Kabale und Liebe - Analyse und Interpretationsansätze
Die Segmentierung des Stückes
Meiner Meinung nach läßt sich das Stück ,, Kabale und Liebe " auf verschiedene Weisen segmentieren. Zunächst gibt es natürlich die von Schiller vorgegebene Einteilung in fünf Akte, die darüber hinaus möglichen möchte ich jetzt aufzeigen.
A ) Segmentierung mit dem Zeitpunkt der Handlung als Grundlage
Segmentiert man das Stück mit dem Blick auf den Zeitpunkt der Handlung, so läßt sich das Stück in zwei Teile einteilen :
1. Teil : Akt I-III = 1.Tag ( 1. Akt : Vormittag ,2.Akt: Mittag ,3 Akt :Nachmittag und Abend )
2. Teil : Akt IV - V = 2.Tag ( 4. Akt : nach der Parade , 5. Akt : später Abend )
Beweisen läßt sich diese Einteilung anhand des Briefes den Luise von Wurm diktiert bekommt.
In ihm heißt es ,, Wir haben gestern den Präsidenten im Haus gehabt..." ( 3.Akt, 6.Szene , S.66, Z. 32 f. ) Diese Aussage bezieht sich auf den Vortag, obwohl der Präsident eigentlich am gleichen Tag bei Luise war ( 2.Akt Szene 6/7 ) . Ferdinand soll den Brief also erst am nächsten Tag bekommen, wobei es sich dann um den zweiten handeln würde. ,,Ferdinand von Walter, einen offenen Brief in der Hand" ( 4.Akt, 1.Szene, S. 68, Z. 4 ). Diese Bühnenanweisung ist demnach der Beweis dafür, daß wir uns bereits am zweiten Tag der Handlung befinden. Der Zeitpunkt liegt nach dem Ende der Parade, da der Hofmarschall dort den Brief fallen lassen wollte ,,... auf der Parade will ich ihn , als von Ohngefähr, mit dem Schnupftuch herausschleudern. " ( 3. Akt, 3. Szene , S. 57 , Z. 13 ff. ). Der 5. Akt dann spielt am späten Abend ,, ... und es ist finstre Nacht... " ( 5.Akt 7. Szene , S. 101, Z. 8 ) Zum Beweis der Unterteilung des ersten Tages läßt sich sagen, daß das Gespräch zwischen dem Präsidenten und Ferdinand von Walter am Vormittag stattfinden muß, weil der Präsident sagt ,, Noch diesen Mittag wirst Du Dich mit der Gräfin von Ostheim verloben." ( 1. Akt, 7.Szene, S. 24 ,Z.11 f. ). Daraus läßt sich folgern, daß Ferdinands Besuch bei der Gräfin um die Mittagszeit herum spielt . ,, Ich komme auf Befehl meines Vaters " ( 2. Akt , 3.Szene , S. 32, Z. 13 ). Die Verschwörung, die der Präsident, Wurm und der Hofmarschall besprechen findet statt nachdem der Präsident bereits bei Millern war ( 2. Akt , 6/7 Szene ), also zu einem späteren Zeitpunkt des 1 Tages. Hierbei spricht alles für den Nachmittag des Tages, da der Präsident dem Hofmarschall gebietet ,, Sie müssen vor abend noch herkommen "( 3.Akt ,
3.Szene, S.57, Z.22 f. ) . Es kann also folgerichtig noch nicht abends sein. Wurm allerdings begrüßt Luise in der sechsten Szene des Aktes dann schließlich ,,Guten Abend , Jungfer " (
3.Akt , 6. Szene, S. 61, Z.20 ).
Ableiten läßt sich aus dieser Segmentierung, daß es sich bei der erzählten Zeit lediglich um zwei Tage handelt. Das gesamte Geschehen läuft also relativ schnell ab.
B ) Segmentierung mit dem Raum als Grundlage
Nimmt man den Raum als Grundlage, so läßt sich feststellen, daß es stets in jeder Szene zwei verschiedene Spielorte gibt und hierbei zumeist die Wohnung der Miller und der Präsidentenpalast im Wechsel. Nur die letzten beiden Szenen fallen hierbei heraus. Denn im
4.Akt gibt es zwar noch zwei Spielorte, den Saal beim Präsidenten und den Saal der Lady , wodurch aber der oben genannte Wechsel beendet ist.Im 5. Akt schließlich ist mit dem ,, Zimmer beim Musikanten" nur ein Spielort vorhanden.
Zusammengefasst findet also am ersten Tag der Handlung ( siehe A ) noch ein regelmäßiger Wechsel zwischen dem Zimmer beim Musiker und dem Saal beim Präsidenten bzw. Saal im Palais der Lady statt. Dieser wird jedoch am zweiten Handlungstag ( siehe A ) gebrochen .Es könnte sich hierbei um ein von Schiller benutztes Zeichen dafür sein, daß nach dem Beginn des Wirkens der Kabale die Bindung zwischen Ferdinand und Luise endgültig zerbrochen ist, wobei eben das Zimmer beim Musikanten für das Bürgertum und Luise ,und die Säle des
Präsidenten und der Lady für die Herrschenden und somit Ferdinand von Walter steht.
Daß der letzte Akt nur im Haus der Millern spielt , fixiert die Tragik des Dramas vor allem auf die Millern und somit Luise.
C ) Segmentierung mit der Handlung als Grundlage.
Nimmt man die direkte Handlung für die Segmentierung als Grundlage ,so würde ich das Stück wie folgt einteilen :
1. Akt. : Exposition des Hauptproblems und der Hauptfiguren
2. und 3. Akt . : Vertiefung der Problematik bis hin zum Fluchtplan Ferdinands und dem Luise diktierten Brief durch Wurm .( 3. Akt als Klimax des Stückes )
4. und 5. Akt : Entfremdung von Luise und Ferdinand bis hin zum Tod beider.
Dem 3. Akt kommt hierbei meiner Meinung nach besondere Bedeutung zu, da er in der symmetrischen Mitte des Stückes auch den Klimax bildet. Bis dorthin war im 2./3. Akt die Problematik vertieft und verstärkt worden. Der Liebepathos Ferdinands findet mit dem Fluchtgedanken seinen Höhepunkt, ebenso die moralische Verwerflichkeit der Kabale mit dem Diktat Wurms.
Der 4. Akt und der 5. Akt beschreiben lediglich noch die Auswirkungen des 3. Aktes.
Auffällige Rekurrenzen
Auffällige Rekurrenzen im Stück sind durchaus vorhanden. So werden z.B. die Motive der Kabale und der Liebe immer wieder aufgegriffen. ( s.u. ) Sie spiegeln sich auch in den Differenzen und Oppositionen ( s.u. ) des Stückes wieder, die ich später aufzeige. Auch Luises religiöse Weltanschauung und Erziehung wird des öfteren in ihren Äußerungen aufgegriffen und verdeutlicht. Ein direktes Wiederaufgreifen einer Aussage , oder besser ihre Verzerrung ist im Text auch vorhanden. So spricht Luise am Anfang vom Himmel als einen Ort, an dem
,,...schöne Gedanken für Ahnen " ( 1. Akt, 3. Szene, S. 13, Z. 30 f. ) gewertet werden. An
späterer Stelle wird im Text des Präsidenten von Walter diese Thematik verändert wiederholt . Hier heißt es ,, Ich rechne ihre Tugend für Ahnen ..." ( 4. Akt, 5. Szene, S. 74 , Z.31 ). Wenn man die Situation der Szene kennt in der dieses geäußert wird, wovon ich hier ausgehen muß, wird einem hier die ganze Naivität und Tragik des Denkens der Luise Miller klar.
Differenzen und Oppositionen im Stück
In Opposition zueinander stehen in diesem Stück folgende Charaktere :
a ) Luise, Herr und Frau Millern gegenüber Ferdinand , Präsident von Walter, Lady Milford, Wurm, von Kalb. DieErsten stehen hierbei für das Bürgertum , die Zweiten für den Adel und die Herrschenden. Deutlich wird dies zum Teil auch an der Sprache in der die Texte der Charaktere geschrieben sind , doch dazu später mehr.
B ) Bock gegenüber von Kalb . So sagt der Hofmarschall von Kalb auf Bock angesprochen ,, Wissen sie denn auch , daß wir Todfeinde zusammen sind ?" ( 3. Akt, 2.Szene, S.54 , Z. 36 f. )
Der Präsident nutzt diese Feindschaft und die Einfältigkeit von Kalbs für seine Intrige.
C ) Lady Milford gegenüber Wurm, von Kalb und Präsident von Waltern, denn Lady Milford
beteiligt sich zwar schon in gewissem Maße an der Kabale, gesteht aber wahrhaftige Gefühle für Ferdinand ,, Die Verbindung mit dem Major - Du und der Rest der Welt stehen im Wahn ,sie sei eine Hofkabale[...] , sie ist das Werk meiner Liebe " ( 2. Akt, 7. Szene , S. 28 , Z. 32 ff. )
D ) Ferdinand von Walter gegenüber seinem Vater Präsident von Walter. Ferdinand wäre
sogar bereit für die Liebe sein Majorsamt und eine eventuelle Präsidentschaft abzulehen .Er scheint, obwohl adliger Herkunft, revolutionär bereit eine ständeübergreifende Beziehung nur aus Gründen der Liebe einzugehen und steht hiermit in Opposition zu seinem Vater ,der Hochzeiten als Machtmittel ansieht " Eure Glückseligkeit macht sich nur selten anders als durch Verderben bekannt " ( 1. Akt, 7.Szene S. 22. Z.22 ff. ) Außerdem verabscheut Ferdinand die Art und Weise mit der sein Vater an die Macht kam ,, Feierlich entsag ich hier einem Erbe, daß mich nur an einen abscheulichen Vater erinnert " ( 1. Akt , 7.Szene S. 22. Z. 2 f. )
E ) Luise und Ferdinand als Paar gegenüber der Ständegesellschaft repräsentiert durch die übrigen Charaktere.
Die Beziehung zwischen Luise und Ferdinand spricht gegen die Normen der damaligen Ständegesellschaft, da sie eine Bürgerliche mit einem Adligen verbindet.Dies wird auch in ihrer ,,eigenen Sprache deutlich " ( s. u. )
F ) In gewisser Weise Luise gegenüber Ferdinand, weil er zu jedem Zeitpunkt , voller Pathos an ihre Liebe glaubt. Luise hingegen, geprägt durch die Ängste und Religösität des Vaters,wirkt ängstlich und glaubt an eine Beziehung im Jenseits ,,Ich entsag ihm für dieses Leben." ( 1. Akt, 3. Szene S. 13 , Z. 22 ) . Ferdinand kann die Sorgen Luises nicht nachvollziehen , ist vollkommen in seinem Pathos gefangen und sieht in ihrer Zurückhaltung gar einen Betrug ,, Ein Liebhaber fesselt Dich... " ( 3. Akt , 5 Szene , S. 61 Z. 1 f. ) Später im Stück sind die beiden dann durch die Verschwörung vollkommen entzweit,da Luise durch ihren Glauben gehindert ist zuzugeben ,den Brief geschrieben zu haben.Ferdinand handelt außerdem nur noch durch Gefühle verblendet,so daß sie sich vollkommen entfremden
Auswirkung der Titeländerung in ,,Kabale und Liebe"
Der eigentliche Titel des Stückes ,, Louise Millerin " stellte die tragische Hauptfigur des Stückes eindeutig in den Mittelpunkt, wie zu dieser Zeit im bürgerlichen Trauerspiel in Moden, was beim Zuschauer die Erwartung weckt,etwas über das Leben dieser ,, Louise " zu erfahren.Der Titel ,, Kabale und Liebe" wirkt dagegen reißerisch , deutet aber auch die Oppositionen und Differenzen im Stück an . Handelt es sich demnach doch um ein Stück , das von Kabale , also ,, Intrige , Komplott " ( nach :Etymologisches Wörterbuch des Deutschen Band 1 , 2. Auflage, Akademie Verlag Berlin , 1993 )und Liebe handeln müßte. Diese Konstellation finden wir dann auch im Stück vor. Auf der einen Seite Luises und Ferdinands Liebe , auf der anderen Präsident von Walter und seine Hofkabale. Läßt man sich darauf ein , den Titel als Grundlage einer Interpretation zu benutzen, so lassen sich noch zahlreiche Bezüge hierauf konstruieren, denn wir treffen hier verschiedene Motive der Liebe an : Der Musiker Miller und seine Vaterliebe zur Tochter, zum Ende hin aber kaufbar erscheint . Die Musikergattin, die Luise stets als ein für höheres bestimmtes Mädchen ansieht, und somit auch keine reine Elternliebe bietet. Ferdinands Liebe zu Luise , die wie eine verblendete Schwärmerei wirkt . Luises Liebe zu Ferdinand , die eingezwängt von Glauben und Erziehung erdrückt wird. Lady Milfords Liebe zu Ferdinand, der wohl auch nur eine zweckmäßige Schwärmerei zugrunde liegt. Wir finden also keine reine Liebe vor, was vielleicht zeigt , daß der Titel doch etwas oberflächlich ist. Die Kabale allerdings treffen wir in reinster Form an, sei es der Werdegang des Präsidenten , die Art und Weise mit der dieser dann den Hofmarschall zum Mitwirken bei der großen Intrige bringt ,oder die Lady Milford ,die sich durch das ganze Geschehen aus den Fängen des Herzogs befreien will. Trotzdem denke ich, daß der Titel vor allem aus Gründen der Publikumswirksamkeit und nicht aus inhaltlichen Aspekten heraus motiviert geändert wurde, weil meinem Empfinden nach der Titel ,, Louise Millerin " treffender auf das hindeutet was Thema des Dramas ist : Ein bürgerliches Mädchen , das zwischen die Stände , die Hofkabale,die Religiosität ihrer Erziehung und ihre Liebe geraten ist.Das ganze ist sozusagen verpackt als Gesellschaftskritik. Vor allem aber auch die Probleme der Beziehung zwischen Ferdinand und Luise, die gar nicht mit der Kabale zusammenhängen, werden für meinen Geschmack in dem Titel ,, Kabale und Liebe " zu sehr ausgeklammert. Bleibt somit nur die Frage , ob der Titel überhaupt einen anderen Anspruch hatte , außer eben eine publikumswirksame Überschrift für eine Theateraufführung zu sein.
Zur Sprachgestaltung
Insgesamt ist das Drama in einem sehr pathetischen Sprachstil abgefasst. Einer vermutlich bewußt geschmückten Rede, ausgehend vom Schreibstil Schillers.
Der Autor benutzt die Sprache aber auch um den einzelnen Figuren mehr Farbe für ihren
Charakter zu geben und ihre soziale Einordnung zu verdeutlichen. So unterscheidet sich die
Sprache Millers und seiner Frau von der des Präsident und den ihn umgebenden Personen.
A ) Sprachporträt der Miller- Die Bürgerlichen
Miller sagt zumeist recht genau was er denkt ,, Ins Feuer mit dem Quark " (1.Akt , 1.Szene, S.6 , Z. 39 ) , ,, Schier dich zum Satan, infame Kupplerin" ( 1.Akt , 1.Szene , S.7 , Z. 18 ) , ,, Wirst Du wohl dein Maul halten ? " ( 1. Akt, 2. Szene , S.9, Z. 18 f. ) Eindeutig bedient er sich hier einem emotionalen, bürgerlichen Wortschatz. Er benutzt diesen sogar dem Präsidenten gegenüber, auch wenn ihm dabei doch seine Untertänigkeit zu schaffen macht , was man auch an den Bühnenanweisungen ablesen kann ,, ...wechselweis´ für Wut mit den Zähnen knirschend und für Angst damit klappernd "( 2. Akt , 6. Szene, S. 44 , Z. 32 f. ) . Durch seine Sprache wird der Vater so eindeutig dem bürgerlichen Milieu zugeordnet.
Der Charakter der Frau Miller wird uns vor allem durch ihre Sprache deutlich gemacht. Sie wünscht sich für ihre Tochter etwas höheres ,, ... weil eben halt der liebe Gott meine Tochter barrdu zur gnädigen Madam will haben-" ( 1. Akt, 2.Szene , S.9 , Z. 9f . ) . Die falsche Verwendung von Fremdwörtern wie ,, barrdu "( 1. Akt, 2. Szene, S.9 , Z.9 ) oder das ständig wiederholte ,,Sekertare " ( 1. Akt, 2. Szene ) zeigt aber eindeutig ,daß sie sich selbst überschätzt und einfach nicht in die Welt gehört ,in die sie die Tochter hineinsehnt.Unterstrichen wird dies wiederum durch die Bühnenanweisung ,, lächelt dumm- vornehm " ( 1. Akt , 2.Szene , S. 8 Z. 27 ) Sie gehört wie ihr Mann eindeutig der bürgerlichen Schicht zu ,was auch ihre Angst vor der Obrigkeit beweist ( 2. Akt , 6. Szene ).
B ) Sprachporträt des Präsidenten
Der Präsident benutzt im Gegensatz zu den Millern eine zynische , kalte , arrogante Sprache. Er läßt keinen Zweifel aufkommen ,wer an der Spitze seines Hofes steht. Deutlich tritt dies in der Unterhaltung mir seinem Sohn ( 1. Akt, 7. Szene ) zum Vorschein. Vor allem auch sein häufiges Lachen beim Reden läßt seine Arroganz zur Geltung kommen z.B. : " schlägt ein Gelächter auf " ( 1. Akt, 7. Szene, S.23, Z. 28 ) Seine Sprache ist gefährlich und drohend ,, ... Du wirst dort sein, oder fliehe meinem Zorn " ( 1. Akt, 7. Szene , S. 23, Z. 13 f. ) Eindeutig wird der Charakter der herrschenden Schicht zugeordnet.
C ) Sprachporträt der Menschen am Hof.
Der Sekretär Wurm bedient sich der gleichen Sprache wie der Präsident und ordnet sich dem somit unter , wobei er sich allerdings über die Bürgerlichen stellt.
Der Hofmarschall von Kalb ist das Gegenstück der Frau Miller am Hof. Auch er bedient sich manch falscher Wörter, womit sein dümmliches Auftreten unterstrichen wird. ,, Durchleucht " ( 1. Akt , 6. Szene, S. 19 , Z. 24 ) Es gibt also dumme Charaktere sowohl in der bürgerlichen ,
als auch in der höfischen Welt.
D ) Die Sprache der Liebenden
Ferdinand und Luises Sprache ist durch und durch geprägt vom Pathos . Vor allem Ferdinands Sprache ist diesbezüglich sehr absolut. So sehr er zu Beginn des Dramas liebt, so verblendet ist er später durch das Gefühl des Betrugs. Ständische Formeln treten hierbei in den Hintergrund. ,, Mein Vaterland ist ,wo mich Luise liebt" ,( 3. Akt, 4. Szene , S. 58, Z.33 f. ) ,,Ein Lächeln meiner Luise ist Stoff für Jahrhunderte "( 3. Akt, 4. Szene , S. 59 , Z. 6 ff. ). In Luises Sprache mischen sich des öfteren religiöse Andeutungen, die auf ihre Erziehung zurückzuführen sind
,, ...wenn Gott kommt , und die Herzen im Preise steigen..."( 1. Akt, 3. Szene, S. 13, Z. 28 f. ) Im Gegensatz zu Ferdinand ist Luise sich der Unwahrscheinlichkeit eines Bestehens ihrer Liebe in der Ständegesellschaft bewußt. ,, Ich entsag ihm für dieses Leben " ( 1.Akt, 3. Szene , S. 13, Z. 22 ) Abgesehen von diesen Äußerungen verschwimmen aber auch bei ihr die eindeutigen Zeichen ihrer Standeszugehörigkeit, vor allem im Wortduell mit der Lady Milford tritt sie durchaus ebenbürtig auf. ( 4. Akt, 7. Szene ). Die Liebenden stehen somit auch in ihrer Sprache in Opposition zu den Bürgerlichen und den Höfischen. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Sprache des Paares ist die Entwicklung der Sprache zum Ende hin. Während Ferdinands Redeanteil wächst, hüllt sich Luise im Vergleich zu ihren vorherigen Gesprächen. ( 1. Akt, 4. Szene / 3. Akt , 4. Szene ) immer mehr in Schweigen. Dies zeigt ihre eigentliche Tragik und somit auch die Tragik des ganzen Stückes auf : Luise ist durch ihren Glauben und ihre dogmatische Erziehung an ihren Eid gebunden ,unfähig diesen zu brechen. Luises Tragik also ist es, daß sie zwischen ihre bürgerliche Erziehung und eine höfische Kabale geraten ist, wobei die Erziehung in Form des Glaubens obsiegt. Dieses wird durch ihr Schweigen zum Ende hin deutlich ,, Das anzuhören und schweigen zu müssen! " ( 5. Akt, 7. Szene, S. 104, Z. 22 )
E) Sprachporträt der Lady Milford.
Die Sprache der Lady Milford ist meiner Meinung nach ähnlich der der Liebenden. Sie distanziert sich von der höfischen Kälte und spricht offensichtlich über ihre Gefühle ,, ...ewig diese schändlichen Ketten zu brechen ! " ( 2.Akt, 2.Szene , S.29, Z. 2 ) Der Pathos ihrer Sprache und auch der Fluchtgedanke erinnern sehr an Ferdinand ,, ... ich werfe dem Fürsten sein Herz und sein Fürstentum vor die Füße, fliehe mit diesem Mann ... " ( 2. Akt, 1. Szene ) Sie ist eindeutig nicht dem Hof des Präsidenten und seiner Sprache hinzuzurechnen. Allerdings lassen sich bei Lady Milford noch mehr Zeichen ihres Standes auffinden als bei
Ferdinand oder Luise. Deutlich gemacht vor allem durch das häufige Auftreten ihrer
Dienerschaft.
Einordnung der 6. Szene des 2. Aktes in den Gesamttext.
Die 6. Szene des 2. Aktes kommt eine richtungsweisende Bedeutung zu, denn hier werden die Weichen der Handlung gestellt. Zuvor wurde die Problematik des Stückes aufgezeigt : In den ersten Szenen die Probleme Luisens Vaters in Bezug auf ihre Beziehung zu Ferdinand. ( 1. Akt, 1.-3. Szene ). Der Hofsekretär Wurm erscheint bei den Millern und berichtet dem Präsidenten von der Beziehung seines Sohnes Ferdinands zu der Bürgerlichen Luise ( 1. Akt,
2.-6.Szene ). Dieser stellt Ferdinand auf die Probe und veranlaßt seine Hochzeit mit der Lady Milford ( 1. Akt, 7. Szene ). In den folgenden Szenen erfährt man mehr über diese Lady Milford und daß Ferdinand den Hochzeitsplänen nicht nachkommt ( 2.Akt , 1-3. Szene ) . In der vorliegenden Szene nun werden Luise und die Familie Miller zum ersten Mal mit dem Präsidenten konfrontiert. Der Präsident hält Luise eher für eine ,, Hure " ( S. 44, Z. 24 ) seines Sohnes als für eine ernstthafte Liebschaft, und bringt damit Ferdinand und den Vater der Luise gegen sich auf. Die Auswirkungen dieser Szene sind weitreichend, denn durch die Beleidigungen des Musikers Miller in seiner Ehre gekränkt, durch das Wissesn seines Sohnes um seine Vergangenheit aber eingeschränkt ,und um seine Hochzeitspläne fürchtend , ist er erst in der Situation zu der Kabale greifen zu müssen, was nur zwei Szenen später auch geschieht. Diese Intrige und das daran gebundene Schweigen Luisens führen im weiteren Verlauf des Dramas zur kompletten Entfremdung von Luise und Ferdinand.
Kommentar zum Ausschnitt ( Ausschnitt 6. Szene . 2 . AKT ) )
In diesem Ausschnitt wird deutlich, daß der Präsident die Beziehung seines Sohnes immer noch nicht als eine ernsthafte Angelegenheit ansieht. Viel mehr hält er Luise für eine Prostituierte im Dienst seines Sohnes ,, Aber er bezahlte Sie doch jederzeit bar ?" ( S. 44, Z. 10 f. ). Hierbei spielt die Interpretation des Wortes Verschluß eine wichtige Rolle. Klar ist es, daß es sich hierbei nicht um das eigentliche Denotat im Sinne von ,,abschließen" handeln kann. Es muß sich um eine weitere, auf einer anderen Ebene befindliche Bedeutung handeln. Schaut man sich die Bezüge zu diesem Ausschnitt im Rahmen der Szene an , so wird zumindestens deutlich , worüber der Präsident spricht. Korrespondierende Ausdrücke zum ,, bar bezahlen" sind ,,Hure" ( S. 44 , Z.24 ) und ,,Kuppler" ( S. 45, Z. 2 ) . Die Einstellung des Präsidenten zu Luise läßt sich auch an anderen Stellen des Textes festmachen . So redet er im Bezug auf Luise von ,, Skortationsstrafe für seine Dirne " (1.Akt, 5. Szene, S. 17,z. 1 f. ) und
,, Metze " ( 2.Akt., 7. Szene , S. 46, Z. 26 ). Folglich ist es klar, daß es sich bei dem Wort
,,Verschluß " ( 2.Akt, 6. Szene , S. 44, Z. 17 ) für den Ferdinand sie ,laut seines Vaters ,,doch bezahlte " ( gleiche Szene Z. 10 ) um eine Anspielung im sexuellen Bereich handeln müßte. Hierzu habe ich Lexika zu Rate gezogen .Oftmals fand sich aber nur das entsprechende Zitat aus eben dieser Szene, wie es u.a. auch im ,, Deutschen Wörterbuch von J. u. W. Grimm Band
12.1 "der Fall war . Im ,, Schwäbischen Wörterbuch " von 1908 ist die Rede von ,, Verschluss [...] 2. Absatz einer Ware ". Es folgt auch dort wieder das Zitat der vorliegenden Szene. mit einem Verweis auf das Wort ,, Verschleiß".Dieses fand ich im ,,Deutschen Wörterbuch der Kaufmannssprache " ( 1911 ) wiederum mit der Bedeutung ,, Ware absetzen ". Daß sich Schiller diese Bedeutung als Grundlage nahm ist wahrscheinlich, da er selbst aus dem schwäbischen Sprachraum stammte. Hierbei handelt es sich aber wohl bereits um eine angewendete assoziative Konnotation des Wortes.
Als Denotat liegt uns jetzt das Wort ,,Verschluß " vor. Dieses kann in seinem Gebrauch durch Schiller als ,, Absatz einer Ware " ( siehe oben ) gemeint worden sein. Auf der Isotopie-Ebene bietet sich auf Grund der korrespondierenden Wörter im Text ( s. o . ) ,eine Bedeutung an, die sich auf sexuelle Dinge bezieht.Der Absatz eines sexuellen Aktes als Ware entspräche dem Bild der Prostitution, das der Präsident des öfteren aufwirft. ,,...war ihr vielleicht mit dem bloßen Verschluß gedient ? " ( 2. Akt, 6.Szene, S. 44, Z. 17 ) . War also der Absatz ihrer selbst Bezahlung genug ? Hieraus ,und vor allem aus den sonstigen Bezeichnungen der Luise durch den Präsidenten , schließe ich, daß als Bedeutung auf der Isotopie-Ebene für das Wort,, Verschluß" der Geschlechtsverkehr am wahrscheinlichsten ist. Für die erfolgreiche Substitution ist aber vorauszusetzen, daß dem Leser und Zuschauer des Dramas die schwäbische Bedeutung des Wortes oder die übertragene Bedeutung bekannt war.Ich möchte noch einmal den Gang der Substitution aufzeigen :
Denotat zu Verschluß : Etwas mit dem etwas verschlossen wird
Konnotation : Verschluß = Ware absetzen, was sich wahrscheinlich als bereits übertragene Bedeutung aus dem Verschluß einer Kasse entwickelt hat.
Isotopie 1 : Im Bezug auf Luise = Luise als Ware .
Isotopie 2 : Mit Bezug zu den korrespondierenden Wörtern im Text : eine sexuelle Handlung , wahrscheinlich
Geschlechtsverkehr.
Man kann allerdings auch durch eine sehr grobe, biologische Sichtweise auf diese Bedeutung kommen. Wenn man nämlich das Eindringen des männlichen Geschlechtsorgans in das weibliche als Verschluß eben dieses bezeichnet. Zumindestens wäre diese Bedeutung des
Wortes ,,Verschluß" assoziativ möglich. Im Lexikon ,, Sex im Volksmund " von Ernst
Bornemann aus dem Jahr 1971 fand ich diesbezüglich für das Wort Verschluß noch folgende Bedeutung ,, Jungfernbremse, Jungfernhäutchen, Hymen ", halte es aber für unwahrscheinlich, daß Schiller diese Bedeutung geläufig war.
Zu Aufgabe C ) Vorgeschichte zu Freytags Gedankenexperiment( Konstruktion eines alternativen Dramas )
Der Präsident von Völler schickt seinen Sohn Blasus zum Musiker Kritz, damit dieser ihm Zwecks kultureller Ertüchtigung im Spiel der Geige unterrichet.Dieser findet sofort Gefallen an dem jungen Dragoner-Major und stellt ihn nach einigen Wochen auf einem Konzert seiner Tochter Luise vor. Es ist für die beiden Liebe auf den ersten Blick. Dieses erfreut den Musiker Kritz, der gegen alle Standesgewohnheiten den Sohn des Präsidenten wie einen Bürgerlichen behandelt, verspricht er sich doch durch eine Beziehung von Blasus und Luise auch mehr Aufmerksamkeit für seine Musik. Frau Kritz allerdings ahnt Unheil, vor allem nachdem der Sekretär des Präsidenten, der Mann einer Verwandten der Musikerfrau, die Familie zu warnen versucht. Denn der Präsident hat seinen Sohn Blasus bereits durch Heiratsversprechen an eine Frau des adligen Standes versprochen. Präsident von Völler versucht nun mit Beihilfe des cleveren Hofmarschalls eine Intrige zu spinnen. Er will Blasus noch am selben Tag per Zwang verheiraten, dafür will er ihn des Nachts in seinem Zimmer einsperren, was ihm durch eine List auch gelingt. Er soll den Hof des Präsidenten nicht mehr verlassen. Die Frau des Musikers indes unterrichtet ihren Mann über die Gefahren der Beziehung der Tochter, die dieser jedoch leichtfertig als Hirngespinst abtut. Er hat den Bezug zu der Realität der Ständegesellschaft bereits verloren und träumt nur von seiner neuen Bekanntheit im Land. Der Präsident berichtet Blasus von seiner vorstehenden Hochzeit, aber diesem gelingt die Flucht. Doch er kommt zu spät, die Tochter des Musikers hat sich bereits , nachdem sie von der Mutter gehört hatte, daß Blasus eine Adlige heiraten würde das Leben genommen. Auch Blasus nimmt nun von dem Gift, das Luise noch in der Hand hält ,und stirbt ebenfalls.
HINWEIS : Alle Zitate beziehen sich auf die Angaben in der Reclam-Ausgabe von ,, Kabale und Liebe "
( ISBN 3-15-000033-5 )
- Citation du texte
- Patrick Niemeier (Auteur), 2000, Schiller, Friedrich - Kabale und Liebe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102638
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