Diabetes mellitus hat sich zu einem großen Gesundheitsproblem mit alarmierenden Dimensionen entwickelt. Weltweit leben ca. eine halbe Milliarde Menschen mit Diabetes. Diese Arbeit untersucht die gesundheitspolitische Bedeutung dieser Krankheit. Im Jahr 2000 lag die globale Schätzung der Diabetesprävalenz bei Personen im Alter zwischen 20 und 79 Jahren bei 151 Millionen. Dieses entsprach bereits den damaligen WHO-Schätzungen von 150 Millionen Betroffenen. Die Schätzungen unterschiedlichster Organisationen zeigen große Anstiege, welche sich sogar ausgehend vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2019 auf 463 Millionen verdreifacht haben. Mit Blick auf die Zukunft zeigt sich, dass die Diabetes-Auswirkungen mit großer Wahrscheinlichkeit weiter immens zunehmen werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Analyse des Gesundheitsproblems Typ-2-Diabetes
1.1 Definition Diabetes mellitus
1.2 Klassifikation Diabetes mellitus
1.3 Diagnostische Beurteilungskriterien für Typ-2-Diabetes
1.4 Ursachen und Risikofaktoren
1.5 Pathophysiologie
1.6 Daten zur Prävalenz und Inzidenz in Deutschland und im Saarland
1.7 Dunkelziffer
1.8 Begleit- und Folgeerkrankungen
1.8.1 Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
1.8.2 Diabetische Augenkrankheit
1.8.3 Diabetische Nierenerkrankung
1.8.4 Nerven/Gefäßschäden und der diabetische Fuß
1.9 Mortalität
1.10 Gesundheitspolitische Bedeutung
2 Literaturverzeichnis
3 Tabellen- und Abkürzungsverzeichnis
3.1 Tabellenverzeichnis
3.2 Abkürzungsverzeichnis
1 Analyse des Gesundheitsproblems Typ-2-Diabetes
Diabetes mellitus hat sich zu einem großen Gesundheitsproblem mit alarmierenden Dimensionen entwickelt. Weltweit leben ca. eine halbe Milliarde Menschen mit Diabetes. Im Jahr 2000 lag die globale Schätzung der Diabetesprävalenz bei Personen im Alter zwischen 20 und 79 Jahren bei 151 Millionen. Dieses entsprach bereits den damaligen WHO-Schätzungen von 150 Millionen Betroffenen. Die Schätzungen unterschiedlichster Organisationen zeigen große Anstiege, welche sich sogar ausgehend vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2019 auf 463 Millionen verdreifacht haben. Mit Blick auf die Zukunft zeigt sich, dass die Diabetes Auswirkungen mit großer Wahrscheinlichkeit weiter immens zunehmen werden (IDF Diabetes Atlas, 2019).
1.1 Definition Diabetes mellitus
Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung, welche durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel einer Person gekennzeichnet ist. Der Körper produziert das Hormon Insulin überhaupt nicht, nicht ausreichend genug oder kann das von ihm produzierte Insulin nicht effektiv nutzen. Das essentielle Hormon Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse produziert, welches insbesondere auch für den Fett- und Eiweißstoffwechsel unerlässlich ist. Der klinische Indikator für Diabetes sind erhöhte Blutzuckerwerte (Hyperglykämie). Ein Insulinmangel oder Zellen, die nicht auf Insulin reagieren, führen zu einer Hyperglykämie. Ein langfristiges, unkontrolliertes Insulindefizit kann viele Organe des Körpers schädigen. Sogar Behinderungen und lebensbedrohliche gesundheitliche Komplikationen können die Folge sein. Nierenschäden, Herz-Kreislauf- oder Augenkrankheiten sind nur einige Beispiele für Folgeschäden eines solchen Insulindefizites. Gerade deshalb ist ein sorgfältiger Umgang mit Diabetes nötig, um solche Komplikationen zu verzögern oder ganz zu vermeiden (IDF Diabetes Atlas, 2019).
Laut der World Health Organization [WHO] (1999) wird die Diagnose eines Diabetes mellitus bei der Überschreitung des Grenzwertes für den Nüchternblutzucker von 126 mg/dl (7,0 mmol/l) gestellt. Auch die Erreichung oder Überschreitung im sogenannten Glukosetoleranztest von 200 mg/dl (11,1 mmol/l) trägt dazu bei. Des Weiteren spricht für eine Diagnose von Diabetes mellitus das Zusammentreffen typischer klinischer Symptome wie beispielsweise Polydipsie, Polyurie oder Gewichtsabnahme mit einem durch Zufall gemessenen Blutzucker von >200 mg/dl (WHO, 1999).
1.2 Klassifikation Diabetes mellitus
Laut der American Diabetes Association [ADA] (2019) kann Diabetes in vier allgemeine Kategorien eingeteilt werden, welche im Folgenden tabellarisch dargestellt werden.
Tab. 1: Kategorisierung Diabetes mellitus (modifiziert nach ADA, 2019)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diabetes mellitus Typ 1 betreffen ca. 5-10% der Diabetiker. Früher wurde dieser als „juveniler Diabetes“ bezeichnet. Eine autoimmune Zerstörung der β-Zellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas), welche für die Insulinproduktion zuständig sind, führt normalerweise zu einem absoluten Insulinmangel. Die Ursache ist meist unbekannt und in Kombination mit einer Autoimmunreaktion. Es werden körpereigene Strukturen durch das Immunsystem angegriffen und die insulinproduzierenen Zellen der Pankreas zerstört (Hien, Böhm, Claudi-Böhm, Krämer & Kohlhas, 2013).
Diabetes mellitus Typ 2 [DMT2] betreffen ca. 90% der Diabetiker, welcher auch als „Altersdiabetes“ bezeichnet wird. Eine periphere Insulinresistenz ist hier die Ursache, wodurch Zellen der Muskulatur, Fettgewebe sowie Leber vermindert auf das Hormon Insulin ansprechen. Dies hat eine erhöhte Insulinproduktion zur Folge. Die Pankreas kann so erschöpft werden, dass es nach mehreren Jahren zu einen Insulinmangel führt. Laut Hien et al. (2013) liegt beim DMT2 ein relativer Insulinmangel vor, welcher durch eine verminderte Wirkung des Hormons Insulin (Insulinresistenz) und der Notwendigkeit zur Erhöhung der Insulinmenge bedingt wird.
GDM, auch Schwangerschaftsdiabetes genannt, betreffen 1-3% aller Schwangeren. Die Dunkelziffer ist jedoch deutlich höher. Gekennzeichnet ist diese Klassifizierung von Diabetes durch eine Störung des Kohlenhydratstoffwechsels während einer Schwangerschaft (Steffel & Lüscher, 2011). Die Diagnose findet im zweiten oder dritten Trimester der Schwangerschaft statt. Andere spezifische Formen von Diabetes werden aufgrund anderer Ursachen wie beispielsweise Pankreatitis oder Operationen bedingt (ADA, 2019).
1.3 Diagnostische Beurteilungskriterien für Typ-2-Diabetes
Im Folgenden werden die differenzialdiagnostischen Kriterien zur Unterscheidung für die Diabetestypen 1 und 2 bei der Diagnosestellung tabellarisch dargestellt. Die Daten wurden nach der Nationalen Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes ausgewertet (Petersmann et al., 2019).
Tab. 2: Differnzialdiagnostische Kriterien Diabetestyp 1 und 2 bei Diagnosestellung (modifiziert nach Petersmann et al., 2019)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Des Weiteren werden unter den Diagnosekriterien die „Gestörte Glukosetoleranz“ sowie die „Abnormal erhöhte Nüchternglukose-Werte“ definiert. Die „abnormale Nüchternglukose“ wird auch als IFG (impaired fasting glucose) bezeichnet. Diese ist für den Bereich der Nüchternglukose im venösen Plasma von 100-125 mg/dl (5,6 mmol – 6,9 mmol/l) zuständig. Die „Gestörte Glukosetoleranz“ wird auch als IGT (impaired glucose tolerance) bezeichnet und entspricht einem 2 Stunden Plasmaglukosewert im Oralen Glukosetoleranztest im Bereich von 140-199 mg/dl (7,8-11,0 mmol/l). Die Nüchternglukosewerte sind <126 mg/dl (<7,0 mmol/l). Ein IFG sowie IGT treten oftmals bei Menschen mit einer Glukoseverwertungsstörung auf (Petersmann et al., 2019).
1.4 Ursachen und Risikofaktoren
Es gibt verschiedene Ursachen für DMT2. Die spezifischen Ätiologien sind jedoch nicht bekannt. Trotzdessen kommt es zu keiner autoimmunen Zerstörung der β-Zellen und es können keine anderen bekannten Ursachen des Diabetes festgestellt werden. Kennzeichen der meisten Patienten mit DMT2 sind Übergewicht und Adipositas. Übergewicht kann einen gewissen Grad an Insulinresistenz verursachen. Aufgrund der gradialen Entwicklung der Hyperglykämie bleibt Typ-2-Diabetes oftmals viele Jahre lang undiagnostiziert. Häufig ist der Krankheitsverlauf in frühen Stadien nicht sehr schwerwiegend, sodass klassische Diabetessymptome nicht wahrgenommen werden (ADA, 2019).
Das Risiko für DMT2 wird durch veränderbare und nicht veränderbare Risikofaktoren bestimmt. Zu den nicht veränderbaren Risikofaktoren zählen Alter, Familiengeschichte/ Genetische Veranlagung, Ethnizität, Geschichte des GDM sowie ein polyzystisches Ovarialsyndrom [PCOS]. Als eines der bedeutendsten Risikofaktoren für DMT2 zählt das Alter. Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz von Diabetes sowohl bei Männern als auch bei Frauen an. Die Prävalenz bei Personen unter 60 Jahren liegt bei weniger als 10%. Bei Personen über 80 Jahren liegt sie hingegen bei mehr als 20% (Paulweber et al., 2010).
Tab. 4: Auswirkungen des Risikofaktors „Alter“ auf Diagnosekriterien (modifiziert nach Paulweber et al., 2010)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bezüglich des Risikofaktors Familiengeschichte/ Genetische Veranlagung kann festgehalten werden, dass eine große Anzahl genetischer Varianten das Risiko für DMT2 erhöhen können. Nach Paulweber et al. (2010) können 25 Genorte identifiziert werden, welche DMT2 beeinflussen können. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass weniger als 10% der genetischen Komponenten des Diabetes-Risikos, die genetischen Varianten erklären können. Wird die Familiengeschichte betrachtet zeigt sich, dass Kinder eines Elternteils mit DMT2 ein Risiko von 40% besitzen, an Diabetes zu erkranken. Das Risiko in der Allgemeinbevölkerung liegt lediglich bei etwa 7%. Bei eineiigen Zwillingspaaren ist das Auftreten dieser Erkrankung im hohen Grad konkordant (60-90%). Hingegen liegt bei zweieiigen Zwillingspaaren das Auftreten der Erkrankung zwischen 17 und 37%, welches weniger konkordant ist (Paulweber et al., 2010).
Ein weiterer Risikofaktor ist die Ethnizität. Einige ethnische Gruppen haben eine besondere Veranlagung DMT2 und eine Insulinresistenz zu entwickeln. Vor allem die Aussetzung ungünstiger Bedingungen spielt hier eine entscheidende Rolle. Des Weiteren können große Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen hinsichtlich der Prävalenz von Diabetes festgestellt werden. Beispielsweise haben asiatische Inder im Vergleich zu den Kaukasiern eine höhere Insulinresistenz, die zu einem erhöhten Risiko von DMT2 beiträgt (Paulweber et al., 2010).
GDM ist ein zusätzlicher Risikofaktor für Typ-2-Diabetes. Paulweber et al. (2010) stellen fest, dass es eine starke Korrelation zwischen der Entwicklung von DMT2 und einer GDM besteht. In untersuchten Studien konnte ein etwa 7,5-fach erhöhtes Risiko für DMT2 für Frauen mit GDM, im Vergleich zu Frauen mit einem normalen Verlauf der Schwangerschaft, identifiziert werden.
Ein letzter Risikofaktor laut Paulweber et al. (2010) ist das PCOS. Es ist eine häufig auftretende Störung des weiblichen Hormonhaushaltes und betrifft etwa 10% der Frauen. Oftmals treten viele belastende Begleiterscheinungen auf wie beispielsweise Akne oder Übergewicht. 10% der Frauen mit PCOS sind Diabetikerinnen und etwa 30% haben eine gestörte Glukosetoleranz. Auch wird beobachtet, dass endokrine Störungen bei ihnen ausgeprägter sind, welche zu einem hohen Risiko für DMT2 beitragen (Paulweber et al., 2010).
Zu den veränderbaren Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes zählen Übergewicht und Fettleibigkeit, körperliche Inaktivität, Störungen in der intrauterinen Entwicklung/Vorreifung, gestörte Nüchternglukose und gestörte Glukosetoleranz, das metabolische Syndrom, ernährungsbedingte Faktoren, diabetogene Medikamente, Depressionen, obesigenes/diabetogenes Umfeld sowie ein niedriger sozioökonomischer Status. Beispielsweise können Übergewicht oder körperliche Inaktivität zur Entwicklung von DMT2 beitragen, wobei vermutlich Übergewicht ein größeres Ausmaß des Risikos einnimmt. Des Weiteren konnte nachgewiesen werden, dass körperliche Aktivität für die Prävention von Diabetes ein entscheidender Faktor ist (Paulweber et al., 2010).
1.5 Pathophysiologie
Die Pathophysiologie des DMT2 ist multifaktoriell. Entscheidend ist vor allem eine sogenannte periphere Insulinresistenz der Körperzellen. Nach einer Phase gestörter Glukosetoleranz kommt es zu einer Überzuckerung (Hyperglykämie), die sich im weiteren Verlauf mit deutlich erhöhten Nüchternglukosewerten manifestiert. Faktoren für die Entstehung sind zum einen starke genetische Prädispositionen sowie zum anderen Adipositas. Durch die Insulinresistenz ist die Aufnahme von Glukose in die Muskel- und Fettzellen vermindert, was eine Hyperglykämie begünstigt. Pathophysiologisch erfolgt zusätzlich ein Wegfall der insulinvermittelten hemmenden Wirkung auf die Glukoneogenese in der Leber sowie auf die Glykogenolyse. Ferner kommt es insbesondere nach den Mahlzeiten in der Pankreas zu einer abnorm verminderten Insulinsekretion. Durch die Abfolge der genannten Ereignisse kommt es zu langfristigen Folgen, die sich oftmals erst spät manifestieren (insbesondere Ernährungs-, Nerven- und Gefäßschaden) (AMBOSS, 2020).
1.6 Daten zur Prävalenz und Inzidenz in Deutschland und im Saarland
Mit Blick auf die gesundheitliche Situation der saarländischen Bevölkerung zeigt sich durch den demographischen Wandel eine voraussichtliche Zunahme an vielen chronischen Erkrankungen im Alter, insbesondere DMT2. Die deutschlandweiten Daten können auf die gesundheitliche Situation der saarländischen Bevölkerung übertragen werden, da für diese nur vereinzelt Daten vorliegen.
Der Inzidenzwert des Diabetes beschreibt den Anteil aller Neuerkrankungen des dokumentierten Diabetes von allen Erwachsenen, welche gesetzlich krankenversichert und ohne dokumentierte Diagnose von Diabetes im Vorjahr sind. Unter einer Neuerkrankung wird das Vorliegen in vier Quartalen mindestens zweier ambulant gesicherter dokumentierter Diagnosen oder einer stationären dokumentierten Diagnose definiert (Robert-Koch-Instituts [RKI], 2019). Die Inzidenz des Diabetes stellt die absoluten Zahlen der Neuerkrankten dar, wodurch die Krankheitsdynamik eingeschätzt werden kann. Aufgrund der Rate von Neuerkrankungen kann die zukünftige Prävalenz und die erwartende Anzahl Erkrankter beeinflusst werden. Im Jahr 2012 betrug der Inzidenzwert in Deutschland des dokumentierten Diabetes von gesetzlich krankenversicherten Erwachsenen 1,2%. Dieses entspricht 560.762 Personen. Hinsichtlich der Altersgruppen zeigt sich, dass die Inzidenz mit dem Alter bei Frauen sowie bei Männern ansteigt. Der höchste Wert kann im Altersbereich ab 80 Jahren festgestellt werden (RKI, 2019). Es wird insgesamt die zunehmende Anzahl dokumentierter Neuerkrankungen mit steigendem Alter deutlich.
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- Alisa Schäfers (Author), 2020, Analyse des Gesundheitsproblems Typ2-Diabetes. Ein interdisziplinärer Ansatz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1031163
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