Die Arbeit befasst sich mit den Schwierigkeiten, auf die Autoren der frühen Neuzeit gestoßen sind, die sich von unterschiedlichen Ansätzen aus kritisch mit dem Hexenwahn befasst haben. Es wird gezeigt, dass die Vorstellung, das "dunkle Mittelalter" sei von Aufklärern überwunden worden, viel zu einfach und schematisch ist. Tatsächlich sind die Wege, auf denen sich die Kritik am Hexenwahn dann schließlich Bahn gebrochen hat, recht verschlungen gewesen.
Im Mittelalter sind von der katholischen Inquisition Millionen Frauen als Hexen verbrannt worden. Diese und ähnliche Behauptungen kann man immer wieder hören, obwohl an dem Satz so gut wie alles schief, wenn nicht falsch ist. Dazu vier Bemerkungen:
Erstens halten die teils abenteuerlichen Opferzahlen – manche sprechen gar von neun Millionen – einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Tatsächlich dürfte die richtige Zahl eher bei 60.000 als bei 100.000 Opfern liegen.
Zweitens sind nicht nur Frauen angeklagt und hingerichtet worden. Neuere sorgfältige Auswertungen der erhalten Akten haben gezeigt, dass jeder vierte Angeklagte männlichen Geschlechts gewesen ist, örtlich sogar ein Drittel. Erstaunlicherweise sind in protestantischen Gegenden prozentual mehr Frauen hingerichtet worden und weniger Männer.
Drittens: Irrig ist auch die immer wieder zu findende Auffassung, die katholische Kirche und vor allem die Inquisition habe eine führende Rolle bei der Hexenverfolgung gespielt. Dem ist entgegenzuhalten, dass aus Spanien, dem Kernland der katholischen Inquisition, nur etwa 30 Tötungen von Hexen zu beklagen sind, im katholischen Irland waren es zwei, in Portugal sieben – auch das katholische Italien liegt bei der Zahl der Opfer etwa gleichauf mit dem protestantischen Dänemark, obwohl die Bevölkerungszahl Dänemarks damals nur etwa 7% der Italiens betragen hat.
Viertens: Die Verfolgung und Hinrichtung von Menschen als Hexen war keineswegs ein mittelalterliches Phänomen. Der Schwerpunkt wird also darauf liegen zu zeigen, wie sich die Diskussion in kleinen Schritten langsam weiterbewegt hat, nicht in einem gradlinigen Prozess, sondern eher in Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärts-Schrittchen.
Inhalt
1. Vorbemerkungen
2. Zauber, Gegenzauber
3. Ein Magier verteidigt Hexen: Agrippa von Nettesheim
4. Zwischen Bibel und praktischer Vernunft: Johannes Weyer
5. Die Realität des Hexenfluges: De Spina, Molitor, Ponginibbi, Grillando, Alciato, Vignati
6. Planetengeister statt Teufel: Paracelsus
7. Melancholie: Hexerei als psychiatrisches Phänomen
8. Nichts als albernes Zeugs: Antonio de Ferrariis
9. Ein Aufklärer als Hexenjäger: Jean Bodin
10. Ein Inquisitor als Aufklärer: Alonso de Salazar y Frías
11. Hexen gibt es nicht - aber Strafe muss sein: Thomas Hobbes
12. Ausblick: Weise Frauen, scharfe Orgien und „rassereine“ Germaninnen
13. Literaturverzeichnis
1. Vorbemerkungen
Im Mittelalter sind von der katholischen Inquisition Millionen Frauen als Hexen verbrannt worden. Diese und ähnliche Behauptungen kann man immer wieder hören, obwohl an dem Satz so gut wie alles schief, wenn nicht falsch ist. Dazu einleitend vier Bemerkungen:
Erstens halten die teils abenteuerlichen Opferzahlen – manche sprechen gar von neun Millionen – einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand.1 Tatsächlich dürfte die richtige Zahl eher bei 60.000 als bei 100.000 Opfern liegen, wobei bemerkenswerterweise etwa die Hälfte davon auf Deutschland und die Schweiz entfallen.2
Zweitens sind nicht nur Frauen angeklagt und hingerichtet worden. Neuere sorgfältige Auswertungen der erhalten Akten haben gezeigt, dass jeder vierte Angeklagte männlichen Geschlechts gewesen ist, örtlich sogar ein Drittel.3 Erstaunlicherweise sind in protestantischen Gegenden prozentual mehr Frauen hingerichtet worden und weniger Männer. Dass Protestanten offenbar mehr auf das weibliche Hexenstereotyp fixiert waren, dazu mag die Übersetzung einer Bibelstelle beigetragen haben, nämlich Ex 22.18.4
Damit wären wir beim dritten Punkt. Irrig nämlich ist auch die immer wieder zu findende Auffassung, die katholische Kirche und vor allem die Inquisition habe eine führende Rolle bei der Hexenverfolgung gespielt. Dem ist entgegenzuhalten, dass aus Spanien, dem Kernland der katholischen Inquisition, nur etwa 30 Tötungen von Hexen zu beklagen sind, im katholischen Irland waren es zwei, in Portugal sieben – auch das katholische Italien liegt bei der Zahl der Opfer etwa gleichauf mit dem protestantischen Dänemark, obwohl die Bevölkerungszahl Dänemarks damals nur etwa 7% der Italiens betragen hat.5
Man darf eben nicht übersehen, dass sich auch Luther (und Calvin) nicht nur für die Verfolgung von Hexen eingesetzt haben, sondern auch für die Anwendung der Todesstrafe.6 Wichtig in dem Zusammenhang ist gerade für die stark bibelorientierten Protestanten die eben erwähnte Stelle aus dem Alten Testament: „DJE Zeuberinnen soltu nicht leben lassen“ – so heißt es in Luthers eigener Übersetzung von Ex 22.18.7 Dass Luther „Zauberinnen“ übersetzt, ist erstaunlich, denn im lateinischen Text steht „ maleficos “.
Das Wort bezeichnet im antiken Latein ebenso wie im Latein der Kirchenväter keineswegs Zauberinnen, also Frauen, sondern entweder allgemein Übeltäter oder speziell einen Giftmischer oder Zauberer – auf jeden Fall aber handelt es sich um eine männliche Form. Für den griechischen Text gilt das gleiche: Mit φαρμάκους sind Giftmischer oder Zauberer gemeint, und zwar wiederum Männer. Hat Luther also (bewusst?) falsch übersetzt?
So einfach ist die Sache nicht: Sollte Luther auf den hebräischen Text zurückgegriffen haben, so hat er zu Recht „Zauberinnen“ übersetzt, allerdings steht im he-bräischen Text der Singular, nämlich מְכַשֵּׁפָ֖ה (= mĕkaššēpâ), Zauberin. Was mit dem hebräischen Begriff tatsächlich gemeint ist, ist in der Forschung umstritten.8
Viertens: Die Verfolgung und Hinrichtung von Menschen als Hexen war keineswegs ein mittelalterliches Phänomen. Wolfgang Behringer fasst den Stand der Forschung folgendermaßen zusammen:
Der Verfolgungszeitraum lag in seinem Schwerpunkt nicht im „finsteren Mittelalter“, sondern in der Neuzeit. Der Höhepunkt der Hexenverfolgungen ereignete sich in den Jahrzehnten zwischen 1560 und 1630, mit absoluten Verfolgungsspitzen in den 80er Jahren des 16. Jahrhunderts und in dem Jahrfünft 1626 – 1630. Während des restlichen 17. Jahrhunderts kam es immer wieder zu Verfolgungswellen. Noch die ganze erste Hälfte des 18. Jahrhunderts blieb die Gefahr von Hexenprozessen in Mittel- und Osteuropa virulent, während sich die ökonomisch und wissenschaftlich fortschrittlichen Länder Westeuropas zwar meist nicht de jure, aber de facto davon verabschiedet hatten.9
Dass die Sache mit dem Ende des Mittelalters und dem Siegeszug rationaler Wissenschaft auch in intellektuellen Kreisen keineswegs vorbei war, mag das Beispiel des Johannes Kepler illustrieren. Der wegen seiner bahnbrechenden astronomischen Entdeckungen berühmt gewordene Johannes Kepler (1571 – 1630) hat zwar 1615 – 1621 seine Mutter gegen den Vorwurf der Hexerei vor Gericht verteidigt und letztlich einen Freispruch erwirkt.10 Daraus darf man aber nicht schließen, der berühmte Astronom habe die Verfolgung von Hexen generell in Frage gestellt. Im Gegenteil: Vielleicht wäre die Verteidigung seiner Mutter missglückt, wäre damals schon sein Somnium sive astronomia lunaris der Öffentlichkeit zugänglich gewesen. In diesem eher der fantastischen Literatur zuzurechnenden Werk – geschrieben 1608/9, veröffentlicht posthum 163411 – geht er offenbar von der Realität des Hexenfluges aus, wenn schreibt, um auf den Mond zu gelangen, seien besonders „ausgemergelte alte Weiber“ geeignet, „die sich von jeher darauf verstanden, nächtlicherweile auf Böcken, Gabeln und schäbigen Mänteln reitend, unendliche Räume auf der Erde zu durcheilen“12.
Eine weitere Stelle im „Traum vom Mond“ kann man dahingehend interpretieren, Kepler selbst habe seine Mutter als Kräuter sammelnde Zauberin, die vorgab, mit Mondgeistern in Kontakt zu stehen, bezeichnet. Man muss zwar beachten, dass in dem dort wiedergegebenen Traum nicht von Keplers Mutter die Rede ist, sondern von der Mutter eines fiktiven Isländers. Andererseits liegt die Ähnlichkeit zu Keplers tatsächlicher Mutter nahe, da sie eine Kräuter sammelnde Zauberin war.13
So eindeutig, wie man gerne tut, war die Rollenverteilung zwischen den Mächten des Lichtes (die das dunkle Mittelalter besiegten) und den Mächten der Finsternis (den Anhängern einer magisch-irrationalen Weltsicht) nicht.14 Im Folgenden soll versucht werden, genauer darzustellen, wie sich die Diskussion über das Hexenwesen in der Zeit zwischen 1450 und 1600 entwickelt hat, und zwar am Beispiel von bekannten frühen Kritikern der Hexenverfolgung, aber auch am Beispiel von Autoren, die bislang kaum beachtet worden sind.
Selbstverständlich ließen sich weitere Autoren anführen. Doch es wird sich zeigen, dass der Rahmen, in welcher sich die Diskussion abgespielt hat, sich nur wenig verändert hat. Da werden immer wieder die gleichen Stellen aus der Bibel zitiert und die bekannten Lehrmeinungen der großen theologischen Autoritäten wie Augustinus. Daneben stehen Belegstellen aus der nichtchristlichen antiken Literatur und, sehr wichtig, Aussagen aus Hexenprozessen, wobei sich jeder die Aussagen auswählt, die zu seiner Argumentation passen.
Der Schwerpunkt wird also darauf liegen zu zeigen, wie sich die Diskussion in kleinen Schritten langsam weiterbewegt hat, nicht in einem gradlinigen Prozess, sondern eher in Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärts-Schrittchen.
Nicht eingegangen werden kann in diesem Zusammenhang auf die Frage, wie der Hexenprozess durchgeführt werden sollte und welche Regeln dabei zu beachten waren. Auch die vertrackte Diskussion um die Strafbarkeit und das Kompetenzgerangel zwischen kirchlichen und weltlichen Stellen darf man in ihrer Wichtigkeit nicht unterschätzen, dies würde aber den Rahmen dieses Textes sprengen.15
2. Zauber, Gegenzauber und die Ausrottung des Bösen: der „Hexenhammer“
Zauberer oder Zauberinnen waren nicht nur im Mittelalter, sondern auch noch im 17. Jahrhundert eine alltägliche Erscheinung. In jedem Ort wohnten eine oder mehrere Personen, die nicht nur mit Kräutern und der so genannten „weißen“ Magie zu arbeiten verstanden – oder es jedenfalls behaupteten – sondern durchaus mit allerlei Schadenszauber.16 Alle Formen der magischen Naturbeeinflussung waren alltäglich und selbstverständlich.
Magie und Zauberei waren aber in der fraglichen Zeit nicht nur im Volksaberglauben allgegenwärtig, sondern durchzogen auch das gelehrte Schrifttum. Schon von daher liegt es auf der Hand, dass Kritiker des Hexenglaubens es schwer hatten, weil sie gegen den Volksglauben und zugleich gegen die große Mehrheit der Intellektuellen kämpfen mussten.
Um nur ein Beispiel aus dem Bereich der Medizin zu nennen: Im 13. Jahrhundert befand sich in der Bibliothek der Benediktinerabtei St. Augustin in Canterbury eine umfangreiche Handschrift, die unter anderem den Liber medicinalis des spätantiken Medizingelehrten Quintus Serenus enthält.17 Das von Karl dem Großen bis ins 17. Jahrhundert geschätzte Werk – verfasst in eleganten Hexametern – enthält Ratschläge zur Behandlung der Malaria. Als vorbeugenden Schutz empfiehlt Quintus Serenus ein Amulett mit der Zauberformel „Abracadabra“, und zwar im so genannten Schwindeschema. Und weil sich die Beschreibung vielleicht nicht jeder vorstellen konnte, hat der Schreiber der eben genannten Handschrift auf den Rand ein Bild gemalt, auf dem zu sehen ist, wie man die Formel korrekt auf das Amulett zu schreiben hat.18
Auch der Malleus maleficarum des Theologen und Dominikanermönches Heinrich Kramer (1430 – 1505)19, das unter dem Namen „Hexenhammer“ bekannt gewordene berühmt-berüchtigte Grundlagenwerk zur Legitimation der Hexenverfol-gung aus dem Jahre 1486, plädiert für magische Riten, beispielsweise als Gegenzauber:
Gegen Hagelschlag und Gewitter wird (…) folgendes Mittel gebraucht. Drei Körner von dem Hagel werden nämlich unter Anrufung der heiligsten Dreieinigkeit ins Feuer geworfen. Das Gebet des Herrn samt dem Engelsgruß wird zwei- oder dreimal hinzugefügt und das Evangelium Johannis „Am Anfang war das Wort“ mit dem Zeichen des Kreuzes überallhin gegen das Gewitter, vorn und hinten und nach jeder Seite des Landes vorgetragen. Und dann, wenn die betreffende Person am Ende dreimal wiederholt: „Das Wort wurde Fleisch“ und dreimal danach gesagt hat: „Bei den Worten des Evangeliums, dies Gewitter soll weichen“ wird das Gewitter sofort aufhören, wenigstens, wenn es infolge von Behexung hervorgebracht worden ist. Das wird als durchaus wahrer und nicht verdächtiger Versuch beurteilt. Denn gerade der Umstand, dass drei Körner ins Feuer geworfen werden, würde, wenn es ohne Anrufung des göttlichen Namens geschähe, für abergläubisch erachtet werden. Wenn also gesagt wird, ob denn das Gewitter ohne diese drei Körner zum Stillstand gebracht werden könne, wird geantwortet: ganz gewiß, durch zusätzliche heilige Worte. Indem der Betreffende sie ins Feuer wirft, ist er bestrebt, den Teufel zu belästigen, während er versucht, dessen Machenschaften durch die Anrufung der heiligsten Dreieinigkeit zu zerstören. Er wirft sie lieber ins Feuer als ins Wasser, weil, wenn sie schneller aufgelöst werden, auch um so schneller dessen Machenschaft zerstört wird. Den Erfolg jedoch in Form des Schutzes überläßt er dem göttlichen Willen.20
Es ist offensichtlich, dass der „Hexenhammer“ magische Riten nicht nur für wirksam hält, sondern sie gutheißt, freilich nur dann, wenn Teufel und Dämonen aus dem Spiel bleiben und bei der Ausführung des Ritus die Dreifaltigkeit angerufen wird. Interessant an dieser Stelle ist, dass der Autor offenbar der Meinung ist, dass „ganz gewiß“ die Anrufung der Dreifaltigkeit, also ein bloßes Gebet, als Gegenzauber ausreichend und wirksam ist, dass der Erfolg allerdings durch ein magisches Element, nämlich das Werfen von drei (!) Hagelkörnern ins Feuer, beschleunigt wird. Ein schwieriges Feld, in dem Heinrich Kramer offenbar viel mehr an zauberischen Praktiken gutheißt als beispielsweise Theologen der Pariser Fakultät im Jahr 1398 in ihren 28 Thesen. In ihrer 6. These verurteilen die Theologen nämlich die Behauptung, eine Zauberei dürfe durch eine andere bekämpft werden, als einen Irrtum.21
Heinrich Kramer war ein, vorsichtig ausgedrückt, problematischer Charakter: Er war mehrfach vorbestraft wegen Beleidigung, Diebstahl, Unterschlagungen und Trunksucht, mehrfach ist ihm vom Orden Lehrtätigkeit und Predigen untersagt worden, aber es ist ihm doch immer wieder gelungen, im Orden Einfluss zu gewinnen und mit der Bekämpfung von Ketzern beauftragt zu werden. Sein Fanatismus erklärt sich wohl nicht zuletzt daraus, dass er das Ketzer- und Hexenwesen, das er überall herauskriechen sah, für einen Vorboten des nahenden Weltendes hielt.22
Dass Heinrich Kramer nicht nur mit seinen Schriften und Predigten, sondern auch bei seiner Tätigkeit als radikaler Ketzerverfolger bei seinen Zeitgenossen auf viel Widerstand gestoßen ist, darf man nicht übersehen. Nicht nur im eigenen Orden wollte man ihm Steine in den Weg legen, auch Bischöfe oder die Bevölkerung von Gebieten, in denen er auf Jagd nach dem „Bösen“ gehen wollte, haben ihn öfters nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen.
Nun ist der „Hexenhammer“ nicht, wie man manchmal liest, eine „Hetzschrift“.23 Dass der Autor eine klare Position gegen Hexen vertritt, ist klar. Aber um zu seinen Positionen zu kommen, beschränkt er sich nicht auf Angriffe und Polemik, sondern arbeitet die ihm zur Verfügung stehende Literatur ein, stützt sich also auf das, was man den damals aktuellen Forschungsstand nennen könnte, und wägt in scholastischer Manier sorgfältig das Für und Wider ab. Als Quelle dient ihm nicht nur eine breite Palette von Literatur, er verweist nicht nur auf all die Autoritäten von antiken Autoren über die Kirchenväter bis hin zu seinen Zeitgenossen, also nicht nur auf Theorie und Berichte aus zweiter Hand, sondern auch auf persönliche Erfahrung, sozusagen auf Empirie.
Das erscheint uns heute zweifellos ein richtiger, vernunftgemäßer Ansatz zu sein. Man muss bei Stellen wie der folgenden aber natürlich bedenken, dass Aussagen von Frauen, die als Hexe vor Gericht standen, wegen der üblichen Androhung oder gar Anwendung von Folterinstrumenten von zweifelhaftem Wert sind:
Es gehört hierher, daß eine gewisse Hexe, vom Richter befragt, ob sie auf irgendeine Art die von Hexen erregten Gewitter zum Stillstand bringen könnten, antwortete: ‚Sie könne es, nämlich dadurch: Ich beschwöre euch Hagelkörner und Winde bei den fünf Wunden Christi, bei den drei Nägeln, die seine Hände und Füße durchbohrten, und bei den vier heiligen Evangelisten Matthäus, Marcus, Lucas und Johannes, daß ihr, in Wasser aufgelöst, herabfallt.’24
Er beruft sich also auf eine Zeugenaussage, in der „eine gewisse Hexe“ berichtet, wie sie einen bösen Zauber wieder auflösen könne, nämlich mit einem „guten“ Zauber. „Gut“, weil die Beschwörungsformel nicht den Teufel beschwört, sondern die Wunden Christi und die Evangelisten.
Tatsächlich widmet der „Hexenhammer“ eine ganze, aus zahlreichen Kapiteln bestehende Hauptfrage diesem Thema: Welche Mittel sind erlaubt, um den Zauber zu lösen?25 Denn wo es Zauber gibt, da ist der Gegenzauber nicht fern. Zauber und Gegenzauber mit dämonischer Hilfe sind besonders wirksam, das stellt der „Hexenhammer“ gar nicht in Frage. Wie könnte er auch daran zweifeln, dass Dämonen Macht besitzen? Das war schließlich sozusagen unumstrittener Stand der Wissenschaft. Wer an den Dämonen gezweifelt hätte, hätte sich gegen die gesamte biblische und patristische Tradition stellen müssen. Im Gegenteil: Die Macht von Teufeln und Dämonen kann man sich seiner Meinung nach gar nicht groß genug vorstellen. Wir werden diesem Argument noch oft begegnen.
Seine Überzeugungen hat der Autor des „Hexenhammers“ nicht nur aus dem Studium von Büchern gewonnen. Das von ihm selbst Erlebte oder ihm von Zeitgenossen Berichtete passt so genau zur vorherrschenden Meinung, dass Zweifel nicht aufkommen. So berichtet er beispielsweise, wie er in einem Dorf in Süddeutschland einen Mann angetroffen hat, der sich darauf spezialisiert hatte, offensichtlich Behexten mit Gegenzauber zu helfen. Bei dem Mann, so schreibt er, hätten die Behexten Schlange gestanden.26
Wenn man von der Wirklichkeit von Hexerei und Zauberei ausgeht, dann ist die Lösung, die im „Hexenhammer“ vorgeschlagen wird, durchaus elegant. Denn einem offensichtlich Behexten oder sonstwie von Hexerei Betroffenen muss geholfen werden, meint er. Damit widerspricht er allerdings, wie er selbst schreibt, der Lehre des Thomas von Aquin (1225 – 1274), der vor jeglichem „Enthexen“ eindringlich warnt.27
Das jederzeit mögliche und lockende Bündnis mit dem Bösen kommt für den Dominikanermönch trotz seiner Wirksamkeit selbstverständlich nicht in Frage. Aber wenn beim Ritual die Mächte des Guten, Gott oder die Heiligen angerufen werden, so sei die Verwendung von heilenden Edelsteine genauso erlaubt wie das Gießen von kleinen Püppchen aus Blei zur medizinisch-dämonologischen Diagnose, das so genannte „Besprechen“ und magische Amulette, um nur einige Beispiele zu nennen.28
Etwas pointiert könnte man sagen: Für den Autor des „Hexenhammers“ sind alle Formen der Magie und des Aberglaubens auch Religion, aber ein Zuviel an Religion:
„(…) abergläubisch heißt (wie aus der Glosse über Kolosser II: ‚Welches seine Begründung hat im Aberglauben’, bemerkt wird), was über das Maß der Religion hinaus beachtet wird.“29
Aberglaube also ist Religion, aber „mit schlechten und mangelhaften Weisen und Umständen ausgeübte Religion.“30
Es ist in diesem Zusammenhang nicht unwichtig, dass Heinrich Kramer, der sich ja selbst als Hexenverfolger betätigt hat, eigentlich gegen Ketzer vorgehen sollte. Für Kramer ergibt sich daraus kein Widerspruch, denn er ordnet das Phänomen der Hexen unter Häresie ein. Das war verhängnisvoll. Die Furcht vor Ketzern, die – man kann es manchmal durchaus so nennen – Besessenheit, mit der man gegen religiöse Abweichler vorgegangen ist, ist heute, wo man im westlichen Kulturkreis sich daran gewöhnt hat, Religion als Privatsache anzusehen, schwer verständlich. Ja, die Verfolgung der Ketzer erscheint als böswilliger Tick oder als Ausdruck eines rücksichtlosen Machtstrebens, das erst befriedigt ist, wenn alle sich ihm unterwerfen.
Aber im Mittelalter und in der frühen Neuzeit hat man die Häresie als eine Art Krebsgeschwür eingeordnet, das, lässt man ihm freien Lauf, bald den ganzen Körper zerstören und letztlich umbringen wird. Man hat den Häretiker eben nicht als einen Falschgläubigen angesehen, dem der Platz im Himmel, in einem besseren Jenseits verwehrt werden wird. Das wäre eine individuelle Sache gewesen, ein letztlich vernachlässigbares Moment. Wenn man die Häresie aber als ein Geschwür ansieht, dann wird durch diesen Krankheitsherd der gesamte Körper, die gesamte christianitas in Mitleidenschaft gezogen, und zwar auch im Diesseits.
Zur Bekämpfung eines solchen Krebsgeschwürs wiederum erscheint die Todesstrafe gerade recht, besonders das Verbrennen, weil damit der ganze Krankheitsherd in Asche aufgelöst wird. Aber war denn die Todesstrafe überhaupt dem christlichen Geist gemäß? Konnte sie moralisch gerechtfertigt werden? Im Mittelalter gab es noch keinen Katechismus, in dem solche Fragen mit der Autorität des kirchlichen Lehramts entschieden worden wären. Als eine Art Katechismus dienten die Schriften des Thomas von Aquin, der die Todesstrafe nur in ganz engen Grenzen als erlaubt ansieht, z. B. dann, wenn die Beseitigung eines rechtmäßig überführten und verurteilten Delinquenten absolut notwendig für die Gemeinschaft ist. Hartnäckige Ketzer aber, die Reue und Umkehr ablehnen, so argumentiert Thomas von Aquin und zahlreiche Befürworter der Hexenprozesse werden sich ihm anschließen, hartnäckige Ketzer sind eine Gefahr für die Gemeinschaft, weil sie das höchste Gut, nämlich das Seelenheil der Gemeinschaft gefährden.31
Dass Heinrich Kramer auch an der Vertreibung der Juden aus verschiedenen Städten im Elsass beteiligt gewesen sein soll,32 passt in dieses Bild: Falschgläubige und Ungläubige, erst recht diejenigen, die mit dem Teufel im Bund sind, müssen aus der christianitas entfernt werden, weil sie nicht nur das Seelenheil gefährden, sondern immer auch Grund für Unglück und Verderben sein können – für Krankheiten, Seuchen, schlechte Ernten, Kriegsgräuel und was auch immer dem Glück des Individuums und der Gemeinschaft entgegensteht. Juden und Hexen als „Sündenböcke“ zu bezeichnen, trifft die Sache nicht. Der Sündenbock wird stellvertretend geopfert, mit Juden, Ketzern und Hexen hingegen werden in den Augen der Verfolger die für die Übel der Welt unmittelbar Verantwortlichen aus der geschädigten Gemeinschaft ausgewiesen oder vernichtet.
Der Feldzug gegen Hexen und Häretiker ist für den Autor des „Hexenhammers“ folglich unbedingt geboten, eine heftige, aber für die Gesundung der Gemeinschaft unumgängliche Kur. Mit dieser Denkweise steht der „Hexenhammers“ all denjenigen nahe, die das Paradies auf Erden durch die Ausrottung des Bösen ermöglichen wollen, die es für legitim halten, Terror als Mittel zur Erreichung der Tugend einzusetzen. Interessanterweise haben auch Theologen, die Zwangssterilisation und Euthanasie im Nationalsozialismus verteidigen wollten, sich auf Thomas von Aquin berufen, der zur Beförderung des bonum commune, des Gemeinwohls, die Entfernung einzelner kranker Glieder aus dem „Volkskörper“ erlaubt habe. Sie übersehen dabei aber, dass Thomas von Aquin und auch der Hexenhammer nie an unschuldige, für den Staat oder die Gemeinschaft „lästige“ Menschen gedacht haben, sondern immer nur an Menschen, die persönliche Schuld auf sich geladen haben, die eines Verbrechens überführt worden sind.33 Dass bei den Hexenprozessen die Angeklagten oft, wenn nicht gar regelmäßig mit unhaltbaren Methoden „überführt“ worden sind, braucht wohl nicht eigens betont zu werden.
Dass die magischen Riten der Hexen ein bloßer Hokuspokus sein könnten, kommt Heinrich Kramer nicht in den Sinn. Wie könnte es auch? Waren denn nicht die biblischen Erzählungen und erst Recht die Heiligenlegenden voll von Beispielen für übernatürliche Kräfte und ihre erfolgreiche Aktivierung durch Menschen, die sich darauf verstanden? Und genau das – die schier überwältigende Macht der überlieferten Erzählungen von Dämonen, Zauberei, von Erscheinungen, für die es keine Erklärung außer dem Eingreifen von übernatürlichen Mächten gab – genau das macht es allen, die an der Realität der Hexerei gezweifelt haben, so schwer.
Ein zweites kommt hinzu: Wer diejenigen kritisiert, die das Böse ausrotten wollen, macht sich automatisch als Unterstützer der Bösen verdächtig. Trägt, wer für Schonung plädiert, nicht zur Ausbreitung des Krebsübels bei? Wer den Tugendterror anzweifelt, läuft immer Gefahr, der nächsten Säuberungswelle zum Opfer zu fallen.
3. Ein Magier verteidigt Hexen: Agrippa von Nettesheim
Es mag verwundern, dass ausgerechnet ein Magier, nämlich Agrippa von Nettesheim (1486 – 1535), unter den ersten gewesen ist, die der Vernunft ein Stück weit zum Durchbruch verholfen haben, indem sie gegen die Hexenprozesse ihrer Zeit aufgetreten sind.
Agrippa selbst war universal gebildet: Naturforscher, Jurist, Arzt. Eine zwiespältige Persönlichkeit – Heinrich Grimm beschreibt ihn als Vortrab und Stammvater aller gehobeneren Schwarzkünstler und Wunderdoktoren des 16. bis 18. Jahrhunderts. Nicht nur die Zwiespältigkeit des die Lebenseinheit der Gesamtkultur aufspaltenden Übergangszeitalters allein, sondern weit mehr das geistig ungezügelte und oft in wirre Phantastik sich verlierende Wesen A.s prägten sein Leben und Werk. Er gehörte zu jenen dunklen, flunkernden Gestalten „zwischen den Schlachten“, die als meist für beide Seiten tätige politische Agenten sich mit geheimnisvollem Schleier umgeben.34
Agrippa war durch und durch Magier. In seinem um 1510 entstandenen, aber erst 1531 in Paris gedruckten umfangreichen Werk De occulta philosophia hat er sich mit der gesamten einschlägigen Literatur auseinandersetzt. Mit Hilfe der Magie wolle er die Geheimnisse der Natur entschlüsseln, schreibt er. Doch trotz seines hohen Anspruches macht er nicht viel mehr, als die Ansichten anderer Autoren abzuschreiben. Dass er sich in De occulta philosophia gegen den Hexenwahn und gegen Hexenverfolgungen ausgesprochen habe, weswegen er selbst im Gefängnis gelandet sei, ist ein Gerücht.35
Taucht man ein wenig in die Welt dieses Agrippa von Nettesheim, der übrigens auch ein Vorbild von Goethes Faust gewesen ist, ein, dann findet man heraus, dass für ihn wie selbstverständlich Dämonen existieren, die heimtückische Angriffe auf Menschen planen, Dämonen, deren Namen er mit Hilfe komplizierter Buchstabenverschiebungen aus dem hebräischen Alphabet herauslesen will. Auch eine Fülle von seltsamen Rezepten hat Agrippa zusammengetragen, beispielsweise benötige man für eine Mondräucherung „den Kopf eines gedörrten Frosches, die Augen eines Stiers, etwas vom Samen des weißen Mohns, Weihrauch und Kampfer, vermischt mit Menstruationsblut oder Gänseblut“36.
Und in einem anderen Kapitel von De occulta philosophia heißt es, Menstruationsblut heile die, die sich vor Wasser fürchten oder trinken, nachdem sie von einem tollwütigen Hund gebissen wurden, wenn nur ein Menstruationstuch unter den Becher gelegt wird. Außerdem berichten sie, dass, wenn menstruierende Frauen nackt um das stehende Korn herumgehen, sie alle Krebsgeschwüre, Würmer, Käfer, Fliegen und alle verletzenden Dinge vom Korn abfallen lassen; aber sie müssen darauf achten, dass sie es vor Sonnenaufgang tun, sonst lassen sie das Korn verdorren. Auch sagen sie, dass sie Hagel, Unwetter und Blitze vertreiben können (…) Und Plinius berichtet, dass es eine rote Kröte gibt, die in Dornbüschen und Brombeeren wohnt und voller Zauberei ist und wunderbare Dinge tut; denn das Knöchelchen, das in seiner linken Seite ist, wird, wenn man es in kaltes Wasser wirft, sogleich sehr heiß, wodurch auch die Wut der Hunde gebändigt und ihre Liebe erlangt wird, wenn man es ins Wasser legt; und wenn man es an jemanden bindet, erregt es die Lust. Dagegen macht das Knöchelchen, das auf der rechten Seite ist, heißes Wasser kalt, und es kann nie wieder heiß werden, es sei denn, dass es herausgenommen wird; auch heißt es, dass es quartane37 heilt, wenn es dem Kranken in eine Schlangenhaut gebunden wird, wie auch alle anderen Fieber, und Liebe und Lust zügelt. Und dass die Milz und das Herz ein wirksames Mittel gegen die Gifte der besagten Kröte ist. So viel schreibt Plinius.38
Ohne zu zögern würde man diese und ähnliche Rezepturen des Magiers Aprippa von Nettesheim den Hexen zuschreiben. Dergleichen entspringt scheinbar der so genannten „niederen Volksmagie“, dem Wissen von Zauberinnen und Hexern aller Art. Doch Agrippa verrät in dem zitierten Text selbst, woher die von ihm angeführten Beispiele für die Macht der Zauberei stammen, nämlich von Plinius.
Gemeint ist der römische Gelehrte Plinius der Ältere (23/4 – 79 n. Chr.), der ein umfangreiches naturkundliches Werk hinterlassen hat, die Naturalis historia, eine Art Enzyklopädie in 37 Bänden, die bis weit in die Neuzeit hinein als eines der wichtigsten Standardwerke gegolten hat. Dort konnte man nicht nur lange Kapitel über Magie finden, sondern in den Bänden über Heilmittel auch eine ganze Reihe magischer Rezepte, die Plinius selbst aus verschiedensten Quellen zusammengetragen hatte.39
Die von Agrippa zitierten Stellen finden sich in Band 7 der Naturalis historia.40 Sowohl den Abschnitt über Menstruation als auch die erstaunlichen Wirkungen, die man mit einem Knöchelchen der roten Kröte erzielen kann, hat Agrippa fast wörtlich abgeschrieben, eine Vorgehensweise, die bekanntlich im Mittelalter keineswegs ehrenrührig war. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass sich Agrippa damit noch voll in der mittelalterlichen Tradition bewegt.
Die magischen Rezepte in De occulta philosophia haben eben nicht viel zu tun mit eigener Erforschung von Volksmagie. Dass solche Rezepte wirksam sein können, scheint Agrippa nicht bezweifelt zu haben, jedenfalls nicht mehr als Plinius selbst, der manches durchaus distanziert berichtet.
Agrippa hat nicht grundsätzlich gegen Hexerei und Hexenverfolgung argumentiert. Das einzige, das man ihm zugute halten kann und muss, ist, dass er eine Frau, die wegen Hexerei vor Gericht gestanden haben, verteidigt hat, und zwar 1519 in Metz.41 In der Umgebung von Metz hat es in der fraglichen Zeit eine ganze Reihe von Hexenprozessen gegeben; wie fast immer wurden Aussagen der Angeklagten mit Hilfe der Folter erpresst. Agrippa hat in einem Fall die Rolle des Verteidigers übernommen. Ob aus eigenem Antrieb, ist unklar, wahrscheinlich nicht, denn dergleichen gehörte zu seinem Aufgabenbereich als Stadtsyndicus.
Seine Verteidigungsstrategie vor Gericht hat keineswegs darauf beruht, dass die angeklagte Frau keine Hexe sein könne, da es keine Hexen gebe. Er argumentiert nicht als Aufklärer und nicht als Naturforscher, sondern als Jurist und Theologe. Zunächst nämlich hat er in dem Prozess, der sich über lange Zeit hingezogen hat, dem Gericht einige Formfehler nachgewiesen. Dann hat er behauptet, in diesem Fall sei die Folter gegen die einschlägigen Vorschriften durchgeführt worden. An einem anderen Prozesstag schließlich hat Agrippa sich auf die Theologie berufen. Der Ankläger nämlich hatte die Anklage damit untermauern wollen, dass er darauf hingewiesen hat, schon die Mutter der Angeklagten sei wegen Zauberei hingerichtet worden. Aprippa selbst schildert den Vorfall so:
Als Syndicus zu Metz hatte ich einen harten Kampf mit einem Inquisitor, der ein Bauernweib um der abgeschmacktesten Verleumdungen willen mehr zur Abschlachtung, als zur Untersuchung vor sein nichtswürdiges Forum gezogen hatte. Als ich ihm in der Vertheidigung der Angeklagten bewies, daß in den Acten kein genügendes Indicium vorliege, sagte er mir in's Gesicht: Allerdings liegt ein sehr genügendes vor, denn ihre Mutter ist als Zauberin verbrannt worden. Ich verwarf ihm dieß als ungehörig; er aber berief sich auf den Malleus maleficarum und die peripatetische Theologie und behauptete, das Indicium müsse gelten, weil Zauberinnen nicht nur ihre Kinder sogleich nach der Geburt den Dämonen zu weihen, sondern sogar selbst aus ihrem Umgang mit den Incuben Kinder zu zeugen und so das Zauberwesen in den Familien zu vererben pflegten.
Ich erwiderte ihm: Hast du eine so verkehrte Theologie, Herr Pater42 ? Mit solchen Hirngespinnsten willst du unschuldige Weiber zur Folter schleppen und mit solchen Sophismen Ketzer verurtheilen, während du selbst mit deinem Satze kein geringerer Ketzer bist, als Faustus und Donatus? Angenommen, es wäre, wie du sagst: wäre damit nicht die Gnade der Taufe vernichtet? Der Priester würde ja vergeblich sagen: Ziehe aus, unsauberer Geist, und mache Platz dem heiligen Geiste, wenn wegen des Opfers einer gottlosen Mutter das Kind dem Teufel verfallen wäre usw.43
Er bezeichnet also den Inquisitor als Ketzer, weil dieser, indem er davon ausgeht, dass Hexerei vererblich sei, die Lehre von der Kraft der christlichen Taufe in Frage stelle, denn die Taufe ist ja selbst eine Art Teufelsaustreibung: Wird die Taufe richtig durchgeführt, dann ist für den Täufling nicht nur die Erbsünde getilgt, sondern auch jegliche Verstrickung in dämonische Zusammenhänge aufgehoben.
Indem er den Inquisitor selbst einer Ketzerei bezichtigt, die vergleichbar mit der der bekannten Häretiker Faustus und Donatus sei, fährt Agrippa schweres Geschütz auf. Mit der Erwähnung dieser beiden Ketzer beruft er sich indirekt auf den Hl. Augustinus – eine unumstößliche Autorität.
Denn mit Faustus ist hier keineswegs, wie gelegentlich zu lesen ist, der historische Dr. Faust, das Vorbild von Goethes „Faust“ gemeint, sondern der manichäische nordafrikanische Bischof Faustus, Anhänger der spätantiken Religion des Manichäismus, gegen den Augustinus von Hippo – obwohl oder weil Augustinus selbst in seiner Jugend in Karthago Anhänger dieses Faustus und des Manichäismus gewesen ist – in seinen lange Zeit zum Bildungskanon gehörenden autobiografischen Confessiones anschreibt.44 Die Manichäer aber kennen kein Taufsakrament und damit weder die Tilgung der Erbsünde noch die Erlösung von dämonischem Einfluss durch die Taufe, Punkte, die in der Theologie des Augustinus eine große Rolle spielen. Im Gegenteil: Für den Manichäer ist es die Kernaufgabe des Gläubigen, sich aus der angeborenen Verstrickung in die Mächte der Dunkelheit langsam heraus-zuarbeiten.
Bei den Anhängern des Donatus andererseits, den Donatisten, handelt es sich um eine im 4. Jahrhundert entstandene rigoristische Abspaltung vom Christentum, die in Karthago ihren Schwerpunkt hatte. Auch mit dem Donatismus hat sich Augustinus auseinandergesetzt, denn für die Anhänger des Donatus kann es bei schweren Sünden wie dem Abfall vom Christentum keine Vergebung geben. Wenn also, so argumentiert Agrippa, die Meinung des Inquisitors stimmen würde, dass die Kinder von Hexen automatisch im Banne von Dämonen seien, dann gäbe es für diese Kinder keine Gnade, keine Tilgung der Schuld.45
Und trotzdem: Agrippa hätte den Prozess wohl nicht gewonnen, wäre der Richter nicht vor der Urteilsverkündung gestorben und hätte man im Nachlass des Richters nicht ein Dokument gefunden, in dem der Richter im Angesicht seines nahen Todes reumütig gestanden hat, dass er sich hatte bestechen lassen.46
Der gewonnen Prozess jedenfalls hat Agrippa Ärger eingebracht. Am Ende ging das Gerücht, er habe die Frauen nur verteidigt und einen Freispruch erwirken können, weil er selbst mit dem Teufel im Bunde gewesen sei.47 Sein Schüler Johannes Weyer schreibt später, Agrippa habe einen großen schwarzen Hund gehabt, den er „Monsieur“ genannt habe. Deswegen hätten die Leute ihn verdächtigt, er habe Umgang mit dem Teufel – ein Vorwurf, den Johannes Weyer allerdings strikt zurückweist.48
Kurz darauf hat Agrippa auch Metz verlassen und ist zurück in seine Heimatstadt Köln gezogen, wo er sich noch intensiver als vorher den magischen Künsten und geheimnisvollen Büchern widmete, mit hohem Anspruch, aber nach wie vor offen für alle möglichen Formen des Aberglaubens. So hat er sich in den Jahren nach 1519 intensiv mit den Schriften des Johannes Trithemius (1462 – 1516) – eines sehr belesenen Humanisten, den er persönlich gekannt hat – beschäftigt, der als Benediktiner-Abt zwei Klöster reformiert und eine große Bibliothek zusammengetragen hat, der aber kein aufgeklärter Geist war, sondern eine Vorliebe für abgelegene, spekulative und dunkle Werke hatte, etwa über die so genannten Planetengeister. So nimmt es nicht Wunder, dass der gelehrte Abt nicht nur ein scharfer Verfechter des Hexenglaubens in der Tradition des „Hexenhammers“ war,49 sondern alle möglichen magischen Rezepte gegen Hexen empfohlen hat.50
Aber warum hat Agrippa 1519 eine Hexe verteidigt? Offenbar hat er nicht grundsätzlich die Wirksamkeit von Hexerei in Zweifel gezogen, sondern lediglich nicht viel von den Zaubermethoden der als Hexen bezeichneten Frauen gehalten. In der Vorrede zu De occulta philosophia grenzt er sein Projekt einer Art Renaissance der antiken Wissenschaft deutlich ab von unerlaubten, bösen Hexereien und teuflischem Schadenszauber.51
Es scheint, als ob die der Hexerei angeklagten Frauen sein Projekt der Veredelung der Magie zur Wissenschaft gestört hätten, als ob er deswegen abgestritten hätte, ein „altes närrisches Weib auf dem Lande“ könne tatsächlich mit magischen Kräften auf die Natur einwirken. So etwas, schreibt er in De occulta philosophia, sei „größtenteils erlogenes, abergläubisches Zeugs, verderbliche Erdichtungen, die, obgleich sie nicht unter den Begriff einer erlaubten Kunst fallen können, doch den ehrwürdigen Titel Magie zu ihrem Aushängeschild nehmen“, eine „sträfliche Entweihung“52.
Er dagegen verspricht den Lesern seines Buches die Rückkehr zur wahren, reinen Magie. Auf diese Art von Magie, die für ihn sozusagen der Königsweg zur Erlangung von Wissen ist, hält er große Stücke:
Die Magie ist eine Macht von wunderbarem Wert, voll höchster Geheimnisse, und enthält die tiefste Betrachtung der geheimsten Dinge, ihrer Natur, Kraft, Qualität, Substanz und ihrer Eigenschaften, wie auch die Kenntnis der ganzen Natur, und sie belehrt uns über die Verschiedenheit und Übereinstimmung der Dinge untereinander, woraus sie ihre wunderbaren Wirkungen hervorbringt, indem sie die Eigenschaften der Dinge durch die Anwendung der einen auf die anderen und auf ihre niederen sächlichen Gegenstände vereinigt und sie durch die Kräfte und Eigenschaften der höheren Körper gründlich zusammenfügt und verbindet. Dies ist die vollkommenste und wichtigste Wissenschaft, eine heilige und sublime Art der Philosophie, ja sie ist die absolute Vollendung der edelsten Philosophie. Denn da alle regulative Philosophie in Naturkunde, Mathematik und Theologie geteilt wird: Natur-Philosophie lehrt die Natur der Dinge, die in der Welt sind, sucht und erforscht ihre Ursachen, Wirkungen, Zeiten, Orte, Moden, Ereignisse, ihre Gesamtheit und Teile (…).53
Und er nennt auch die Voraussetzungen für den Weg zu einem Magier, der wirkmächtig und zugleich auf der Seite des Guten ist: Verankerung in der Religion, Sieg über die Leidenschaften und der erfolgreiche Abschluss eines Hochschulstudiums in Philosophie, Mathematik und Theologie:
Es ist auch wohl bekannt, dass Pythagoras und Plato zu den Propheten von Memphis gingen, um das zu lernen, und durch fast ganz Syrien, Ägypten, Judäa und die Schulen der Chaldäer reisten, damit sie nicht in Unkenntnis der heiligsten Schriften und Aufzeichnungen der Magie seien und damit sie übernatürlichen Fähigkeiten erwerben könnten. Wer also in dieser Fakultät zu studieren wünscht, wenn er nicht in der Naturphilosophie bewandert ist, in der die Qualitäten der Dinge entdeckt werden und in der die verborgenen Eigenschaften eines jeden Wesens zu finden sind, und wenn er nicht in der Mathematik und in den Aspekten und Figuren der Sterne bewandert ist, von denen die erhabene Wahrheit und die Eigenschaften eines jeden Dings abhängen; und wenn er nicht in der Theologie gelehrt ist, in der jene immateriellen Substanzen offenbart werden, die alle Dinge disponieren, kann er unmöglich in der Lage sein, die Vernunft der Magie zu verstehen. Denn es gibt keine Arbeit, die durch bloße Magie getan wird, noch irgendeine Arbeit, die lediglich magisch ist, die also nicht diese drei Fähigkeiten umfasst.54
Agrippa, so könnte man überspitzt sagen, glaubt nur dem, was er in den Werken der gelehrten magischen Tradition gefunden hat, nicht dem, was irgendwelche alte Frauen sagen. Letztere sind seiner Meinung nach schon deswegen nicht ernst zu nehmen, weil das, was sie sagen, nicht mit dem, was er in den Werken der „hohen, alten Kunst der Magie“ gelesen hat, übereinstimmt. Man muss, um das richtig einordnen zu können, bedenken, dass zu der Zeit des Agrippa die Erforschung der Natur und der Naturkräfte noch in den Anfängen steckte. Die Astrologie war nicht von der Astronomie geschieden, die Alchemie nicht von der Chemie, Medizin nicht von dem, das man mit einem modernen Begriff als Voodoo bezeichnen könnte. Wenn Agrippa und andere die Fahne der magia naturalis hochhalten, dann mag ihre Art der Naturwissenschaft nicht immer unserem Begriff von Wissenschaft entsprechen. Es bleibt aber festzuhalten, dass die magia, um die es ging, eine im Kern wissenschaftlich-rationale Suche nach den noch verborgenen Naturkräften war, kein volkstümlicher Hokuspokus.
4. Zwischen Bibel und praktischer Vernunft: Johannes Weyer
Johannes Weyer (1516 – 1588) war, wie er selbst schreibt, ein Schüler des Agrippa von Nettesheim.55 Seine Einstellung zum Hexenglauben seiner Zeit ist nicht einfach herauszuarbeiten und lässt sich keineswegs in einem oder zwei Sätzen zusammenfassen. Fangen wir mit dem Ende seines umfangreichen Werkes „Von Teufelsgespenst, Zauberern und Gifftbereytern, Schwarzkünstlern, Hexen und Unholden“ an, dem Epilog. Dieser schließt mit einem Horaz-Zitat:
Somnia, terrores, Magicos, miracula, sagas Nocturnos, lemures, portentaque Thessala rides56 Kannst Du, fragt Horaz an der Stelle einen Freund, dem er erklären will, wie ein gelungenes Leben aussieht, über Träume, Schrecken, Zauberer, Wunder, Wahrsagerinnen, Nachtgeister und die Gaukeleien Thessaliens lachen? Doch so eindeutig wie Kant, der dem zweiten Hauptstück des zweiten Teils seiner frühen Schrift „Träume eines Geistersehers“ das gleiche Zitat von Horaz als Motto vorangestellt hat, gibt Weyer die Welt der Geister und der Geisterseher nicht der Lächerlichkeit preis, eher im Gegenteil.
Ebenso im Epilog wendet er sich nämlich auch scharf gegen Pietro Pomponazzi, den er zu den Peripatetikern zählt, die, so vermutet er, sein Werk scharf kritisieren werden:
Denn ich bin zweiffels on / es werden sich die subtilen Peripatetici in dem ersten glied finden lassen / vnnd einmal alle Mirackel vnd Wunderwerck so den gemeinen lauff der Natur weit vberhöhen / auß natürlichen gründen vnd vrsachen herauß führen wöllen auch jres Platonis vnn Aristotelis grillen der heiligen Christlichen Religion vnnd Bibelschrifften weit fürsetzen.57
Die Tendenz, die Philosophen wie Pietro Pomponazzi mit ihrem „aufgemotzten und blumigen Geschwätz“58 verfolgt haben, sieht Johannes Weyer durchaus richtig: Sie werten Bibel und Christentum ab und berufen sich auf die Vernunft. Falsch, sagt Johannes Weyer und versichert ganz zum Schluss von De praestigiis nochmals, er stehe fest auf dem Boden des Christentums und habe sich nicht von den Irrlehren dieser Philosophen in die Irre führen lassen, wovor ja schon Paulus im 2. Kapitel seines Briefes an die Kolosser gewarnt habe.59
[...]
1 Wolfgang Behringer hat in seinem Aufsatz Neun Millionen Hexen. Entstehung, Tradition und Kritik eines populären Mythos, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 49 (1998), S. 664 – 685 genau aufgezeigt, wie die Zahl neun Millionen in die Welt gesetzt und dann wiederholt worden ist.
2 Nach Wolfgang Behringer, Hexen. Glaube, Verfolgung, Vermarktung, München: Beck (4. Auflage) 2005, S. 65f. Tab. 3.
3 Rolf Schulte, Hexenmeister. Die Verfolgung von Männern im Rahmen der Hexenverfolgung von 1530 - 1730 im Alten Reich (= Kieler Werkstücke. Reihe G: Beiträge zur Frühen Neuzeit; Bd. 1), 2. erg. Auflage, Frankfurt a. M. (u. a.): Peter Lang 2001, dort S. 50 – 86 die Auswertung von zahlreichen Regionalstudien.
4 Ebd. S. 166 u. S. 172.
5 Nach Wolfgang Behringer, Hexen, (wie Anm. 2) S. 65f. Tab. 3.
6 Luthers Predigt am 6. Mai 1526, in: WA 16, S. 551f. Zu Luther vgl. Peter Dinzelbacher, Mystische Phänomene zwischen theologischer und medizinischer Deutung, in: Peter Dinzelbacher (Hg.), Mystik und Natur. Zur Geschichte ihres Verhältnisses vom Altertum bis zur Gegenwart, Berlin: de Gruyter 2009, S. 78 und Volker Leppin, Art. Martin Luther, in: Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung, hg. v. Gudrun Gersmann, Katrin Moeller und Jürgen-Michael Schmidt, in: historicum.net (https://www.historicum.net/purl/45zs3/ – abgerufen am 08. 12. 2020).
7 Lutherbibel 1545.
8 Um eine Berücksichtigung der harten Vorschrift von Ex 22.18 ist natürlich um 1500 niemand vorbei gekommen. Dabei hat man durchaus schon die Unterschiede zwischen den verschiedenen Sprachen erkannt und die Bedeutungen der Begriffe diskutiert. Der gelehrte Humanist und Kleriker Andreas Masius (1514 – 1573), um nur einen zu nennen, der neben Latein und Griechisch auch Hebräisch, Arabisch und Syrisch beherrschte, hat sich ausführlich damit auseinander gesetzt, auf seine Darlegungen stützt sich wiederum Johannes Weyer in De praestigiis, Buch 2, Kap. 1, (wie Anm. 75) S. 101ff. – Es würde hier zu weit führen, eine Deutungsgeschichte zu skizzieren.
9 Wolfgang Behringer, Hexen, (wie Anm. 2) S. 35; vgl. auch S. 53 und die Tabellen S. 57 u. 61.
10 Zum Prozess vgl. Eberhard Walz, Die „Hexe von Leonberg“. Katharina Kepler und ihr Prozeß, in: Stadt Leonberg/Stadtarchiv (Hg.), Nonne, Magd oder Ratsfrau. Frauenleben in Leonberg aus vier Jahrhunderten (Beiträge zur Stadtgeschichte Nr. 6), 1998, S. 75 – 84.
11 Johannes Kepler, Somnium sive astronomia lunaris, Sagan und Frankfurt 1634. Digitalisat: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/VREEWBEKM5JQQ26IUFVF3TL4BNCOQ7GM (abgerufen am 20. 12. 2020).
12 Zitiert nach Ludwig Günther, Keplers Traum vom Mond, Leipzig: Teubner 1898, S. 5f.
13 Vgl. Ludwig Günther, Keplers Traum vom Mond, (wie Anm. 12) S. 3f. Ludwig Günther versucht die Bemerkung Keplers über die durch die Luft fliegenden Frauen damit zu retten, dass er sie als Satire bezeichnet (S. 40f.); die textkritische Übersetzung des Textes von Beatrix Langner, Johannes Kepler, Der Traum, oder: Mond-Astronomi: Somnium sive astronomia lunaris, Berlin: Matthes & Seitz 2012 war mir nicht zugänglich.
14 Speziell zu der Frage, wie um 1500 in diesem Zusammenhang argumentiert worden ist: Matteo Duni, Doubting Witchcraft. Theologicans, Jurists, Inquisitors during the Fifteenth and Sixteenth Centuries, in: Studies in Church History 52 (2016) S. 203 – 231 und ders., La Caccia alle Streghe e i dubbi di un giurista: il De lamiis et excellentia utriusque iuris di Giovanfrancesco Ponzinibio (1511), in: La centralità del dubbio. Fonti classiche e sviluppi dello scetticismo nell’età moderna, Florenz: Olschki 2011, S. 5f.
15 Dazu Siegfried Leutenbauer, Hexerei- und Zauberdelikt in der Literatur von 1450 – 1550, Berlin: Schweitzer 1972.
16 Man kann sich die Bedeutung von Magie und Hexerei im Mittelalter vielleicht besser vorstellen, wenn man sie mit den heutigen Zuständen in Teilen Afrikas vergleicht. Dazu sehr instruktiv: Éric de Rosny, Die Augen meiner Ziege. Auf den Spuren afrikanischer Hexer und Heiler, Wuppertal: Hammer 1999.
17 Die Handschrift befindet sich heute in der British Library, Digitalisat: http://www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Royal_MS_12_E_XXIII – abgerufen am 10.01.2021. Dort auch weitere Informationen zu der Handschrift. Eine moderne Edition und Übersetzung: Kai Brodersen (Hg.) Quintus Serenus. Medizinischer Rat / Liber medicinalis, Lateinisch – deutsch, Berlin: De Gruyter 2017.
18 Das Kapitel über Malaria und die Zeichnung finden sich in der genannten Handschrift der British Library MS 12 E XXIII im Kap. 51, Vers. 935ff. Zum „Abracadabra“ vgl. Kai Brodersen, Quintus Serenus, (wie Anm. 17) S. 7f. – im Vorwort zu der genannten Ausgabe findet man auch umfangreiche Informationen zu dem Liber medicinalis und seiner Überlieferungsgeschichte.
19 Zu Heinrich Kramer vgl. Werner Tschacher, Art. Kramer, Heinrich (Henricus Institoris), in: Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung, hg. v. Gudrun Gersmann, Katrin Moeller und Jürgen-Michael Schmidt, in: historicum.net (https://www.historicum.net/purl/45zrr/ – abgerufen am 1.12.2020).
20 Hexenhammer Bd. 2, 2. Hauptfrage, Kapitel VII – hier zitiert nach der Übersetzung von J. W. R. Schmidt, Der Hexenhammer, Berlin und Leipzig: H. Barsdorf 1923, Band 2, S. 184.
21 Die Thesen zitiert Weyer, De praestigiis, Buch 6, Kap. 28, (wie Anm. 75) S. 480.
22 Nach Werner Tschacher, Kramer, Heinrich (wie Anm. 19).
23 Das hat Dieter Harmening in seinem Aufsatz Die Hexe des Hexenhammers – Literarische Kombinationen herausgearbeitet, in: Ders. (Hg.), Zauberei im Abendland. Vom Anteil der Gelehrten am Wahn der Leute. Skizzen zur Geschichte des Aberglaubens, Würzburg: Königshausen & Neumann 1991, S. 60 – 69.
24 Hexenhammer, (wie Anm. 20) S. 184f.
25 Ebd. S. 124ff.
26 Ebd. S. 132.
27 Im Werk des Thomas von Aquin spielt Magie keine größere Rolle, am ehesten noch die Wahrsagerei. Vieles, was später zum „gesicherten Bestand“ der Hexenlehre gehört, wie etwa der Teufelspakt oder der Geschlechtsverkehr mit dem Teufel, ist ihm fremd. Vgl. dazu: P. Linsenmann und T. Korbinian, Art. Aquin, Thomas von, in: Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung, hg. v. Gudrun Gersmann, Katrin Moeller und Jürgen-Michael Schmidt, in: historicum.net (https://www.historicum.net/purl/45zn7/ – abgerufen am 06. 12. 2020).
28 Hexenhammer, (wie Anm. 20) S. 133f. (Bleigießen), S. 162 (Edelsteine), S. 166 (Besprechen), S. 169 (Amulette). Amulette zuzulassen fällt dem Autor sichtlich schwer, denn gewichtige Autoritäten wie Augustinus und Chrysostomus haben sie abgelehnt, auch die eben erwähnten 28 Thesen, die Pariser Theologen 1398 veröffentlich haben (vgl. unten Anm. 177), lehnen Amulette in These 21 ausdrücklich ab (zit. bei Weyer, De praestigiis, Buch 6, Kap. 28 (wie Anm. 75) S. 481f.). Der „Hexenhammer“ folgt an dieser Stelle deswegen Thomas von Aquin, der Amulette in sehr engen Grenzen erlaubt. Interessant, dass schon Plato (Nomoi, 11. Buch, 933 St. 2) von Zauberei mit kleinen Püppchen berichtet, er ist sich aber unsicher, ob damit eine Wirkung zu erreichen ist.
29 Hexenhammer, (wie Anm. 20) S. 166. Der Autor verweist hier auf die Glosse, also einen Kommentar zu einer Bibelstelle, nämlich zu Kolosser 2.18. Dort warnt Paulus die Gläubigen von Kolossae vor zuviel Engelverehrung und vor zuviel mystischer Schau. Welche Glosse gemeint ist, ist unklar. Die im Mittelalter meist zitierte Glossa ordinaria zu dieser Stelle (Migne PL 114, Sp. 613) ist es jedenfalls nicht.
30 Hexenhammer, (wie Anm. 20) S. 166.
31 Dazu ausführlich mit zahlreichen Zitaten: X. Basler, Thomas von Aquin und die Begründung der Todesstrafe, in: Divus Thomas 9 (1931), S. 69 – 90.
32 Die Quellenlage ist nicht eindeutig, vgl. Werner Tschacher, Kramer, Heinrich (wie Anm. 19).
33 Beispiele bei X. Basler, Thomas von Aquin und die Begründung der Todesstrafe (wie Anm. 31).
34 Heinrich Grimm, Art. Agrippa von Nettesheim, in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 105 – 106.
35 So Heinrich Grimm, ebd. S. 105.
36 Übersetzt vom Verfasser nach Agrippa von Nettesheim, De occulta philosophia, Buch I, Beginn von Kap. 44 – in der Ausgabe Lyon: Beringen 1550 (Digitalisat bei Google Books), S. 90.
37 Quartan - lateinische Bezeichnung für ein viertägiges Wechselfieber.
38 Übersetzt vom Verfasser nach Agrippa von Nettesheim, De occulta philosophia, Buch I, Kap. 42, (wie Anm. 36) S. 83f.
39 Vgl. dazu Judith Lichtblau, Plinius’ Naturgeschichte der Magie. Die Ambivalenz magischer Praktiken in der Naturalis Historia, Baden-Baden: Tectem 2017. Die Kapitel über Magie finden sich in: Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde, Bd. 29/20: Medizin und Pharmakologie: Heilmittel aus dem Tierreich, hg. von Roderich König und Joachim Hopp, München und Zürich: Artemis 1991, S. 116ff.
40 Vgl. dazu die medizinhistorische Dissertation von Karin Barbara Hewera, Frauenleiden, Schwangerschaft und Geburt in der Naturalis Historia von Plinius dem Älteren (23/4 – 79 n. Chr.), Diss. TU München 2012, S. 46 – 52. Die von Agrippa zitierten Quellen finden sich in: Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde, Bd. 7: Anthropologie, hg. von Roderich König und Gerhard Winkler, München: Heimeran 1975, S. 63ff. u. 77f.
41 Vgl. Wilhelm Gottlieb Soldan, Geschichte der Hexenprozesse, Stuttgart u. Tübingen: Cotta 1848, S. 325f.; ausführlicher: Christoph Meiners, Lebensbeschreibungen berühmter Männer aus den Zeiten der Wiederherstellung der Wissenschaften, Bd. 1, Zürich: Orell 1795, S. 259 – 262. Die Geschichte dieses Prozesses ist ebenso verwickelt wie von einer kaum glaublichen Grausamkeit geprägt. Man muss allerdings berücksichtigen, dass die beiden eben angegebenen Autoren das Geschehen nur aufgrund von Agrippas eigenen Schilderungen wiedergeben, denn es gibt offenbar keine weiteren Quellen dazu (so auch Joseph Hansen, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter, Bonn: C. Georgi 1901, S. 512). Eine Rolle mag auch gespielt haben, dass der 1519 in Metz tätige Inquisitor, Nicolaus Salini, Dominikaner war und dass Agrippa kurz vor dem Prozess eine scharfe literarische Fehde mit einem anderen Dominikaner, dem Prior des Klosters in Metz, ausgefochten hat (nach Christoph Meiners, Lebensbeschreibungen berühmter Männer, S. 256 – 259).
42 Er spricht direkt den Ankläger an, den Dominikanerpater Nicolaus Salini.
43 Quelle lateinisch: Agrippa von Nettesheim, De incertitudine et vanitate scientiarum liber, Frankfurt 1693, S. 513f.; das Werk ist schon 1531 das ersten Mal gedruckt worden - hier zitiert nach der Übersetzung von Wilhelm Gottlieb Soldan, Geschichte der Hexenprozesse, (wie Anm. 41) S. 325f.
44 Augustinus, Confessiones, 5. Buch, Kap. 3 – 6.
45 Vgl. Bernhard Kriegbaum, Art. Donatismus, Donatisten, in: Walter Kasper (Hg.): Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 3, Freiburg: Herder (3. Aufl.) 1995, Sp. 332ff.
46 Nach Christoph Meiners, Lebensbeschreibungen berühmter Männer, (wie Anm. 41) S. 262.
47 Vgl. dazu Art. Agrippa von Nettesheim, Henricus Cornelius, in: Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung, hg. von Gudrun Gersmann, Katrin Moeller und Jürgen-Michael Schmidt, in: historicum.net (https://www.historicum.net/purl/45zmr/ – abgerufen am 17. 12. 2020).
48 Weyer, De praestigiis, Buch II, Kap. 6, (wie Anm. 75) S. 98.
49 Sein Werk Antipalus maleficiorum von 1508 (lange nur handschriftlich vorhanden, Erstdruck Mainz 1605) ist vielleicht noch schärfer als der „Hexenhammer“. Vgl. dazu sehr gründlich und differenziert: Klaus Arnold, Humanismus und Hexenglaube bei Johannes Trithemius (1462 - 1516), in: Peter Segl (Hg.), Der Hexenhammer. Entstehung und Umfeld des Malleus maleficarum von 1487, Köln und Wien: Böhlau 1988, S. 217 – 240.
50 Vgl. Christoph Meiners, Lebensbeschreibungen berühmter Männer, (wie Anm. 41) S. 266f. mit einem sehr instruktiven Beispiel.
51 Vgl. Agrippa, De occulta philosophia, Ad lectorem, (wie Anm. 36) ohne Seitenzahl.
52 Übersetzt vom Verfasser nach Agrippa von Nettesheim, De occulta philosophia, Begleitschreiben an Johannes Trithemius, (wie Anm. 36) ohne Seitenzahl.
53 Übersetzt vom Verfasser nach Agrippa von Nettesheim, De occulta philosophia, Buch I, Beginn von Kap. 2, (wie Anm. 36) S. 2f.
54 Übersetzt vom Verfasser nach Agrippa von Nettesheim, De occulta philosophia, Buch I, Kap. 2, (wie Anm. 36) S. 5.
55 Weyer, De praestigiis, Band 2, Kap. 5, (wie Anm. 75) S. 96 – er verteidigt Agrippa an der Stelle gegen den Vorwurf, ein verdammenswerter Zauberer zu sein.
56 Horaz, Epist. II, 2, Vers 208f. – bei Johannes Weyer in De Praestigiis, Epilog, (wie Anm. 75) S. 483.
57 Weyer, De praestigiis, Epilog, (wie Anm. 75) S. 482.
58 Weyer, De praestigiis, Epilog, (wie Anm. 75) S. 482: „alles geschwetz / es sey ja auffgemutzt vnnd geblümt wie es jmmer wölle.“
59 Vgl. Kol 2.4–8; man mag sich wundern, dass Weyer die Schriften des Pietro Pomponazzi gelesen haben soll; Weyer zitiert ihn auch nicht, versichert aber im Epilog (wie Anm. 75 S. 483), er habe persönlich mit einem Schüler Pomponazzis gesprochen, der diesen als „Gottloß vnd verrucht“ bezeichnet habe.
- Arbeit zitieren
- Dr. Martin Haeusler (Autor:in), 2021, Kritik am Hexenwahn im 16. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1027375
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