird mit seiner Einlage haftender Partner der Unternehmer. Darüber hinaus erklärt sich der VC-Geber dazu bereit, aktive Managementunterstützung zu leisten (sog. Venture Management) (Weitnauer, 2016: 4). Im Gegenzug für das beschaffte Kapital, den managementunterstützenden Leistungen sowie des übernommenen Risikos, fordert der VC-Geber ein Kontroll- und Mitspracherecht ein, um an grundlegenden strategischen Entscheidungen beteiligt zu sein (Weitnauer, 2016: 5). In der Frühphase, in welcher das Unternehmensrisiko am höchsten ist, ist auch die Betreuungsintensität des VC-Gebers am höchsten, da in dieser Phase der größte Mehrwert durch die Beteiligung eines VC-Gebers geschaffen werden kann (Weitnauer, 2016: 5).
Neben auf Eigenkapital basierenden VC-Finanzierungen existieren mezzanine Beteiligungsformen, welche nicht zuletzt wegen des Beteiligungsmodells des High-Tech Gründerfonds (HTGF) zu einem wesentlichen Baustein der VC-Finanzierung geworden ist. Diese Art der Beteiligungsform, die gleichfalls ohne Sicherheiten und meist nur gegen Gewinnbeteiligung gewährt wird, stellt eine Mischform von Eigen- und Fremdkapital dar. Im Gegensatz zur Eigenkapitalbeteiligung weisen VC-Geber lediglich Kontroll- und Zustimmungsrechte auf (Weitnauer, 2016: 5).
Neben den verschiedenen Beteiligungsformen existieren darüber hinaus verschiedene Arten von VC-Gebern. Grundsätzlich können folgende Gruppen von VC-Gebern unterschieden werden (Weitnauer, 2016: 5 ff.):
- Unabhängige VC-Gesellschaften
- Business Angels
- Schwarmfinanzierung (Crowdinvesting)
- Inkubatoren/ Accelatoren
- Öffentliche VC-Fonds
- Industrielle Investoren/ Corporate VC
Für die vorliegende Arbeit sind insbesondere unabhängige VC-Gesellschaften als Risikofinanzierer im eigentlichen Sinne von Relevanz. Das Kapital wird in Fonds gesammelt, welche von Dachfonds und institutionellen Anlegern, wie Banken, Versicherungen oder Pensionskassen, gespeist werden können und aus denen die Investments getätigt werden (Weitnauer, 2016: 6). Dabei differenzieren sich die verschiedenen VC-Gesellschaften nach bestimmten Phasen der Unternehmensentwicklung sowie nach der Spezialisierung auf bestimmte Branchen.
Unabhängig von der Art der beteiligten VCG weisen VC-Finanzierungen im Allgemeinen fünf Charakteristika auf (Schefczyk, 2006: 10):
- Eigenkapitalfinanzierung: In der Regel steht im Zentrum einer VC-Finanzierung voll haftendes Eigenkapital.
- Minderheitsbeteiligung: VCG gehen üblicherweise Minderheitsbeteiligungen ein, damit der Charakter der PU als selbständiges Unternehmen mit hoher Eigeninitiative der Gründer erhalten bleibt.
- Zeitlich begrenztes Engagement: Obwohl das Beteiligungsverhältnis von VCG häufig unbegrenzt ist, verfolgen VCG primär befristete Beteiligungsabsichten von 5-10 Jahren.
- Kontroll- und Mitspracherecht: Die meisten VCG sind an grundlegenden strategischen Entscheidungen beteiligt. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass PU nicht im Sinne der VCG handeln.
- Managementfunktion: Zur Sicherung und Steigerung des Werts ihrer Beteiligungen und zur Risikominderung ist es üblich, dass VCG als beratende Manager für strategische und operative Themen eingesetzt werden. Somit nehmen VCG parallel zu ihrer Finanzierungsfunktion auch eine Management- und Beratungsfunktion bei ihren PU ein.
Abbildung 2.6 stellt das allgemeine Funktionsprinzip von VC zusammenfassend dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.6: Funktionsprinzip von Venture Capital in Anlehnung an Schefczyk (2006: 11) (eigene Darstellung)
2.1.4.1 Der idealtypische Verlauf einer Venture Capital Finanzierung
Der in der Literatur und Praxis idealtypische Verlauf einer VC-Finanzierung ist an die Phaseneinteilung des bekannten Produktlebenszyklus bzw. des Technologielebenszyklus angelehnt. Da innovative Start-ups oftmals Ein-Produkt-Unternehmungen darstellen, ist der Lebenszyklus der jungen Unternehmen anfänglich eng mit dem des Produkts verbunden. Erst in späteren Lebensphasen erfolgt eine Trennung der beiden Lebenszyklen (Eisele, Habermann, & Oesterle, 2002: 2). Der Verlauf einer VC-Finanzierung kann typischerweise in drei Entwicklungsphasen unterteilt werden: die Early Stage (Gründungsphase), die Expansion Stage (Wachstumsphase) und die Late Stage (Reife- und Sättigungsphase) (Engel, 2003: 25).
Im Folgenden werden die verschiedenen technologie- und branchenunabhängigen Merkmale innovativer Start-ups für jede der Entwicklungsphasen sowie die dazugehörigen Finanzierungsphasen kurz erläutert und in Abbildung 2.7 zusammenfassend dargestellt (Schefczyk, 2006: 24 ff., Engel, 2003: 25 ff., Eisele et al., 2002: 2 ff.):
Early-Stage
In der Early Stage Phase wird das Unternehmen gegründet sowie die Geschäftstätigkeit aufgenommen. Das Early Stage Segment kann in die Finanzierungsphasen Seed-, Start-up und First Stage unterteilt werden. In allen drei Phasen der Early Stage sind innovative Start-ups i.d.R. noch nicht profitabel.
In der Seed-Phase wird eine vorhandene Produktidee in ein konkretes Unternehmenskonzept umgesetzt sowie die Gründung der Unternehmung vorbereitet. Darüber hinaus werden erste Marktrecherchen sowie Machbarkeitsstudien durchgeführt, um die technische Realisierbarkeit der vorhandenen Produktidee bzw. die zukünftige Marktakzeptanz zu überprüfen. Neben der ständigen Weiterentwicklung des Geschäftsmodells wird kontinuierlich an der Entwicklung eines Prototyps (technischer Proof of Concept) gearbeitet. Erfolgsgarant der Seed-Phase ist ein umfassendes technisches Know-how der Unternehmensgründer. Darüber hinaus ist die Seed-Phase durch hohe Ausgaben charakterisiert, denen keine Einnahmen gegenüberstehen. Finanzmittel werden vor allem für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten genutzt, um schnellstmöglich einen Prototyp erstellen zu können. Als Investoren in dieser riskanten Phase können neben Familienangehörigen und Freunden der Gründer, staatliche Förderprogramme oder Business Angels gezählt werden. Ein Indikator für das Vertrauen in die eigene Produktidee stellt das finanzielle Engagement der Unternehmer dar.
In der Start-up Phase wird das Unternehmen gegründet und der aus der Seed Phase stammende Prototyp zu einem marktfähigen Produkt entwickelt. Darüber hinaus fallen in dieser Phase Aufgaben bezüglich der Produktions- und Vertriebsvorbereitungen sowie der Konzipierung eines Marketingkonzepts an. Im Fokus dieser Phase steht nicht mehr nur die Produktidee, sondern darüber hinaus die kommerzielle Umsetzung. Für die Beurteilung der Beteiligungswürdigkeit ist daher die Qualität des Managements als Erfolgsdeterminante zu berücksichtigen. Der Kapitalbedarf ist in dieser Entwicklungsstufe als hoch zu erachten. Dabei kann der Kapitalbedarf der Start-ups nur noch zu einem geringen Teil von Business Angels getragen werden. Neben den staatlichen Förderungsprogrammen treten VCG zum ersten Mal als potentielle Investoren auf.
In der First Phase wird die Produktion aufgenommen und das fertige Produkt auf dem Markt eingeführt. Während in den ersten beiden Phasen das technische Know-how als erfolgsentscheidend betrachtet werden konnte, gewinnen in der First Phase betriebswirtschaftliche Fähigkeiten an Bedeutung. Unternehmen, welche sich in dieser Lebenszyklus-Phase befinden, generieren bereits erste Umsatzerlöse, sind allerdings noch nicht profitabel. Der Kapitalbedarf wird in dieser Phase vor allem für Marketingaktivitäten und zusätzliches Personal in Vertrieb und Marketing benötigt. Hauptfinanzierungsquelle der First Phase stellen VCG dar.
Expansion Stage
In der Expansion Stage Phase befinden sich Unternehmen in der Wachstumsphase. Im VC-Kontext wird die Expansion Stage Phase oftmals auch als Second Stage Phase bezeichnet, da in dieser Phase eine zweite große Finanzierungsrunde ansteht. In der Second Stage Phase liegt der Fokus der Unternehmensaktivitäten auf der Ausweitung des Produktions- und Vertriebssystems, um eine vollständige Erschließung und Durchdringung der Inlandmärkte anzustreben. Im Lebenszyklusmodell eines innovativen Produkts entspricht die Unternehmensphase dem Übergang von der Diffusions- zur Reifephase, die durch bereits steigende Umsätze und das Erreichen der Gewinnschwelle charakterisiert ist. I.d.R. wird in dieser Phase der Break-even des Unternehmens erreicht. Neben einem abnehmenden technischen Entwicklungsrisiko führen die sich zunehmend abzeichnenden Markterfolge, sowie die gegenüber früheren Phasen superioren Informationen über das zu erwartende Marktvolumen, zu einer Reduzierung der Unsicherheit in Bezug auf die Marktakzeptanz des Erzeugnisses. Zur Finanzierung des Wachstums bedarf es weiterer Finanzmittel vonseiten der VCG, ein Teil der Finanzierung kann durch Selbstfinanzierung erfolgen. Darüber hinaus werden in dieser Phase innovative Start-ups zum ersten Mal interessant für Fremdkapitalfinanzierer, da das Unternehmensrisiko durch das erwirtschaften von Gewinnen deutlich zurückgegangen ist.
Late Stage
Die in der Early Stage und Expansion Stage Phase beschriebenen Finanzierungsstufen stellen den Kernbereich einer VC-Finanzierung dar. In der Late Stage Phase werden innovative Start-ups mithilfe einer Überbrückungsfinanzierung (Bridge Financing) auf den Börsengang bzw. Exit vorbereitet. Das Bridge Financing dient primär der finanziellen Überbrückung des Zeitraums bis zu einem Börsengang oder eines Verkaufes an industrielle oder finanzielle Investoren durch die Gewährleistung zusätzlicher Mittel. Zur Beurteilung der Beteiligungswürdigkeit kann auf umfassende Geschäftsberichte und eine zumeist gut entwickelte Organisationsstruktur zurückgegriffen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.7: Die unterschiedlichen Phasen einer Venture Capital Finanzierung in Anlehnung an Weitnauer (2016: 11 f.) und Schefczyk (2006: 28) (eigene Darstellung)
2.1.4.2 Venture Capital-Prozess
„What we have to do … is to implement a link between our portfolio strategy and the deals we want to have to fit the strategy. If we do not influence the deal flow we will end up with the wrong deals, that means with time and money consuming screening and analysis activities” (Zemke, 1995: 212 f.).
Die VC-Aktivitäten werden im Folgenden auf Basis des phasenorientierten Geschäftsmodells nach Schröder (1992: 40 ff.) und Zemke (1995: 209 ff.) beschrieben (vgl. Abbildung 2.9). Die sechsphasige Prozessdarstellung, auch als Wertkette bezeichnet, verbindet die einzelnen Zeitabschnitte einer mittelfristigen VC-Investition mit den erfolgsrelevanten Stellhebeln des Managements von VCG (Schefczyk, 2006: 23). Die einzelnen Phasen werden im Folgenden kurz beschrieben (Schefczyk, 2006: 23 ff., Zemke, 1995: 209 ff.). Da in der vorliegenden Arbeit ein Bewertungsmodell für die Auswahl erfolgsversprechender Technologien innovativer Start-ups für VC-Investoren entwickelt werden soll, steht bei der Beschreibung des phasenorientierten Geschäftsmodells Phase drei, die Beteiligungsprüfung, im Fokus:
Im ersten Phasenabschnitt, der Kapitalakquisition, steht im Zentrum die Kommunikation der Beteiligungspolitik in den Markt sowie die Einwerbung des Kapitals.
Im zweiten Phasenabschnitt, der als Beteiligungsakquisition oder als Deal Flow bezeichnet wird, werden erste Informationen über die PU durch persönliche Kontakte, Verbände oder Netzwerke gewonnen.
Im dritten Phasenabschnitt, der Beteiligungsüberprüfung, werden die einzelnen PU in einem mehrstufigen Prozess anhand verschiedener Beteiligungskriterien evaluiert. Häufig werden in der Praxis zunächst hunderte möglicher PU in Erwägung gezogen, bis eine Auswahl auf einige Dutzend eingeschränkt wird und anschließend Beteiligungsverhandlungen mit einigen dieser PU eingegangen werden. Das Ziel dieser Phase ist es, erfolgsversprechende Unternehmen von weniger erfolgsversprechenden Unternehmen zu differenzieren. Hierbei achten die VCG darauf, Engagements auszuwählen, die einerseits ihren Beurteilungskriterien entsprechen und andererseits für sich genommen ein möglichst gutes Rendite-/Risiko-Profil erwarten lassen. Des Weiteren streben VCG danach, portfoliobezogene Ziele umzusetzen, um unternehmensspezifische Risiken zu minimieren. Aufgrund dessen wählen VCG bevorzugt PU, deren unternehmerischen Risiken möglichst wenig korreliert sind.
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- Anonymous,, 2018, Technologiebewertung innovativer Start-ups, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1031362
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