Gliederung:
I. Die Liebe über Jahrhunderte hinweg als Thema in der Literatur und Philosophie
II. Absolute Ablehnung von Elias` Motto
1. Definition von Liebe zwische Mann und Frau generell
2. Beziehung von Elias zu Menschen seines näheren Umfelds
3. Entwicklung der Beziehung zu Elsbeth
i. frühes Keimen der Liebe
ii. Anwachsen der Liebe bis zur Krankheit
iii. Heirat Elsbeths mit einem Anderen
iv. Verlust der Liebe zu Elsbeth
v. Wiedererlangen der Liebe und Tod aufgrund dieser
4. Kritik an Elias` Anschauung von Liebe
III. Schlaf als Möglichkeit zur Erfüllung von Wünschen
"Wer schläft, liebt nicht"
,,Die Summe unseres Lebens sind die Stunden in denen wir liebten. " Wie unzählige Philosophen, Dichter und Schriftsteller über die Jahrhunderte hinweg, setzte sich auch Wilhelm Busch mit der Komplexität des Themas Liebe auseinander, wobei er den obig genannten Spruch prägte. Das Thema Liebe scheint für den denkenden Menschen seit jeher unausweichlich zu sein.
Es gibt etliche Arten von Liebe - die Mutterliebe, die platonische Liebe, die Liebe zu gewissen Dingen und Gegenständen, und so weiter. Ich werde mich im Großen und Ganzen mit der Liebe zwischen Mann und Frau auseinandersetzen, da sich Robert Schneiders Roman ,,Schlafes Bruder" hauptsächlich mit dieser Art von Liebe befasst.
Die Liebe wird von vielen als einfache Hormonschwankung oder als gehirnchemischer Prozess abgetan, lediglich ein Produkt der Evolution um die Fortpflanzung zu sichern. Andere hingegen sehen in der Liebe die Fähigkeit, den angeborenen Egoismus teilweise zugunsten eines anderen Menschen aufzugeben und sich selbst zu vergessen. Die Liebe geht über die dem Menschen angeborenen Zweck-Mittel-Überlegung hinaus und stellt eine dem Menschenreich eigene Fähigkeit dar, sich gefühlsmäßig an eine andere Person zu binden, und dieser grenzenloses Vertrauen entgegenzubringen. Auch bedeutet die Liebe oft ein irreales Verlangen, dem Geliebten nahe zu sein, und dessen ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen. Zumeist ist die Intensität der Liebe zwischen den Partnern ungleich verteilt, oder bleibt gar von einer Seite unerhört. Dennoch verleitet uns unsere Hoffnung dazu, uns selbst zu belügen, wir verleugnen uns oder fallen in ein schwarzes Loch der Verzweiflung und Depression. Dies kann letztendlich sogar zur Selbstzerstörung im psychischen oder physischen Wege führen. Die Liebe kann eine Gefährdung der Identität darstellen, indem man sich zugunsten des Anderen aufgibt, kann aber auch zur Identitätsfindung und zu Selbstvertrauen führen. ,,Die Liebe kann gesund machen und Krankheit hervorrufen.²" wie V.
Sigusch richtig bemerkte. Die Liebe kann eine Quelle der Freude, aber auch lebenslängliche Qual bedeuten. Oftmals kann die erhörte Liebe schnell zu einem allzu vergessenem Punkt im Alltag werden, oder sich gar in Freundschaft wandeln.
Auch der Schriftsteller Robert Schneider befasste sich in seinem Werk ,,Schlafes Bruder" mit der Liebe. Jedoch scheint der Protagonist des Romans, Elias Alder, den Ausspruch Buschs mißgedeutet zu haben, denn die Maxime unseres Heldens lautet ,,Wer schläft, liebt nicht." Johannes Elias Alder hat seinen ersten wahrhaften Kontakt mit der Liebe als er als 5-jähriger einer Verwandlung unterliegt, bei der sich sein Hörfeld um ein Vielfaches vergrößert, sich eine verfrühte Pubertät in Gang setzt, und er außerdem den Herzschlag seiner noch ungeborenen Geliebten Elsbeth vernimmt (S38). Etwas später entdeckt er aufgrund seiner Hörfähigkeit sein Talent und seine Passion für die Musik und das Orgelspiel, welches er sich autodidaktisch aneignet. Es besteht auch eine komplexe Liebe zwischen Vater und Sohn, die jedoch erschüttert wird, als Elias den Vater bei einer Mordtat beobachtet (S84). Dieses Ereignis bringt den Jungen sehr aus dem Gleichgewicht, die unausgesprochenen Vorwürfe und Differenzen mit dem Vater werden später aber noch ausgeglichen (S. 85, S. 131 ff). Seiner Mutter gegenüber scheint Elias keine innigeren Gefühle zu hegen, dies beruht auf Gegenseitigkeit. Elias scheint jedoch seinem kleinen, geistig behinderten Bruder eine echt Affektion entgegenzubringen (S93). Dieser ist zwar, im Gegensatz zu Elias, keine Kuriosität im Dorf, aber dennoch ebenfalls ein Aussenseiter. Des weiteren ist unser Held Brennpunkt der Liebe und Begierde von Elsbeths homosexuellem Bruder Peter, dem Elias eine treue Loyalität entgegenbringt (S. 96). Von der Gemeinde, ebenso wie von seiner Mutter wird Elias erst nach seinem ersten Orgelspiel in der Kirche akzeptiert (S. 118 ff). Auch Gott gegenüber scheint Elias eine Art von Liebe aufzubringen, entscheidet sich aber später gegen diese - und somit ebenfalls gegen sein von Gott gesandtes Talent für die Musik - um seine ganze Liebeskapazität nur noch auf Elsbeth zu konzentriern (S. 96). Dies geschieht nachdem er das Mädchen beim ersten Dorfbrand vor dem Tod im Feuer gerettet hat, und hierbei feststellt, dass ihrer beider Herzen im selben Rhytmus schlagen. Elias` Anschauung von der Liebe scheint etwas eigen - sie ist von kirchlichen Predigern sehr geprägt. Er verleugnet sein körperliches Verlangen nach Elsbeth, und somit die Natur, indem er kirchlichen Maximen folgt und sie nicht physisch begehren will. Anfänglich versucht Elias Elsbeths Vertrauen durch freundschaftliche Annäherung zu gewinnen, bringt jedoch trotzdem nicht dem Mut auf, ihr seine Verliebtheit zu gestehen, und erntet somit zwar ihre Bewunderung, nicht jedoch ihre Liebe (s. 104). Schon bald scheint sich seine Verehrung und Liebe in eine Art Krankheit zu wandeln (S. 119/ S. 131). Seine Passion für Elsbeth scheint ihm nur noch Qual und Schmerz zu bereiten. Dennoch wählt Elias den Weg der Feiglinge und offenbart sich ihr nicht, um seine Hoffnung zu wahren und somit keine Korb erhalten zu können. Doch bald darauf verliert Elias auch den letzten Schimmer Hoffnung - sein Freund Peter intrigiert - er will Elsbeth mit einem Anderen verheiraten, um sich Elias` ungeteilte Zuneigung zu sichern (S. 137). Elsbeth scheint sich mit relativer Passivität und starkem Realismus mit der Vereinigung mit dem ihr von Peter zugedachten Jüngling zufriedenzugeben, ja sieht sogar gewisse positive Seiten an der Verbindung. Elias - für den die Liebe die einzig wahre Wurzel seines Lebens scheint - selbst sein Talent als Komponist hat er auf Elsbeth ausgerichtet indem er seine Stücke um den Rhythmus des Herzschlags seiner Geliebten komponiert - verflucht Gott wegen der Ungerechtigkeit seiner Lage. Gott erbarmt sich seiner und nimmt ihm gnädig das Gefühl, welches ihm so entsetzliche Qualen bereitet. Doch hierauf scheint Elias in ein Nichts zu fallen - wie ein Rebstock in der brennenden Hitze der Sonne, der sein Lebenselexier Wasser verloren hat. Elias` einziger Sinn im Leben war seine Liebe zu Elsbeth. Als er jedoch von Peter zu einem Orgelwettbewerb gebracht wird, und bei den Klängen des Instruments und denen seiner Kompositionen über Elsbeth aus seiner Agonie und Passivität gezwungen wird, erwacht seine Leidenschaft für Elsbeth von neuem (S. 77). In diesem Moment erinnert er sich auch wieder der Worte eines Wanderpredigers, den er vor langem einmal sage hörte: ,,Wer schläft, liebt nicht." Aus dieser Aussage resultierend, sieht er seinen Schlaf als Grund dafür, dass seine Liebe nicht erhört wurde. Er schließt, dass er während des Schlafs - der ja des Todes Bruder, und diesem somit ähnlich ist - Elsbeth nicht lieben konnte. Aufgrund diese Schlußfolgerung meint er Elsbeth nur mit halbem Herzen geliebt zu haben (S. 191). Um dennoch ihre Zuneigung , ihre Passion und Liebe zu gewinnen, und sich zudem noch eine Gewißheit über die ewige Seligkeit im Himmel zu verschaffen, beschließt Elias seiner ,,halbherzigen" Liebe ein Ende zu setzen, und nun auch in der Zeit in der er eigentlich schlafen würde, seine ganze Liebe auf Elsbeth zu konzentrieren (S. 192). Dies scheint allerdings widersinnig, da er Elsbeth nicht von seinem Opfer wissen lassen möchte. Seine ganze Tat scheint die eines Hoffnungslosen, der sein Leben eigentlich schon als beendet betrachtet, und dem die Quelle und der Mut zum Weiterleben fehlen. Am Ende des Romans siecht Elias Alder vor den Augen seines Freundes Peter, dem eigentlichen Urheber seiner Qualen, dem Elias trotzdem in blinder Freundschaft zugetan ist, dahin und stirbt letztendlich. Auch wenn Elsbeth sich nie über das Opfer klar wird, das unser Protagonist in seiner Liebe zu ihr gebracht hat, so verändert es doch den sadistischen Peter, zu dem Elias mit seiner Weichheit sowieso immer im Gegensatz gestanden hat, zum Guten. Im Großen und Ganzen hatte Elias in seinem Leben nur eine einzige wirkliche Befriedigung: seine Kompositionen über Elsbeth, beziehungsweise sein Orgelspiel. Insgesamt ist der Ausspruch ,,Wer schläft, liebt nicht" und somit Elias` Motto völlig falsch, es müßte vielmehr ,,Wer liebt, schläft nicht" heißen, aber dies hier nur nebenbei erwähnt. Meiner Meinung nach sollte die Liebe zwar immer als etwas Besonderes und Gutes gesehen werden - sie ist der einzige Weg, auf dem wir unseren Egoismus und unsere Egozentrik aufgeben, dem anderen unsere totale Zuneigung und unser volles Vertrauen entgegenbringen können. Außerdem läßt die Liebe sogar die schönen Dinge im Leben noch schöner erscheinen - vielleicht ist sie sogar das schönste aller Gefühle dieser Welt - sie sollte jedoch niemals zur totalen Selbstaufgabe und Fixierung auf den Geliebten führen. Es gibt trotz der Großartigkeit eines plötzlichen Herzrasens oder Flatterns in der Magengrube noch andere Dinge in dieser Welt, die es lohnen, zu leben. Erst wer genügend Liebe für das Leben und sich selbst aufbringen kann, kann einen anderen wahrhaft lieben. Diese zwei Punkte sollten immer die Grundbedingung für eine totale Hingabe und grenzenlose Liebe darstellen. Auch in der Bibel steht ,,Liebe deinen Nächsten wie dich selbst ! ³" Dies heißt jedoch nicht, den Geliebten zur einzigen Freude und Lichtblick im Leben, zum Fixpunkt oder zur einzigen Bereitschaft zum Leben und Überleben zu machen. Die Liebe sollte nie den Willen zum Leben überschreiten. Auch sollte das bittersüße Gefühl niemals so ernst genommen werden, dass man unsinnige Opfer und Liebesbeweise bringt, so wie Johannes Elias Alder es tut. Die Selbstliebe und der Lebenswille sollten immer einen gewissen Vorrang haben - besonders wenn die Liebe einseitig bleibt, denn ,,Liebe, die nicht Tat wird, ist keine Liebe. ",wie Ricarda Huch bemerkte. Auch hätte Elias sein körperliches Verlangen nach Elsbeth nicht verleugnen dürfen: der körperliche Akt ist ein natürlicher von der Natur gewollter Bestandteil der Liebe zwischen Mann und Frau. Außerdem hielten sich die Kirchenmänner, welche körperliche Liebe so verdammten, selbst nicht an ihre Maximen, denn sogar Päbste haben über die Jahrhunderte hinweg schon unzählige unehelich Kinder gezeugt.
Zudem ist die Aussage, dass man im Schlaf nicht liebe, völlig widersinnig. Der Schlaf ist im Gegensatz zu Elias Aussage kein ,,Zustand des Totseins", denn im Tode träumt man nicht. Der Schlaf hätte für Elias im Gegenteil der einzige Ort sein können, in dem sein Wünsche hätten wahr werden können. Träume sind oft die einzige Möglichkeit unsere Wünsche und Phantasien ohne gesellschaftliche Zwänge und Maßregeln auszuleben.
Quellenverzeichnis:
³ : Bibel, Mt. 22, 23
: Quellen der Zärtlichkeit, Gedanken und Gedichte der Liebe; Verlag Leobuchhandlung St. Gallen
² : Quellen indischer Weisheiten, Gedanken und Blumen; Verlag Leobuchhandlung St. Gallen
- Arbeit zitieren
- Silja Furche (Autor:in), 2000, Schneider, Robert - Schlafes Bruder - Wer schläft, liebt nicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102478
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