Die Arbeit soll aufzeigen, inwiefern die soziale Konstruktion von Mutterschaft Wirkmacht auf Frauen und ihre neugewonnene Rolle innerhalb eines Beziehungsgefüges ausübt. Sie stellt ferner den Anspruch, Aufklärung über PPS als zu bewältigende Krise im Leben einer Mutter zu leisten. Erscheinungsbilder, mögliche Ursachen und der Weg von der Diagnose zur Therapie werden thematisiert.
Auch soll ein Schwerpunkt auf die sich ergebenden Auswirkungen im Hinblick auf die Mutter-Kind-Dyade sowie das unmittelbare Umfeld gelegt werden, um die Relevanz des Wissens um PPS zu stützen. Präventionsmaßnahmen und Früherkennung als aktive Hilfen in den geburtshilflichen Bereichen können die Brücke zur Praxis schlagen. Um die vorwiegend theoretische Bearbeitung mittels Literatur zu komplementieren, wird die Arbeit mit der Analyse und Reflexion einer Einzelfallstudie abgeschlossen. Diese liegt in Form eines narrativen Interviews vor, welches als eines von insgesamt fünf im Rahmen dieser Forschung durchgeführt wurde.
Mutterschaft als eines der bedeutsamsten Ereignisse innerhalb der weiblichen Biografie unterliegt als biologisch-anthropologische Konstante den unterschiedlichen Maßstäben, die Frauen von einer pluralistischen Gesellschaft von Zeit zu Zeit auferlegt werden. Dabei sind die sozialen Praktiken von Mutterschaft stets geprägt durch kulturelle Weitergabe, politische Gegebenheiten sowie die individuellen Ressourcen der Einzelnen. Der gesellschaftliche Anspruch an Frauen fördert überhöhte Ansprüche an sich selbst und setzt sie einem enormen Druck aus, zu dessen Bewältigung kein Raum gegeben wird. Die gesellschaftliche Erwartung an Mütter definiert die eigenen Kinder als Sinnerfüllung und Bereicherung, sodass Überforderung und ambivalente Gefühle meist übergangen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung...3
2. Konstruktion von Mutterschaft...5
2.1 Mutterschaft als Verzicht...7
2.2 Die entmündigte Mutter...9
2.3 Schwangerschaft...10
2.4 Geburt...11
2.5 Postpartalphase...12
2.6 Die Rolle der Hebamme...13
3. PPS als negativer Faktor einer Mutterschaft...14
3.1 PPS, ein Überblick...15
3.2 Erscheinungsbild der peripartalen Depression...16
3.3 Interaktionsbeobachtungen...17
3.4 Risikofaktoren...18
3.5 Diagnose...20
3.6 Der Weg aus der Krise...21
3.7 Auswirkungen...24
3.7.1 Bedeutung für die kindliche Entwicklung...24
3.7.2 Bedeutung für die Mutter-Kind-Dyade...25
3.7.3 Bedeutung für das Umfeld...26
3.8 Prävention...27
4. Qualitative Sozialforschung...27
4.1 Selbsthilfegruppe...29
5. Martha, ein Erfahrungsbericht...33
5.1 Methode „Grounded Theory“...35
5.2 Auswertung...36
6. Fazit...44
7. Anhang...49
7.1 EPDS-Selbsteinschätzungstest...49
7.2 Interviewtranskription...50
7.3 Offenes Codieren...110
7.4 Konzepte...128
7.5 Codierparadigmen...145
1. Einleitung
Mutterschaft als eines der bedeutsamsten Ereignisse innerhalb der weiblichen Biografie unterliegt als biologisch-anthropologische Konstante den unterschiedlichen Maßstäben, die Frauen von einer pluralistischen Gesellschaft von Zeit zu Zeit auferlegt werden (vgl. Besch-Cornelius 1987, S. 43). Dabei sind die sozialen Praktiken von Mutterschaft stets geprägt durch kulturelle Weitergabe, politische Gegebenheiten sowie die individuellen Ressourcen der Einzelnen. In unserer westlichen Industriegesellschaft hat sich ein überzogenes Mutterideal etabliert, welches durch altruistische, bedingungslose Liebe und Glückgefühle charakterisiert ist. Überzogen deshalb, weil es den realen Verhältnissen und Lebenswirklichkeiten nicht immer gerecht werden kann. Der gesellschaftliche Anspruch an Frauen fördert überhöhte Ansprüche an sich selbst und setzt sie einem enormen Druck aus, zu dessen Bewältigung kein Raum gegeben wird. Die gesellschaftliche Erwartung an Mütter definiert die eigenen Kinder als Sinnerfüllung und Bereicherung, sodass Überforderung und ambivalente Gefühle meist übergangen werden.
Innerhalb dieser ideologischen Manifestationen gilt es als Frau die neue Rolle der Mutter selbstverantwortlich zu erarbeiten. Zugleich werden sie mit der physischen und psychischen Adaptierung konfrontiert, die Schwangerschaft, Geburt und Postpartalzeit unweigerlich mit sich bringen.
Verstehen wir Mutterschaft demnach auch als eine „Reifungskrise“ (Moser 2018, S. 254) und lassen die normativ überformten Idealvorstellungen beiseite, so erkennen wir umso deutlicher die weibliche Vulnerabilität hinsichtlich psychischer Erkrankungen wie den peripartal psychischen Störungen (PPS). Deren wissenschaftliche Ergründung ist zwar längst hinreichend erforscht, allerdings bis dato nicht ausreichend in der Geburtshilfe und Betreuung angekommen, als das man von einer zufriedenstellenden Aufklärung und Versorgung betroffener Frauen ausgehen könnte.
Die vorliegende Arbeit soll aufzeigen, inwiefern die soziale Konstruktion von Mutterschaft Wirkmacht auf Frauen und ihre neugewonnene Rolle innerhalb eines Beziehungsgefüges ausübt. Sie stellt ferner den Anspruch, Aufklärung über PPS als zu bewältigende Krise im Leben einer Mutter zu leisten. Erscheinungsbilder, mögliche Ursachen und der Weg von der Diagnose zur Therapie werden thematisiert. Auch soll ein Schwerpunkt auf die sich ergebenden Auswirkungen im Hinblick auf die Mutter-Kind-Dyade sowie das unmittelbare Umfeld gelegt werden, um die Relevanz des Wissens um PPS zu stützen. Präventionsmaßnahmen und Früherkennung als aktive Hilfen in den geburtshilflichen Bereichen können die Brücke zur Praxis schlagen. Um die vorwiegend theoretische Bearbeitung mittels Literatur zu komplementieren, wird die Arbeit mit der Analyse und Reflexion einer Einzelfallstudie abgeschlossen. Diese liegt in Form eines narrativen Interviews vor, welches als eines von insgesamt fünf im Rahmen dieser Forschung durchgeführt wurde.
Die soziale Konstruktion von Mutterschaft und insbesondere die PPS als Krise in der Mutter-Kind-Dyade sind von erziehungswissenschaftlichem Interesse, da sie die Familienkultur als pädagogisch relevanten Untersuchungsgegenstand thematisieren (vgl. Friebertshäuser/Langer 2010, S. 304). Familie kommt im Zusammenhang von erziehungstheoretischen Ansätzen ein großer Stellenwert als soziale Rahmung von Kindheit zu. Genauso stellen Generativität und der mütterliche Umgang mit dem Kind die Bedingungen frühkindlicher Entwicklung dar. Themen der Bindung und Interaktion zwischen Mutter und Kind fallen so ebenfalls in den Bereich der Erziehungswissenschaften.
Die vordergründige Betrachtung der Frau als Betroffene liegt in der mangelnden Erforschung männlich Betroffener begründet, soll aber keineswegs leugnen, dass auch Väter unter einer PPS leiden können. Elternschaft ist eine gemeinsam zu erbringende Leistung, die zum Wohle des Kindes von Mann und Frau erlernt werden muss, sodass auch eine Anpassungsleistung vonseiten der Väter eingefordert wird. Allerdings bleiben Frauen aufgrund mehrerer im Folgenden aufzuzeigenden Faktoren häufiger auf sich zurückgeworfen, als dies bei Männern der Fall wäre. Deshalb richtet sich der Fokus meiner Arbeit auf Mutterschaft als Ausdruck soziobiologischer Verhältnisse, die auf der Grundlage einer weiblichen Fruchtbarkeit hervorgebracht werden.
2. Konstruktion von Mutterschaft
Mutterschaft ist als Ausdruck generativer Möglichkeiten konstitutiv für das Fortbestehen einer Gesellschaft (vgl. Nadig 1989, S. 165). Hierin liegt die gesellschaftliche Einflussnahme begründet, deren Formung und Kontrolle Mütter aus ihrem individuellen Handeln in den öffentlichen Raum stellt und somit normativen Vorgaben unterwirft (vgl. ebd.). Als Folge entsteht ein Spannungsgefüge zwischen den „hegemonialen Diskursen“ (Krüger-Kirn 2014, S. 245) etablierter Mutterschaftsvorstellungen und dem subjektiven Erleben von Frauen, in welchem Mütter ihren Platz finden müssen. Strukturelle und persönliche Ansprüche können sich nun lediglich in einem stetigen Positionieren zueinander verhalten, welches unweigerlich mit einem Rechtfertigungsdruck seitens der Frauen einhergeht.
Doch lassen sich im Hinblick auf die „im Idealtypus der Mutter […] verdichtenden Vorstellungen über die Frau“ (Herwartz-Emden 1995, S. 32) auch Konzeptionen einer bestimmten Weiblichkeit feststellen. Mutterschaft wird zunehmend als „erfüllte Weiblichkeit“ (ebd., S. 34) betrachtet, als Höhepunkt weiblichen Potentials. Bewertungstendenzen und geschlechtliche Zuschreibungen treten in der Betrachtung von Mutterrollen auf. So wird die Fürsorge als Schnittstelle zwischen affektiver Zuneigung und Pflege als rein weiblich konnotiert (vgl. ebd.) und mütterlichen „Instinkten“ mehr Sensibilität und Geduld zugesprochen. Mutterliebe als aufopferungsvolle Pflichterfüllung wird bewusst oder unbewusst durch einen enormen Druck begleitet. Dies gilt umso mehr, wenn sie erarbeitet werden muss und nicht wie allgemein suggeriert unmittelbar vorhanden ist. Innerhalb gesellschaftlicher Mutterschaftskonstruktionen wird Müttern das Recht auf Unzufriedenheit und ambivalente Gefühle ihren Kindern gegenüber abgesprochen. „Lebenserfüllung und Sinnstiftung“ (ebd., S. 36) stehen den reellen Lebenswirklichkeiten gegenüber und gestehen maximal eine als normal zu betrachtende, temporäre Überforderung aufgrund neuer Umstände zu.
Den gegenwärtigen Verhältnissen in Bezug auf Mutterschaft ging ein komplexer gesellschaftlicher Prozess voraus: Mit dem Aufkommen der Industriegesellschaft wurde ein „Antagonismus zwischen Mutterschaft und öffentlicher Kultur“ (ebd., S. 22) begünstigt, der zu einer „Verhaftung“ von Frauen in die private Sphäre führte. Durch die „Trennung von Erwerbs- und Familienarbeit“ (vgl. ebd.) verlagerte sich die zuvor herrschende soziale Verantwortung des Familienverbundes gegenüber der Kinderversorgung hin zu einer durch die Frau individuell zu erbringenden Leistung. Auch die Auflösung der Großfamilie förderte diese Arbeitsteilung, da nun die Unterstützung übriger Familienmitglieder und deren Erfahrungsschatz wegfielen (vgl. Besch-Cornelius 1987, S. 43). Folge dieses Ausschlusses aus dem öffentlichen Kulturraum war die zunehmende Isolation und Hilflosigkeit seitens der Mütter, welche zumeist mit einem Verlust der Autonomie im oftmals ökonomisch geprägten Abhängigkeitsverhältnis des Mannes einhergeht. Eine isolierte Mutter-Kind-Beziehung und eine damit einhergehende Alleinverantwortlichkeit (vgl. Herwartz-Emden 1995, S. 35) sind daran unweigerlich geknüpft. Die Ausgrenzung des Vaters aus dieser Mutter-Kind-Dyade war eine nachhaltige Konsequenz daraus (ebd., S. 36).
Mit dem Ziel der Rückbesinnung auf weibliche Interessen forderte die Studenten- und Frauenbewegung der sechziger Jahre mehr Vorbereitungskurse und Geburtsmöglichkeiten, die sich nicht an ökonomischen Interessen ausrichten sollten (vgl. Besch-Cornelius 1987, S. 44). Nicht nur das Wohl des Kindes und der Gemeinschaft sollte geschützt werden, sondern auch der Seelenzustand der Mütter. Die Vorstellung der Geburt als „masochistische Aufgabe“ (ebd.) im Sinne eines Dienstes an der Gesellschaft wurde abgelehnt und entwickelte sich zunehmend als Identitätsfindung und Befriedigung (vgl. ebd.). Die Auffassung vom Kinderkriegen als beschwerliche Last wandelte sich in die einer bereichernden Erfüllung in der Rolle als Frau. Julia Besch-Cornelius fasst diese Beobachtungen zusammen, indem sie feststellt, dass Frauen sich erst ihre Autonomie in Beruf und Sexualität erarbeiten mussten, bevor die Auseinandersetzung mit der Mutterrolle möglich wurde (vgl. ebd.).
Diese Assoziation von Kindern mit Erfüllung in Folge eines selbstbestimmten Handelns hat bis heute ihren Wert nicht verloren. Mutterschaft ist in ihren Ausprägungen vielschichtiger geworden und wird heutzutage unterschiedlich interpretiert und gelebt.
In diesem Zusammenhang kommt der generationalen Weitergabe von Werten, Ansichten und gesellschaftlicher Haltung (vgl. Moser 2018, S. 205) innerhalb der Familie einer Mutter eine enorme Bedeutung zu. Diese Familien stellen eine nächst kleinere Einheit zur Gesellschaft dar, wodurch sie durch ihre Erziehung entscheidend zur Festigung normativer Vorstellungen beitragen. Auch wenn diese nicht immer bewusst gesteuert werden (vgl. ebd., S. 210), so bilden sie die Folie, anhand derer Mütter ihre eigene Erziehung oftmals ausrichten. Insbesondere die Beziehung einer Mutter zu ihrer Tochter kann als Raum angesehen werden, in welchem durch die Vermittlung spezifisch weiblicher Verhaltensweisen eine identifikatorische Übernahme stattfindet. Diese mehr oder weniger bewusste „Internalisierung der Elternbilder“ (ebd., S. 254) sollte im Umgang und Austausch mit der vorangegangenen Generation und dem Kind stets hinterfragt werden, um sich als Frau eine eigene Position innerhalb des Familiengefüges zu erarbeiten. Eine junge Mutter muss ihren neuen Platz als Tochter und Mutter erst finden, um Anerkennung ihrer neuen Rolle zu erhalten.
2.1 Mutterschaft als Verzicht
Frauen sind in ihrer Existenz eng an die biologischen Reproduktionsweisen ihres Körpers gebunden (vgl. Herwartz-Emden 1995, S. 21). Diese natürliche Generativität bedingt die Entstehung einer kulturellen Praxis, welche sich wiederum determinierend auf die Geschlechterverhältnisse auswirkt (vgl. ebd.). Durch das Austragen und Stillen des Säuglings sichert sie dessen Überleben und wird somit gesellschaftlich auf die Position der primären Versorgerin gestellt. Die Bemühungen des Mannes richten sich nun mehrheitlich an der ökonomischen Sicherheit seiner Familie aus. Laut Herrad Schenk steht der mütterliche Altruismus dabei dem väterlichen und kindlichen Egoismus entgegen (vgl. Schenk zit. nach Herwartz-Emden 1995, S. 34) und verweist bereits auf die Selbstaufgabe, die eine Mutterschaft mit sich bringen kann.
Dieser Verzicht wird „moralisch überhöht“ (Herwartz-Emden 1995, S. 33) und vollzieht sich auf gleich mehreren Ebenen: Zunächst gibt die Mutter jegliche Form von zuvor gelebter Freiheit zugunsten der Versorgung und Erziehung des Kindes auf. Ihre Tage werden durch das eigenwillige Dasein eines Säuglings strukturiert, welches häufig konträr zu dem leistungsorientierten Vorleben steht. Die junge Mutter muss innerhalb der ungewohnten Umstände die Erfahrung eines gewissen Maßes an Kontrollverlust machen. Ehemals Planbares wird nun zu unvorhersehbaren Aspekten ihres täglichen Lebens, da sie dieses gänzlich an den kindlichen Bedürfnissen ausrichten muss. Dabei wirkt die zum Säugling abweichende Interessenslage der Mutter als nicht existent angesichts der überwältigenden Aufgabe ihr Baby adäquat zu versorgen (vgl. ebd., S. 32). Indem sie ihre Bedürfnisse bereitwillig denen ihres Kindes unterordnet, erscheint sie „bar jeder Interessen“ (ebd.).
Auch sei hier der Einfluss eines Kindes auf die Partnerschaft zu nennen. Oftmals findet eine Überlagerung der neu erworbenen Elternrolle über das Paargefühl statt (vgl. Wimmer-Puchinger 2006, S. 97). Innerhalb des Beziehungsgefüges muss eine neue Form des Funktionierens erarbeitet werden, um dem Paar jenseits der Elternrolle gemeinsame Zeit zu ermöglichen (vgl. ebd.). Dies erscheint in Anbetracht der aufgebrachten Energie und des Zeitaufwandes gegenüber dem Kind als wesentliche Grundlage für eine gelingende Elternschaft. In Ermangelung geeigneter Betreuungsmöglichkeiten außerhalb der elterlichen Sphäre wie beispielsweise den Großeltern des Kindes, beschränkt sich dieses Vorhaben häufig auf eine Wunschvorstellung, bedeutet demnach auch hier einen Verlust von gemeinsamer Zeit.
Mutterschaft als einschneidendes Erlebnis und Beginn einer weiblichen Neuorientierung bedeutet für viele Frauen die Aufgabe individueller gesellschaftlicher Privilegien. Ihr Eintritt in die Rolle als Mutter geht vielfach mit einem Rückschritt in die traditionelle Rollenverteilung (vgl. Nadig 1989, S. 174) und einer somit erlebten finanziellen Abhängigkeit einher. Aufgrund ihres Schonraumes des Mutterschutzes verbringt sie die meiste Zeit im Haushalt, versorgt ihre Familie und erledigt ursprünglich geteilte Aufgaben nun eigenmächtig. Eine Mutter, die das Wohl ihres Kindes zum Kern ihrer Bemühungen machen will, muss auf den Anspruch auf Selbstständigkeit verzichten (vgl. ebd., S. 175). In den zeitlichen und emotionalen Einschränkungen dieser fordernden Rolle fällt sie in ihren emanzipatorischen Erfolgen zurück (vgl. ebd.). Sie wird in ihrer Unsicherheit völlig auf sich zurückgeworfen und büßt enorm an gesellschaftlicher Position ein. Zudem wird der Verlust an Autonomie durch die Isolation und die zunehmend sich einschränkenden sozialen Kontakte zusätzlich verstärkt (vgl. ebd.). „Die Spaltung zwischen Familie und öffentlicher Kultur“ (ebd.) bedeutet sich zwischen „gesellschaftlicher Aktivität und Mutterschaft“ (ebd.) zu entscheiden, in jedem Fall allerdings zu verzichten (vgl. ebd.).
Anke Kerschgens hält in ihrer Untersuchung zur elterlichen Arbeitsteilung junger Familien fest, dass das „Muster einer traditionalen und hierarchisch aufgeladenen Arbeitsteilung“ (Kerschgens 2009, S. 240) den „inneren Entwurf eines vereinseitigenden triadischen Arrangements, bei dem die Familie um die […] Bedürfnisse des Ehemanns zentriert ist“ (ebd.), begünstigt. Im Widerspruch zur partnerschaftlichen Gleichheit stehen dabei Deutungsmuster von „Mutterliebe“ (ebd, S. 237) und der Stellenwert eines „männlichen Ernährers“ (ebd., S. 238), die in der Praktizierung von Elternschaft heute einen „hohen Orientierungswert“ (ebd.) haben.
Heutzutage erscheint Muttersein in der gesellschaftlichen Praxis immer noch unvereinbar mit Karriere und beruflichem Erfolg. Beides effektiv zusammenzuführen, bedeutet für frau einen enormen Aufwand und Druck und ist stets mit einem Verzicht verbunden. Diese Ambivalenz von privatem und öffentlichem Bereich auszubalancieren, wird allerdings angesichts der Emanzipationsforderungen zur Pflicht erklärt. Doch wird eine Mutter, die sich tendenziell stärker der eigenen Karriere verschreibt, als moralisch schlechter bewertet (vgl. Nadig 1989, S. 177), verfehlt sie doch ihren Auftrag, den privaten Bereich, das Wohl ihrer Kinder, zu pflegen. Durch diese Zuschreibungen entstehen in der erwerbstätigen Mutter „Konflikte und Schuldgefühle“ (Herwartz-Emden 1995, S. 37), die ihre gesellschaftliche Repräsentanz maßgeblich beeinflussen (vgl. Nadig 1989, S. 177).
Letztlich sei in dem Kontext der Mutterrolle die identifikatorische Übernahme nicht zu unterschätzen. War die Mutter zunächst eine Tochter und Frau, so muss sie folglich den Verlust der alten Rolle verkraften und daraus Stärke zur Erarbeitung der Neuen ziehen.
2.2 Die entmündigte Mutter
Im Zuge der gesellschaftlichen Verlagerung der Mutter, wird diese als „aktives Mitglied der Gesellschaft […] entmündigt“ (Nadig 1989, S. 175) und mit der Zuschreibung der guten Mutter in den privaten Raum verwiesen. Die damit verbundenen Mutterbilder bestimmen und dominieren die weibliche Konzeption der individuellen Mutterschaft nachhaltig (vgl. Herwartz-Emden 1995, S. 32). Dass frau innerhalb verschiedener Wirkmechanismen in eine gesellschaftliche Position gedrängt und entmachtet wird, trotz ihrer für Kind und Gesellschaft machtvollen Aufgabe der Versorgerin, wurde bereits dargestellt.
Leonie Herwartz-Emden stellt an dieser Stelle treffend heraus, dass „[d]ie strukturellen Bedingungen von Mutterschaft […] durch die Abhängigkeit der Frau charakterisiert [sind]“ (ebd., S. 30). Eine Abhängigkeit, die ferner durch die medizinische Versorgung besteht, die vor, während und nach der Geburt mehrheitlich geleistet werden muss. Der medizinische Fortschritt suggeriert Sicherheit für Mutter und Kind, und führt in Folge einer „emotionalen Verunsicherung“ (Krüger-Kirn 2014, S. 257) seitens der Mütter häufig zu einer „Unterwerfung unter das medizinische Diktat“ (ebd.). Die Komplexität medizinischer Eventualitäten und Risiken spricht Frauen das Vertrauen in ihre eigene Körperwahrnehmung ab (vgl. ebd., S. 259). Angesichts der immensen Verantwortung ihrem Säugling gegenüber fühlt sich die Frau nicht mehr in der Lage auf ihr Gefühl zu vertrauen (vgl. ebd.). Der Glaube an die eigenen Instinkte kann dadurch erschüttert werden (vgl. ebd., S. 258). Auch hier findet eine Unterordnung der Frau unter die Gesundheit und die Bedürfnisse ihres Kindes statt (vgl. ebd., S. 257). Vermehrte Untersuchungen, Empfehlungen und Vorgaben prägen das Erleben der Schwangerschaft und Geburt und lagern das Kinderkriegen aus dem „entsubjektivierten“ (ebd., S. 259) Frauenkörper aus (vgl. ebd.). Das Phänomen, welches diesen Tendenzen zugrunde liegt, ist das der „Pathologisierung […] der werdenden Mutter“ (Besch 1987, S. 43). „Schwangerschaft und Geburt […] als […] von einem Normzustand abweichende Vorgänge“ (Krüger-Kirn 2014, S. 259) unterliegen der medizinischen Überwachung und rechtfertigen so den Status eines „unmündigen Körper[s]“ (ebd.).
Zunächst erfährt frau eine „Fremdbestimmung über [die eigene, M.G.] Mutterschaft“ (ebd., S. 260), die sie von ihrer Identität als Mutter entbindet. Zugleich gilt es allerdings, ihre Rolle im gesellschaftlichen Gefüge vor dem Hintergrund normativer Ideale zu erarbeiten, dabei Entbehrungen zugunsten ihrer Kinder leisten zu müssen. Dieser Verzicht ist einer Enteignung der vorangegangenen Stellung gleichzusetzen. Die entmündigte Mutter entsteht somit in der Folge medizinischer Kontrolle und gesellschaftlicher Zugzwänge.
2.3 Schwangerschaft
Die Schwangerschaft beendet die individuelle Autonomie, kennzeichnet den Beginn der Mutterschaft und ist gemeinsam mit der Geburt und der Postpartalzeit Teil der weiblichen Geschlechtlichkeit (vgl. Herwartz-Emden 1995, S. 22). Gleichzeitig stellt sie eine „Übergangserfahrung“ (Wimmer-Puchinger 2006, S. 98) dar, welche mit psychologischen und physiologischen Anpassungsleistungen bewältigt werden muss (vgl. ebd.). Um diese Herausforderung überwinden zu können, sind werdende Mütter dazu angehalten, ihr „Körper-Selbst-Verhältnis“ neu zu ordnen (Krüger-Kirn 2014, S. 255). Überdies muss erneut ein Kontrollverlust angenommen werden, sobald bis dato unbekannte körperliche Erscheinungen auftreten (vgl. ebd.). Dabei werden diese Veränderungen stets einer Bewertung unterzogen, mit welcher die Frau ebenfalls einen geeigneten Umgang finden muss (vgl. ebd., S. 256). Die plötzliche Schwere der Verantwortung für das eigene Wohlergehen und das des Kindes führt zudem häufig zu einer emotionalen Verunsicherung (vgl. ebd.). Diese wird durch den trotz medizinischer Fürsorge ungewissen Ausgang einer Schwangerschaft zusätzlich verstärkt.
Donald Winnicott bezeichnet die in der Schwangerschaft vorherrschende emotionale Einstellung einer werdenden Mutter mit dem Ausdruck der „primäre[n] Mütterlichkeit“ (Winnicott zit. nach Nadig 1989, S. 180). Seinen Folgerungen nach befindet sich die Schwangere in einem „Zustand des Entrücktseins“ (ebd., S. 181), welcher sie zu besonderer Sensibilität und Empathie gegenüber ihrem Säugling befähigt (vgl. ebd.). Seiner Theorie zufolge wirkt dieses Entrücktsein noch bis in die Postpartalphase hinein und wird als naturgegebener Teil weiblicher Persönlichkeit dargestellt.
Im zuvor beschriebenen „Spannungsfeld von Fremd- und Selbstbestimmung“ (Krüger-Kirn 2014, S. 267) sieht sich frau nun mit der Herausforderung konfrontiert, ihr „subjektives Körpererleben“ (ebd., S. 254) angesichts der gesellschaftlichen Mutterschaftsvorstellungen in ihre Identität zu integrieren (vgl. ebd.). Ihr neuer „Zugang zum Körpererleben“ (ebd., S. 245) entsteht nun über die Erkenntnis des „Körper-Haben[s]“ und „Leib-Sein[s]“ (ebd., S. 231) und spiegelt die Verhältnisse wider, welche mit dem Beginn einer Schwangerschaft präsent werden: Der weibliche Körper als Austragungsort für das Neugeborene wird zum reproduktiven Körperraum erklärt (vgl. ebd., S. 255). Es findet eine Abwendung vom emotional subjektiven Erleben der Schwangeren statt.
Laut Helga Krüger Kirn ist es zum Wohle einer glücklichen Mutterschaft in diesem Zusammenhang zwingend notwendig, „Schwangerschaft als selbstbestimmten, über hegemoniale Weiblichkeitsentwürfe hinausgehenden Erfahrungsraum zu denken“ (ebd., S. 269).
Ein weiteres Phänomen, welches innerhalb der Schwangerschaft auftritt, ist die Behaftung des ungeborenen Kindes mit den elterlichen Vorstellungen. Bilder von der eigenen Elternschaft, der zukünftigen Familie und insbesondere von dem Kind werden mit Erwartungen, Zielen und Werten untermauert (vgl. Wimmer-Puchinger 2006, S. 98). Die anfängliche Besetzung des Säuglings wird mit „sensorischen Empfindungen“ (Moser 2018, S. 250) in Form von Bewegungen aber auch mithilfe von Ultraschallbildern (vgl. ebd.) verstärkt. Dieses individuelle Idealbild wird im Laufe der Schwangerschaft modelliert, bis es den realen Verhältnissen nicht mehr entsprechen kann (vgl. Wimmer-Puchinger 2006, S. 98). Bezüglich einer adaptierten Mutterrolle kann die Idee vom eigenen Kind hilfreich sein. Doch birgt sie unweigerlich das Risiko einer Enttäuschung (vgl. ebd., S.99).
2.4 Geburt
Mit dem Ende der Schwangerschaft tritt eine steigende Anspannung in der werdenden Mutter auf, die sich vermöge ihres eigenen Körpers meist nicht in der Lage fühlt, eine derartige Höchstleistung wie die Geburt des eigenen Kindes zu erbringen. Ein mangelndes Vertrauen in die eigene physische und psychische Kraft wird durch die Angst vor Schmerzen und Komplikationen begleitet. Dennoch ist die Geburt ein schöpferischer Akt menschlichen Wirkens und verbunden mit einer Fülle an Emotionen. Ob sich Euphorie und Glück einstellen oder ambivalente Gefühle, steht dabei in starker Abhängigkeit zu den zuvor erlebten biografischen Ereignissen der Gebärenden. Sofern bisherige Traumata, zu denen auch vorangegangene Geburten zählen können, überwunden wurden und eine aktive Auseinandersetzung mit der bevorstehenden Geburt stattgefunden hat, wirkt sich dies positiv auf das Geburtserleben aus. Es muss ein medizinisch abgesicherter und emotional stabiler Rahmen geschaffen werden, innerhalb welchem es der Frau ermöglicht wird im Sinne einer selbstverfügenden Einwirkung auf den eigenen Körper ihr Kind zur Welt zu bringen. Die Absicherung, welche Maßnahmen während der Geburt zu treffen sind, fungieren hierbei als Selbstschutz der Mutter und können bei Ängsten Abhilfe schaffen. Im Übrigen ist das, was von der Mutter in diesem Moment als „zerstörerischer Traumatismus“ (Moser 2018, S. 256) empfunden wird, keiner Pathologie zuzuordnen (vgl. ebd.). Vielmehr beschränkt sich der Schmerz auf das weibliche Erleben. Das Baby selbst verfällt in einen Halbschlaf und wird von den Wehen gleichmäßig durch den Geburtskanal geschoben (vgl. ebd., S. 257).
Die Frau erlebt in diesem Prozess drei Aspekte, die für sie Verlust bedeuten: Während des Geburtsvorganges ist die Frau zumeist auf die Unterstützung des medizinischen Personals und der Hebamme angewiesen. Treten Komplikationen auf, so muss sie sich aus ihrer Eigenverantwortlichkeit lösen und zugunsten ihres Kindes die Geburt der Medizin überlassen. Sie wird der Kontrolle über ihren Körper und dessen physiologische Vorgänge enthoben (vgl. ebd.). Ferner wird eine Geburt vielfach als invasiv erlebt, werden die Privatsphäre und das Intimste hier vollkommen offengelegt (vgl. ebd., S. 258). Und zuletzt verliert die Frau das von ihr als Teil ihrer selbst erlebte Kind in der Ablösung vom eigenen Körper. Mutter und Kind werden durch das Zerschneiden der Nabelschnur endgültig voneinander getrennt und der Zustand des „Leib-Sein[s]“ (Krüger-Kirn 2014, S. 231) aufgelöst. Catherine-Olivia Moser verdeutlicht diesen letzten, elementaren Verlust durch den begrifflichen Verweis auf die „EntBindung“ (Moser 2018, S. 264) von Mutter und Kind.
2.5 Postpartalphase
Die Phase unmittelbar nach der Geburt, innerhalb derer die Schwangerschaftsrückbildung und die Heilung von der Entbindung stattfinden, beläuft sich auf circa sechs bis acht Wochen. In dieser Zeit des sogenannten Wochenbettes durchläuft die Mutter mehrere körperliche und emotionale Prozesse, die als Teil ihrer Anpassungsleistung die Annahme der neuen Situation hervorbringen sollen. Hierzu zählen die hormonelle Umstellung des Körpers und das Ausheilen geburtsbedingter Verletzungen. Eine psychische Verarbeitung des Geburtserlebens und eine Annäherung an ihr Neugeborenes werden nun maßgebend für die Anerkennung ihrer neuen Rolle. Die durch die Schwangerschaft hinweg fein aufeinander abgestimmten Organismen von Mutter und Kind (vgl. Moser 2018, S. 256) müssen nun unter anderen Bedingungen weitergeführt werden. Dies wird durch ein responsives Eingehen der Mutter auf die kindlichen Bedürfnisse erreicht. Die vollkommene Abhängigkeit des Säuglings von seiner Versorgerin fordert von der Mutter ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Verantwortung. Inga Erchova spricht in diesem Kontext von dem ersten zweier Schockzustände, die mit der beginnenden Mutterschaft auftreten können. Demnach löst das konstante Verlangen des Säuglings nach Nahrung, Nähe und Kommunikation Gefühle der Überforderung und Hilflosigkeit in der Frau aus (vgl. Erchova 2017, S. 20f). Die Ungewissheit kindliche Signale richtig zu deuten, erfordert Geduld (vgl. ebd.) und intensiviert das Erleben des zweiten Schocks: Emotionale Ambivalenzen in Bezug auf das Baby werden insofern deutlich, als die Mutter ihre Empfindungen von Liebe und Angst ausbalancieren muss. Der plötzliche Wechsel, der sich im Leben der Mutter einstellt, kann als Bürde empfunden zu einem Zurücksinnen auf das alte Leben führen (vgl. ebd., S. 22). Häufig wird darauf mit Schuldgefühlen, Vorwürfen und Scham aufgrund der internalisierten Mutterbilder reagiert (vgl. ebd.). Angesichts dieser Herausforderungen scheint es nicht zu überraschen, dass Untersuchungen die Postpartalphase als die Zeit ausmachen, in der Frauen am vulnerabelsten für psychische Erkrankungen sind (vgl. Dorsch/Rohde 2016, S. 355).
Um die Mutterschaft und die Formung einer neuen Familie als gelingend zu empfinden, ist es für frau wesentlich, die Postpartalphase als sozial abgestützt zu erleben. Dem Partner kommt hier eine besondere Bedeutung zu, wenn er die Mutter aus ihrer Alleinverantwortlichkeit löst und somit zum Aufbrechen der Mutter-Kind-Dyade beiträgt. Vorausgesetzt die Mutter stößt nach der Geburt den Prozess der „Enterotisierung des Kindes“ (Moser 2018, S. 254) an, wodurch eine Hinwendung des Paares zueinander entsteht, die die Eltern als Einheit in der Kinderversorgung auftreten lässt.
2.6 Die Rolle der Hebamme
In ihrer Funktion als begleitende Vertraute der Schwangeren muss die Hebamme ihre professionelle Distanz dazu nutzen, eine objektive Sicht auf ihre Klientin zu entwickeln, um vorbeugend auf etwaige Risikofaktoren und deren Anzeichen einwirken zu können. Im Gegensatz zu anderen geburtshilflichen Berufsgruppen obliegt ihr die umfassendste Betreuung der Schwangeren. Um den Status einer Vertrauten und somit einer potenziellen Unterstützerin zu erreichen, ist es notwendig unvoreingenommen und einfühlsam auf die Ängste und Nöte der Frauen einzugehen (vgl. Wimmer-Puchinger 2006, S. 154f). Sich ausreichend Zeit zu nehmen und achtsames Zuhören werden in der Früherkennung und Abwehr depressiver Gedankenspiralen essenziell (vgl. ebd.). Dennoch darf der Aufklärung nur bedingt eine präventive Wirkung zugestanden werden, lassen sich PPS dadurch nicht vollständig vermeiden (vgl. ebd., S. 153). Aufklärung kann in Form von Fragebögen realisiert werden, die in Geburtsvorbereitungskursen verteilt und ausgewertet werden (vgl. ebd.). Im Gespräch selbst sollten die elterlichen Erwartungen und Ansprüche an sich und das Kind thematisiert werden, sowie der Verweis darauf, bei Bedarf Hilfe anzunehmen und die eigenen Bedürfnisse nicht außer Acht zu lassen (vgl. ebd., S. 154). Sollten Frauen reale Ängste und Bedenken bezüglich depressiver Stimmungen äußern, so darf es in der Gesprächsführung zu keinen Bagatellisierungen und Verharmlosungen kommen, da diese der Frau suggerieren könnten, ihr Empfinden sei unangebracht oder gar inexistent (vgl. ebd., S. 154f). Die Hebamme muss ermutigend auf ihre Klient*innen und ihre Partner einwirken, Sorgen nicht unausgesprochen zu lassen, da dies die Gefahr einer Verschlechterung des Seelenzustandes birgt (vgl. ebd., S. 155). Im Zuge der ausgewerteten Fragebögen teilt die Hebamme ihre Einschätzung dem Elternpaar mit, informiert über Hilfsmöglichkeiten, vermittelt die Betroffene gegebenenfalls an ebendiese und arbeitet ressourcenorientiert am Selbstvertrauen der Frau (vgl. ebd.). Dabei bezieht sie den Partner und das Umfeld aktiv mit ein, um eine effektive Entlastung für die Mutter zu schaffen (vgl. ebd., S. 156).
Besondere Bedeutung kommt der Hebamme insofern zu, als sie eine interdisziplinär vermittelnde Rolle einnimmt (vgl. ebd., S. 157). Ihre Kenntnis über den Zustand und die Verhältnisse der Frau sowie die professionellen Anlaufstellen kann in der Prävention und Behandlung von PPS entscheidend sein. Am zentralsten ist und bleibt jedoch ihre Aufgabe, Frauen das Wissen von PPS zu vermitteln und zu verdeutlichen, dass sie in dieser Krise nicht allein sind. Sie sollten aufzeigen, dass es nicht schlimm ist, Gefühle anzuerkennen und dass man im Kontext von PPS nicht von Schuld ausgehen kann und darf.
3. PPS als negativer Faktor einer Mutterschaft
In der Auseinandersetzung gesellschaftlicher Rahmung von Mutterschaft wurden für das Erleben der Mütter entscheidende Faktoren demaskiert, deren Wirkungskraft Frauen in ihrem psychischen Befinden angreifbar machen. Überhöhte Erwartungen aufgrund manifestierter Ideale, Bewertungstendenzen, Vergleiche, diverse Verluste und schließlich die Entmachtung der Frau auf mehreren Ebenen haben einen nachhaltigen Einfluss auf die Entstehung psychischer Krisen.
Diese Krisen werden begrifflich als „peripartal psychische Störungen“ (PPS) zusammengefasst und in Ausprägung und Dauer ausdifferenziert. Der nun folgende Themenblock beschäftigt sich zunächst mit einem groben Überblick der zu unterscheidenden Formen, bevor eine nähere Betrachtung der am häufigsten vertretenen peripartalen Depression vorgenommen wird. Die Verwendung des Begriffs peripartal erscheint insofern sinnvoll, als dieser sich allumfassend auf die Zeit um den Geburtszeitraum herum bezieht.
In diesem Zusammenhang wird sich medizinischer Kenntnisstände bedient, um das Phänomen der PPS greifbar zu machen und die gleichzeitige Wirkung solch einer Störung auf Mütter von medizinischer Perspektive aus offenzulegen. Diese Perspektive ist zur Ergründung der Bedeutung von PPS für Betroffene obligat. Denn erst wenn PPS von Grund auf verständlich gemacht wird, kann eine Beurteilung bezüglich der Folgen für eine Mutterschaft abgegeben werden. Zudem ist der Aufklärungsaspekt nur gegeben, wenn die Störung in verschiedene Richtungen betrachtet wird. Für die Kontextualisierung von PPS innerhalb einer Mutterschaft braucht es demnach eine interdisziplinäre Betrachtung mithilfe verwandter Disziplinen, wie die der Medizin.
3.1 PPS, ein Überblick
Wenn bei Frauen mit Beginn der Mutterschaft psychische Beschwerden auftreten, ist nicht zwangsläufig eine Pathologisierung notwendig. Etwa 50-70% (vgl. Dorsch/Rohde 2016, S. 358) der Mütter leiden post partum an einer „affektive[n] Labilität“ (vgl. ebd., S. 357), die sich durch den Wechsel zwischen Euphorie und Insuffizienzgefühlen ausdrückt (vgl. ebd., S. 356). In dieser Zeit des postpartalen Stimmungstiefs, umgangssprachlich auch Babyblues genannt, reagieren Frauen zunehmend empfindlicher auf (non)verbale Reize (vgl. ebd.). Da es sich hierbei um einen „physiologisch ableitbaren psychologischen Anpassungsvorgang als Folge der […] Hormonumstellung“ (ebd., S. 356) handelt, besteht keine Notwendigkeit einer Behandlung (vgl. ebd.).
Innerhalb des postpartalen Stimmungstiefs können sich jedoch besonders ausgeprägte Symptome als Vulnerabilitätsmerkmal für das Entstehen einer postpartalen Depression herausstellen (vgl. ebd., S. 358). Diese Form peripartal psychischer Störungen betrifft circa 10-15% der Mütter (vgl. ebd., S. 371) und ist in ihrer Behandlungsbedürftigkeit hochgradig ernst zu nehmen.
Die peripartale Angststörung äußert sich durch Angst- und Panikgefühle, die sich entweder auf Aspekte des eigenen Lebens und der Umwelt allgemein beziehen (vgl. Schatten und Licht e.V., o.J.) oder auf das Kind (vgl. ebd.), sobald dessen Wohlergehen als oberstes Gebot in die Lebenswelt der Mutter integriert wurde. Frauen durchleben hier körperliche Reaktionen wie Herzrasen und Zittern. Depressive Begleitsymptome können jederzeit erschwerend hinzukommen (vgl. ebd.).
Wie bereits zuvor dargestellt, können die Herausforderungen einer Geburt Frauen vor ihre physischen und psychischen Grenzen stellen. Dass die subjektive Geburtserfahrung allerdings eine postpartale Belastungsstörung zur Folge haben kann, scheint in der öffentlichen Wahrnehmung kaum Beachtung zu finden. Zwar ist die Anzahl der Betroffenen mit 1,3-2% (vgl. Dorsch/Rohde 2016, S. 368) vergleichsweise gering, zeugt jedoch davon, wie der Kontrollverlust über den eigenen Körper, Hilflosigkeit und Scham Frauen nachhaltig erschüttern können. Der „zerstörerische Traumatismus“, von dem Catherine-Olivia Moser spricht (vgl. Moser 2018, S. 256), wird hier sichtbar. Das Wiedererleben des Traumas, sozialer Rückzug und erhöhte Gereiztheit (vgl. Dorsch/Rohde 2016, S. 357) müssen von den Betroffenen überwunden werden, um die Beziehung zu ihrem Kind und Partner zu stabilisieren.
Zuletzt sei an dieser Stelle die peripartale Psychose zu nennen, die mit einer Häufigkeit von 0,1-0,2% zwar als Randerscheinung anmutet, in ihrer Ausprägung allerdings als schwerste Form peripartaler Krisen anzusehen ist (Schatten und Licht e.V., o.J.). Gekennzeichnet ist ihr vielfältiges Erscheinungsbild durch eine beeinträchtigte Wahrnehmung und Wahnvorstellungen (vgl. ebd.). Auch können sich depressive Phasen großer Antriebslosigkeit mit manischen Phasen motorischer Unruhe abwechseln (vgl. ebd.). Die psychotischen Symptome dieser Störung bedeuten in der Regel eine stationäre Behandlung der Mutter, um eine Vernachlässigung und Kindeswohlgefährdung zu verhindern (vgl. Dorsch/Rohde, S. 369).
Die Erscheinungsformen peripartal auftretender Störungen „stehen nicht isoliert nebeneinander“ (Schatten und Licht e.V., o.J.). Ihre Übergänge sind häufig fließend (vgl. ebd.).
3.2 Erscheinungsbild der peripartalen Depression
Die Einschätzung des WHO-Gesundheitsberichtes von 2012 geht davon aus, dass jede fünfte Frau in Folge ihrer Schwangerschaft und Geburt eine postpartale Depression erleidet (vgl. Moser 2018, S. 14). Diese Prävalenz dient als Grundlage einer eingehenderen Auseinandersetzung mit der Symptomatik peripartaler Depressionen, um hier eine Abgrenzung zu temporär auftretenden, leichteren Störungen wie etwa dem postpartalen Stimmungstief leisten zu können. Zunächst unterscheidet sich die Depression in ihrer Schwere, Dauer und Behandlungsbedürftigkeit von einer einfachen Verstimmung. Die Grundsymptome lassen sich in vier Kategorien einteilen, deren Gesamtheit das Spektrum depressiver Symptomatik ergibt (vgl. Riecher-Rössler 2011, S. 4). Auf der Affekt-Ebene leiden Betroffene unter Melancholie und der Unfähigkeit, positive Gefühle dem Kind gegenüber zu entwickeln (vgl. ebd.). Ein Gefühl innerer Leere wird präsent und erscheint nur allzu abweichend von den zuvor erhofften Emotionen bezüglich des eigenen Kindes. Die Mütter fühlen, dass sie kaum mehr Freude empfinden, reagieren gereizt (vgl. ebd.). Angesichts dieser von den eigenen Erwartungen abweichenden Gemütszustände stellen sich auf der kognitiven Ebene schnell Schuldgefühle und Zweifel ein, den Anforderungen der Mutterschaft nicht gerecht werden zu können (vgl. ebd.). Versagensängste und die übermäßige Sorge um das kindliche Wohlergehen dominieren den Alltag (vgl. Deutsche Depressionshilfe, o.J.). Darunter kann der mütterliche Selbstwert enorm beeinträchtigt werden, zumal mit zunehmender Hilflosigkeit pessimistischen Zukunftserwartungen und düsteren Gedanken Aufschub gewährt wird (vgl. Riecher-Rössler 2011, S. 4). Die Verzweiflung der Mütter kann zu Suizid- und Zwangsgedanken führen, dem eigenen Kind körperlichen und oder seelischen Schaden zuzufügen (vgl. ebd.). Durch das hohe Vorkommen solcher Zwangsgedanken von 20-40% (vgl. ebd., S. 53) erhöht sich das Risiko für eine akute Kindeswohlgefährdung. Von einer Depression betroffene Frauen werden psychomotorisch eingeschränkt, indem sie durch eine starke Antriebslosigkeit nicht mehr in der Lage sind, ihren Alltag wie gewohnt zu bewältigen. Vernachlässigungen sind die Folge (vgl. ebd., S. 4). Ihr Körper kann vegetativ auf diese psychische Belastung mit Schlaf- und Appetitstörungen, Kopfschmerzen und Schwindel reagieren (vgl. ebd.). Auch können im Umgang mit dem Säugling Stillprobleme auftreten (vgl. Deutsche Depressionshilfe, o.J.).
Zwar unterscheidet sich das klinische Bild peripartaler Depressionen prinzipiell nicht von depressiven Episoden anderer Lebensabschnitte (vgl. Dorsch/Rohde 2016, S. 359), doch stellt der unmittelbare Bezug zur Mutterschaft ein erhöhtes Risiko für Frauen dar, eine „verminderte Selbstwirksamkeit in [ihrer, M.G.] Mutterrolle“ (Bieneck 2014, S. 31) und „im Umgang mit dem Kind“ (ebd.) zu erfahren. Eine überwiegend „negative Wahrnehmung der eigenen Person und des Kindes“ (ebd.) erschwert die Annahme des neuen Lebensabschnittes der Mutterschaft und findet am deutlichsten Ausdruck in Suizid-und oder Infantizid-Gedanken.
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