Julia Würth
1. Bertolt Brecht, 1898 - 1956, ist einer der bekanntesten und wohl wichtigsten Autoren der deutschen Geschichte und vor allem des 20. Jahrhunderts. Durch die Unterbrechung seines unsystematischen Studiums der Naturwissenschaften, Medizin und vor allem Literatur aufgrund seines Dienstes als Sanitätssoldat in einem Lazarett während des Krieges wurde er bekennender Kriegsgegner. Durch seine satirischen Romane, Hörspiele, Dialoge und Prosa beeinflusste und erheiterte er auch oft das Leben der Menschen. Er legte besonderen Wert auf Humor und erreichte damit oft mehr bei den Lesern als andere mit „seriösen“ Werken. Das wird unterstrichen durch seinen Ausspruch: „Ein Theater, in dem man nicht lachen soll, ist ein Theater, über das man lachen soll. Humorlose Leute sind lächerlich.„ ( 1: Zitat Brechts, http://www.puk.de/turjalei/bb_schr.htm ) Zu seinen zahlreichen Werken zählen auch die Geschichten von Herrn Keuner, Prosa die über Freundschaftsdienste, Verlässlichkeit, Konsequenz und Eigentumstrieb handeln. Auch die folgende Textinterpretation verfasse ich über ein jener Geschichten. Herr Keuner ist gegen die Gewalt und gibt das auch laut bekannt, doch als die Gewalt ihn zur Rede stellt, hat er plötzlich genau die entgegengesetzte Einstellung. Seine Schüler fragen ihn wieso er das getan hat und er erzählt von Herrn Egge. Meiner Meinung spielt diese Handlung während des Nationalsozialismus in Deutschland und Bertolt Brecht möchte den Menschen mit dieser Kurzgeschichte etwas vermitteln. Dies und weitere Aspekte möchte ich im folgenden in Bezug auf Keuners Verhalten und Parallelen dessen zu dem Herrn Egge in seiner Erzählung erörtern.
2. Für den Einstieg fange ich logischerweise mit der Analyse des Gedichts an, wobei ich zunächst auf den Titel „Maßnahmen gegen die Gewalt“ (2: In Bertolt Brecht: Gesammelte Werk ein 20 Bänden, Bd. 12. S. 375f Z.1, Frankfurt am Main: Surkamp 1967) eingehen möchte. In erster Linie ist der Titel Hinweis für den Leser auf die Handlung. Wobei trotzdem ein Wiederspruch entsteht, denn der Text handelt zwar von der Gewalt, es werden aber keine wirklichen Maßnahmen erwähnt, weder in der Haupt- noch in der Nebenhandlung. Es geht vielmehr um die fehlenden Maßnahmen gegen die Gewalt, die Herr Keuner und Herr Egge zu feige beziehungsweise zu intelligent sind zu vollziehen. Des weiteren wird die Gewalt nicht etwa als Nomen verwendet oder als Tätigkeit, nein, Brecht stellt sie als Person da, um ihre Allgegenwart, Bedrohung und Kraft zu verdeutlichen. Er verwendet so das Stilmittel der Personifikation, wobei wir auch schon beim nächsten Punkt wären. Er verwendet neben der Personifikation auch Metaphern wie bei der Antwort Herr Keuners auf die Frage der Schüler nach seinem Rückrat: „Ich habe kein Rückgrat zum Zerschlagen. (...)“ (3: In Bertolt Brecht: Gesammelte Werk ein 20 Bänden, Bd. 12. S. 375f Z.7, Frankfurt am Main: Surkamp 1967) um die Bilder der Geschichte zu verdeutlichen. Auch der folgende Satz von Herr Keuner : „Gerade ich muß länger leben als die Gewalt“ (4: In Bertolt Brecht: Gesammelte Werk ein 20 Bänden, Bd. 12. S. 375f Z.7f, Frankfurt am Main: Surkamp 1967) ist nur bildlich gesprochen, denn niemand kann die Gewalt überleben, sie war immer unter uns und wird es auch immer sein, es unterstützt wieder die Personifikation der Gewalt, die Menschlichkeit und somit auch Vergänglichkeit. In der Geschichte des Herr Keuner springt dem Leser sofort der komplizierte und verschachtelte Satzbau ins Auge. Die Verschachtelung dient zur näheren Bestimmung der Personen, des Ortes und der Zeit, auch der Umstände des Zusammentreffens des Agenten und Herrn Egge. Jedoch weist diese komplizierte Satzstruktur dennoch parallelen auf, demnach die Stilfigur Parallelismus. Zum Beispiel in dem Satz:
„In die Wohnung des Herrn Egge,
der gelernt hatte, nein zu sagen,
kam eines Tages in der Zeit der Illegalität ein Agent,
der zeigte einen Schein vor,
welcher ausgestellt war im Namen derer,
die die Stadt beherrschten,
und auf dem stand, dass ihm gehören soll, jede Wohnung,
in die er seinen Fuß setzte,
ebenso sollte ihm auch jedes Essen gehören,
das er verlange (...)
(5: In Bertolt Brecht: Gesammelte Werk ein 20 Bänden, Bd. 12. S. 375f Z.9ff, Frankfurt am Main: Surkamp 1967) erkennt man zum einen den komplexen Satzbau, zum anderen aber auch die unverkennbaren Parallelen. Der Satzbau soll die Kompliziertheit der Lage darstellen, in der sich die Personen befinden, wie sie handeln sollen wenn sie der Gewalt beziehungsweise dem bösen Agenten gegenüber stehen. Auf der anderen Seite drückt der Parallelismus die Einfachheit ihrer Reaktionen da, den „taktischen“ Rückzug, den sie sofort, um sich selbst zu retten, ohne an die Konsequenzen für andere zu denken, machen. Um nun auf die Textgattung einzugehen, stelle ich die These auf, dass es sich hierbei um eine Parabel (vgl.6) handelt. Meiner Meinung nach, ist dies offensichtlich, denn es handelt sich um zwei Handlungsstränge die verknüpft nebeneinander auftreten um eine moralische Wahrheit zu verdeutlichen.
Mit der Geschichte die Herr Keuner erzählt möchte er seine Handlung rechtfertigen und benutzt dafür ein Beispiel aus dem menschlichen Leben. Durch dieses Mittel der Parabel vermittelt auch der Autor Brecht eine Lehre, aber auf dies möchte ich später zurückkommen. Ich nehme an das die Geschichte über Nationalsozialismus handelt, erstens aufgrund der Entstehungszeit (ab 1930) und zweitens da Brecht, wie schon erwähnt, Kriegs und Nationalsozialismusgegner war. Er spielt auch darauf an wenn er schreibt: „(...) in der Zeit der Illegalität“ (7: In Bertolt Brecht: Gesammelte Werk ein 20 Bänden, Bd. 12. S. 375f Z.10f, Frankfurt am Main: Surkamp 1967 ) , was zum einen auf seine Meinung und zum anderen auf die Zeit bezogen ist. Natürlich stellt die Lehre, die Kritik Brechts an das Verhalten der Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus auch eine Gefahr für ihn selbst dar. Auch daher wählte er die Form der Parabel um sich selbst zu schützen, da ihm so niemand seine Haltung nachweisen konnte, obwohl es natürlich zumindest jeder intelligente Mensch wusste. Die Haupthandlung, wie schon erwähnt, beschreibt Herrn Keuner, der zunächst allen erzählt er sei gegen die Gewalt, sobald sie jedoch hinter ihm steht, und ihm ins Gesicht blickt, revidiert er und behaupt er hätte sich für die Gewalt ausgesprochen. Man bemerkt, dass die Gewalt absolute Macht besitzt und Herr Keuner nicht dagegen ankommt, ja es nicht einmal versucht ihr Wiederworte zu geben. Er beugt sich ihr sofort, ohne dass diese „Gewalt“ anwenden muss: „“Was sagtest du?“ fragte ihn die Gewalt. „Ich sprach mich für die Gewalt aus“, antwortete Herr Keuner.“ (8: In Bertolt Brecht: Gesammelte Werk ein 20 Bänden, Bd. 12. S. 375f Z.4f, Frankfurt am Main: Surkamp 1967) Als „ihn seine Schüler nach seinem Rückgrat (fragen)“ (9: In Bertolt Brecht: Gesammelte Werk ein 20 Bänden, Bd. 12. S. 375f Z.6, Frankfurt am Main: Surkamp 1967 ) bekennt er sich dazu, dass er gar keines hat zum Zerschlagen. Im Gegensatz zu vorher merkt man nun die Überlegenheit, die Herr Keuner auf wunderliche Weise nach Verschwinden der Gewalt zurückerlangt hat. Er fühlt sich seinen Schülern überlegen, denn er ist ja „der Denkende“ (10: In Bertolt Brecht: Gesammelte Werk ein 20 Bänden, Bd. 12. S. 375f Z.1, Frankfurt am Main: Surkamp 1967), und geht nicht nur so weit auf den Spott von ihnen ein, indem er ihnen die Geschichte von Herrn Egge erzählt. Zu diesem kam der Agent, und obwohl er zuvor gelernt hatte nein zu sagen, tat er es ihm gegenüber nicht. Er gehorcht ihm, lediglich aufgrund eines Scheines das von den Herrschern der Stadt ausgestellt wurde und auf dem ein Recht des Agenten auf alles was er wollte bestand. Herr Egge diente ihm viele Jahre lang bis er starb und er ihn wegschleifte. Dann brach es endlich aus ihm heraus und er sagte wieder nein. Das Verhalten des Herrn Egge gegenüber „derer, die die Stadt beherrschten“ (11: In Bertolt Brecht: Gesammelte Werk ein 20 Bänden, Bd. 12. S. 375f Z.12, Frankfurt am Main: Surkamp 1967) ist absolutes Gehorsam. Er zweifelt weder die Handlungen noch die Echtheit des Dokumentes an, welches der Agent besitzt. Demnach ist er auch gegenüber des Agenten so unterwürfig, und zweifelt weder seine Befugnis noch seine Seriösität an, ohne Fragen zu stellen macht er alles was er will: „(...) und wie an diesem Tage gehorchte er ihm sieben Jahre lang.“ (12: In Bertolt Brecht: Gesammelte Werk ein 20 Bänden, Bd. 12. S. 375f Z.18, Frankfurt am Main: Surkamp 1967). Obwohl er zuvor gelernt hatte nein zu sagen, sagt er es in Angesicht des Agenten nicht.
- Citation du texte
- Julia Wuerth (Auteur), 2001, Brecht, Bert - Maßnahmen gegen die Gewalt #, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103014
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