Wissenschaft als Beruf, definiert durch Intellektualismus und Intelligenz, konzentriert sich auf die Fähigkeit des Menschen. Dies schließt die Existenz und Involvierung Gottes, und seines Kreativen Geistes in Erarbeitung und Entdeckung neuer Ideen aus - und weißt Lücken in der Logik auf.
Essay zur Vorlesung „Entzauberung der Welt“
In seinem Aufsatz „Wissenschaft als Beruf“ aus dem Jahr 1919 bezeichnet Max Weber sich selbst als pedantischer Nationalökonom und als solcher erörtert er hier ausgiebig die Eigenschaften der erfolgreichen und wertvollen Wissenschaft bzw. des wissenschaftlichen Lehrers als gegensätzlich zu jedem Gottesglauben. Bei der Lektüre dieser nun schon mehr als einhundert Jahre alten Rede werfen sich Fragen von zeitlosem Charakter auf.
„Nichts ist für den Menschen als Menschen etwas wert, was er nicht mit Leidenschaft tun kann“1, führt Weber als Voraussetzung für ein erfolgreiches, berechtigtes, wertvolles Wissenschaftlertum auf. Diese Leidenschaft sei notwendig, um sich einer Spezialisierung widmen zu können, derer es für eine erfolgreiche Arbeit, oder zumindest zum Erlangen des Erfolgsgefühls bei der Arbeit in der Wissenschaft, bedarf. „Nur durch strenge Spezialisierung kann der wissenschaftliche Arbeiter tatsächlich das Vollgefühl, einmal und vielleicht nie wieder im Leben, sich zu eigen machen: hier habe ich etwas geleistet, was dauern wird.“2 Die erste Frage, die sich hier aufwirft, ist, ob mit dieser Spezialisierung jeder Gottesglaube ausgeschlossen wird. Sich der Wissenschaft so zu verschreiben, wie Weber es fordert, heißt gleichzeitig, sich mit dem Fortschritt der Wissenschaft, dem Intellektualismus und Rationalismus, zu verschreiben. Diese Art des Fortschrittes nennt er „Entzauberung“, denn die Wissenschaft funktioniert unter der Annahme, jeden Teil des Lebens berechnen und dadurch beherrschen zu können.3 Wenn das gelingt, braucht es keinen Herrscher der Welt mehr, keinen Gott, der souverän ist und das Gleichgewicht der Welt erhält.
Was sich allerdings nicht berechnen lässt, ist der Einfall, oder wie Weber es auch nennt, „die Eingebung“4. Dass sich der Einfall nicht erzwingen lässt, gesteht Weber ein. Er besteht jedoch darauf, dass sie auf „dem Boden ganz harter Arbeit“ erst „vorbereitet“ werden muss.5 Doch von wo kommt der Einfall? Ist er ein Produkt und eine logische Schlussfolgerung der „harten Arbeit“? Wenn nun dieser Einfall aber eine ganz andere Lösung hervorbringt als die bisherige Recherche, Berechnung und Arbeit voraussieht? Der Gedanke, dass Gott in Gemeinschaft mit Menschen lebt, die Arbeit des Menschen, seine Ideen und Überlegungen wahr- und ernst nimmt, und daraufhin den „Einfall“ von seiner Seite gibt, ist nicht sonderlich abwegig. Auch wenn Weber es nicht so nennt, klingt es doch in seiner Aussage über die Willkür des Einfalls heraus. „Der Einfall ersetzt nicht die Arbeit. Und die Arbeit ihrerseits kann den Einfall nicht ersetzen oder erzwingen, so wenig wie die Leidenschaft es tut. Beide – vor allem: zusammen – locken ihn. Aber er kommt, wenn es ihm, nicht, wenn es uns beliebt“6 sagt Weber.
Es scheint, als nähme Weber selbst nicht die Parallele wahr, die er hier zwischen dem Einfall und dem Pneuma zieht, welches er selbst später aufführt. „Die letzten und sublimsten Werte“ seien „zurückgetreten und aus der Öffentlichkeit … nur innerhalb der kleinsten Gesellschaftskreise“ sei das „jene(s) Etwas“ zu finden, „das dem entspricht, was früher als prophetisches Pneuma in stürmischem Feuer durch die großen Gemeinden ging und sie zusammenschweißte.“7 Dass das „Pneuma“ der Geist Gottes, eine lebendige Person ist, und nicht nur ein gewisser Enthusiasmus, eine Idee oder ein gemeinsamer Gedanke sein könnte, rechnet man als Wissenschaftler, und selbst oft als Theologe, nicht mit ein. Denn der Beruf des Wissenschaftlers nach Webers Definition ist „ein fachlich betriebener „Beruf“ … im Dienst der Selbstbesinnung und der Erkenntnis tatsächlicher Zusammenhänge, und nicht eine Heilsgüter und Offenbarungen spendende Gnadengabe“.8 Die Wissenschaft hat nicht das Ziel, Sinn zu bieten oder zu schaffen, rechnet nach dieser Definition aber auch gar nicht mit einem Sinn. Stattdessen soll sich der Wissenschaftler „schlichte(r) intellektuelle(r) Rechtschaffenheit“ als Tugend aneignen.9 Und anstatt mutlos und feige nach Relativierungsargumenten zu suchen, soll der Mensch lieber das „Opfer des Intellekts“ bringen, das sich dem Unlogischen unterwirft und der Wissenschaft ganz entsagt.10 Der Gedanke, dass Intelligenz und Intellekt in dem Plan Gottes für die Menschheit sein könnte, kommt Weber hier auch nicht, genauso wenig wie die Zusammenarbeit von Gott und Mensch in Betracht gezogen wird. Hier wird deutlich, dass das christliche Bild von Gott sehr losgelöst ist von dem jüdischen Gottesbild, obwohl es derselbe Gott ist, von dem ausgegangen wird. Im Zuge der Entwicklung des Christentums hat man sich so sehr von den Wurzeln des jüdischen Glaubens losgelöst, dass sowohl Gegner als auch Befürworter des Christentums nicht mehr erkennen, von wem die Rede ist. Man kann argumentieren, dass dies genauso im Zuge der Rationalisierung und Intellektualisierung der Kirche geschehen ist, als diese zur menschengeleiteten Institution wurde. Denn nach Weber sind Rationalisierung und Intellektualisierung die Begründer der „Entzauberung“, des Verlustes des Glaubens an Gott, Wunder und Offenbarung.11 „Es ist das Schicksal unserer Zeit, mit der ihr eigenen Rationalisierung und Intellektualisierung, vor allem: Entzauberung der Welt.“12
Mit all der Rationalisierung und Intellektualisierung wird der Fokus so stark auf die Fähigkeit des Menschen gelegt, die Welt berechnen und damit kontrollieren zu können, dass allein der Gedanke an einen Gott, der über dem Verstand des Menschen steht, und der weder von diesem Verstand eingeschüchtert wird noch sich ihm verpflichtet fühlt, als unmöglich abgestempelt wird. Dabei bestätigt selbst Weber hier, dass „keine Wissenschaft … absolut voraussetzungslos (ist) und keine … für den, der diese Voraussetzung ablehnt, ihren eigenen Wert begründen (kann).“13 Mir scheint, dass hier die Voraussetzung der Wissenschaft die Annahme ist, dass es keinen lebendigen Gott gibt und dass die Menschheit die edle, sich selbst auferlegte Aufgabe hat, die Welt mithilfe ihrer eigenen Intelligenz zu beherrschen und zu bestimmen. Bei alledem bleibt der Mensch trotzdem auf der Suche nach Wahrheit, die er anscheinend auch in der Wissenschaft nicht vollkommen finden kann, so viel er auch forscht und überlegt. Daher bleibt es die Aufgabe des Wissenschaftlers, immer weiter zu forschen, in der Hoffnung, doch schließlich an einem Punkt anzugelangen, an dem er sagen kann, „hier ist es, was ich suche“. „Rein tatsächliche Irrtümer sind möglich und beweisen noch nichts gegen die Pflicht: die Wahrheit zu suchen.“14
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1 Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. 11. Auflage. Berlin 2011. S. 12 https://elibrary.duncker-humblot.com/publication/b/id/32196/ Zugriff: 26.01.2019.
2 Ebd. S.11
3 Ebd. S.17
4 Ebd. S.12
5 Ebd. S.12
6 Ebd. S.13
7 Ebd. S.35
8 Ebd. S.36
9 Ebd. S.36
10 Ebd. S.36
11 Ebd. S.26
12 Ebd. S.35
13 Ebd. S.33
14 Ebd. S.25
- Citation du texte
- Josefine Stahl (Auteur), 2019, Zu Max Webers "Wissenschaft als Beruf", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1030907