Die Berliner Antigone von Rolf Hochhuth
Einleitung
Kaum ein anderer literarischer Stoff der Antike hat im Lauf der Jahrhunderte eine solche Beachtung und Verbreitung gefunden wie die „Antigone“ des Sophokles. Das erklärt wohl auch, dass das Thema immer wieder von verschiedenen Autoren aufgegriffen und neu interpretiert wurde, wie z.B. von Rolf Hochhuth, der die Berliner Antigone schrieb.
Hauptteil
a) Inhaltsangabe
Die Handlung der Berliner Antigone, die Rolf Hochhuth 1963 geschrieben hat, spielt während des zweiten Weltkriegs: Der Bruder der Hauptperson Anne, wird wegen angeblicher hochverräterischer Äußerungen hingerichtet. Sein Leichnam soll in die Anatomie einer Universität eingeliefert werden, wo die Hingerichteten von angehenden Ärzten zu Übungszwecken seziert wurden. Anne will dies verhindern und entwendet den Leichnam ihres Bruders von dort. Sie begräbt ihren Bruder auf dem Invalidenfriedhof in Berlin, wobei sie von einer Kommilitonin beobachtet wird, die Anne schließlich verrät.
Es kommt somit zu einer Gerichtsverhandlung, deren Vorsitzender ausgerechnet der Vater von Annes Verlobtem Bodo (der sich zu diesem Zeitpunkt an der Front befindet) ist, der sie natürlich um seines Sohnes willen vor dem Tode bewahren will. Dies führt sogar dazu, dass er Hitler die Worte im Mund verdreht, als dieser sagt, die Angeklagte solle „in eigener Person der Anatomie die Leiche erstatten“, als dieser von Annes „Verstoß gegen den Führerbefehl, politischen Verbrechern das Begräbnis zu verweigern“ erfährt. Natürlich war diese Äußerung so gemeint, dass Anne ebenfalls sterben sollte, damit die Anatomie auf diesem Wege ihre Leiche trotzdem erhält. Der Richter jedoch tut so, als würde er unter dieser Bemerkung verstehen, dass Hitler der Angeklagten das Angebot macht, die Leiche selbst wieder zurück in die Anatomie zu bringen, um mildernde Umstände für Anne zu erreichen. Anne behauptet, ihren Bruder auf dem Invalidenfriedhof zu den anderen Leichen, die in ein Massengrab gebracht werden sollten, gelegt zu haben. Dies kann aber widerlegt werden und deshalb soll Anne die wirkliche Begräbnisstelle bekannt zu geben. Sie weigert sich jedoch und bekommt unter Androhung eines Todesurteils 24 Stunden Bedenkzeit.
Daraufhin schreibt Anne einen Abschiedsbrief an Bodo, in dem sie ihm unter anderem auch von der Exekution schreibt, aber dabei behauptet, sie fände es nicht sinnlos, zu sterben. Außerdem verrät sie ihm die Stelle, an der sie ihren Bruder begraben hat - nämlich tatsächlich auf dem Invalidenfriedhof, aber in einer versteckten Ecke. Als Anne den Brief an Bodo abgeschickt hat, kommt es jedoch zu einem Bombenangriff, der die Bedenkzeit von Anne auf elf Tage verlängert. Da Bodo davon aber nichts erfährt, erschießt er sich in der Annahme, seine Verlobte sei zum Zeitpunkt des Eintreffens ihres Briefes schon tot und mit dem Wunsch, wieder bei ihr zu sein. Während der elf Tage wird jedoch eine Zellenmitbewohnerin von Anne abgeführt und ebenfalls exekutiert. Das hat die Auswirkung, dass Anne auf einmal - trotz der andauernden Versuche, sich davon abzulenken - eine riesige Angst vor dem Tod bekommt und sich überlegt, das Angebot des Richters anzunehmen. Durch einen Pfarrer erfährt Anne jedoch von dem Tod ihres Verlobten. Da Anne nun durch den Selbstmord ihres Verlobten, die Hinrichtung ihres Bruders und auch den Selbstmord ihrer Mutter nach der Exekution ihres Sohnes, alle Menschen, die sie je geliebt hat verloren und sich so verlassen fühlt, hat ihr Dasein hat für sie somit keinen Sinn mehr. Anne lässt die Exekution über sich ergehen.
b) Vergleich zu Sophokles Antigone
Personenvergleich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Inhaltsvergleich
Der auffallendste Unterschied zwischen den beiden Dramen besteht wohl darin, das Antigone - wie in der Tabelle beschrieben- niemals, auch nicht vor ihrem Tod, an der Richtigkeit ihrer Tat zweifelt. Genau das Gegenteil zeigt sich bei Anne: Sie kann ihr Handeln nicht mehr verstehen und möchte am liebsten alles rückgängig machen.
Dieser Unterschied macht deutlich, dass es bei der Berliner Antigone um Annes innere Wandlung geht, die sie von dem Mut, gegen das Gesetz zu verstoßen über Zweifel an ihrer Tat, die in Reue enden, bis zu der Gleichgültigkeit ihrem Tod gegenüber führt. Sophokles hingegen sah diese Wandlung in der Person von Kreon, der von der Überzeugung, er habe das Richtige getan zur Einsicht umschwankt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dass Kreons Umwandlung in der Berliner Antigone nicht vorhanden ist, lässt sich durch eine Spaltung der Kreonfigur erklären:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
c) Interpretation im Hinblick auf den Autoren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Rolf Hochhuth wurde 1931 geboren und erlebte deshalb den Zweiten Weltkrieg selbst mit. Dies spürt der Leser die ganze Erzählung hindurch. Hochhuth macht seine Einstellung gegenüber Hitler indirekt sehr deutlich: Er verabscheute ihn und seine Taten. Unter anderem nahm er einen Attentäter Hitlers in Schutz und betitelte ihn als Helden, und schrieb sogar ein Plädoyer für ihn, in dem er der Familie des Attentäters dafür dankte, „den einzigen Menschen des Zeitalters hervorgebracht zu haben, der in absoluter Gewissheit, vernichtet zu werden, [...] einreiste um Hitler zu erschiessen vor dem Krieg!“
Man sieht, das Hochhuth zum Thema Hitler eine feste Meinung hat, die er auch ohne Wenn und Aber vertritt, was man auch in Kleinigkeiten der Erzählung erkennt:
Zum Beispiel spricht er immer wieder von einer „Vernichtungsmaschinerie“, was den Leser zu dem Schluss kommen lässt, dass Gesetzesbrecher zu dieser Zeit ohnehin verloren waren und es kein Entrinnen vor einer Strafe gab.
Diese Verachtung zeigt sich unter anderem auch in der Szene, als Hitler verlangt, Anne ebenfalls hinzurichten und dafür die Begründung liefert, die für die Anatomie verlorengegangene Leiche müsse schließlich ersetzt werden. Hier wird sehr deutlich gemacht, wie materialistisch und menschenverachtend die Überlegungen Hitlers waren.
Schluss
Mir persönlich hat die Berliner Antigone viel besser gefallen als die Antigone von Sophokles. Erstens ist die Sprache viel verständlicher und das Lesen fällt einem so leichter. Zweitens ist bei der Berliner Antigone dadurch, dass sie so kurz ist und nur 14 Seiten hat, wirklich kein Satz überflüssig. Das Lesen zieht sich nicht so in die Länge, da jeder Satz für die Handlung wichtig ist.
Außerdem versteht es Rolf Hochhuth sehr gut, die Geschichte sehr ergreifend zu erzählen und dem Leser mitfühlen zu lassen, was die Menschen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus alles mitgemacht haben und wie es damals ablief, wenn man gegen Hitlers Gesetze verstieß. Außerdem verdeutlicht er dies an dem Schicksal einer einzelnen Person noch einmal und erreicht so auch eine Warnung davor, so etwas noch einmal geschehen zu lassen.
- Arbeit zitieren
- Julia Klein (Autor:in), 2001, Hochhuth, Rolf - Die Berliner Antigone, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103002
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