CALVINISTISCHES WIRTSCHAFTSETHOS UND LIBERALE WIRTSCHAFTSTHEORIE
Ethos (gr.-lat.): allg.: moralische Gesamthaltung
bei Max Weber: ein tatsächlich gegebenes, typisches Verhaltensmuster einer Persönlichkeit oder einer Gruppe von Persönlichkeiten, welches an explizierbare Werte und Verhaltensmaximen geknüpft ist
1. Der Calvinismus
- Spielart des Protestantismus, begründet von dem frz.-schweizer. Reformator Johannes Calvin (1509-1564)
- Die sog. Fünf Punkte des Calvinismus:
-Verderbtheit
-Erwählung
-Versöhnung
-Gnade
-Bewahrung
- Dordrechter Lehrsätze(1619): Bekräftigung der Lehre von der göttlichen Vorherbestimmung (Prädestination) des Menschen (für uns bedeutsam: der Arbeitserfolg eines Menschen ist ein Indikator für seine Auserwähltheit)
2. Max Webers Protestantismusthese/Bedeutung des calvinist. Wirtschaftsethos
- die calvinist. Lebensvorschrift der Askese, die jeglichem Luxus und Genuss abschwört, die Prädestinationslehre, sowie der protestantische Berufsbegriff (nachzulesen in Politik und Gesellschaft 1, S. 117), bedingen ein neues Unternehmethos, das gekennzeichnet wird von:
- Gewinnstreben
- bedingungsloser Unterordnung des Individuum unter den Unternehmenserfolg
- Arbeit und Fleiß werden als Berufung des Menschen angesehen (M. Weber: Arbeit "Selbstzweck des Lebens überhaupt")
- rational bestimmte Unternehmensführung
- erworbenes Kapital wird nicht genossen, sondern sofort reinvestiert
- Rolle des Calvinismus als Ideologie in der Gesellschaft: Rechtfertigung der herrschenden Verhältnisse (z.B. Rechtfertigung der Ausbeutung der Arbeiter)
- Calvinist. Wirtschaftsethos als Grundlage der Wirtschaftsgesinnung des modernen Kapitalismus (umstritten)
3. Liberale Wirtschaftstheorie
- bestimmte wirtschaftliche und gesellschaftliche Realitäten waren folglich schon vorhanden und wurden z.B. von Adam Smith (1723-1790) in Theorien gegossen
- Ausgangspunkt liberaler Theorien: die Freiheit des Individuums
- daraus ergeben sich folgende Forderungen:
- Gewerbefreiheit
- freier Wettbewerb
- Freihandel
Schlagwort: "laissez-faire, laissez-aller"
- die Summe der Egoismen aller führt zum Wohlstand aller, da der Mensch stets sein Kapital so investiert, wie es für ihn am günstigsten ist, dies ist aber stets auch am günstigsten für die Volkswirtschaft
Beispiel:
Wirtschaftssubjekt A hat eine große Menge an Kapital zur Verfügung. Es will damit eine Fabrik aufbauen. A wird sein Geld so investieren, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es sein Geld verliert, am niedrigsten ist. Wenn aber As Fabrik erfolgreich ist, so wirkt sich das auch positiv auf die Gesamtwirtschaft aus, da z.B. Arbeitsplätze geschaffen werden und Zulieferer Aufträge erhalten.
- Staat schafft lediglich die rechtlichen Rahmenbedingungen (Ordnungsfunktion) und bietet bestimmte Güter an, die privat nicht angeboten werden können, wie z.B. Rechtssicherheit oder außenpolitische Sicherheit
- der Markt reguliert sich selbst (Selbstheilungskräfte des Markts), staatliche regulatorische Eingriffe unnötig
- in dieser extremen Form nie verwirklicht (stärkste Ausprägung des wirtschaftl. Liberalismus: "Manchesterkapitalismus")
Probleme:
- soziale Ungerechtigkeit
- Möglichkeit der Konzentration von Marktmacht (Kartellbildung)
Heutige Form: Neoliberalismus