Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Selbstverständnis der Jugendverbände in Südwestafrika in den 1930er Jahren – insbesondere der Pfadfinder. Sie untersucht, welche Einflussfaktoren dieses Selbstverständnis prägten und macht deshalb Identifikationsfiguren und Projektionsflächen aus. Außerdem zieht sie Jugendverbände innerhalb Deutschlands zum Vergleich heran.
Mit dem Ersten Weltkrieg verlor Deutschland seine Kolonien. Rund die Hälfte der Siedler aus Südwestafrika – vornehmlich Beamte, Polizisten und Soldaten – wurden mit ihren Familien ausgewiesen. Die verbliebenen deutschen Siedler erlebten sich – bedingt durch die Mandatsherrschaft und den einhergehenden Macht- und Ansehensverlust – immer mehr als Solidargemeinschaft, Klassenunterschiede verschwanden. Ein ähnliches Moment entwickelte sich innerhalb Deutschlands durch die propagierte ›Volksgemeinschaft‹ in Reaktion auf den Kriegsverlust und die linksrheinische Besatzung. Unter den Nachfahren der ersten und zweiten Siedlergeneration, die ihr ›Vaterland‹ nur aus Erzählungen und Bildungs- und Verwandtschaftsbesuchen kannten, entwickelte sich ein neues Selbstverständnis, das zwischen Vaterlandsehnsucht und Treue zur südafrikanischen Heimat schwankte. Helmut Bley spricht von einer »doppelten Loyalität«.
Während die Jugendbünde in Deutschland zunächst nach Autonomie und einer eigenen, von den Erwachsenen unabhängigen Identität strebten und später ganz in der Identifikation mit dem ›Führer‹ aufgingen, erlebte die »Jugend über dem Meer« die Folgen der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Machtübernahme überwiegend aus der Ferne. Zwar existierten bereits in den späten 1920er Jahren Verbindungen zwischen der NSDAP in Deutschland und den deutschen Siedlern in Südwestafrika. Und ebenso trieb die Partei vor allem durch die sogenannten Kulturvereine in Südwestafrika Propaganda. Doch wurden NSDAP und HJ 1934 im Mandatsgebiet verboten und die jeweiligen Führer des Landes verwiesen. Für die Jugendlichen bedeutete dies einen neuen Identitätskonflikt. Nicht zuletzt deshalb, weil sie von der Mandatsregierung von nun an kritisch beäugt wurden. Die Pfadfinder, die sich bereits Ende der 1920er Jahre entwickelt hatten9, gewannen nun eine verstärkt identitätsstiftende Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Fragestellung und methodisches Vorgehen
1.2. Forschungsstand
2. Einordnung derQuellen
3. Jugend zwischen Weimar und NS-Zeit
3.1. Jugend im deutschen >Vaterland<
3.2. Jugend »über dem Meer«
4. Koloniale Wurzeln der Pfadfinder
5. Identifikationsfiguren und Projektionsflächen
5.1. Ahnenverehrung und Heldentum
5.2. Führerkult und Vaterlandsmotiv
5.3. Kameradschaft und Männlichkeitsideale
6. Fazit
6.1. Zusammenfassung
6.2. Ausblick
6. Literaturverzeichnis
7. Quellenverzeichnis
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- Julia Preißer (Author), 2021, Pfadfinder in Südwestafrika in den 1930er Jahren. Zwischen Entdeckungsfantasien, Ahnenverehrung und Sehnsucht nach dem Vaterland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1023923
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