Gefrierpunktserniedrigung
Grundlagen
Zur Darstellung der möglichen Phasen einer Substanz wird deren Verhalten bei verschiedenen Drücken und Temperaturen gemessen und in ein Druck-Temperatur- Diagramm eingetragen. Mit einem solchen Phasendiagramm können Aussagen über die thermodynamische Stabilität der einzelnen Phasen bei verschiedenen Bedingungen getroffen werden. Die Anzahl der Freiheitsgrade, also der frei wählbaren intensiven (also nicht von der Menge der Substanz abhängenden) Variablen des Systems wie Druck und Temperatur, ist über die Gibbs’sche Phasenregel festgelegt:
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Dabei bedeutet C die Anzahl der Komponenten und P die Anzahl der vorhandenen Phasen. Aus der Regel folgt, dass in einem System nie mehr als drei Phasen koexistieren können. Dies soll an einem typischen Phasendiagramm demonstriert werden.
In den jeweils einfarbig dargestellten Bereichen liegt die Substanz, also die einzige Komponente des Systems, in einer einzigen Phase vor, es folgt also F = 1 - 1 + 2 = 2. Man hat also zwei Freiheitsgrade, in diesem Fall kann man Druck und Temperatur frei wählen, ohne dass sich der Zustand der Substanz ändert.
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Erreicht man einen Phasenübergang im Diagramm, so liegt die eine Komponente des Systems in zwei Phasen vor und man erhält F = 1 - 2 + 2 = 1. Wählt man z. B einen bestimmten Druck, so ist die Temperatur des Zweiphasengebietes festgelegt und umgekehrt.
Der Schnittpunkt T der Grenzlinien wird als Tripelpunkt bezeichnet. Hier liegen alle drei möglichen Phasen des Systems vor und damit ist F = 1 - 3 + 2 = 0. Alle drei
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Phasen können daher nur bei einer festgelegten Temperatur und einem ebenso nicht frei wählbaren Druck koexistieren. Der Tripelpunkt markiert bei normalen Substanzen die tiefste Temperatur, bei der die flüssige Phase existieren kann.
Durch die Dichteanomalie des Wassers zeigt die Fest/Flüssig Grenzlinie einen anormalen Verlauf mit negativer Steigung. Da Wasser eine höhere Dichte als seine feste Phase besitzt, schmilzt Eis bei Druckerhöhung,
sofern die Temperatur nicht zu niedrig ist. Bei Substanzen, die sich wie Wasser anormal verhalten, kann die flüssige Phase unter Druck also noch bei tieferen Temperaturen als bei der des Tripelpunktes existieren.
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Eine Gefrierpunktserniedrigung einer Flüssigkeit, das heißt eine Herabsetzung der Schmelztemperatur, lässt sich erreichen, indem man einen festen Stoff in der Flüssigkeit löst. Die Gleichgewichte zwischen den
gasförmigen, flüssigen und festen Phasen eines Stoffes lassen sich anschaulich in einem Phasendiagramm darstellen. Löst man in der flüssigen Phase eines Stoffes A einen Stoff B, so steigt die Siedetemperatur und sinkt die Schmelztemperatur der Lösung im Vergleich zum reinen Lösungsmittel A.
Eine weitere Wirkung der gelösten Substanz ist die Dampfdruckerniedrigung. Zwischen dem Lösungsmittel und den gelösten
Teilchen entsteht ein dynamisches Gleichgewicht durch das der Dampfdruck der Lösung kleiner ist als derjenige des reinen Lösungsmittels.
Die Gefrierpunktsdepression ist immer größer als die Siedepunktserhöhung, wenn die Menge des gelösten Stoffes konstant bleibt, wie man in dem Diagramm, in dem m gegen
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Taufgetragen ist, erkennen kann. In der festen und gasförmigen Phase des Lösungsmittels ist der zugegebene Stoff nicht löslich, er hat daher keinen Einfluss auf das chemische Potential des Lösungsmittels in diesen Phasen. Das chemische Potential der flüssigen Phase wird allerdings herabgesetzt. Der Winkel zwischen den unterschiedlichen chemischen Potentialen am Gefrierpunkt ist kleiner als der am Siedepunkt, aufgrund der größeren
Entropieänderung vom Übergang der flüssigen in die gasförmige Phase. Daher wirkt sich die Absenkung des chemischen Potentials der flüssigen Phase stärker auf den Gefrierpunkt aus, welcher herabgesetzt wird, als auf den Siedepunkt, welcher erhöht wird.
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Die Dampfdruckerniedrigung und somit die Siedepunktserhöhung lässt sich bei idealen Mischungen mit Hilfe des Raoult’schen Gesetzes erklären:
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Geht man über zu realen Mischungen, so gilt das Raoult’sche Gesetz nur für große Verdünnungen, z. B. für das Lösungsmittel, in dem eine kleine Menge einer Substanz gelöst ist. Für kleine Verdünnungen, also z. B. für den gelösten Stoff im Lösungsmittel, gilt das Henry’sche Gesetz:
pB = KB × xB
(KB = Henry’sche Konstante)
Je nach Grad der Verdünnung (sehr groß oder sehr klein) eignet sich das Raoult’sche oder das Henry’sche Gesetz besser zur Berechung des Partialdruckes.
Häufig gestellte Fragen
Was ist die Gibbs'sche Phasenregel und wie wird sie angewendet?
Die Gibbs'sche Phasenregel (F = C - P + 2) beschreibt die Anzahl der Freiheitsgrade (F) in einem System in Abhängigkeit von der Anzahl der Komponenten (C) und Phasen (P). Sie hilft zu bestimmen, wie viele intensive Variablen (wie Druck und Temperatur) frei wählbar sind, ohne den Zustand des Systems zu verändern. Zum Beispiel, wenn eine Substanz in einer einzigen Phase vorliegt (wie flüssig, fest oder gasförmig), hat man zwei Freiheitsgrade, d.h. Druck und Temperatur können unabhängig voneinander verändert werden. Bei einem Phasenübergang reduziert sich die Anzahl der Freiheitsgrade auf eins, und am Tripelpunkt, wo alle drei Phasen koexistieren, gibt es keine Freiheitsgrade.
Was ist ein Phasendiagramm und wie wird es interpretiert?
Ein Phasendiagramm ist eine grafische Darstellung des Verhaltens einer Substanz bei verschiedenen Drücken und Temperaturen. Es zeigt die thermodynamische Stabilität der einzelnen Phasen (fest, flüssig, gasförmig) unter verschiedenen Bedingungen. Die Linien im Diagramm stellen die Phasenübergänge dar, und der Tripelpunkt markiert den Punkt, an dem alle drei Phasen im Gleichgewicht sind.
Wie beeinflusst die Dichteanomalie des Wassers das Phasendiagramm?
Die Dichteanomalie des Wassers führt zu einem ungewöhnlichen Verlauf der Fest/Flüssig-Grenzlinie im Phasendiagramm mit einer negativen Steigung. Dies bedeutet, dass Eis unter Druck schmilzt, sofern die Temperatur nicht zu niedrig ist. Dadurch kann die flüssige Phase von Wasser unter Druck auch bei tieferen Temperaturen als am Tripelpunkt existieren.
Was ist Gefrierpunktserniedrigung und wie kommt sie zustande?
Gefrierpunktserniedrigung ist die Herabsetzung der Schmelztemperatur einer Flüssigkeit durch das Lösen eines festen Stoffes in der Flüssigkeit. Dies beeinflusst das Gleichgewicht zwischen den Phasen und führt dazu, dass die Schmelztemperatur der Lösung im Vergleich zum reinen Lösungsmittel sinkt. Die gelöste Substanz führt auch zu einer Dampfdruckerniedrigung.
Was ist die Beziehung zwischen Gefrierpunktserniedrigung und Siedepunktserhöhung?
Die Gefrierpunktserniedrigung ist in der Regel größer als die Siedepunktserhöhung, wenn die Menge des gelösten Stoffes konstant bleibt. Dies liegt daran, dass die Absenkung des chemischen Potentials der flüssigen Phase stärker auf den Gefrierpunkt wirkt (der herabgesetzt wird) als auf den Siedepunkt (der erhöht wird), aufgrund der größeren Entropieänderung beim Übergang von der flüssigen in die gasförmige Phase.
Was ist das Raoult'sche Gesetz und wann wird es angewendet?
Das Raoult'sche Gesetz (pA = pA* × xA) beschreibt die Dampfdruckerniedrigung bei idealen Mischungen und besagt, dass der Partialdruck einer Komponente in der Gasphase proportional zu ihrem Molenbruch in der flüssigen Phase ist. Es gilt gut für ideale Mischungen. Für reale Mischungen gilt es nur bei großen Verdünnungen, z.B. für das Lösungsmittel in dem eine kleine Menge einer Substanz gelöst ist.
Was ist das Henry'sche Gesetz und wann wird es angewendet?
Das Henry'sche Gesetz (pB = KB × xB) beschreibt den Partialdruck eines gelösten Stoffes in einer Lösung bei kleinen Verdünnungen, z.B. für den gelösten Stoff im Lösungsmittel. Der Partialdruck ist proportional zum Molenbruch des gelösten Stoffes, wobei KB die Henry'sche Konstante ist.
Was sind kolligative Eigenschaften und warum ist die Gefrierpunktserniedrigung eine solche?
Kolligative Eigenschaften sind Eigenschaften von Lösungen, die nur von der Anzahl der gelösten Teilchen abhängen, nicht aber von ihrer Art. Die Gefrierpunktserniedrigung ist eine kolligative Eigenschaft, da sie in verdünnten Lösungen nur von der Konzentration der gelösten Teilchen abhängt.
- Arbeit zitieren
- Benjamin Bulheller (Autor:in), 2001, Gefrierpunktserniedrigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102825