1. Vorwort: Die 68 Revolution - Studentenbewegung
Während der Studentenbewegung gab es mehrere studentische Vereinigungen in Berlin z.B. Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), Außerparlamentarische Opposition (APO), Kommune I usw. Die meisten Mitglieder dieser Vereinigungen begnügten sich mit Demonstrationen, Sit-ins, Teachins, Happenings und vor allem in Diskussionen über das weitere Vorgehen. Zentrale Themen hierbei waren schon zu Beginn dieser Protestbewegung die Anti-Imperialismus-Theorie, der Vietnam Krieg, das Pressemonopol des Springerverlages und dessen Hetzkampagne gegen die Studentendemonstrationen sowie die Kritik an der bundesrepublikanischen Gesellschaft an sich.
Es wurde zwar schon zu Beginn über Gewaltanwendung gegenüber dem Staat und seinen Institutionen diskutiert, dies lehnten jedoch die Mehrheit der Außerparlamentarischen Opposition ab. Aber einzelne Personen darunter Andreas Baader und Gudrun Ensslin beriefen sich auf Theorien von Marx, Lenin, Mao Tse-tung, Marcuse und Che Guevara und waren eher zu gewalttätigen Aktionen bereit.
2. Besuch des Schahs von Persien in Berlin am 2. Juni 1967
Bereits vor dessen Besuch wurden oppositionelle Perser ohne irgendeine Rechtsgrundlage in Vorbeugehaft genommen und die Autobahnen wurden für den kaiserlichen Wagenkonvoi komplett gesperrt. Als Reza Pahlevi um 14:30 Uhr am Schöneberger Rathaus eintraf hatten sich Hunderte von Studenten auf dem Platz vor dem Rathaus zu einer Demonstration versammelt. Mit Eisengittern sollten sie zurückgehalten werden hinter denen Polizeibeamte und Schahanhänger patrouillierten, die mit langen Holzlatten ausgerüstet waren. Als unter den Studenten Protestchöre gegen den Schah laut wurden und Farbeier geworfen wurden, die den Schah zwar nicht trafen, begannen jedoch die Schahanhänger (in erster Linie Agenten des iranischen Geheimdienstes) mit ihren Holzlatten auf die Studenten einzuprügeln und die deutsche Polizei schaute teilnahmslos zu. Nach einigen Minuten unterstützte die Polizei mit ihren Gummiknüppel die Schahanhänger. Anstatt deren Personalien festzustellen oder sie zu verhaften wurden sie mit zwei Sonderbussen zur Deutschen Oper gefahren wo sich das Kaiserpaar am Abend eine Oper anhörte. Wieder hatten sich Studenten versammelt und es wurden wieder Sprechchöre laut und Farbeier flogen. Doch der Schah erreichte die Oper unbeschadet. Die Studenten wollten sich in umliegenden Kneipen zurückziehen um gegen 22:00 Uhr wieder zum Protest aufzumarschieren. Die Polizei hatte jedoch den Befehl zur „Leberwursttaktik“ vom Polizeipräsidenten erhalten. Wörtlich sagte dieser: “ Nehmen wir die Demonstranten als Leberwurst, dann müssen wir in die Mitte hineinstechen, damit sie am Ende auseinander platzt. “ [1] Plötzlich fuhren 14 Krankenwagen auf. Die Polizisten, die sich vor den Demonstranten aufgebaut hatten prügelten, ohne die gesetzlich vorgeschrieben Warnung, los. Es wurde die brutalste Prügelei die man bis dahin im Nachkriegsberlin erlebt hatte. Viele Demonstranten brachen blutüberströmt zusammen. Eine junge Hausfrau stürtzte unter den Hieben auf die Strasse, wurde von Polizisten weggetragen und am nächsten Tag stand in den Zeitungen dass tapfere Polizisten sie aus dem Steinhagel entmenschter Demonstranten gerettet haben. [2] Die Schlussphase der Leberwursttaktik war die Aktion „Füchse jagen“ bei der Polizeitrupps flüchtenden Demonstranten in die Nebenstrassen nachrückten. Gegen 20:30 Uhr meinte einer der Beamten, die sich in der Nähe des Grundstücks Krumme Straße aufhielten, einen Rädelsführer zu sehen. Sie stellten den Verdächtigen und rissen ihn zu Boden. Es kamen noch weitere Beamte und auch Demonstranten hinzu. Es kam zu einem Handgemenge. Der niedergerissene Studenten versuchte zu entkommen aber Schutzpolizisten verfolgten ihn und schlugen auf ihn ein bis dieser regungslos in ihren Armen hing. Einer der Beamten war Karl-Heinz Kurras. Er hatte eine entsicherte Pistole in der Hand die etwa einen halben Meter vom Kopf des Stunden entfernt war, als sich plötzlich ein Schuß löste und dem Studenten (es war Benno Ohnesorg) oberhalb des rechten Ohrs in das Gehirn eindrang und die Schädeldecke zertrümmerte. Der Student verstarb und der Polizist wurde freigesprochen. Noch in dieser Nacht erklärte der regierende Bürgermeister von Berlin, Pastor Heinrich Albertz (SPD): „ Die Geduld der Stadt ist am Ende. Die Demonstranten haben sich das traurige Verdienst erworben, nicht nur einen Gast der Bundesrepublik Deutschland in der deutschen Hauptstadt beschimpft und beleidigt zu haben, sondern auf ihr Konto gehen auch ein Toter und zahlreiche Verletzte..." [3] . Ebenfalls noch in dieser Nacht trafen sich viele Demonstranten im Berliner SDS-Zentrum und diskutierten erregt wie man auf den Tod Benno Ohnesorgs reagieren könnte. Gudrun Ensslin stand auf und schrie: „ Dieser faschistische Staat ist darauf aus uns alle zu töten. Wir müssen Widerstand organisieren. Gewalt kann nur mit Gewalt beantwortet werden. Dies ist die Generation von Auschwitz - mit denen kann man nicht argumentieren! “ [4]
3. Kurzcharakteristik der 4 Hauptpersonen
· Andreas Baader wurde am 6. Mai 1943 in München geboren und war bei der Flucht aus dem Gefängnis gerade 27 Jahre geworden. Sein Vater war 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten und wurde seit dem vermißt, so dass er bei seiner Mutter, Großmutter und bei einer Tante aufwuchs. Er war ein schwieriges Kind z. B. ließ er sich nicht konfirmieren, weil er den Religionsunterricht haßte; er wollte seinen Geburtstag nicht feiern und hat versucht seiner Mutter das Weihnachtsfest auszureden. Ein Mitschüler sagte über ihn: „ Andreas war intelligenter als der Durchschnitt. Aber er war frech und aufsässig und wollte sich den Regeln nicht unterwerfen [...] “ [5] Im letzten Jahr auf der Oberschule fuhr er mit einem Motorrad mit 120 Stundenkilometern durch den Englischen Garten. Er wurde wegen Fahrens ohne Führerschein erwischt und zu drei Wochen Jugendarrest verurteilt. Danach ist er durch weitere Verkehrdelikte aufgefallen und hat Mitschüler auch dazu angestiftet, so dass er die Schule verlassen musste. Im Alter von 20 Jahren zieht er nach Berlin und lernt dort Gudrun Ensslin kennen.
· Gudrun Ensslin wurde 1940 in der Schwäbischen Alb als viertes Kind einer evangelischen Pfarrersfamilie geboren. Sie besuchte in Tuttlingen das Gymnasium und folgte dem Beispiel ihrer Eltern. Sie ging mit dem Evangelischen Mädchenwerk auf Fahrt, wurde bald Gruppenführerin und leitete die Bibelarbeit. 1958/1959 ging sie als Austauschschülerin ein Jahr nach Amerika. In ihrem Tagebuch vermerkt sie dass sie erschrocken war über die politische Naivität ihrer amerikanische Umwelt in der Ära Eisenhower. 1960 begann sie in Tübingen Germanistik, Anglistik und Pädagogik zu studieren. Dort lernte sie ihren späteren Verlobten Bernward Vesper kennen, mit dem sie 1963 den Kleinverlag „Studio für neue Literatur“ gründet. Beim zweiten Anlauf bekommt sie ein Stipendium der Studienstiftung und zieht mit ihrem Verlobten nach West-Berlin wo sie schon bald beim „Wahlkontor der Schriftsteller“ für den Sieg der SPD bei der Bundestagswahl 1965 arbeitete.
· Ulrike Meinhof wurde am 7. Oktober 1934 in Oldenburg geboren. Im Alter von 6 Jahren stirbt ihr Vater. Die Mutter erhält keine Pension und muss ein Zimmer an die Studentin Renate Riemeck untervermieten. Im März 1949 stirbt auch Ulrikes Mutter und von nun an ist Renate Riemeck die Mutter von Ulrike und ihrer Schwester. Ulrike ging auf die Oldenburger Klosterschule und war überzeugt Christin. Nach dem Abitur zieht sie nach Marburg und studiert dort Pädagogik und Psychologie und wechselt 1957 an die Universität Münster und wird dort auch Sprecherin des „Anti- Atom-Ausschusses“ der sich um den Sozialistischen Deutschen Studentenbund gebildet hatte. Der wiederum war die Studentenorganisation der SPD und dem sie 1958 schließlich beitritt. Ende Mai 1958 wurden in Münster wie auch in zehn anderen deutschen Universitätsstätten Kundgebungen gegen die atomare Bewaffnung organisiert, bei der Ulrike Meinhof im Alter von zwanzig Jahren ihre erste politische Rede hält. Dieses selbstbewußte Auftreten wird auch über die Grenzen von Münster bekannt. Daraufhin wird die Redaktion der linken Studentenzeitschrift „konkret“ auf sie aufmerksam wo sie 1960 Chefredakteurin wird und heiratet 1961 den Verleger Klaus Rainer Röhl. Der Tod Kennedys zerstört die Hoffnungen vieler Studenten auf eine neue Politik. Die durch die Spiegelaffäre geschwächte CDU/FDP Regierung sollte bei der Bundestagswahl 1965 durch die SPD abgelöst werden und dazu gründete Günter Grass das „Wahlkontor der Schriftsteller“ in das 1964 auch Gudrun Ensslin eintritt. Im April 1969 beendet Ulrike Meinhof ihre Mitarbeiter bei der linken Zeitschrift „konkret“ und zieht von Hamburg nach Berlin zu Peter Homann, der von einigen Protestaktionen bereits bekannt war. Dort beginnt sie mit einem Film über Fürsorgeerziehung („Bambule“). Ulrike Meinhof wollte keine Trennung mehr zu den Objekten ihrer Berichterstattung und sie nahm einige Fürsorgezöglinge auf, die ihr noch mehr Probleme bereiteten als sie ohnehin mit sich selbst schon hatte. Die Arbeit an dem Film dauerte mehr als ein Jahr und in dieser Zeit geriet Ulrike Meinhof in eine Depressionsphase, die sie politisch zu interpretieren versuchte. Die journalistische und schriftstellerische Arbeit genügte ihr nicht mehr. Sie wollte selbst aktiv werden. In einem Interview sagte sie: „ Privatangelegenheiten sind immer politische. Kindererziehung ist immer politisch, die Beziehungen, die Menschen untereinander haben, sind unheimlich politisch, weil sie etwas darüber aussagen, ob Menschen unterdrückt sind oder frei sind. Ob sie Gedanken fassen können oder ob sie keine Gedanken fassen können. Von den Bedürfnissen der Kinder her gesehen ist die Familie, ja ist die Familie der stabile Ort mit stabilen menschlichen Beziehungen notwendig und unerl äß lich. “ [6] Anfang Februar 1970 gewährte sie Andreas Baader und Gudrun Ensslin Unterschlupf in ihrer Wohnung, da sie das Leben von Kaufhausbrandstiftern viel konsequenter fand als das ihre. Sie verließ ihre Kinder und beteiligte sich an der Baaderbefreiung (sie war eine der beiden Damen die im Flur saßen).
· Horst Mahler wurde am 23. Januar 1936 in Schlesien geboren. Im Februar 1945 flüchtete seine Familie vor der Roten Armee nach Naumburg an der Saale. Danach zogen sie nach Dessau und nach dem Tod des Vaters (1949) nach Westberlin. 1955 machte Mahler sein Abitur und studierte Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Er trat dem SDS bei und eröffnet 1963 in Berlin eine Anwaltskanzlei mit Spezialisierung auf Wirtschaftsverfahren. Er war dabei sehr erfolgreich. 1966 war er einer der Mitbegründer des „Republikanischen Clubs“ der bald eines der Zentren der APO wurde. 1968 legte er seine Mandate (er war vor allem in der Bauwirtschaft tätig) nieder und gründete mit Christian Ströbele und Klaus Eschen das erste „sozialistische Anwaltskollektiv“ und wurde einer der bekanntesten linken Verteidiger. Seine Mandanten waren z.B. Beate Klarsfeld, Fritz Teufel, Rainer Langhans und auch der Kaufhausbrandstifter Andreas Baader. Wegen seiner APO- Aktivitäten gab es standesrechtliche Verfahren gegen Mahler. 1970 wurde er wegen Teilnahme bei Gewalttätigkeiten gegen den Springer-Verlag verurteilt (Mai bis Juni). Noch im Mai war er bei der Baaderbefreiung im Hintergrund tätig und reiste dann im Juni auch mit nach Jordanien. 1973 wurde er wegen Bankraubs und Gefangenenbefreiung zu 14 Jahren Haft verurteilt. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom November 1987 konnte er wieder eine Anwaltskanzlei eröffnen und hält mittlerweile auch Reden im Umfeld der rechtsextremen NPD.
4. Kaufhausbrandstiftung
Die Kommune I verbreitete Flugblätter die den anhaltenden Staatsterror die andauernde Situation in Vietnam anprangerten und über den Kaufhausbrand von Belgien berichteten bei dem 300 Menschen ums Leben kamen. Sie waren der Auslöser dass sich Thorwald Proll, Gudrun Ensslin und Andreas Baader entschlossen in zwei deutschen Kaufhäusern Brandsätze zu legen. Der Sinn von Kaufhausbrandstiftung wurde im Flugblatt der Kommune I vom 24.05.1967 so formuliert: „ Ein brennendes Kaufhaus mit brennenden Menschen vermittelte zum erstenmal in einer europäischen Großstadt jenes knisternde Vietnamgefühl (dabeizusein und mitzubrennen), das wir in Berlin bislang noch missen müssen. “ [7] Baader, Ensslin und Proll fuhren zuerst nach München zu einem Freund Baaders um dann zu viert nach Frankfurt zu fahren. Im Gepäck lagen mehrere selbstgebastelte Brandsätze aus Kunststoffflaschen, Benzin, Reiswecker plus Taschenlampenbatterie, Glühzünder; das Ganze eingebettet in selbstgemischten Sprengstoff und mit Tesafilm und Tesakrepp umwickelt. Am Nachmittag des nächsten Tages kundschafteten Baader und Ensslin Kaufhäuser aus um dann kurz vor Ladenschluß im Kaufhaus Schneider in der Damenoberbekleidungs- und in der Möbelabteilung auf Schränken zwei Brandsätze zu hinterlassen. Die Zünder waren auf Mitternacht gestellt. Zu dieser Zeit ging bei der deutschen Presseagentur ein Anruf ein: „ Gleich brennt ’ s bei Schneider und im Kaufhof. Es ist ein politischer Racheakt. “ [8] Die Brandsätze richteten nur materiellen Schaden an, den die Versicherungen übernahmen (im Kaufhaus Schneider 282.239,00 DM und im Kaufhof 390865,00 DM). Beim folgenden Prozess konnte nicht eindeutig geklärt werden, wer die Brandsätze im Kaufhof gelegt hatte. Die Brandstifter tauchten bei einer Bekannten unter, deren Freund das Verhalten der Besucher verdächtig fand. Am nächsten Vormittag konnte die Polizei die Brandstifter aufgrund eines konkreten Hinweises verhaften und fanden in deren Auto diverse Beweisstücke. Die Zeitungen meldeten daraufhin dass die Festgenommen Mitglieder des SDS waren. Dieser distanziert sich jedoch von der Brandstiftung, aber die Kommune I erklärte sich solidarisch und deren Mitglied Baumann beschrieb die Situation so: „ Ob die da nun ein Kaufhaus angesteckt haben oder nicht, war mir im Augenblick scheißegal, einfach daßda mal Leute aus dem Rahmen ausgebrochen sind und so eine Sache gemacht haben, auch wenn sie es so angestellt haben, dass sie geschnappt worden sind. Die Brandstiftung ist natürlich auch eine Konkurrenzgeschichte. Wer die knallhärtesten Taten bringt, der gibt die Richtung an. “ [9] Am 31. Oktober 1968 werden die Brandstifter zu je 3 Jahren Haft verurteilt.
5. Das Attentat und der Zeitungsterror
Am Morgen des 11. April 1968 kommt der 24 jährige Anstreicher Josef Bachmann aus München in Berlin an. Mit dabei hatte er den Ausschnitt der rechtsradikalen „Deutschen Nationalzeitung“ mit der Überschrift: „Stoppt Dutschke jetzt. Sonst gibt es Bürgerkrieg.“ Darunter waren 5 Fotos von Dutschke zu sehen, die wie Fahndungsfotos aussahen. Dutschke war Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund. Bachmann erkundigte sich beim Einwohnermeldeamt über den Aufenthaltsort von Dutschke. Er passte Dutschke noch am gleichen Tag ab und schoß ihm dreimal in Kopf und Schulter. Am Abend wurde im Rundfunk gemeldet dass Dutschke das Attentat überlebt hat. Während des Tages hatten sich im SDS-Zentrum etliche Studenten versammelt um zu beraten wie auf das Attentat zu reagieren sei. Plötzlich war allen klar wie, nämlich gegen den Springerverlag (Bildzeitung) zu demonstrieren und die Auslieferung der Zeitungen zu verhindern. Denn vor allem dieser Verlag hat eine große Hetzkampagne gegen die deutsche Linke gestartet und stellte unter der Woche eine Auflage von 30% und am Wochenende sogar 90% der Gesamtauflagen an Zeitungen in Deutschland. Während der Demonstrationszug zum Springerverlag wanderte, wurde das Gebäude mit Stacheldraht gesichert. Ziel war jedoch die Auslieferung der Zeitungen zu verhindern und so wurden die Zufahrtswege mit Autos verbarrikadiert. Auch Ulrike Meinhof, damals Journalisten für die linke Zeitschrift „konkret“, parkte ihr Auto dazu. Beim Eintreffen des Demonstrationszuges war das Verlagsgebäude von Polizisten umringt die mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten (weit über 1000) vorgingen, während jene Pflastersteine gegen das Springergebäude warfen. Als sich die Lage vorübergehend beruhigt verteilte der Verfassungsschutzagent Peter Urbach Molotowcocktails an die Demonstranten und damit gelang es ihm sich als V-Mann in den Studentenkreis einzuklinken. Ulrike Meinhof schreibt ein einem Artikel: „ Wirft man einen Stein, so ist das eine strafbare Handlung. Werden tausend Steine geworfen, ist das eine politische Aktion. Zündet man ein Auto an, ist das eine strafbare Handlung, werden hunderte Autos angezündet, ist das eine politische Aktion." 10
6. Auf der Flucht
Am 13. Juni 1969 wurden die vier Brandstifter nach 14 monatiger Haft entlassen bis über ihre Revision entschieden wird. In dieser Zeit beteiligen sich Baader und Ensslin mehr und mehr in einem „Lehrlingskollektiv“. Dabei versuchten Studenten Jugendliche, die aus Heimen ausgebrochen waren und jetzt mehr oder weniger illegal lebten, zu politisieren. Baader und Ensslin begeisterten die Jugendlichen darüber hinaus mit spektakulären Aktionen wie Autorennen mit gestohlenen Autos, Diskothek „aufmischen“ usw. Im November 1969 wurde die Revision vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Kurz davor hatten sie noch ein Gnadengesuch eingebracht aber sie waren ihren polizeilichen Meldeauflagen eher recht als schlecht nachgekommen und so beschlossen Baader, Ensslin und Thorwald Proll unterzutauchen. Sie fuhren mit einigen Fluchthelfern nach Paris und wohnten in der Wohnung eines Kampfgenossen Che Guevara‘s, in der sie sich vor polizeilicher Verfolgung sicher fühlten, da der Vater des Wohnungsinhabers Politiker war. Telefonisch wurde Proll’s Schwester Astrid nach Paris gelotst. In Paris angekommen erhielt sie den Auftrag nach Amsterdam zu fahren und bei einem in linken Kreisen bekannten Experten falsche Papiere anfertigen zu lassen. Nachdem sie wieder nach Paris zurückgekehrt war brachen alle gemeinsam Richtung Süden auf, wobei sie in Straßburg Thorwald Proll abhängten, der nach Baaders Meinung für ein solches Leben nicht robust genug war. Thorwald Proll und der vierte Kaufhausbrandstifter Horst Söhnlein stellten sich der Polizei. Baader, Ensslin und Astrid Proll fuhren weiter nach Italien und kamen bei einem Bekannten aus Berlin unter. In Italien erfuhren sie dass auch ihr Gnadengesuch abgelehnt wurde. Ein Besucher aus Berlin hatte ihnen kurz zuvor vorgeschlagen wieder nach Berlin zurückzukehren und sich einer im Aufbau befindlichen militanten Gruppe anzuschließen. Der Besucher war Horst Mahler.
7. Verhaftung und Befreiung Baaders
Wieder in Berlin kamen die Untergetauchten zunächst in der Wohnung von Ulrike Meinhof unter. Einige Zeit später kam es zu einem Treffen mit dem Rechtsanwalt Horst Mahler, der bereits selbständige eine kleine Truppe zusammengestellt hatte. Mahler besorgte eine Wohnung, da die Wohnung von Ulrike Meinhof nicht mehr sicher genug war. Für den geplanten illegalen Kampf wurden Waffen benötigt und dafür stellte Mahler Kontakt zu dem Verfassungsschutzagenten Peter Urbach her. Dieser war ein alter Bekannter von Mahler und schon seit längerem als V-Mann in der linken Szene tätig. In einer Nacht und Nebelaktion sollten auf einem Friedhof die Waffen ausgegraben werden, die Urbach dort wusste doch es war nichts zu finden. Statt dessen kam es bei der Rückfahrt zur Wohnung zu einer Polizeikontrolle, die Urbach veranlasst hatte und bei der Baader verhaftet wurde. Da Andreas Baader unter Gelbsucht litt, da er sich nach seiner Haftentlassung gleich eine Schuß gesetzt hatte, wurde er zuerst in die Krankenabteilung des Gefängnisses Moabit gebracht und später dann nach Tegel verlegt. Dort erhielt er mehrmals Besuch von Ulrike Meinhof, Horst Mahler der ihn als Anwalt vertrat und von Gudrun Ensslin die zwar immer noch untergetaucht war, jedoch unter falschem Namen in die Haftanstalt gelangte. Eines Tages erhielt die Anstaltsleitung einen Brief vom Verlag Klaus Wagenbach, in dem es hieß dass Andreas Baader und Ulrike Meinhof gemeinsam ein Buch über randständige Jugendliche verfassen sollen. Der Anwalt Horst Mahler überzeugt daraufhin den Anstaltsleiter dass es dazu unbedingt erforderlich sei dass Baader für einige Stunden in ein wissenschaftliches Institut in Berlin gelassen wird um dort Zugang zu Zeitschriften zu erhalten die für das Buchprojekt dringend notwendig sind. Der Anstaltsleiter Glaubrecht willigte ein und am Donnerstag, den 14. Mai 1970 um 9:00 Uhr wurde Baader mit zwei Beamte in das Institut gebracht. Dort erwartete ihn bereits Ulrike Meinhof. Kurz darauf erscheinen zwei jungen Frauen im Institut die ebenfalls in den Lesesaal wollten, aber dann im Flur Platz nehmen mussten. Aufgrund von Geräuschen, die von draußen in das Institut drangen verließ der Pförtner des Instituts seinen Arbeitsplatz und die beiden Damen konnten den Summer betätigen um die Eingangstür zu öffnen. Es erschien ein maskierter Mann und eine vermummte Frau. Der Pförtner versuchte sie aufzuhalten, doch er wurde von einer Kugel getroffen die der Mann abfeuerte. Die beiden Damen vom Flur schossen mit Tränengas-Pistolen in den Lesesaal. Nach einem kurzen Handgemenge mit den Wachposten im Lesesaal konnten die vier Befreier Ingrid Schubert, Irene Goergens, Gudrun Ensslin und der Mann der auf den Pförtner geschossen hatte sowie Andreas Baader und Ulrike Meinhof über ein Fenster entkommen und fuhren mit einem bereitgestellten Wagen davon. Diese Aktion gilt als die Geburtsstunde der RAF.
Von Juni bis August 1970 reisen 20 Mitglieder der RAF darunter auch die Befreiten und Befreier über den Ostberliner Flughafen Schönefeld nach Jordanien, wo sie über den Verbindungsmann Said Dudin bei der palästinensischen Befreiungsorganisation El Fatah eine militärische Ausbildung erhalten.
8. Aufbau der Roten Armee Fraktion
Die Gruppe flog über den Ostberliner Flughafen Schönefeld von Jordanien wieder nach Deutschland und konnte sogar wieder die selben Wohnungen benutzen, da sie von der Polizei nicht entdeckt wurden. 1970 umfaßte die Gruppe ca. 25 Mitglieder. Es folgten einige „kleinere Aktionen“. Am 29. September 1970 wurden in Berlin zwischen 9.48 Uhr und 9.58 drei Banken gleichzeitig überfallen mit einer Gesamtbeute von 217.449,50 DM. Am 8. Oktober wurden, durch einen Tip eines Anrufers bei der Berliner Polizei mehrere Täter verhaftet (Horst Mahler, Ingrid Schubert, Monika Berberich, Brigitte Asdonk, Irene Goergens). In der Nacht vom 22./23. November 1970 wurden im Rathaus Langgöns bei Gießen Blanko- Personalausweise, Dienstsiegel und dazugehörige Nieten gestohlen (Ulrike Meinhof und zwei weitere Täter). In Frankfurt erwarb Ulrike Meinhof von einem Vertreter der El Fatah 23 Pistolen. Baader und Ensslin die nach wie vor in Berlin waren rekrutierte zahlreiche Leute und beschlossen schließlich nach Frankfurt umzusiedeln. Dort hatte Ulrike Meinhof am 10. Dezember einen Schriftsteller überredet, einige RAF-Leute aufzunehmen. Von da an wurde viel Zeit damit verbracht Wohnungen, Waffen und Autos zu organisieren. Diese Aktionen führten zu einigen Verhaftungen wodurch die Gruppe wieder stark dezimiert wurde. Am 15. Januar 1971 wurden in Kassel zwei weitere Banken überfallen mit einer Beute von 114.715,00DM. Anfang 1971 befand sich die Gruppe bereits ein halbes Jahr im Untergrund und hatte seit der Baader-Befreiung keine Äußerung veröffentlicht. In der Öffentlichkeit wurde die Gruppe mit „Baader-Meinhof-Gruppe/Bande“ bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt hat Horst Mahler, der im Gefängnis war, ein Positionspapier veröffentlicht in dem er die Ziele der Stadtguerilla um Andreas Baader beschrieb. Er hatte dies jedoch nicht mit der Gruppe abgesprochen und sie distanzierten sich davon. Ulrike Meinhof verfaßte daraufhin ein eigenes Manifest „Konzept Stadtguerilla“. Auf dessen Titelseite tauchte zum ersten Mal der Begriff „Rote Armee Fraktion“ auf mit dem zukünftigen Markenzeichen (einer Kalaschnikow-Maschinenpistole und darauf die Abkürzung RAF). „ Wenn wir vom Feind bekämpft werden, dann ist das gut; denn es ist ein Beweis, daßwir zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich gezogen haben. Wenn uns der Feind energisch entgegentritt, uns in den schwärzesten Farben malt und gar nichts bei uns gelten l äß t, dann ist das noch besser; denn es zeugt davon, daßwir nicht nur zwischen uns und dem Feind eine klare Trennungslinie gezogen haben, sondern daßunsere Arbeit auch glänzende Erfolge gezeitigt hat. Mao Tse Tung, 26. Mai 1939
[...] Stadtguerillla heißt, sich von der Gewalt des Systems nicht demoralisieren zu lassen. Stadtguerilla zielt darauf, den staatlichen Herrschaftsapparat an einzelnen Punkten zu destruieren, stellenweise außer Kraft zu setzen, den Mythos von der Allgegenwart des Systems und seiner Unverletzbarkeit zu zerstören. [...] “ 11
Am 15. Juli 1971 sperrten 3000 Polizisten die wichtigsten Straßen in ganz Norddeutschland ab um die gesuchten 9 Gruppenmitglieder zu verhaften. An diesem Nachmittag durchbrach in Hamburg ein BMW eine Polizeisperre. Er wurde kurze Zeit später gestellt und die beiden Insassen (Werner Hoppe und Petra Schelm) liefen davon. Hoppe wurde gefaßt und Petra Schelm versteckte sich zunächst in einem Hinterhof. Als sie von Polizisten entdeckt wurde zog sie eine Pistole und schoß. Daraufhin schossen die Polizisten zurück und sie wurde tödlich am Kopf getroffen.
Am 22. Oktober 1971 entdecken die Polizisten Norbert Schmid und Heinz Lemke an einem S-Bahnhof in Hamburg eine verdächtige Frau. Als sie sie stoppen wollen entwischt sie ihnen. Jedoch einige Ecken weiter taucht sie wieder auf und ebenso ein Paar (Gerhard Müller und Irmgard Möller). Als der Polizist Schmidt die Gesuchte zu fassen bekommt feuert das Paar Schüsse ab und trifft Schmidt tödlich und den anderen Polizisten am Fuß. Die drei Terroristen entkommen, doch schon wenigen Stunden später wird bei der eingeleiteten Großfahndung die zuerst verfolgte Frau (Margit Schiller) verhaftet.
9. Neuer Präsident im BKA
Am 1. September 1971 wurde Horst Herold neuer Präsident im BKA. Er hatte sich vor allem durch die Einführung der Datenverarbeitung in der Verbrechensbekämpfung einen Namen gemacht. Durch seine Ernennung wurde er der „oberste Terroristenfahnder“ und gehörte auch nach seiner Pensionierung zu den bestbewachtesten Personen in Deutschland. Er verfügte am Anfang über 1113 Beamte und 54,8 Millionen Mark Jahresetat und am Ende seiner Dienstzeit über 3536 Beamte und 290 Millionen Jahresetat. Das BKA sollte zu einer Art deutschem FBI gemacht werden. Jedes Bundesland wurde aufgefordert eine eigene Sonderkommission „Terrorismusbekämpfung“ zu bilden die alle zentral vom BKA geleitet wurden. Es wurde eine riesige Datenverarbeitung aufgebaut mit 4,7 Millionen Namen und 2,1 Millionen Fingerabdrücke.
10. Bombenanschläge
Ende 1971 wollte die Kerngruppe der RAF wieder nach Berlin umsiedeln. Pakete mit Waffen wurden von Hamburg per Post hinterher geschickt. Sie waren jedoch so schlampig verpackt dass die Polizei zahlreiche Pistolen, Munition und Sprengstoff sicher stellen kann. Bei der darauffolgenden Großrazia wurde Georg von Rauch, Mitglied der „Bewegung 2. Juni“, von der Polizei erschossen und einige Randpersonen der RAF verhaftet.. Daraufhin kehrte die RAF wieder nach Westdeutschland zurück und bezog in Frankfurt Quartier. Die RAF befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits eineinhalb Jahre im Untergrund und wollte nun mit Sprengstoffaktionen auf die politischen Ziele der RAF aufmerksam machen. Am 22. Dezember 1971 wurde die Hypo-Bank in Kaiserslautern überfallen wo ein zufällig vorbeikommender Polizist erschossen wurde; Beute 135.000 DM. Im Januar entdeckte ein Polizist Baader, der in einem Auto saß. Es kam zu einem Schußwechsel aber Baader konnte entkommen. Die „Bild“- Zeitung meldete daraufhin in einer neuerlichen Sensationsmeldung dass Baader den Kampf aufgeben wolle und sich bei einem Hamburger Rechtsanwalt gemeldet hat. Dies dementiert Baader in einem Brief: „ Ich denke nicht daran mich zu stellen. Kein Gefangener aus der RAF hat bis jetzt ausgesagt. Erfolgsmeldungenüber uns können nur heißen: verhaftet oder tot. Die Stärke der Guerillas ist die Entschlossenheit jedes einzelnen von uns. Wir sind nicht auf der Flucht. Wir sind hier, um den bewaffneten Widerstand gegen die bestehende Einkommensordnung und die fortschreitende Ausbeutung des Volkes zu organisieren. Der Kampf hat erst begonnen. “ 12 Am 21. Februar 1972 stürmen 8 RAF-Mitglieder eine Hypo-Bank in Ludwigshafen und erbeuteten 285.000 Mark.
Im März 1972 meldet ein Wohnungsmakler in Augsburg der Polizei, dass sich ein verdächtiges Paar in der Wohnung über ihm eingemietet hätte. Die Polizei startete daraufhin eine groß angelegte Observierungsaktion. Als der Zugriff am 2. März schließlich erfolgte löste sich ein Schuß aus einer Polzeipistole und traf den 23 jährigen Thomas Weisbecker tödlich. Die Wohnung wurde weiter überwacht und als am Abend zwei weitere RAF-Mitglieder (Manfred Grashof und Wolfgang Grundmann) eintreffen kommt es erneut zu einem Schusswechsel bei dem der Hauptkommissar Hans Eckhardt von Manfred Grashof erschossen wird. Grashof wird von weiteren Polizisten schwer verletzt. In Frankfurt wird der Metallbildner Dierk Hoff, ein Bekannter von Holger Meins, von der RAF engagiert der immer wieder Waffen modifizierte und auch Bombenhüllen baute (am Anfang wurde ihm erzählt, dass sie als Requisiten für Filme benötigt wird, später wurde er misstrauisch und sie weihten ihn in die RAF ein). In der Frankfurter Wohnung wurden mehrere hundert Kilo Chemikalien, die in verschiedenen Städten besorgt wurden, in aufwendiger Kleinarbeit zu Sprengstoff gemischt.
Im Mai 1972 verminte die amerikanische Luftwaffe Häfen in Nordvietnam. Andreas Baader, Jan-Carl Raspe, Holger Meins, Gudrun Ensslin und Gerhard Müller beschlossen darauf mit einem Sprengstoffanschlag auf die amerikanische Botschaft zu reagieren. Am 11. Mai 1972 verwüsteten drei Rohrbomben Eingangsportal und Offizierscasino im V. US-Korps im IG-Farben Haus in Frankfurt am Main. Bilanz des Anschlags: 13 Verletzte und 1 Toter. Erklärung des Kommandos Petra Schelm: „ Wir fordern den sofortigen Abbruch der Bomben-Blockade gegen Nordvietnam. Wir fordern die sofortige Einstellung der Bombenangriffe auf Nordvietnam. Wir fordern den Abzug aller amerikanischen Truppen aus Indochina.Für den Sieg des Vietcong! Die revolutionäre Guerilla aufbauen! Habt Mut zu kämpfen habt Mut zu Siegen! Schafft zwei, drei, viele Vietnam! “ 13
Am nächsten Tag fuhren Baader, Ensslin und Meins von Frankfurt nach München um den Tod von Thomas Weisbecker zu rächen. Um 12.15 Uhr detonierten zwei Stahlrohr-Sprengkörper in der Augsburger Polizeidirektion. Dabei wurden 5 Polizisten verletzt. Zwei Stunden später flog ein mit Sprengstoff beladenes Auto vor dem München Landeskriminalamt in die Luft. Bilanz: 60 Autos wurden demoliert und in sechs Stockwerken zerbarsten die Fensterscheiben. Erklärung des Kommandos Thomas Weisbecker:
„ Die Taktik und die Mittel, die wir anwenden, sind die Taktik und die Mittel des Guerilla-Kampfes. Die Innenminister und die Bundesanwaltschaft schätzen die Situation falsch ein, wenn sie glauben, sie mit ihrem Exekutionskommandos beherrschen zu können. Es ist das Wesen der Guerilla, daßsie weil sie für die Interessen des Volkes kämpft durch militärische Aktionen nicht ausgelöscht werden kann und ihre Handlungsfreiheit so oft wiedererlangen kann, wie sie sie zeitweilig verlieren mag. Der brutalen Selbstherrlichkeit der Fahndungsbehörden, dem » kurzen Proze ß« der Faschisten setzen wir den schrittweisen Aufbau der revolutionären Guerilla entgegen, den langen und langwierigen Prozeßdes Befreiungskampfes vom Faschismus, von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung des Volkes. Kampf den Exekutionskommandos der Polizei! “ 14
15. Mai 1972: Das Auto des Bundesrichters Buddenberg explodiert. Am Steuer saß jedoch seine Frau, die überlebte. Die RAF rechtfertigte den Anschlag damit dass Buddenberg den schwer verletzten Manfred Grashof bereits ins Gefängnis bringen ließ als für ihn noch Infektionsgefahr bestand. Sie behaupteten auch dass er verantwortlich dafür war, dass Carmen Roll narkotisiert wurde um sie zum Reden zu bringen.
Am 19. Mai 1972 explodierten im Springer Hochhaus drei Bomben. Es gab 15 Verletzte und 2 Schwerverletzte. Obwohl es zuvor zwei Warnanrufe gab wurde das Gebäude nicht geräumt, da solche Anrufe keine Seltenheit bei Springer waren und deshalb der Anrufer als Spinner betrachtet wurde. Am Tag darauf gab es wieder einen Anruf der darauf aufmerksam machte dass noch weitere Bomben im Gebäude waren. Es wurden drei weitere gefunden die entschärft werden konnten. Drei Tage nach diesem Anschlag schickte die Bewegung 2. Juni eine Erklärung an mehrere Zeitungen mit folgendem Inhalt: „ Springer ging lieber das Risiko ein, daßseine Arbeiter und Angestellten durch Bomben verletzt werden, als das Risiko, ein paar Stunden Arbeitszeit, also Profit, durch Fehlalarm zu verlieren. Für die Kapitalisten ist der Profit alles, sind die Menschen, die ihn schaffen, ein Dreck. Wir bedauern, daßArbeiter und Angestellte verletzt worden sind. “ 15 Der Anschlag wurde jedoch von der RAF durchgeführt die sich beim späteren Prozess von diesem Anschlag distanzierte weil es zu viele Verletzte gab.
Am 24. Mai 1972 zündeten zwei in Autos deponierte Bomben vor dem Gebäude des Europa- Hauptquartiers der US-Armee in Heidelberg. Insgesamt wurden bei diesem Anschlag drei amerikanische Soldaten getötet und fünf weitere verletzt. Aus dem Bekennerschreiben: „ Die Menschen in der Bundesrepublik unterstützen die Sicherheitskräfte bei der Fahndung nach den Bombenattentätern nicht, weil sie mit den Verbrechen des amerikanischen Imperialismus und ihrer Billigung durch die herrschende Klasse hier nichts zu tun haben wollen. Weil sie Auschwitz, Dresden und Hamburg nicht vergessen haben, weil sie wissen, daßgegen die Massenmörder von Vietnam Bombenanschläge gerechtfertigt sind. Weil sie die Erfahrung gemacht haben, daßDemonstrationen und Worte gegen die Verbrechen des Imperialismus nichts nützen. “ 16
11. Verhaftungen
Am 31. Mai 1972 startete das BKA die größte Fahndungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik (»Aktion Wasserschlag«). Hubschrauber flogen die Autobahnen auf und ab und landeten für kurze Zeit an den An- und Abfahrten. Dort wurden Straßensperren errichtet und alle Fahrzeuge kontrolliert. Es gab ein riesiges Verkehrschaos aber die ganze Aktion blieb im Großen und Ganzen ohne Erfolg. Doch schon vor dieser Aktion hatte die Polizei einen Tip eines Anwohners bekommen. Das BKA observierte daraufhin die Garage am Frankfurter Hocheckweg. Am 01. Juni 1972 fuhren drei Männer in einem Porsche vor. Andreas Baader und Holger Meins stiegen aus, gingen in die Garage und der dritte (Jan-Carl Raspe) blieb als Sicherungsposten stehen. Raspe wurde nach kurzer Verfolgungsjagd und Schusswechsel festgenommen. Die Garage wurde von 150 Polizisten umstellt und mit einem Auto (später mit einem Panzerwagen) der einzige Ausweg blockiert. In die Rückwand der Garage wurden Löcher geschlagen durch die Tränengaskörper nach innen geworfen wurden. Der Panzerwagen drückte jedoch die Tür der Garage ein so dass von einer gegenüberliegenden Wohnung aus auf Baader geschossen werden konnte und er am Oberschenkel verletzt wurde. Daraufhin verläßt Holger Meins die Garage und wurde aufgefordert sich bis auf die Unterhose auszuziehen. Drei Beamte dringen in die Garage mit Panzerwesten ein und verhafteten den am Boden liegenden Andreas Baader. Beide wurden in das Universitätskrankenhaus Frankfurt gebracht. Meins Vater erhielt 30 Stunden später eine Besuchserlaubnis. In einem Filminterview erklärte er: „ Und da sah ich einen Menschen liegen, der nur voller Blutergüsse, Prellstellen und Schlagstellen von hier oben bisübers Becken hinweg war “ 17 Holger Meins wurde von acht Polizisten mit Stiefeln getreten, da er sie angeblich auf der Polizeiwache angegriffen hatte.
Gudrun Ensslin wurde wenige Tage später in einer Boutique verhaftet, wo eine Verkäuferin eine Pistole in ihrer Jacke fand und die Polizei alarmierte. Und in Berlin wurde Brigitte Mohnhaupt mit ihrem Freund verhaftet.
Am 15. Juni 1972 quartierte sich Ulrike Meinhof bei einem Lehrer in Hannover-Langenhagen ein. Dieser verriet sie am Tag darauf bei der Polizei, die sie festnahm. Überall in der Wohnung fanden die Beamten Waffen, Munition und Handgranaten.
Hans-Peter Konieczny wurde am 7. Juli 1972 an seinem Arbeitsplatz verhaftet und erklärte sich bereit der Polizei bei der Verhaftung der restlichen RAF-Mitglieder zu helfen, da die Beamten ihm einiges in Aussicht stellte. Noch am selben Tag vermittelte er ein Treffen mit Klaus Jünschke und Irmgard Möller die dabei verhaftet wurden.
12. Haft
Alle Festgenommen wurden in Isolationshaft genommen und durften untereinander keinen Kontakt haben. Andreas Baader wurde in Schwalmstadt, Gudrun Ensslin in Essen, Holger Meins in Wittlich, Irmgard Möller in Rastatt, Gerhard Müller in Hamburg, Jan Carl Raspe in Köln und Ulrike Meinhof in Köln- Ossendorf inhaftiert. Die Haftbedingungen waren sehr streng z.B. durften die Zellen links und rechts daneben nicht belegt werden, Ulrike Meinhof war regelrecht in einem toten Trakt untergebracht und in ihrer Zelle brannte auch in der Nacht das Licht, die Häftlinge durften sich nicht unterhalten oder sehen, Ausschluß von allen Gemeinschaftsveranstaltungen, tägliche Leibesvisitation, tägliche Zellenkontrolle in Abwesenheit des Gefangenen. Um gegen diese Umstände zu protestieren traten die RAF-Mitglieder am 17.01.1973 in den ersten Hungerstreik. Am 09.02.1973 wird Ulrike Meinhof aus dem toten Trakt in den Männertrakt der Anstalt gebracht. Das war der Anlaß dass die Häftlinge den Hungerstreik am 12.02.1973 wieder abbrachen. Gudrun Ensslin notierte zu den Haftbedingungen: „ Unterschied toter Trakt und Isolation: Auschwitz zu Buchenwald. Der Unterschied ist einfach: Buchenwald haben mehrüberlebt als Ausschwitz [...] Wie wir drin ja, um das mal klar zu sagen, uns nur darüber wundern können, dass wir nicht abgespritzt werden. Sonstüber nichts ... “ 18
Über die Anwälte wurde ein Infosystem aufgebaut, so dass sich die Gefangen untereinander verständigen konnten. Ziel war es den Gruppenzusammenhalt zu wahren. Die Gefangen konnten sich jedoch auch Literatur schicken lassen, das anders als die private Post nicht zensiert wurde. Damit bekamen sie Unterlagen, die sie zur Weiterbildung der Stadtguerilla brauchten, gelieferten (z.B. »Deutsches Waffenjournal «, »Wehrtechnik«, »Militärtechnik«, »Der bewaffnete Aufstand«, »Guerilla im Industriestaat«, »Der Sprengmeister - neuzeitliche Sprengtechnik« usw.)
Der zweite Hungerstreik begann am 08. Mai 1973 endete am 29. Juni 1973, nachdem die Haftbedingung, möglicherweise auch durch den Druck den die Öffentlichkeit ausübte, etwas gelockert wurden. Gudrun Ensslin wurde am 05. Februar zu Ulrike Meinhof nach Köln verlegt und im April kamen beide in den neu eingerichteten Hochsicherheitstrakt der Vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim. Dort konnten sie gemeinsam ihren eineinhalbstündigen Hofgang machen und sich für jeweils vier Stunden zusammen in einer Zelle einschließen lassen.
Am 27. August 1974 verkündete Ulrike Meinhof einen dritten Hungerstreik. Das Ziel war die Zusammenlegung der Gefangenen zu großen Gruppen. Baader schrieb: „ Ich denke, wir werden den Hungerstreik diesmal nicht abbrechen. Das heißt es werden Typen dabei kaputt gehen [...] Sicher ist, dass wir den Hungerstreik so anlegen, dass die Gefangenen in seiner Folge verhandlungsunfähig werden. “ 19 Auch Baader und Raspe wurden nach Stuttgart -Stammheim verlegt und ab Anfang Oktober wurden nach und nach alle Streikenden künstlich ernährt, auch dann wenn sie sich dagegen währten. Holger Meins notierte nach einer Behandlung: „ Festschnallen, zwei Handschellen um die Fußgelenke, ein 30 Zentimeter breiter Riemen um die Hüfte, linker Arm mit vier Riemen vom Handgelenk bis zum Ellenbogen... von rechts der Arzt auf'n Hocker mit 'nem kleinen "Brecheisen". Damit geht er zwischen die Lippen, die gleichzeitig mit den Fingern auseinandergezogen werden, und dann zwischen die Zähne und hebelt die auseinander. Sowie die Kiefer weit genug auseinander sind, klemmt, schiebt, drückt der Sani von links die Maulsperre zwischen die Zähne... Verwendet wird ein roter Magenschlauch, mittelfingerdick... “ 20 Holger Meins war 183 cm groß, wog aber nach fast zwei Monate Hungerstreik nur noch 39 kg. Am 09. November 1974 ruft er ein letztes Mal seine Anwälte zu sich und verlangte einen Arzt. Am späten Nachmittag verstarb er. Für die Sympathisantenszene war es eindeutig Mord und sie sprühten an Haus- und Kirchenwände: „Rache für Holger Meins“.
13. Sympathisanten
Über das Infosystem mit dem sich die Inhaftierten mit Hilfe kleiner Zettel, die ihre Anwälte verteilten, verständigten, konnten sie auch mit Leuten kommunizieren, die nicht im Gefängnis saßen. Nach der Verhaftung der Haupttäter formierten sich mehrere kleine Gruppen, die sich zum Ziel setzten weniger zu planen und mehr zu handeln. Stefan Aust schreibt dazu in seinem Buch: „ Erst im Gefängnis entwickelte die Gruppe eine politische Präsenz, die sie vorher nie hatte. Dieüberdimensionalen Sicherheitsvorkehrungen verliehen den Gefangenen den Rahmen politischer Bedeutung, den sie mit ihren Schriften und Aktionen nicht andeutungsweise erreicht hatten. Zwischen 1970 und 1972 hatte die Polizei nach etwa 40 Personen gefahndet. Jetzt, Ende 1974, wurden 300 gesucht. Die sogenannte „ Sympathisantenszene “ schätzen die Experten des Bundeskriminalamtes aufüber 10.000 Personen. Der Begriff des Sympathisanten wurde immer großzügiger ausgelegt. “ 21 Ziel der Sympathisantenszene war es in erster Linie die Gefangen wieder zu befreien.
Am 10. November 1974 klingelt um 20.50 Uhr ein Mann an dem Haus des Präsidenten des Kammergerichts, Günter von Drenkmann, der sich als Fleurop-Bote vorstellte. Als Drenkmann öffnete kam es zu einem kurzem Handgemenge wobei plötzlich drei Schüsse vielen und zwei davon den Richter tödlich trafen. Drenkmann war jedoch Zivilrichter und hatte nie etwas mit Terroristenprozesse zu tun. Später konnten die genauen Tatumstände ermittelt werden. Es stellte sich heraus dass es sich um eine missglückte Entführungsaktion handelte unter dem Kommando der „Bewegung 2. Juni“. Die RAF- Gefangenen verfassten dazu eine Erklärung: „ Wir weinen dem toten Drenkmann keine Träne nach. Wir freuen unsüber eine solche Hinrichtung. Diese Aktion war notwendig, weil sie jedem Justiz- und Bullenschwein klargemacht hat, daßauch er - und zwar heute schon - zur Verantwortung gezogen werden kann. “ 22
Am 27. Februar 1975 wurde Peter Lorenz, Bürgermeisterkandidat der CDU in Berlin, 72 Stunden vor der Bürgermeisterwahl von der „Bewegung 2. Juni“ aus seinem Auto entführt. Sie forderten die Freilassung von sechs Inhaftierten: Horst Mahler, Verena Becker, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Ingrid Siepmann, Rolf Heißler und Rolf Pohle. Bis auf Horst Mahler waren alle der „Bewegung 2. Juni“ zuzurechnen. Dass die Hauptpersonen der RAF nicht genannten wurden, wurde mit einer kurzen Entschuldigung begründet:
„ An die Genossen im Knast: Wir würden gern mehr Genossen von Euch herausholen, sind aber dazu bei unserer jetzigen Stärke nicht in der Lage. “ 23 Da die Forderung gerade so gewählt war, dass niemand der aufgeführten Personen wegen Mordes angeklagt oder verurteilt war, ging der Staat auf den Handel ein und der frühere Berliner Bürgermeister Hans Albertz flog mit den Freigepressten (bis auf Horst Mahler der sich seiner Befreiung widersetzte) ins jemenitische Aden. Als Albertz wieder in Berlin ankam verkündete er im Fernsehen das Lösungswort: „So ein Tag, so wunderschön wie heute ...“. In der nächsten Nacht wurde Peter Lorenz in einem Berliner Park wieder freigelassen.
Während in Stuttgart-Stammheim die letzten Arbeiten an einer extra errichteten „Mehrzweckhalle“, die als Prozessgebäude diente, liefen, wurde in Stockholm die Deutsche Botschaft gestürmt. Sechs Personen (Siegfried Hausner, Hanna-Elise Krabbe, Karl-Heinz Dellwo, Lutz Taufer, Bernhard-Maria Rössner und Ullrich Wessel) waren mit Pistolen und Sprengstoff in die Konsularabteilung gedrungen und gelangten, wild um sich schießend, in den dritten Stock der Botschaft mit 11 Geiseln, die dort gefesselt und geknebelt wurden. Die schwedische Polizei hatte sich innerhalb kürzester Zeit in der unteren Etage des Botschaftsgebäudes versammelt und bereitete sich auf den Einsatz von Gaspatronen vor. Dreimal forderten die Terroristen die Polizei auf das Gebäude zu verlassen. Diese kam der Forderung jedoch nicht nach und deshalb befahlen die Terroristen dem deutschen Militärattaché Andreas Baron von Mirbach auf den Gang zu treten und schossen ihm in Kopf, Brust und Beine. Um 15.30 Uhr riefen die Terroristen bei der Deutschen Presseagentur in Stockholm an und forderten die Freilassung von 26 Gefangen aus der Bundesrepublik, darunter Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin. Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt zog sich für eine halbe Stunde zurück ehe er dem Krisenstab seine Entscheidung mitteilte: „ Meine Herren, mein ganzer Instinkt sagt mir, dass wir hier nicht nachgeben dürfen. “ 24 Diese Entscheidung wurde dem schwedischen Justizminister mitgeteilt, der sie an die Terroristen weiterleitete und neun weitere Male versuchte sie zum aufgeben zu überreden. Um 22.20 Uhr erschossen die Terroristen dann den Wirtschaftsattaché Dr. Hillegaart während die schwedische Polizei den Einsatz des Betäubungsgase K 62 vorbereitete. Es kam jedoch nicht mehr zu dem Einsatz des Gases, da um 13 Minuten vor Mitternacht der Sprengstoff explodierte den die Terroristen versehentlich zündeten, wie später ermittelt wurde. Insgesamt gab es bei dem Anschlag 4 Tote (Siegfried Hausner starb einige Tage später in einem Krankenhaus, einen weiteren Terroristen Ulrich Wessel und die Botschaftsangestellten von Mirbach und Hillegaart). Später wurde ebenfalls bekannt dass sogar einige Terroristen entkamen (z.B. Stefan Wisniewski), die sich außerhalb der Botschaft aufhielten um per Funk Informationen nach Innen zu schicken.
14. Der Prozess
Am 21. Mai 1975 begann in Stuttgart-Stammheim der Prozess gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe. Die extra gebaute »Mehrzweckhalle« war rundherum mit Stacheldraht und berittener Polizei gesichert, der Luftraum über dem Gefängnis und dem Prozessgebäude wurde gesperrt und der Innenhof wie auch das Dach des Prozessgebäudes waren mit einem Stahlnetz überspannt, so dass Sprengkörper aus der Luft keinen Schaden anrichten konnten. Kurz vor Prozessbeginn hat der Bundestag die Prozessordnung geändert so dass Andreas Baaders Anwälte (Croissant, Groenewold und Ströbele) ausgeschlossen wurden und Baader zu Beginn des Prozesses keinen Verteidiger hatte. Die Anwälte Plottnitz, Riedel, Maielouise Becker und Otto Schily waren als Vertrauensverteidiger der anderen Angeklagten zugelassen und zusätzlich hatte das Gericht noch mehrere Pflichtverteidiger bestellt um bei Ausscheiden eines Verteidigers den Prozessablauf nicht zu gefährden. Am 3. Tag wird der Antrag der Vertrauensverteidiger abgelehnt die Pflichtverteidiger zu entpflichten nachdem sich die Angeklagten ein heftiges Wortgefecht mit dem Vorsitzenden Richter geliefert haben weshalb diese Verteidiger inakzeptabel seien. Am 4. Tag hatte Baader wieder einen Vertauensanwalt. Es werden ihm jedoch weder die Prozessakten noch die Anklageschrift ausgehändigt mit der Begründung dass die Akten ausgegangen wären. Am Nachmittag erklärte der RA Otto Schily dass die Angeklagten verhandlungsunfähig wären und verließ zusammen mit den anderen Rechtsanwälten den Sitzungssaal woraufhin die Verhandlung für diesen Tag unterbrochen wurde. Am Tag darauf wurde über die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten beraten, da sich ihr Gesundheitszustand durch die Hungerstreiks enorm verschlechtert hatte. Der Gefängnisarzt attestierte ihnen jedoch Verhandlungsfähigkeit. Bis zum 40. Verhandlungstag (30. September 1975) war immer noch nicht mit der Vernehmung der Personen begonnen worden, da Angeklagte und Verteidiger immer wieder Ablehnungsanträge (auch gegen den Richter) stellten und sich stets gegen alles und jedes währten was häufig in extremen verbalen Aussprachen und Beschimpfungen endete. An diesem Tag kam ein neues Gesetz zur Anwendung wonach die Verhandlung fortgeführt werden kann, auch wenn - nach Einschätzung des Gerichtes - die Angeklagten selbst ihre Verhandlungsunfähigkeit herbeigeführt hatten. Vorangegangen war ein Gutachten von unabhängigen Medizinern das besagte, dass die Angeklagten wegen der Haftbedingungen verhandlungsunfähig seien und höchstens drei Stunden täglich am Prozess teilnehmen dürften. Erst am 106. Verhandlungstag (04. Mai 1976) traten die Angeklagten wieder gemeinsam im Gerichtssaal auf. Ihre Verteidiger beantragen dass hochrangige amerikanische und deutsche Politiker (darunter Nixon, Brandt, Schmidt ...) als Zeugen aussagen sollten um damit die Anschläge auf die amerikanischen Einrichtungen zu rechtfertigen. Dies war auch der letzte Tag an dem Ulrike Meinhof den Gerichtssaal betrat. Sie erhängte sich in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1976 am Gitter ihres Zellenfensters, es gab jedoch immer wieder Zweifel daran ob es wirklich Selbstmord war. Die Anwälte der anderen Angeklagten sprachen von Mord aber laut der amtlichen Obduktion und der von Meinhofs Schwester veranlassten Nachobduktion handelte es sich um Selbstmord durch erhängen. Eine möglich Ursache für den Selbstmord kann gewesen sein, dass es zwischen den Inhaftierten mehr und mehr zu Streit kam; vor allem zwischen Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Der 85. Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Prinzing war endlich erfolgreich, da dieser auf dem „kleinen Dienstweg“ einem Freund, dem Bundesrichter Albrecht Meyer, Prozessunterlagen hatte zukommen lassen und sich auch mehrfach mit ihm besprach obwohl Meyer dem dritten Strafsenat des Bundesgerichtshofes angehörte und damit für Beschwerden über den Senat in Stuttgart-Stammheim zuständig war und außerdem über eine mögliche Revision im Baader-Meinhof Prozess zu entscheiden hatte. Der Richter Dr. Theodor Prinzing wurde durch den Beisitzenden Richter Dr. Foth ersetzt. Am 28. April 1977 (192. Verhandlungstag) verkündet der Richter das Urteil: „ Im Namen des Volkes! Die Angeklagten Andreas Baader, Gudrun Ensslin, und Jan-Carl Raspe sind schuldig, folgende Taten jeweils gemeinschaftlich begangen zu haben: a) drei tateinheitliche Morde in Tateinheit mit sechs versuchten Morden, b) einen weiteren Mord in Tateinheit mit einem versuchten Mord. [...] Die Angeklagten sind schuldig, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. [...] Jeder der drei Angeklagten wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. “ 25 Zusätzlich wurden die Angeklagten für 27 versuchte Morde für schuldig befunden in Tateinheit mit Sprengstoff-Anschlägen. Baader und Raspe wurden jeweils noch 2 weitere Mordversuche und Ensslin noch ein weiterer Mordversuch zur Last gelegt.
Frasdorf, 13. Mai 2001
Martin Strobl
[...]
1 Aust, Stefan: Der Baader Meinhof Komplex. (BMK) Taschenbuchausgabe. München 1998, S. 57
2 ders.: BMK, Seite 57.
3 ders.: BMK, Seite 59.
4 ders.: BMK, Seite 60
5 ders.: BMK, Seite 25
6 ders.: BMK, Seite 103
7 Flugblätter Kommune I. Internet: http://rafinfo.virtualave.net , 11.03.2001
8 ders.: BMK, Seite 66
9 ders.: BMK, Seite 68
10 ders.: BMK, Seite 73
11 Meinhof, Ulrike: Konzept Stadtguerilla. GNN Verlagsgesellschaft Politische Berichte, 1. Auflage Köln Oktober 1987
12 Aust, Stefan: Der Baader Meinhof Komplex. (BMK) Taschenbuchausgabe. München 1998, S. 228
13 Erklärung Kommando Petra Schelm. Internet: http://rafinfo.virtualave.net , 11.03.2001
14 Erklärung Kommando Thomas Weisbecker. Internet: http://rafinfo.virtualave.net , 11.03.2001
15 Aust, Stefan: Der Baader Meinhof Komplex. (BMK) Taschenbuchausgabe. München 1998, S. 248
16 ders.: BMK, Seite 249
17 ders.: BMK, Seite 256
18 ders.: BMK, Seite 293
19 ders.: BMK, Seite 296
20 ders.: BMK, Seite 301
21 ders.: BMK, Seite 313
22 ders.: BMK, Seite 306
23 ders.: BMK, Seite 326
24 ders.: BMK, Seite 330
25 ders.: BMK, Seite 456
- Citar trabajo
- Martin Strobl (Autor), 2001, Anfänge der RAF, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102710
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