Ein Unterrichtsentwurf für den Kunstunterricht in den Klassen 5 und 6. Die Planung einer Unterrichtsstunde für 60 Minuten. Das Thema: Zeichnen nach allen Sinnen: Tastsinn.
Indem die SuS Oberflächen erfühlen, beschreiben und in experimentellen Skizzen die Haptik in eine zeichnerische Darstellung überführen, lernen sie in einer ersten Annäherung den Einsatz und die Wirkung zeichnerischer Gestaltungsmittel im Vergleich.
Thema der Einheit „Ich und meine Umwelt - Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist!“ Experimentieren mit zeichnerischen Gestaltungsmitteln
Thema der Stunde „Ich fühle was, was du nicht fühlst.“ Wahrnehmungsübung: Oberflächenbeschaffenheiten zeichnerisch darstellen
Bezug zu den Fachanforderungen
Zeichnen ist als elementares Arbeitsfeld und grundlegende Ausdrucksform in den Fachanforderungen für alle Klassenstufen verbindlich.1 Das findet sich im schulinternen Fachcurriculum wieder, in dem in der fünften Klasse unterschiedliche zeichnerische Gestaltungsmittel auf ihrer Wirkungsweisen hin untersucht werden sollen.
Hauptintention der Stunde
Indem die SuS Oberflächen erfühlen, beschreiben und in experimentellen Skizzen die Haptik in eine zeichnerische Darstellung überführen, lernen sie in einer ersten Annäherung den Einsatz und die Wirkung zeichnerischer Gestaltungsmittel im Vergleich.
Einbindung in die laufende Unterrichtseinheit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Angestrebte und besonders zu fördernde Kompetenzen
Wahrnehmen: Vorbereitung auf eine Perceptbildung mit allen Sinnen; altersangemessene Teilanalysen: Wirkungen von zeichnerischen Gestaltungsmitteln erschließen, Herstellen: zeichnerische Techniken gezielt einsetzen; durchgängige Sprachbildung.2
Angaben zur Lerngruppe, unterrichtliche Voraussetzungen
Seit Anfang des Schuljahres 2019/2020 unterrichte ich die 5b mit einer 60-Minuten-Stunde pro Woche im Fach Kunst. Zusätzlich kenne ich die Lerngruppe aus dem Deutschunterricht, den ich vierstündig die Woche gebe. Die Klasse besteht aus 31 Schülerinnen und Schülern (SuS) und teilt sich in zehn Jungen und 21 Mädchen auf. Insgesamt tritt die Lerngruppe neuen Lerninhalten interessiert gegenüber und zeichnet sich durch einen ausgeprägten Erzähldrang aus. Für das Unterrichtsgespräch ist diese Neugier positiv hervorzuheben. Gleichzeitig führt sie dazu, dass sich die SuS gegenseitig ablenken. Durch kurze Austauschphasen, eine vom Lehrer festgelegte Sitzordnung, einen zurzeit vom Lehrer angeleiteten und stark strukturierten Unterrichtsablauf und durch die Aufmerksamkeit aller Fachlehrerinnen auf die Situation gelingt es der Klasse zunehmend besser, sich in Arbeitsphasen zu konzentrieren - in Deutsch jedoch besser als in Kunst. Hier fallen vor allem einige Jungen durch ein negatives Selbstkonzept auf und einige Mädchen äußern trotz ihrer sehr guten bis guten Leistungen Unzufriedenheit über ihre Ergebnisse. Im Laufe der Zeit wurde auch das stark heterogene Leistungsniveau deutlich, was sich vor allem durch unterschiedliche Sorgfalt zeigt. Entgegen klaren Besprechungen gelingt es einigen Jungen nicht, einfache handwerkliche Aufgaben umzusetzen. Durch motivierende und kriteriengeleitete Quartalsrückmeldungen konnte der Fortschritt erzielt werden, dass bei diesen SuS aus Verweigerung von Aufgaben eine Offenheit zum Ausprobieren entstand. An noch vorhandenen Selbstkonzepten wie „Ich kann eh kein Kunst“ arbeite ich weiterhin.3
Didaktische Entscheidungen und Überlegungen
Die Fachanforderungen Kunst stellen den Erwerb der Bildkompetenz als Kernanliegen ins Zentrum des Unterrichts.4 Damit geht eine ständige Perzeptbildung einher, die zum Zweck von Bildanalysen und Beurteilungen vielfältig aufgebaut und zunehmend ins Bewusstsein der SuS rücken soll.5 Um beim Betrachten von Kunstwerken sinnliche Assoziationen zu entwickeln, sind eigene Erfahrungen von Vorteil, um in der Konfrontation mit neuen Bildern an vorhandene gedankliche Konzepte anzuknüpfen. Im Laufe der Orientierungsstufe ist es daher sinnvoll, sinnliche Wahrnehmungsübungen durchzuführen.6 Diese können in jedem Arbeitsfeld durchgeführt werden, sodass gleichzeitig immer eine altersangemessene Teilanalyse im Zentrum steht, bei der die Wirkung der arbeitsfeldabhängigen Gestaltungsmittel reflektiert wird. Da das Arbeitsfeld Zeichnen in alle weiteren integriert werden kann, fokussiert die Einheit eine erste Thematisierung derzeichnerischen Gestaltungsmittel.
Der Schwerpunkt der Unterrichtsstunde liegt nach den fünf Dimensionen der Bildkompetenz auf der bildstrukturalen Dimension, bei der die formale Gestaltung im Zusammenhang mit der Wirkung betrachtet wird.7 Für eine Analyse von Zeichnungen würde das bedeuten, dass sich die SuS einerseits über eine Perceptbildung der Arbeit annähern und auf der anderen Seite Gestaltungsmittel analysieren, um die inhaltliche Deutung zu belegen. Die Grundlagen sind demnach sinnliche Assoziationen zu der Zeichnung und ein Erkennen der Gestaltungsmittel. Um den SuS diesen Zugang zu ermöglichen, experimentieren sie mit der zeichnerischen Darstellung unterschiedlicher Sinneswahrnehmungen. Somit stellt die Stunde das eigene Erfahren vor das Betrachten eines Kunstwerkes und das eigene Experimentieren vor das Assoziieren zu einem in Zeichen verdichteten, gestalteten Bild.8
Es wird also keine künstlerische Arbeit in der Stunde besprochen, sondern ausschließlich ein Ausschnitt vom Fell des Feldhasen von Albrecht Dürer gezeigt, anhand dessen eine erste Oberflächenbeschaffenheit beschrieben wird. Der Ausschnitt eignet sich einerseits als Anschauungsvorbild für die SuS, damit sie sich zunächst unfigürlich und unliterarisch in den zeichnerischen Gestaltungsmitteln erproben und andererseits könnte einigen SuS ggf. der Ausschnitt bekannt Vorkommen (Vorwissen aktivieren), sodass sie in der Stunde besonders auf die Art und Weise der Gestaltung aufmerksam werden. Beim experimentellen Skizzieren und dem Versuch, die erfühlte haptische Wirkungen zu erzeugen, lernen sie die zuvor erprobten Gestaltungsmittel von Punkt, Linie und Flächenschraffur in neuen funktional angebundenen Kontexten kennen.9 Der Vergleich der Zeichnungen und das gemeinsame Besprechen unterschiedlicher Ergebnisse sensibilisiert die SuS für verschiedene Lösungswege und bringt sie in einen Diskurs über die Art der Zeichnung. In späteren Einheiten wird im Sinne des Spiralcurriculums zusätzlich der Schritt der Überarbeitung dazukommen, um den SuS die Vorteile von prozesshaften, suchendem Arbeiten aufzuzeigen.
Zudem nutzen sie ihre sinnliche Tastwahrnehmung als Anlass für Assoziationen und schulen sich in einer weiteren Aufgabe in der Übertragung in neue Gestaltungszusammenhänge. Sie überführen das blind Ertastete zurück in ihren Lebensweltkontext und skizzieren diverse Objekte/ Lebewesen, die sie mit dem Erfühlten verbinden, was ihre eigene Imaginationskraft und Ideenvielfalt anregt. Diese wird in der darauffolgenden Stunde vertieft: Viele SuS der Klasse schreiben kreative Texte, in denen häufig eine detaillierte Beschreibung ihrer Fantasiewesen fehlt. Die Fächer Kunst und Deutsch lassen sich miteinander verbinden, um dieses Schülerinteresse aufzugreifen. Ausgehend von Vorgefundenen Oberflächen können sie diese in Analogie zu Max Ernst frottieren und durch eine collagen- artige Rekombination der Frottagen in Kombination mit eigenen Oberflächenzeichnungen neue Strukturen für ihre imaginierten Fantasiewesen entwickeln. Die Frottage erweitert das Spektrum im Umgang mit Oberflächen und gleichzeitig können die SuS bei der Rezeption von Max Ernst ihre sinnliche Perceptbildung erleben und sich bewusst machen.10
Methodische Entscheidungen und Überlegungen
Der Einstieg motiviert die SuS einerseits durch den spielerischen Charakter und anderseits aktiviert die Aufgabe die Vorstellungskraft der SuS. Die SuS erhalten ein Beispiel, wie ein erfühlter Gegenstand mit Adjektiven beschrieben wird, der dem Ablauf der Einzelarbeit ähnelt. Die Problematisierung erfolgt lehrergeleitet, um den SuS den Unterrichtsgegenstand zu verdeutlichen und in die Einzelexperimentierphase überzuleiten. Die Erarbeitung erfolgt in Einzelarbeit, da es um die individuelle Wahrnehmung eines jeden Einzelnen geht. In der Übersetzung des Gefühlten in zeichnerische Gestaltungsmittel ist ein Austausch sinnvoll, um sich im Austausch über Wirkungsmöglichkeiten und in einerVerbalisierung dessen zu verständigen.11 Eine Einzelarbeit könnte hier einerseits zu Frustration führen und andererseits erleben die SuS im Austausch indirekt bereits, dass es einen Konsens für Übersetzungen von Linien zu einem Gefühl geben kann, was auf die zukünftige Besprechung von intersubjektiver Überprüfbarkeit vorbereitet. Die SuS arbeiten auf einem in vier Bereiche unterteiltem Blatt, das im Vergleich zum kleineren Skizzenheft den Vorteil hat, dass sie Zeichnungen nebeneinander anordnen und somit ohne Umblättern vergleichen können. Das Erfühlen der Objekte im Beutel konzentriert die Oberflächenwahrnehmung stärker, als wenn der Sehsinn involviert wäre. Die Objekte im Beutel sind möglichst kontrastreich gewählt, sodass Unterschiede in der zeichnerischen Übersetzung für die SuS in der gegenseitigen Besprechung nachvollziehbar erkennbar sind und herausgearbeitet werden können. Die Präsentation geschieht in dialogischer Form, damit sich mehrere SuS in der Beschreibung der Zeichnungen üben. Die Abschlussaufgabe entspricht ihrer Lebenswelt, sodass sie das Gelernte auf figürliche Darstellungen anwenden.
Literaturverzeichnis
Fachanforderungen Kunst, hrsg. v. Ministerium für Schule und Berufsbildung des Landes Schleswig-Holstein, Kiel 2015.
Max Ernst Museum Brühl: https://maxernstmuseum.lvr.de/de/max_ernst/techniken/techniken_1.html.
Niehoff, Rolf: Was qualifiziert den schulischen Kunstpädagogen? Entwicklung eines kunstpädagogischen Qualifikationsprofils, in: Bildbegriff und Kunstverständnis im kunstpädagogischen Kontext, hrsg. v. Kunibert Bering u.a., Oberhausen 2014, S. 137-161.
Niehoff, Rolf: Bildkompetenz. Begriffsklärung, Diskussionsstand und Probleme, in: Kunstpädagogik im Projekt der allgemeinen Bildung, hrsg. v. Johannes Kirschenmann, Frank Schulz und Hubert Sowa, München 2006, S. 239-243.
Otto, Gunter; Otto, Maria: Auslegen. Ästhetische Erziehung als Praxis des Auslegens in Bildern und des Auslegens von Bilder, Seelze 1987.
RAAbits Kunst Sep. 1996, für die Unterrichtseinheit interessante Einheit: Experimentelles Zeichnen. Auf der Suche nach dem „Urstrich“.
Treezen, Ursula: Konzept zur durchgängigen Sprachbildung in den Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I, 2011 vom Ministerium für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig-Holstein, https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/-S/sprachbil- dung/Downloads/Konzept.pdf? blob=publicationFile&v=1.
- Durchgängige Sprachbildung in einem differenzierteren Überblick bei: Ulrich, Winfried: Wissenschaftliche Grundlagen der Wortschatzarbeit im Fachunterricht ,in: Sprachbildung und Leseförderung in Berlin. Sprachsensibler Fachunterricht. Handreichung zur Wortschatzarbeit in den Jahrgangsstufen 5-10 unter besonderer Berücksichtigung derFachsprache, hrsg. v. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Berlin 2013. https://bildungsserver.berlin-brandenburg.- de/fileadmin/bbb/themen/sprachbildung/Durchgaengige_Sprachbildung/Publikationen_sprachbildung/spra chsensibler_fachunterricht/9_Sprachsensibler_Fachunterricht-wissenschaftliche_Grundlagen.pdf, S. 305327, vor allem S. 324-325.
Abbildung/ Ausschnitt von Albrecht Dürers „Feldhasen“: prometheus Bildarchiv.
Stundenverlauf
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Vgl. Fachanforderungen Kunst, hrsg. v. Ministerium für Schule und Berufsbildung des Landes SchleswigHolstein, Kiel 2015, S. 15-16.
2 Vgl. Ebd., S. 9, 20, 26, 45.
3 Vgl. bei RAAbits Kunst Sep. 1996, I/B2 als methodische Überlegung, S. 3: „Die SuS bemessen eine gute Zeichnung demnach am Grad der Perfektion, mit der sie die Wirklichkeit realitätsgetreu abbildet. Ein solch hoher Anspruch am zeichnerischen „Können“ führt dann bei den meisten SuS zu der resignativen Feststellung, „Ich kann nicht zeichnen“. Durch das spielerische Ausprobieren visueller, taktiler, akustischer [etc.] Wahrnehmung und ihrer zeichnerischen Umsetzung werden die SuS angeregt, einen rein wiedererkennenden Blick aufzugeben und sich neue zeichnerische Perspektiven auf die Gegenstände zu erschließen.“
4 Vgl. Fachanforderungen Kunst 2015, S. 15.
5 Vgl. Otto, Gunter; Otto, Maria: Auslegen. Ästhetische Erziehung als Praxis des Auslegens in Bildern und des Auslegensvon Bilder, Seelze 1987, S. 51.
6 Vgl. Kompetenz Wahrnehmen und Perceptbildung, Fachanforderungen Kunst 2015, S: 20.
7 Vgl. Niehoff, Rolf: Was qualifiziert den schulischen Kunstpädagogen? Entwicklung eines kunstpädagogischen Qualifikationsprofils, in: Bildbegriff und Kunstverständnis im kunstpädagogischen Kontext, hrsg. v. Kunibert Bering u.a., Oberhausen 2014, S. 147.
8 Vgl. Niehoff, Rolf: Bildkompetenz. Begriffsklärung, Diskussionsstand und Probleme, in: Kunstpädagogik im Projektder allgemeinen Bildung, hrsg. v. Johannes Kirschenmann u.s., München 2006, S. 240.
9 Vgl. Fachanforderungen Kunst 2015, S. 26, 45, 50.
10 Vgl. zur Frottage bei Max Ernst: https://maxernstmuseum.lvr.de/de/max_ernst/techniken/techniken-_1.html.
11 __________________________________________________________________________________ Vgl. durchgängige Sprachbildung: Wortschatzerweiterung, Fachsprache einüben mit vorgegebenen Satzbausteinen, in: https://www.schleswigholstein.de/DE/Fachinhalte/S/sprachbildungDown-loads/Konzept.pdf?____________________________________________________________________________________ blob- =publicationFile&v=1.
- Arbeit zitieren
- K. Vell (Autor:in), 2020, Kunst in den Klassen 5 und 6. Oberflächenbeschaffenheiten zeichnerisch darstellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1021409
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