Wie idyllische Alpenkulisse zur Bühne des Unerträglichen wird: Elisabeth Langgässers Kurzgeschichte "Saisonbeginn" entführt in ein Bergdorf, dessen Schönheit trügerisch ist. Drei Arbeiter sind damit beauftragt, ein Schild am Ortseingang aufzustellen, doch die vermeintliche Routinearbeit entpuppt sich als erschütternde Konfrontation mit einer dunklen Realität. Während die Natur in voller Pracht erstrahlt, die Wiesen saftig grün leuchten und die Blumen in den schillerndsten Farben blühen, suchen die Männer nach dem idealen Platz – ein Unterfangen, das sich als unerwartet komplex erweist. Jeder potenzielle Standort birgt ein Problem, ein subtiles Hindernis, bis sie schließlich vor einem Holzkreuz stehen, an dem Jesus hängt. Hier, gegenüber dem Gekreuzigten, soll das Schild seinen Platz finden: "In diesem Kurort sind Juden unerwünscht". Langgässer meistert es auf beklemmende Weise, die Diskrepanz zwischen der friedvollen Umgebung und der menschenverachtenden Botschaft des Schildes herauszuarbeiten. Die Reaktionen der Dorfbewohner, von verhaltenem Kopfschütteln bis hin zu offener Gleichgültigkeit, verstärken das Gefühl der Ohnmacht und moralischen Verwerflichkeit. Die Kurzgeschichte ist ein eindringliches Mahnmal gegen Ausgrenzung und Fremdenhass, eine subtile Anklage gegen das Wegsehen und die Verrohung der Gesellschaft. Sie regt zum Nachdenken über die Verantwortung des Einzelnen an und stellt die Frage, wie viel Zivilcourage es braucht, um sich gegen Unrecht zu erheben. "Saisonbeginn" ist ein literarisches Juwel von erschreckender Aktualität, das den Leser noch lange nach der Lektüre beschäftigt und dazu auffordert, die Augen nicht vor den Schattenseiten der Geschichte und Gegenwart zu verschließen. Eine Geschichte über die trügerische Fassade der Normalität, die erschütternde Kraft des Schweigens und die bleibende Notwendigkeit, Haltung zu bewahren – ein Muss für alle, die sich mit den dunklen Kapiteln der deutschen Geschichte auseinandersetzen und nach Antworten auf die Fragen unserer Zeit suchen. Elisabeth Langgässer beweist mit dieser meisterhaften Erzählung einmal mehr ihre literarische Brillanz und ihr tiefes Verständnis für die menschliche Natur, ihre Abgründe und ihre Fähigkeit zur Hoffnung. Ein Schlüsseltext der Nachkriegsliteratur, der nichts von seiner Brisanz verloren hat.
Interpretation (Saisonbeginn)
Elisabeth Langgässer, die von 1899 bis 1950 lebte gilt als wohl eine der bedeutendsten der deutschen Autorinnen der Nachkriegszeit. Romane, Kurzgeschichten, wie „Saisonbeginn“, Erzählungen und Lyrik gehören zu ihrem Repertoire. Sie wurde 1950 nach ihrem Tod mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Die Kurzgeschichte „Saisonbeginn“ von Elisabeth Langgässer handelt von drei Arbeitern, die ein Schild zur Urlaubssaison anbringen sollen.
Am Eingang einer Ortschaft, hoch in den Bergen machen sich drei Arbeiter mit dem Schild, Pfosten und Schaufel auf die Suche nach einer geeigneten Stelle um den Pfosten aufzustellen. Dabei treffen sie auf einige Schwierigkeiten, zum Beispiel auf einen Pflasterbelag, eine Stelle war wiederum zu weit vom Ortseingang entfernt und eine andere Stelle wurde von einer Buche durch ihre Äste überragt. Die geeignete Stelle fanden sie gegenüber dem Holzkreuz mit dem gekreuzigten Jesus. Als die Männer den Pfosten mit dem Schild eingraben, kommen einige Bewohner des Dorfes vorbei und geben ihre Meinungen durch verschiedene Gesten, wie zum Beispiel lachen, Kopf schütteln oder Gleichgültigkeit kund. Das Haupt des sterbenden Jesus neigt nach rechts, wo ihm dauerhaft das Schild mit der Inschrift „In diesem Kurort sind Juden unerwünscht“ gegenüber steht.
Bei diesem Text handelt es sich um eine Kurzgeschichte. Der geringe Umfang, der unvermittelte Beginn ohne Einleitung „Die Arbeiter kamen mit ihrem Schild und einem hölzernen Pfosten, auf den es genagelt werden sollte, „zu dem Eingang einer Ortschaft, ...“ (Zeile 1/2) und der offene Schluss, der noch Fragen offen lässt, z.B. was die Urlauber von diesem Schild halten werden oder ob jemand etwas wegen dem Schild sagen wird, deuten darauf hin. Auch die Thematik ist typisch für eine Kurzgeschichte. Der Text behandelt nur einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben der Dorfbewohner nämlich die Suche nach einer geeigneten Stelle für das Kreuz.
Wendet man sich dem äußeren Aufbau zu, so fällt auf, dass die Geschichte in mehrere Absätze gegliedert ist, die die Arbeit der drei Männer hervorheben. E. Langgässer verwendet keine wörtliche Rede.
Was den inneren Aufbau anbelangt, so könnte man die einzelnen Sinnabschnitte folgendermaßen zusammenfassen: Der 1. Teil beinhaltet die Beschreibung der Natur. Im 2. Teil geht es um die Suche der Arbeiter nach einem geeigneten Platz für ihr Schild. Der 3. Teil handelt von der Reaktionen der Dorfbewohner. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Autorin zielstrebig auf einen Schluss zusteuert.
Diese Geschichte hat keine Wende.
Bei der Betrachtung des Satzbaus ist auffällig, dass der Text viele lange Sätze enthält. Diese Sätze sind oft sehr unübersichtlich, aber durch diese Sätze wird der Text sachlicher. E. Langgässer verwendet hauptsächlich Aussagesätze, „Dieser Vorschlag, von dem Mann mit den Nägeln und dem Hammer gemacht, fand Beifall.“ (Zeile 34). Dadurch werden besonders Sachverhalte näher erörtert. Dieser Schreibstil ist sehr sachlich und präzise.
Was die Wortwahl betrifft, so unterscheidet sich der 1. Abschnitt deutlich vom Rest des Textes. Metaphern wie „ ...die Wiesen standen in Saft und Kraft“ (Zeile 7/8), „ ..., der Löwenzahn strotzte und blähte sein Haupt... (Zeile 8), „ ... Trollblumen, welche wie eingefettet mit gelber Sahne waren, platzten vor Glück, ...“ (Zeile 9) sollen die Naturbeschreibung ausmalen. Die Autorin will mit der ausführlichen Naturbeschreibung auf die falsche Fährte führen, damit der Leser am Schluss umso überraschter ist.
Elisabeth Langgässer verwendet viele Adjektive wie „milchig“ (Zeile 9), „strahlend“ (Zeile 10), „kleinblütiger“ (Zeile 10), diese sollen die Geschichte ausmalen und genauer beschreiben.
Weiterhin verwendet sie viele Verben, wie „graben“ (Zeile 21) und „schleppen“ (Zeile 28/35) was die Handlung lebendig wieder gibt.
Leitwörter sind in dieser Kurzgeschichte das Schild und die Männer. Sie ziehen sich ab dem 2. Abschnitt durch den ganzen Text.
E. Langgässer setzt Stilmittel nur sparsam ein, so z.B. das Stilmittel der Personifikation
„ ... blähte sein Haupt“ (Zeile 8) oder „ ... vor Glück platzen...“ (Zeile 9). Durch die Personifikation sollen diese Sätze als wichtig herausgehoben werden.
Die Autorin möchte mit dieser Erzählung ausdrücken, dass sich andere Menschen für das Unrecht, dass manche Menschen angetan wird, einsetzen und nicht einfach wegschauen sollten. E. Langgässer wollte uns mit dieser Geschichte auch warnen, damit so etwas wie im 2. Weltkrieg nicht mehr passiert.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in Elisabeth Langgässers Kurzgeschichte „Saisonbeginn“?
Die Kurzgeschichte „Saisonbeginn“ von Elisabeth Langgässer handelt von drei Arbeitern, die ein Schild mit der Aufschrift „In diesem Kurort sind Juden unerwünscht“ am Eingang einer Ortschaft in den Bergen aufstellen sollen. Die Geschichte thematisiert die Schwierigkeiten bei der Platzierung des Schildes und die Reaktionen der Dorfbewohner darauf, insbesondere im Hinblick auf ein Holzkreuz mit dem gekreuzigten Jesus, dem das Schild direkt gegenübersteht.
Welche Merkmale deuten darauf hin, dass es sich bei dem Text um eine Kurzgeschichte handelt?
Mehrere Aspekte kennzeichnen den Text als Kurzgeschichte: der geringe Umfang, der unvermittelte Beginn ohne Einleitung, der offene Schluss, der Fragen offen lässt, und die Thematik, die nur einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben der Dorfbewohner behandelt.
Wie ist die Kurzgeschichte „Saisonbeginn“ aufgebaut?
Der äußere Aufbau ist in mehrere Absätze gegliedert, die die Arbeit der drei Männer hervorheben. Es gibt keine wörtliche Rede. Der innere Aufbau lässt sich in drei Sinnabschnitte einteilen: die Beschreibung der Natur, die Suche der Arbeiter nach einem geeigneten Platz für das Schild und die Reaktionen der Dorfbewohner. Die Geschichte steuert zielstrebig auf einen Schluss zu.
Welche sprachlichen Besonderheiten weist der Text auf?
Der Text enthält viele lange und teilweise unübersichtliche Sätze, die den Text sachlicher wirken lassen. Im ersten Abschnitt werden Metaphern verwendet, um die Natur zu beschreiben. Es gibt viele Adjektive, um die Geschichte auszumalen, sowie Verben, die die Handlung lebendig wiedergeben. Leitwörter sind das Schild und die Männer. Stilmittel wie Personifikationen werden sparsam eingesetzt.
Welche Bedeutung hat die Naturbeschreibung im ersten Abschnitt der Kurzgeschichte?
Die ausführliche Naturbeschreibung im ersten Abschnitt dient dazu, den Leser auf eine falsche Fährte zu führen, sodass er am Schluss umso überraschter von der tatsächlichen Thematik der Geschichte ist.
Welche Botschaft möchte Elisabeth Langgässer mit „Saisonbeginn“ vermitteln?
Die Autorin möchte mit der Erzählung zum Ausdruck bringen, dass sich Menschen für das Unrecht einsetzen sollten, das anderen angetan wird, und nicht einfach wegschauen. Sie möchte vor allem warnen, damit sich Ereignisse wie im Zweiten Weltkrieg nicht wiederholen.
Wie wird die Relevanz der Kurzgeschichte für die heutige Zeit eingeschätzt?
Die Kurzgeschichte wird als weiterhin aktuell betrachtet, da es auch heutzutage noch Verfolgungen von Ausländern und Hetzjagden gibt, gegen die kaum etwas unternommen wird. Die Geschichte regt zum Nachdenken darüber an, wie man auf Ungerechtigkeit reagieren sollte.
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- Nadine Vorbrodt (Author), 2001, Langgässer, Elisabeth - Saisonbeginn - Interpretation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102505