Bertholt Brecht beschreibt in dieser Kurzgeschichte "Maßnahmen gegen die Gewalt", wie seine beiden Hauptfiguren der Gewalt entgegen treten.
Diese Geschichte besteht eigentlich aus zwei Geschichten, einer äußeren und einer inneren Geschichte (Rahmenund Binnengeschichte). Die innere wir von dem Herrn Keuner, der die Hauptfigur in der äußeren Geschichte ist, dargebracht. Er erzählt sie, um sein Verhalten gegen über einem seiner Schüler zu rechtfertigen.
Im Vordergrund steht zunähst einmal die Rahmengeschichte. Sie beginnt damit, dass Herr Keuner als ,,der Denkende" (Z.1) dargestellt wird und damit über seine Mitmenschen übergeordnet wird. Herr Keuner spricht sich zunähst einmal gegen die Gewalt aus, die aber gerade in diesem Augenblick hinter ihm steht (Z.1 -3). Als diese ihn fragt, was er da gerade gesagt habe, spricht er sich für die Gewalt aus (Z.6-8). Als er später von einem seiner Schüler wird, warum er nicht zu seiner vorherigen Aussage Gestanden hätte, Antwortete er mit der Aussage: ,,Ich habe kein Rückgrat zum Zerschlagen" und gerade er ,,müsse länger leben als die Gewalt" (Z.10-14). Diese Situation zeigt, dass Herr Keuner sich nur durch eine Notlüge, durch Unehrlichkeit retten konnte, dass er seine Meinung nicht immer frei zugeben kann. Erst in gewaltloser Zeit kann man zu seiner Aussage stehen, ohne gleich befürchten zu müssen, wegen dieser nicht überleben zu können.
Dann beginnt er als Begründung seines Verhaltens eine Geschichte über das Schicksal des Herrn Egge zu erzählen. Damit beginnt die Binnengeschichte.
Während der ,,Zeit der Illegalität", einer Gewaltherrschaft, beschlagnahmte ein Agent, der dazu von denen, ,,die die Stadt beherrschten" berechtigt wurde, die Wohnung und den Besitz des Herrn Egge (Z.17 -26). Am Abend des ersten Tages, nachdem er gegessen und gewaschen hatte, legte sich der Agent nieder und ,,fragte mit dem Gesicht zur Wand"(Z.27-29) Herrn Egge: ,,Wirst du mir dienen?"(Z.30) antwortet dieser jedoch nicht. Sieben Jahre lang ist Herr Egge der ergebene Diener des Agenten, spricht aber kein Wort. Er antwortet auf die sieben Jahre zuvor gestellte Frage erst nach dem Tod des Agenten und der an schließenden Reinigung seiner Wohnung: ,,Herr Egge [ ] atmete auf und antwortete: ,Nein`."(Z.39-42).
Herr Egge lebte die sieben Jahre im Zwang, unter Gewaltherrschaft des Agenten und diente diesem resigniert, ohne sich zu wehren. Er hat erkannt, dass sich diesem Schicksal zu fügen, das kleinere Übel ist, er wehrt sich nur innerlich gegen dessen Unterdrückung, indem er nicht mit ihm spricht. Dadurch wird die Frage, die sich dem Leser unwillkürlich stellt, nämlich warum Herr Egge, ,,der gelernt hatte, nein zu sagen"(Z.18) dieses K önnen nicht anwendet, beantwortet.
Durch die identische Situation in den beiden Geschichten, wird klar, daßbeide, Der Herr Keuner und der Herr Egge, ein ähnliches Erlebnis mit der ,,Gewalt" haben. Sie stehen beide nicht zu den von ihnen davor ge äußerten Standpunkten. Es gibt zwischen ihnen aber einen Unterschied, der Herr Keuner äußert sich gegen seine innere Einstellung. Der Herr Egge hingegen verhält sich gegen seine Prinzipien, gibt aber keine Äußerungen dem Agenten gegenüber von sich.
Dieses Verhalten ist aber für die Beiden die einzigste Möglichkeit gegen die ,,Gewalt" zu wehren, ohne Gewalt einsetzen zu müssen. Man sieht durch diese Darstellung, daßman ohne Gewalteinsetzung gegen die Gewalt siegen kann.
Es handelt sich bei "Maßnahmen gegen die Gewalt" um eine politische Parabel der Moderne, der Leser kann daraus Richtlinien für seine späteren Handlungen ziehen.
Jetzt zur sprachlichen Analyse.
Auffällig in der Sprache der Rahmenhandlung ist vor allem die Darstellung der Gewalt, die plötzlich hinter Herrn Keuner steht und ihn anspricht (Z.4f).
Diese erweckt den Eindruck, als würde an ihrer Stelle eine Person oder Gruppe stehen und mit Herrn Keuner sprechen. Dadurch fällt es dem Leser später leichter, die Bild- und Sachebene der Lehrparabel zu durchschauen, der Vergleich der Gewalt mit dem Agenten der Binnengeschichte und der ,,Gewalt" in der Rahmengeschichte wird offensichtlicher.
Aber auch die Namen der Personen sind vieldeutig. So kann man bei dem Nahmen ,, Keuner" auch schnell mal ,,Keiner" lesen, dieser könnte sich auf Niemand beziehen, der wiederum auch jeder in der Gesellschaft sein kann. Der Name ,,Egge" ist eine in der Aussprache weichere und abgewandelte Form von Ecke. Das ,, gg" ist gegenüber dem ,,ck" angepaßter der Aussprache gegenüber und bedeutet doch das Gleiche. Genauso verhält sich der Herr Egge, er steht der Situation angepaßt gegenüber, das zeigt sich darin, daßer sieben Jahre lang dem Agenten dient, ohne es zu wollen, aber auch ohne sich zu wehren. Der Agent steht für die anonyme Macht der Herrschenden, die die Gewalt über alles und jeden besitzen. Der Agent ist ein Staatsdiener.
Ein weiteres Merkmal der Sprache des Textes ist die Verbindung der Rahmenhandlung mit der Binnengeschichte, durch die Konjunktion ,,und"(Z.15). Damit wird einerseits die innere Erzählung angekündigt und somit zwischen den beiden Geschichten differenziert, anderer-seits wirkt das ,,und" aber auch verbindend, stellt die Handlungen auf eine gemeinsame Ebene, was dazu beiträgt, daßder Leser die Parallelen der zwei Situationen begreift. Das Wort ,,Schein" (Z.20) bedeutet die Legalisierung der Handlungen des Agenten.
Nach der Lektüre und Analyse des Textes "Maßnahmen gegen die Gewalt" von Bertold Brecht stellt sich die Frage nach der Intention des Autors.
Durch den Vergleich des Herrn Keuner mit Herrn Egge wird deutlich, daßin gewisser Weise Kritik, an den nicht einhalten der eigenen Prinzipien, ge übt wird. Beide sind prinzipiell gegen Gewalt, aber der Eine entgeht ihr durch eine ,,Notlüge" und der Andere dadurch, daßer ihr dient. Beide hoffen durch ihre Passivit ät einen Sieg über die Gewalt zu erlangen. Ihre Prinzi-pien existieren nur theoretisch. Es wird also Kritik an der Gesellschaft und deren Haltung geübt. Da es sich bei dieser Parabel um ein Lehrst ück handelt, soll der Leser zum Nachdenken, über seiner Einstellung, angeregt werden.
- Arbeit zitieren
- Matthias Radtke (Autor:in), 2001, Brecht, Bertolt - Maßnahmen gegen die Gewalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102739
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