Religionsklausur zum Thema „Theodizee“
13/1 ( 2 Schulstd. )
Vorliegender Text:
Marco M Olivetti, Prof. f. Religionsphilosophie, Rom:
„Sie ( die Theodizeefrage ) ist die Frage nach dem Übel, um es mit Oelmüllers Worten auszudrücken, innerhalb des Erfahrungshorizontes Gott. Welches Gottes? Eines Gottes, der Merkmale und Attribute hat, wie sie innerhalb der Tradition dieses Horizontes überliefert worden sind, also die höchste Güte, allmächtig und allwissend zu sein. Jedes dieser Attribut ist schon an sich problematisch, paradox, und so wäre es paradox, jedes dieser Attribute mit dem anderen in Beziehung zu setzen. Letzten Endes lässt sich meiner Meinung nach die Theodizeefrage als das uralte Dilemma ausdrücken: Entweder kann der so und so gekennzeichnete Gott das Übel vermeiden und will es nicht, oder er möchte das Übel vermeiden, will es aber nicht. Was die Theodizeefrage charakterisiert, ist meiner Meinung nach eine Begrenzung der Allmacht Gottes, und Gott rechtfertigen heißt, ihn irgendwie der Logik zu unterwerfen. Manbraucht nicht an Leibniz zu denken; es genügt, an die Sündenfallerzählung zu denken, an das Erbsündendogma u.s.w. Sie alle sind Arten der Theodizee, die Gott in sofern rechtfertigen, als sie zeigen möchten: Wenn Gott z.B. dem Menschen die Freiheit geben wollte, konnte er nicht umhin, ihm zu erlauben und ihn an die Stelle zu stellen, dass er sündigen konnte, dass er bestraft werden konnte u.s.w. Gott ist also der Logik unterworfen. Begrenzung der Allmacht Gottes ist meiner Meinung nach der unvermeidliche Kern der Theodizee. (...)
Nun zu meiner Frage. Die Theodizee innerhalb des Erfahrungshorizontes Gott ist unvermeindlich. Aber sollen wir versuchen, diese Frage zu beantworten, oder sollten wir nicht leiber versuchen, dieser Frage zu widerstehen und sie als Versuchung zu betrachten? Das ist vielleicht nochmals die Versuchung des Baumes der Erkenntnis oder der Wissenschaft...
Aufgabenstellung:
1) Fassen sie den Text thesenartig zusammen.
2) A. Skizzieren Sie Hans Jonas Umgang mit der Theodizeefrage.
B. Vergleichen Sie die Positionen von Olivetti und Jonas
3) Wie soll sich nach Olivetti ein Mensch im Leid verhalten?
4) Formulieren Sie eine für Sie akzeptable Möglichkeit des konstruktiven Umgangs mit der Theodizeefrage und begründen Sie ihre Positionen.
Add 1)
- Olivetti befasst sich mit der Theodizeefrage.
- in dieser Untersuchung der Frage, das Übel im Erfahrungshorizont Gottes zu begründen, geht Olivetti von einem Gott aus, dessen Eigenschaften in Form von Superlativen gekennzeichnet sind. Gott ist ihm zu Folge allmächtig, allwissend und in höchstem Maße gütig.
- Jedoch konstatiert Olivetti, dass es paradox sei, die Attribute Gottes in eine Kohärenz zu setzen um z.B. eines auszuschließen.
- Olivetti betrachtet die Theodizeefrage als schon immer dagewesenes Dilemma, ein sich daraus ergebender Widerspruch, vor dem die Menschen stehen. Entweder Gott möchte das Übel vermeiden und kann es nicht oder er kann es und möchte es nicht.
- Gott zu rechtfertigen, was aus diesem Dilemma verbunden mit dem menschlichen Charakteristikum, dem Streben alles zu erforschen und zu begründen, impliziert, bedeute, ihn der Logik zu unterwerfen, sein Handeln rational darzustellen und zu erfassen. Als Beweis hierfür führt Olivetti einen Bezug zu Leibniz und das Erbsündendogma an, worin sich zeigt, dass Gott, indem er dem Menschen die Freiheit gab, einkalkulierte, dass dies zur Sünde führen würde, zur folglichen Bestrafung u.s.w.
- Der mensch kann somit nicht umhinkommen, sich die Theodizeefrage im Erfahrungshorzont Gottes zu stellen. Olivetti sieht dies jedoch als Versuchung an, der der Mensch widerstehen sollte. Das Resultat könnte genauso fatal sein, wie das der Versuchung des Baumes der Erkenntnis oder das der Wissenschaft. ( 20/20 Punkte)
Add 2A)
Jonas definiert den Begriff Allmacht auf zwei verschiedenen Ebenen. Im ontologischen Sinne sei Macht ein Relationsbegriff. Einer Macht, in physikalischem Sinne Kraft, muss eine potentielle Gegenkraft zugeordnet sein, im Hinblick auf Gott besteht diese Korrektiv jedoch nicht. In theologischem Sinne sieht Jonas drei essentielle Eigenschaften Gottes, Güte, Allmacht und Verstehbarkeit, die aber nicht in Beziehung miteinander gebracht werden können. Güte sei unmittelbar mit dem Gottesbegriff verbunden und somit als Eigenschaft Gottes unabdingbar, Verstehbarkeit ist für ihn als Juden ein Dogma im jüdischen Glauben, belegt durch die Offenbarung, in der sich Gott dem Menschen zu verstehen gab. Für Jonas ist der „deus absconditus“ mit dem jüdischen Glauben nicht zu vereinbaren. Als Folge müsse das Übel mit Gottes Güte in Einkalng zu bringen zu sein, Gott könne nicht allmächtig sein. Auschwitz wäre für Gott nach Jonas die beste Gelegenheit gewesen, seine Allmacht unter Beweis zu stellen, doch Gott tat es nicht, weil er nicht konnte. Jonas zu Folge hat Gott sich im Akt der Schöpfung ganz in die werdende Welt hineingegeben, um den Menschen in die Freiheit der schöpfung zu entlassen. Er existiere nur noch als Instanz, die dem Menschen Ziele und Werte propagiert, die diesen durch sein Leben weisen, aber nicht mehr physisch ergreift. ( 20/20 Punkte )
Add 2B)
Jonas geht davon aus, dass Allmacht nicht als Charakteristikum Gottes gelten dürfe, da Güte und Verstehbarkeit nicht von Gott abgewiesen werden könnten und im Glauben des Menschen an Gott evident sind. Auch Olivetti geht davon aus, dass Gottes Eigenschaften Allmacht, höchste Güte und Allwissen sind und diese nicht miteinander in eine Beziehung gebracht werden könnten. Es besteht eine Paradoxie zwischen diesen Eigenschaften. Jonas folgert daraus, dass der Allmachtsbegriff ausgeklammert werden müsse, dass Übel sei mit Gottes Güte in Einklang zu bringen. Auch Olivetti sieht als Konsequenz eine Begrenzung der Allmacht Gottes, die dann erforderlich sei, wenn der Mensch Gott rechtfertigt und ihn rationalem Denken unterwirft. Wenn Gott wollte, dass der Mensch frei ist, so musste er dessen der sünde obliegendes Vehalten einkalkulieren. Jonas schräcnkt Gottes Allmacht dadurch ein, dass er sagt, Gott könne nicht eingreifen, da er seine Allmacht im Akt der schöpfung zurückgenommen habe und dem Menschen Freiheit in seinem individuellen Leben gegeben habe. Man kann auch bei Jonas konstatieren, dass Gott, indem er dem Menschen Freiheit gegeben hat, wohl einkalkuliert hat, dass dies zur Sünde führen würde, beide Autoren bezeihen sich also auf das moralische Übel, das der Mensch auf der Welt in der von Gott erhaltenen Freiheit selbst verursacht. Die Intention Jonas‘ ist, Gottes Gebote zu befolgen und ihn im eigenen Glauben um Rat zu bitten, ihn bitten, einen zu begleiten, die Ziele und Werte, die er propagiert zu befolgen. Auch Olivetti würde wohl dies dies propagieren, denn er sieht die Theodizeefrage als Versuchung, der der Mensch um der Schöpfung und um seinesgleichen Willen widerstehen soll. ( 20/20 Punkte )
Add 3)
Trotz des Leidens soll der Mensch der Rechtfertigung Gottes widerstehen. Er soll sich also nicht die Frage stellen, wenn Gott allmächtig ist, warum lässt er dann mein Leiden zu, oder, wenn Gott gut ist, wie kann er dann allmächtig sein in Anbetracht des Unrechts auf der Welt. Diese Frage ist laut Olivetti als Versuchung anzusehen, basierend auf der menschlichen Eigenschaft, alles genaustens zu untersuchen und am Ende zu einem rationell fassbaren Ergebnis zu gelangen. Der Mensch legt seinen Beurteilungsmaßstab an empirischen Beobachtungen, die er in ein ihm logisches Gefüge einordnen kann, fest. Die Theologie Olivettis kann mit der Theologie des Zweifels von Gross und Kuschel in Verbindung gebracht werden. Bezüglich des metaphysischen und physischen Übels könne der Mensch Gott direkt anfechten, in der Theodizeefrage liege aber eine Selbstüberschätzung des Menschen. Auch im Buch Hiob wird aufgezeigt, dass Gottes Handeln und Allmacht den auf Ratio beruhenden Erfassungshorizont des Menschen überschreiten. Die Theodizeefrage muss auch hier folglich offengehalten werden. ( 10/10 Punkte )
Add 4)
Aus bisher behandelten Texten ergeben sich zunächst unterschiedliche Standpunkte zur Frage der Rechtfertigung Gottes. Leibniz geht von der Freiheit des Menschen aus, durch die Monadenlehre und die daraus resultierende „prästabilierte Harmonie“ sei jedoch das Übel in eine weltliche Ordnug gefasst, der Dualismus zwischen gut und böse überwunden. Seine Kernthese besteht darin, dass das Übel dem menschlichen und folglich endlichem gleichgesetzt ist. Das moralische Übel sei direkt auf menschliches Handeln zurückzuführen, metaphysisches und physisches auf die Endlichkeit der Welt. Es bleibt jedoch offen, warum Gott, insbesondere in Bezug auf das metaphysische Übel, nicht eingreift. Auch bei Jonas‘ These steht dies offen im Raum. Hat Gott etwa den Gerechtigkeitsgedanken aufgegeben, kann man seine Allmacht einfach einschränken und diese Manipulation des Allmachtbegriffs auf die Freiheit und die daraus resultierende Verantwortung des Menschen zurückführen? Ist Gott wirklich in dieser Art und Weise als antropomorph zu betrachten? Auch der jüdischen Messiaserwartung und der Erwartung des Friedensreiches wird in Jonas‘ Darstellung nicht Rechnung getragen. Kierkegaard behauptet, dass die Allmacht Gottes dadurch gekennzeichnet ist, dass sie dem Menschen Unabhängigkeit verleiht, menschliche Macht hingegen mache abhängig. Auch die Darstellung Moltmanns überzeuigt nicht vollständig, da man Gross und Kuschel zu Folge, da man, Gross und Kuschel, zu Folge zwischen dem Leiden Gottes an der Schöpfung und dem Leiden Gottes in der Schöpfung differenzieren müsse. Diese widersprechen den Aussagen des alten und neuen Testaments und stellen somit die Allmacht Gottes in Frage. Nur ein Mitleiden Gottes an der Schöpfung sei legitim, da es ihn als Trostspender zeigt und seine Allmacht erhalten bleibt. Man kann die Theodizeefrage nicht beantworten, der Mensch kann Gott nicht denken oder ihn verstandesgemäß erfassen. Bezüglich des moralischen Übels kann man, wie Gross und Kuschel , nur auf die Verantwortung des Menschen hinweisen. In Bezug auf das metaphysische Übel kann der Mensch Gott anfechten, wodurch eine Theologie des Zweifels hervortritt. Dieser Zweifel bleibt so lange erhalten, bis eine neue Lebenssituation eintritt. Der Mensch überschätzt sich folglich selbst, die dialektische Theologie, die Gott dem Menschen gegenüberstellt, sollte alternativ sein. Würde man die Theodizeefrage beantworten, sollte man bedenken, dass Gott dann nicht mehr als Trostspender erhalten bleibt.
Ich denke, man kann Gott mit Liebe gleichsetzen, die man nur im Glauben an ihn erfährt, er ist nicht da um Wunder zu vollbringen, sondern um dem Menschen die Tür zu öffnen, wenn dieser sie braucht, wenn ihn seine von Gott gegebene Freiheit vor unüberwindbare Grenzen setzt, aber anklopfen muss der Mensch selbst. ( 30/30 Punkte )
- Quote paper
- Timm Seng (Author), 2000, "Theodizeefrage" - Textvorlage von Olivetti, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102679