Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung
2.Biographie der Autorin
3.Inhaltsangabe des Romans "Die Wand" von Marlen Haushofer
4.Die Verwandlung
4.1 Innere Verwandlung der Protagonistin im Roman "Die Wand"
4.2 Äußere Verwandlung der Protagonistin im Roman "Die Wand"
4.3 Beziehung zwischen der Protagonistin und den Tieren im Roman "Die Wand"
4.4 Die Reaktion der Protagonistin auf Menschen im Roman "Die Wand"
4.5 Analyse der Erzählung "Die Verwandlung" von Franz Kafka im Vergleich zum Roman "Die Wand"
5.Schluss
6.Literaturverzeichnis
1. Einleitung:
Nachdem ich den Roman "Die Wand" und die Erzählung "Die Verwandlung" gelesen habe, scheint es mir passend, die Verwandlung der Protagonisten zu analysieren. Da der Roman von Marlen Haushofer unser Hauptthema ist, habe ich mich größtenteils ihm zugewendet und auf ihn meinen Schwerpunkt gesetzt. Zusätzlich habe ich einen Lebenslauf der Autorin und eine Inhaltsangabe des Romans "Die Wand" beigefügt, um den Inhalt für den Leser verständlicher zu machen.
Die Analyse habe ich in mehrere, verschiedene Schritte eingeteilt, die alle widerum von der Veränderung der Lebensumstände abhängen. Als erstes habe ich die innere Verwandlung der namenslosen Protagonistin betrachtet. Ich habe in diesem Teil dargestellt, wie sich ihre Einstellung zum Leben ändert. Im zweiten Teil, der äußeren Verwandlung, möchte ich dem Leser verdeutlichen, dass sich ihr weibliches Aussehen durch die großen Lasten der Arbeit verändert. Außerdem habe ich die Beziehung zu ihren Tieren betrachtet, die sich ebenfalls wandelt und keine ursprüngliche Mensch-Tier-Beziehung mehr ist. Sie sieht ihren Hund zum Beispiel als Freund an. Mein letzter Punkt des Hauptteils, der sich auf "Die Wand" bezieht, ist die Reaktion der Protagonistin auf andere Menschen, da sie den letzten Menschen tötet, als dieser auftaucht.
Zusätzlich hatte ich vorgesehen, einige Deutungsvarianten des Romans zu untersuchen, wie z. B., ob der Roman eine "weibliche Robinsonade", ein "Frauenroman", ein "autobiographischer Roman" oder ein "Atomwaffengegner- Roman" ist. Letztendlich habe ich diesen Teil doch weggelassen, da dieses Referat sonst zu umfangreich geworden wäre, außerdem wäre es keine Aufgabe, wie sie uns gestellt wurde.
Nach der Analyse des Romans "Die Wand" habe ich die Erzählung "Die Verwandlung" von Franz Kafka analysiert und in einigen Punkten mit dem Roman von Marlen Haushofer verglichen. Dies scheint mir als geeignet, da auch der Protagonist in der Erzählung von Kafka eine Verwandlung durchmacht. Diesen Vergleich habe ich jedoch nur sehr kurz und oberflächlich vollzogen, da, wie gesagt, mein Schwerpunkt auf dem Roman "Die Wand" liegt und dieser Teil bereits sehr umfangreich ist.
Die Verwandlung in Franz Kafkas Erzählung habe ich nicht in einzelne Schritte unterteilt, sondern in einem Stück beschrieben. Außerdem habe ich die Verwandlung des Vaters und der Schwester in der Erzählung nicht betrachtet. Mein Referat stützt sich lediglich auf die Protagonisten.. Außerdem hätte ich in dem Roman "Die Wand" sonst zusätzlich die Verwandlung der Tiere analysieren müssen, da sie Nebenpersonen sind, wie auch der Vater und die Schwester in Kafkas Erzählung.
Ich hoffe, dass der Leser durch mein Referat einen Einblick in die Verwandlungen der Protagonisten beider Werke bekommt und alles verständlich ankommt.
2. Biographie der Autorin
Marlen Haushofer wurde am 11.4.1920 als Marie Helene Frauendorfer in Frauenstein, Oberösterreich geboren. Ihr Vater war Revierförster, ihre Mutter Kammerzofe. 1924 wurde ihr Bruder Rudolf geboren und ab 1930 besuchte sie die Internatsschule der Ursulinen in Linz, auf der sie 1939 das Abitur machte. Im Anschluss daran leistete sie den Arbeitsdiens t in Ostpreußen ab. Seit 1940 studierte sie mit Unterbrechungen Germanistik in Wien, ab 1943 in Graz. 1941 heiratete sie den Zahnarzt Manfred Haushofer, später zogen beide nach Steyr um, wo die Söhne Christian und Manfred geboren wurden. 1946 schrieb sie erste Kurzgeschichten für Zeitungen und Zeitschriften, 1952 wurde die Novelle "Das fünfte Jahr" im Jungbrunnen- Verlag veröffentlicht, für die sie 1953 den Staatlichen Förderungspreis für Literatur bekam. Danach folgten Kinder- und Jugendbücher sowie Hörspiele für verschiedene Radiosender. 1956 ließ sie sich scheiden und heiratete 1958 erneut denselben Mann. 1963 schrieb sie "Die Wand". Mitte der sechziger Jahre erkrankte sie an Knochenkrebs. Marlen Haushofer starb am 21.3.1970 nach einer Operation.
Weiterhin erhielt sie den Preis des Theodor-Körner-Stiftungsfonds 1956, den Arthur- Schnitzler-Preis 1963, den Kinderbuchpreis der Stadt Wien 1965 und 1967 sowie den Österreichischen Staatspreis für Literatur 1968. Weitere wichtige Werke neben "Die Wand": "Himmel, der nirgendwo endet", "Die Tapetentür".
4.Die Verwandlung
Der Roman "Die Wand" handelt, wie in der Inhaltsangabe beschrieben, von einer namenlosen Protagonistin, die eine Verwandlung durchlebt. Diese Verwandlung lässt sich mehrmals untergliedern: in eine innere Verwandlung, eine äußere Verwandlung, die Verwandlung der Beziehung zwischen der Protagonistin und ihren Tieren und die Bedeutung der Tiere und die Verwandlung der Reaktion auf andere Menschen.
4.1 Innere Verwandlung der Protagonistin im Roman "Die Wand":
Zu Beginn des Romans ist die Hauptperson sehr über die plötzlich vorhandene Glaswand überrascht. "Ich dachte an eine Sinnestäuschung, aber ich wußte natürlich, daß es nichts Derartiges war." (vgl. Haushofer, S.10, Z.1 f) Sie hat große Angst vor der Wand und versucht, sie zu verdrängen. "Ich träumte nicht und erwachte ausgeruht gegen sechs Uhr, als die Vögel zu singen anhoben. Sofort fiel mir alles wieder ein, und ich schloß erschreckt die Augen und versuchte noch einmal in den Schlaf unterzutauchen." (vgl. Haushofer, S. 19, Z. 9 ff) Es handelt sich hierbei um keinen Albtraum der Protagonistin. Sie wird mit dem Erwachen aus ihrem Schlaf wieder mit der Realität konfrontiert, obwohl sie es nicht glauben kann. Am liebsten will sie wieder einschlafen, in der Hoffnung, dass alles wieder so wird, wie es vor dem Erscheinen der Wand war und sie wieder ganz verschwindet. Auch Schlaftabletten benutzt die Frau vor lauter Angst vor der Wand nicht. "Ich überlegte, ob ich eine von Hugos Schlaftabletten nehmen sollte, konnte mich aber doch nicht dazu entschließen, weil ich fürchtete, irgend etwas zu überhören." (vgl. Haushofer, S.18, Z. 36 ff) Sie hofft auf eine Rettung oder Begegnung mit anderen Person, die sich das Le id der Wand mit ihr teilen, hat aber Angst, im Schlaf nichts davon mitzubekommen. Um sich außerdem vor der Wand zu schützen, steckt sie diese mit Sträuchern ab. "Dort brach ich frische Zweige und fing an, die Wand weiter abzustecken." (vgl. Haushofer, S. 21, Z. 12 f) Zum einen erledigt sie diese Grenzabsteckung, um sich sicher zu fühlen, da sie meint, die Wand unter Kontrolle zu haben und feststellen zu können, ob sie sich bewegt. Zum anderen erfährt man später im Roman, dass die Sträucher im Boden angewachsen sind und die Protagonistin den Anblick der Wand und den Blick hindurch nicht mehr ertragen muß.
Die Protagonistin ist zunächst durch die Wand gehemmt , lernt aber bald, mit der neuen Situation umzugehen. Am Anfang verspürt sie die Hoffnung, dass es sich bei der Wand lediglich um eine Übergangsphase handelt. Sie ist wie betäubt. "Vielleicht waren die folgenden Stunden so arg, daß ich sie vergessen mußte; vielleicht verbrachte ich sie auch nur in einer Art Betäubung." (vgl. Haushofer, S. 20, Z. 4 ff) Sie vermeidet dadurch, über die verloren gegangene Familie und das verloren gegangene frühere Leben nachzudenken . Sie verspürt den Verlust kaum. Doch nach einiger Zeit lässt ihre Betäubung nach. "Es wurde mir klar, daß die Gefaßtheit, mit der ich mich vom ersten Tag an in meine Lage gefügt hatte, nur eine Art Betäubung gewesen war. Jetzt hörte die Betäubung auf zu wirken, und ich reagierte ganz normal auf meinen Verlust." (vgl. Haushofer, S.106, Z. 14 ff) Diese Aussage trifft die Protagonistin in der Mitte des Romans.
Es wird daran deutlich, dass sie sich mit ihrer Lage abgefunden und diese Situation gut verarbeitet hat. Ihr gefällt das Leben im Wald mit ihren Tieren immer besser und sie bezeichnet den eigentlich zwangsmäßigen Aufenthalt hinter der Glaswand sogar als "wohnen". (vgl. Haushofer, S. 145, Z. 24)
Sie lernt immer mehr dazu und passt sich sogar an den Wald an. "Diesmal war ich besser ausgerüstet, mit Bergschuhen, Kniehosen und einer warmen Joppe."
(vgl. Haushofer, S. 20, Z. 24 ff) Schon kurz nach dem Erscheinen der Wand merkt die Protagonistin, welche Dinge und Bekleidung auf Ausflügen wichtig sind. Sie erkennt, dass es im Gebirge kühler ist als im Tal und man mit besseren Schuhen ausgerüstet sein muss, um die Gegend zu erkunden. So macht sie ihre eigenen Erfahrungen und lernt daraus.
Durch die Wand ändert sich auch die innere Einstellung zum Lebensstandard der Frau. "Eine winzige, goldene Armbanduhr, eigentlich nur ein teures Spielzeug, das die Zeit nie richtig anzeigen wollte." (vgl. Haushofer, S. 3, Z. 33 ff) oder "Es war eine so winzige Uhr, ein Spielzeug aus Gold, (...)." (vgl. Haushofer, S.212, Z.37 f) "Ich trage den Autofabrikanten nichts nach, sie sind längst nicht mehr interessant." (vgl. Haushofer, S. 181, Z. 35 f) Sie lernt, sich auf die notwendigsten Dinge zu beschränken und keinen Wert mehr auf teure Statussymbole zu legen. Sie erkennt, dass diese wertvollen Gegenstände nicht lebensnotwendig sind. Die Möglichkeit, ihr Überleben zu sichern, steht im Vordergrund.
Ausserdem hat sie zwei Jahre nach der Katastrophe keine Hoffnung mehr auf eine Rettung. "Zwei Jahre waren im Wald vergangen, und es fiel auf, daß ich fast nie mehr daran dacht, daß sie mich endlich finden würden." (vgl. Haushofer, S. 213, Z. 23 ff) Die Wand gehört zu ihrem Alltag. Sie erledigt all die Aufgaben, die für ihr Überleben notwendig sind und verschwendet keine Gedanken mehr an eine Rettung. Es zeigt sich auch, dass sie sich im Wald wohlfühlen muss, denn sie fängt an, das Leben in der Natur und mit ihren Tieren zu genießen. Sie legt keinen Zettel mehr auf ihren Tisch, so wie sie es im vorigen Jahr getan hat, als sie im Sommer auf die Alm zieht. Dies macht erneut deutlich, dass sie keinen großen Wert auf eine Rettung legt, weil sich ihr Leben so eingespielt hat, wie es nun abläuft, und sie glaubt, dass man sie auch auf der Alm finden würde, falls Menschen hinter der Wand auftauchen würden. Zwischenzeitig kommen der Protagonistin die Gedanken, dass sie am liebsten mit ihrem Leben von vorn beginnen würde." [...] aber in Wahrheit wollte ich zurück in die Wärme und Stille des Kinderzimmers oder noch weiter zurück in die Wärme und Stille, aus der man mich ans Licht gerissen hatte."(vgl. Haushofer, S. 208, Z. 24 ff) Sie möchte zurück in den Leib ihrer Mutter, um ein neues Leben zu beginnen, in dem sie einiges anders machen würde, als das, was sie vor dem Erscheinen der Wand tat. Sie ist zu der Einsicht gekommen, dass die Menschen viel zu wenig Liebe verschenkten und es dadurch zur Katastrophe kam. Am Ende des Romans gibt die Protagonistin endlich auf und stellt sich ihren verdrängten Gedanken. "Das Streu mußte gemäht werden, aber es dauerte nur eine Woche, und schließlich gab ich, körperlich geschlagen und gebrochen, meine sinnlose Flucht auf und stellte mich meinen Gedanken." (vgl. Haushofer, S.225, Z. 38 ff) Dies geschieht jedoch erst, als sie keine Arbeit mehr zu verrichten hat. Sie bevorzugt die Arbeit, um sich ihren Gedanken, warum alles so gekommen ist und warum gerade sie von der Wand betroffen ist, nicht stellen zu müssen. Sie selbst kann sich keine Antwort auf diese Frage geben, also bleibt sie unbeantwortet.
Es gibt noch weitere Aspekte, in denen sich die innere Einstellung der Protagonistin wandelt. In ihrem Leben vor der Wand war sie sesshaft. "Ich war immer schon eine seßhafte Natur gewesen und fühlte mich zu Hause am wohlsten." (vgl. Haushofer, S. 6, Z. 1 f) Dafür, dass sie in dem Leben vor der Wand sesshaft war, lebt sie sich sehr schnell in ihrem Waldgefängnis ein und akzeptiert es, dass sie nicht mehr nach Hause kann. Nachdem sie im Herbst von der Alm, auf der sie den Sommer verbracht hat, zurück in ihr Jagdhaus kehrt, unterscheidet sie sogar zwischen ihrer Heimat und Nicht-Heimat. "Es war schön gewesen auf der Alm, schöner, als es hier sein konnte, aber zu Hause war ich im Jagdhaus." (vgl. Haushofer, S. 177, Z. 1 ff) Sie fühlt sich im Jagdhaus zu Hause, trotzdem ändert sich ihre Einstellung zur Sesshaftigkeit. Sie kann sich nicht nur an einem Ort fest niederlassen, da sie die Gegend nach lebensnotwendigen Hilfsmitteln erkunden muss und im Sommer auf der Alm wegen ihrer Tiere lebt.
Die Protagonistin erlernt den Ackerbau und die Viehzucht, um in der Natur zu überleben.
"Alles, was ich über Viehzucht weiß, es ist sehr wenig, stammt aus diesen Kalendern." (vgl. Haushofer, S. 104, Z. 25 f) Sie hat sich ihr gesamtes Wissen darüber selbst angeeignet, um eine Chance des Überlebens zu haben. Dies ist sehr schwierig für sie, da sie aus der Stadt kommt und lediglich als Kind mit der Landwirtschaft zu tun hatte. Sie darf keine Fehler machen, da dies das Leben ihrer Tiere oder sogar ihr eigenes Leben kosten kann. Die Protagonistin hat eine Kuh, an die sie sich auch erst gewöhnen muss, da sie schwierige landwirtschaftliche Aufgaben mit sich bringt. "Ich molk sie und es ging schlechter als am Vortag, weil mir jeder Knochen wehtat. Melken ist eine außerordentlich anstrengende Arbeit, und ich mußte mich erst wieder an sie gewöhnen." (vgl. Haushofer, S. 25, Z. 27 ff) Die Milch ist lebensnotwendig.
Die Frau erkennt selbst, dass die Kuh ein großer Segen, aber auch eine schwere Last ist. (vgl. S. 24) Sie hat keine andere Wahl, als die Kuh zu versorgen, um zu überleben. Trotzdem diese und viele andere Arbeiten sehr an ihrer Gesundheit zehren, gibt sie nicht auf. "Ich konnte nicht flüchten und meine Tiere im Stich lassen." (vgl. Haushofer, S. 163, Z. 39 f) Sie fühlt sich ihren Tieren gegenüber schuldig, ihr jetziges Leben fortzuführen, da diese ohne sie keine Überlebenchancen hätten. Sie will eine bessere Mutter für ihre Tiere sein, als sie es damals für ihre Kinder war und nicht den selben Fehler noch einmal begehen und sich von den Tieren abwenden. Dadurch wird es ihr unmöglich, Selbstmord zu begehen.
Die Protagonistin beginnt, hinter der Glaswand ihre Hände als ein "wunderbares Werkzeug" (vgl. S. 111) anzusehen, mit denen sie viele Aufgaben bewältigen kann. Sie setzt sich intensiv mit ihren Körperteilen auseinander und lernt, sie geschickt einzusetzen. Die Hände sind für sie nicht nur da, um sie mit Ringen zu schmücken, wie sie es in ihrem Leben vor der Wand tat. Auch die Eheringe haben für sie an Bedeutung verloren. Für die Protagonistin stehen nun wichtigere Dinge im Vordergrund, wie z. B. die Erdäpfelernte, die ihr das Leben für einen gewissen Zeitraum sichert.
Sie lernt, hinter der Wand verschiedene wichtige Nahrungsquellen anzubauen, wie z. B. die Erdäpfel. "Ich wußte nicht, ob Erdäpfel die rußige Erde mögen, aber ich entschloß mich doch, sie an dieser Stelle einzulegen, weil ich wußte, daß ich sonst nirgends so tiefe Erde finden würde." (vgl. Haushofer, S. 35, Z. 22 ff) Ohne über den genauen Anbau Bescheid zu wissen, pflanzt sie die Erdäpfel in den Boden. Sie verlässt sich dabei auf ihren Instinkt und gibt die Hoffnung des Überlebens nicht auf. Die Erdäpfel sind notwendig, um sie vor dem Verhungern zu retten. "Am zweiten Oktober erwachte ich auf dem Kalender zu neuem Leben. Die Erdäpfel wurden geerntet." (vgl. Haushofer, S. 92, Z. 21 f) Es zeigt, wie sehr sie auf die Ernte angewiesen ist und ihre Hoffnung des Überlebens dadurch stärker wird. Ebenso ist es mit den Bohnen. Durch diese Arbeiten leidet auch wieder ihre Gesundheit. "Ich bestrich meine wunden Hände mit Hirschtalg, (...)." (vgl. Haushofer, S. 35, Z. 38 ) Dies zeigt noch einmal, dass sie die harten landwirtschaftlichen Arbeiten nicht gewohnt ist.
Eine deutliche innere Verwandlung macht die Protagonistin bezüglich der Wilderei durch. "Die Aussicht auf derart mörderische Betätigung gefiel mir gar nicht, es blieb mir aber keine Wahl, wenn ich mich und Luchs am Leben erhalten wollte." (vgl. Haushofer, S. 33, Z. 12 ff) Zu Beginn des Romans bezeichnet sie die Wilderei als Abscheu, obwohl sie weiß, dass sie ohne das Fleisch kaum eine Überlebenschance hat, da es den größten Teil der Nahrung ausmacht und es in großen Mengen im Wald vorhanden ist. Im Laufe des Romans wandelt sich ihre Einstellung zu diesem Thema."Aber mit meinen Pfuschereien wird der Wald leicht fertig. Ein neues Reh wächst heran und ein anderes Tier rennt ins Verderben. Ich bin kein ernst zu nehmender Störenfried."(vgl. Haushofer, S. 151, Z. 1 ff) Sie lernt, in diesem Naturkreislauf zu leben und erkennt, dass es immer ein Räuber- und Beuteverhältnis geben wird. Sie tötet das Wild, ohne darüber nachzudenken, ob es richtig ist. Sie tut dies aus Notwendigkeit. Zum Schluss isst sie das Fleisch sogar mit Appetit. (vgl. S. 210)
Sie eignet sich selbst sehr viel Wissen der Natur an. "Die Krähen fallen schreiend in die Lichtung ein und lassen sich auf den Fichten nieder. Dann weiß ich, dass es halb neun ist."
(vgl. Haushofer, S. 85, Z. 39 ff) Sie kann mit den nötigsten Hilfsmitteln überleben. Auch hier zeigt sich, dass sie sich in den Naturkreislauf mit eingebunden hat. Schließlich sagt sie selbst von sich: "Alles hat sich gewandelt. (...) Ich bin ein Ackerbauer geworden, und ein Ackerbauer muß planen." (vgl. Haushofer, S. 84, Z. 6 ff) Ihr früheres, langweiliges und ungeordnetes Leben bekommt von nun an einen neuen Gesichtspunkt, einen Plan, nach dem es abläuft und ohne den sie ihr Leben nicht richtig im Griff hätte. "Ganz langsam gelang es mir, in alle meine Arbeiten System zu bringen, und es erleichterte mir das Leben ein wenig." (vgl. Haushofer, S. 79, Z. 20 f)
Auch die Psyche der Protagonistin verwandelt sich. " Ich weiß nicht, warum ich das tue, es ist fast ein inne rer Zwang, der mich dazu treibt. Vielleicht fürchte ich, wenn ich anders könnte, würde ich langsam aufhören, ein Mensch zu sein, und würde bald schmutzig und stinkend umherkriechen und unverständliche Laute ausstoßen." (vgl. Haushofer, S. 33, Z.27 ff) Sie hält alles sauber, um sich möglichst nicht von ihrem Leben zu entfremden und zu verwandeln. Schon am Anfang des Romans erkennt sie sich selbst nicht wieder, da sie nun Dinge tut, von denen sie früher nichts wußte und vor denen sie sich gesträubt hätte, wie zum Beispiel die Wilderei. Die Protagonistin bemerkt selbst, dass in ihr zwei Persönlichkeiten verborgen sind. "Später, als ich die obere Jagdhütte erreichte, war ich wieder ganz mein altes Ich, begierig darauf, in der Hütte etwas brauchbares zu finden." (vgl. Haushofer, S.49, Z.16 ff) Eine ihrer Persönlichkeiten liebt das alte gewohnte Leben, ohne viele Veränderungen und ohne die Wilderei. Die Wilderei kann sie nur mit ihrer zweiten Persönlichkeit vollbringen, da sich die erste dagegen sträubt. Schon als Kind hatte die Protagonistin Angst davor, dass sich ihr gewohntes Umfeld in Luft auflöst. Durch die Wand tritt dieser Albtraum nun ein. Dies hat etwas mit ihrer psychischen Verwandlung zu tun.
Die Hauptperson verändert auch ihre Einstellung zum Tod. "Keiner wird bei mir sein, wenn ich sterbe." (vgl. Haushofer, S. 83, Z. 26 f) Es scheint, dass sie über die Wand im Bezug auf den Tod erfreut ist, da sie keine Angst vor Heucheleien an ihrem Grab zu haben braucht, die oft nur aus Mitleid geschehen. Sie ist froh, dass die Toten dank der Wand in Frieden ruhen, unbelästigt von den wühlenden Händen derer, die an ihnen schuldig geworden waren. (vgl. S. 186)
Außerdem wird sie sehr oft mit dem Tod konfrontiert. Sie erlebt den Tod von Luchs, von Stier, von Perle und von den Rehen mit. Am liebsten will sie ohne Gefühle weiterleben, um nicht über die Geschehnisse nachdenken zu müssen. "Ich bin ein schlechter Roboter, immer noch ein Mensch, der denkt und fühlt, und ich werde mir beides nicht abgewöhnen können." (vgl. Haushofer, S. 173, Z. 17 ff) Ihre Gefühle kann sie nicht abschalten. Um diese Erlebnisse zu verarbeiten, schreibt sie alles wie in einem Tagebuch auf. Dabei ist es nicht wichtig, ob der Bericht jemals gefunden wird, lediglich für ihre Psyche ist es notwendig.
Zum Schluss des Romans hat sie sich dem Wald angepasst und mit dem Schicksal der Wand abgefunden. "Ich arbeite ruhig und gleichmäßig dahin, ohne mich übermäßig anzustrengen. Im ersten Jahr war mir das noch nicht gelungen. (...) Aber dann hatte ich ganz langsam dazugelernt und mich dem Wald angepaßt." (vgl. Haushofer, S. 180, Z. 26 ff) Sie hat gelernt, sich auf das Notwendige zu beschränken, sparsam zu leben und sie hat gelernt, verlorengegangene Fähigkeiten sich wieder zu Nutze zu machen. Materielle Werte stehen bei ihr im Hintergrund. Die Wand gehört durch die Verwandlung, die die Protagonistin durchmacht, zu einem Teil ihres Lebens.
4.2 Äußere Verwandlung der Protagonistin im Roman "Die Wand":
Die Protagonistin der "Wand" macht neben der inneren auch eine äußere Verwandlung durch.
Die äußeren Verwandlungen treten hauptsächlich durch die schweren körperlichen Arbeiten auf. Zu Beginn des Romans ist die Protagonistin sehr weiblich und fraulich gerundet. Doch dies wandelt sich immer stärker, je länger sie hinter der Wand lebt. "Ich wurde mager und kraftlos, und sogar die Stallarbeit strengte mich übermäßig an." (vgl. Haushofer, S. 43, Z.18 f) Sie hat viel Arbeit zu erledigen, die sie körperlich sehr anstrengen, weil sie es nicht gewohnt ist. Zusätzlich muss sie sparsam mit ihren Essensvorräten sein, sodass sie stark an Gewicht abnimmt. Sie kann auch nicht die Nahrung zu sich nehmen, auf die sie Appetit hat, da diese Sachen nicht vorhanden sind oder nur in einer geringen Menge zur Verfügung stehen. "Schwarzes Brot ist für mich eine unvorstellbare Köstlichkeit geworden." (vgl. Haushofer, S. 43, Z. 9 f) Ihre Psyche leidet auch unter diesen Bedingungen, sodass sie sogar beginnt, von solchen Speisen zu träumen, so auswegslos erscheint ihr in dieser Situation die Lage, und sie glaubt anscheinend, dass sich ihre Träume vom guten Essen nie wieder erfüllen werden.
Schließlich verwandelt sich die Protagonisten so sehr, dass sie sich selbst nicht wiedererkennt. " Ich war sehr mager geworden. In Luises Frisie rspiegel sah ich manchmal verwundert meine Erscheinung."(vgl. Haushofer, S. 65, Z. 11 f) Sie bekommt die Verwandlung ihrer äußeren Gestallt offensichtlich nur nebensächlich mit, da sie selbst darüber verwundert ist. In ihren Augen wandelt sie sich, so weit es notwendig ist. Sie beginnt, ihr Haar selbst zu schneiden und ihre Hände als "Werkzeuge" (S.65) anzusehen. Es ist für sie zur Alltäglichkeit geworden, ihre Hände überall einzusetzen und Blasen und Schwielen zu ertragen. Sie gleichen nicht mehr schönen Frauenhänden. "Die Fraulichkeit der Vierziger Jahre war von mir abgefallen, mit den Locken, dem kleinen Doppelkinn und den gerundeten Hüften." (vgl. Haushofer, S. 65, Z. 24 ff)
Ihr Körper ist männlicher geworden und hat sich den schweren Arbeiten, die sons t hauptsächlich von Männern verrichtet werden, angepasst. Sie lernt, Holz zu fällen und mit der Säge umzugehen. Außerdem kümmert sie sich um den Haushalt und die Tiere, übernimmt damit zusätzlich auch noch die Frauenarbeiten. Ihr bleibt hinter der Wand nichts anderes übrig, als diese Tätigkeiten zu verrichten, um zu überleben und das veränderte Aussehen zu akzeptieren. Sie vergleicht ihr Aussehen mit dem eines Baumes. " Ich bin nicht häßlich, aber auch nicht reizvoll, einem Baum ähnlicher als einem Menschen, einem zähen braunen Stämmchen, das seine ganze Kraft braucht, um zu überleben." (vgl. Haushofer, S. 65, Z.38 ff) Sie muss ihre ganze Kraft aufbringen, um überleben zu können und wachsen, bzw. zu Kräften zu kommen, wie ein Baum es tut, wenn er in einem Gebiet neu eingepflanzt wird und sich dort erst anpassen muss. Sie muss bildlich gesehen Wurzeln schlagen und sich in dem neuen Gebiet fest verankern, sodass sie durch Schicksalsschläge nicht umgeworfen wird. Sie reflektiert ihr Leben. "Wenn ich heute an die Frau denke, die ich einmal war, die Frau mit dem kleinen Doppelkinn, die sich sehr bemühte, jünger auszusehen, als sie war, empfinde ich wenig Sympathie für sie." (vgl. Haushofer, S. 66, Z. 3 ff) Es wird deutlich, dass sie keinen Wert mehr auf ihr Aussehen legt, sie will lediglich gepflegt sein. Sie sträubt sich, seit sie hinter der Wand lebt, aber nicht mehr gegen den äußeren Alterungsprozess eines Menschen, sondern hält ihn für natürlich. Durch die Wand fühlt sie sich frei. "(...) sie war immer eingezwängt in eine beklemmende Fülle von Pflichten und Sorgen."
(vgl. Haushofer, S. 66, Z. 9 f) In der Vergangenheit hat sie sich ihren Mitmenschen immer angepasst, ohne an sich zu denken. Niemand konnte sie davon befreien, nur eine "Riesin" hätte dies vollbringen können, wie es die Protagonistin ausdrückt. Die Wand ermöglicht es ihr, sich aus ihrem alten Leben loszulösen, wodurch sie sich nun frei fühlt. Sie kann sich in dieser Situation nicht mehr von ihren Mitmenschen leiten lassen, sondern muss lernen ,selber Entscheidungen zu treffen.
Sie beginnt,sich immer mehr der Natur anzupassen und legt keinen Wert mehr auf Äußerlichkeiten. "Früher hatte ich mit dieser Pinzette meine Brauen gezupft. Jetzt ließ ich sie wachsen, und sie wurden dicht und viel dunkler als mein Haar." (vgl. Haushofer, S. 79, Z. 33 ff) Mit diesem Zitat wird noch einmal deutlich, dass die Protgonistin keinen Wert mehr auf ein weibliches Aussehen legt. Es stört sie nicht, dass die Augenbrauen immer dichter werden. Sie lässt der Natur auc h auf und in ihrem Körper freien Lauf. Sie sieht die Pinzette nicht mehr als einen Gegenstand an, durch den die Schönheit einer Frau hervorgehoben wird, indem man sich zum Beispiel die Augenbrauen zupft. In ihrem Leben hinter der Glaswand benutzt sie die Pinzette, um ihr "Werkzeug", die Hände zu "reparieren", also von Splittern zu befreien. Es ist für sie wichtig, einwandfrei zu arbeiten und so eine Chance des Überlebens zu haben, anstatt auf Schönheit zu achten.
Außerdem lebt sie nur mit ihren Tieren zusammen, die auf sie angewiesen sind, wobei Schönheit keine Rolle mehr spielt. "Meinen Tieren war es gleichgültig, in welcher Schale ich steckte, sie liebten mich gewiß nicht wegen meines Aussehens." (vgl. Haushofer, S.211, Z. 29 ff) Sie leben wie in einer Familie zusammen und sind wegen ihrer Fähigkeit aufeinander angewiesen, die Kuh liefert die Milch, die Protagonistin bereitet das Essen zu, denkt und handelt. So hat jeder seine Aufgaben, wobei das Aussehen keine Rolle spielt.
Nicht nur das körperliche Aussehen verändert sich bei der Protagonistin, auch ihre Kleidung passt sich immer mehr der Umgebung an. "Inzwischen habe ich mir aus einer getrocknete Rehdecke Mokassins genäht." (vgl. Haushofer, S.211, Z. 11 f) Nachdem ihr alte Kleidung abgenutzt ist, muss sie sich damit beschäftigen, sich neue herzustellen. Dafür verwendet sie Tierprodukte oder sie trägt Herrenhemden mit gekürzten Ärmeln, die noch von Hugo vorhanden sind. Die Herrenhemden können aber auch eine Anspielung auf ihre männliche Gestalt sein, die ich bereits erläutert habe. Ihre Kleidung bezeichnet sie lediglich als eine "zweckentsprechende Ausrüstung", wobei das Aussehen keine Rolle mehr spielt. Auch dieser Punkt verliert im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung, da ihr Leben auf die Notwendigkeiten und wichtigen Dinge beschränkt ist.
4.3 Die Beziehung zwischen der Protagonistin und den Tieren im Roman "Die Wand":
Die Heldin der Wand hat eine besondere Beziehung zu ihren Tieren. Die Haustiere sind Trost in der Einsamkeit, Motivation zum Überleben, Verpflichtung und Familienersatz.
Zu Beginn des Romans gibt es Luchs, den Jagdhund der Kusine der Protagonistin und deren Mann. Kurz nach dem Erscheinen der Wand ändert sich das Verhalten zu dem Hund. Sie beginnt, Luchs wie einen Menschen zu behandeln. "Ich wußte, daß er für gewöhnlich nur am Morgen gefüttert wurde, aber ich mochte nicht allein essen." (vgl. Haushofer, S. 18, Z. 9 ff) Sie verändert die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Luchs bekommt immer dann etwas zu essen, wenn auch sie isst und auch die gleichen Speisen. Es ist ihr gleichgültig, dass das Fleisch sehr kostbar ist und es sie Überwindung kostet, es zu schießen. Sie behandelt Luchs wie einen gleichwertigen, menschlichen Partner.
Später bezeichnet sie ihn sogar als ihren Freund. "Luchs stand mir am nächsten, er war bald nicht nur mein Hund, sondern mein Freund, mein einziger Freund in einer Welt der Mühen und Einsamkeiten." (vgl. Haushofer, S. 39, Z. 38 ff) Es zeigt sich, dass sie sich einsam fühlt und Luchs der einzige Lichtblick in ihrem jetzigem Leben ist. Sie sehnt sich sehr nach Freunden. So schließt sie mit einem gewöhnlichen Hund eine Freundschaft, um jemanden zu haben, mit dem sie sprechen kann und dem sie ihre Sorgen und Ängste anvertrauen kann. Auch wenn er nicht antworten kann, so meint die Protagonistin, seine Haltung und seinen Gesichtsausdruck als Antwort deuten und verstehen zu können.
Sie lebt mit ihren Tieren wie in einer kleinen Familie zusammen. "Ich hatte ja nur noch die Tiere, und ich fing an, mich als Oberhaupt unserer merkwürdigen Familie zu fühlen." (vgl. Haushofer, S. 36, Z. 29 ff) Dies spiegelt erneut ihre Einsamkeit. Ihr bleibt keine andere Wahl, als sich mit den Tieren zusammenzuschliessen, da alle gegenseitig voneinander abhängig sind. Daraus ergibt sich automatisch die Konstellation einer Familie. Die Protagonistin muss die Tiere versorgen, wie eine Mutter es mit ihren Kinder tut, denn nur so können die Tiere überleben und ihr z.B. Milch liefern. Sie selbst bezeichnet die Familie als "merkwürdig", trotzdem gibt sie sie nicht auf, da die Tiere nicht nur eine Nahrungsquelle, sondern auch eine Motivation zum Leben sind und die Protagonistin eine Aufgabe haben muss, wofür sie lebt.
Bella ist in ihren Augen nicht nur eine einfache Kuh. "Nach allem, was wir gemeinsam erlebt haben. ist Bella mehr als meine Kuh geworden, eine arme geduldige Schwester, die ihr Los mit mehr Würde trägt, als ich." (vgl. Haushofer, S. 192, Z. 18 ff) Bella ist sehr ruhig, obwohl auch sie hinter der Wand eingesperrt ist. Doch für sie ist dies im Grunde nichts Neues, da sie es nicht anders gewohnt ist. Sie ist in ihrem Leben immer im Stall eingesperrt gewesen und durfte lediglich auf die Weide. Aber auch auf der Weide war sie nie frei. Dort wurde sie immer von einem Zaun umgeben, sodass sie auch dort eingesperrt war. Deshalb ist die Wand so gesehen nichts Neues für sie, und sie trägt es mit mehr Würde. Neu ist, dass sie hinter der Wand die einzige Kuh ist, aber auch das stört sie nicht. Durch die Ruhe, die Bella ausstrahlt, macht sie der Protagonistin Mut, ihre Situation genauso hinzunehmen und sich damit abzufinden. Die Protagonistin bezeichnet Bella als "Schwester", weil sie sich mehr zu ihr hingezogen fühlt als zu Luchs. Dies mag daran liegen, da Bella weiblich ist und sie ähnlich fühlt und denkt wie die Protagonistin selbst.
Ihre Tiere verschaffen ihr immer neue Aufgaben. "Bellas Stall stellte mich auch damals im Juni vor neue Aufgaben." (vgl. Haushofer, S. 41, Z. 25 f) Durch die Tiere hat sie immer Beschäftigung, und sie muss sich überlegen, wie sie ein Problem, das sich ergibt, löst. Durch diese Aufgaben vergehen die Tage sehr schnell, und sie hat keine Zeit, über ihr Schicksal nachzudenken. Bestimmte Aufgaben können die Tiere nicht allein bewältigen. Sie sind auf die Hilfe der Frau angewiesen.
Die Protagonistin nimmt es hin, zum Wohl ihrer Tiere gesundheitlich zu leiden.. "Ich molk sie, und es ging schlechter als am Vortag, weil mir jeder Knochen weh tat." (vgl. Haushofer, S. 25, Z. 27 f) Trotz der Schmerzen arbeitet sie weiter, da die Tiere von ihr abhängig sind. Sie ist wiederum von der Motivation zum Leben, die die Tiere ihr liefern, abhängig und nimmt deswegen jeden Preis in Kauf.
Deshalb ist sie sehr besorgt um die Tiere und sieht sie in ständiger Gefahr. "Ich zitterte vor dem Tag, an dem sie (Perle; V.E.) ins Freie gehen würde" (vgl. Haushofer, S. 59, Z. 2 f) Am liebsten würde sie die Tiere Tag und Nacht beschützen. Dies ist jedoch nicht möglich, da sie selbst Erfahrungen machen müssen und auch die Protagonistin sie nicht vor dem Tod beschützen könnte, denn dieser könnte durch viele Umstände an jedem Ort eintreten. Es zeigt sich auch, dass die Protagonistin Angst vor der Einsamkeit hat und Angst hat, dass neugeborene Tiere wie Perle sterben, da sie ihr für einen längeren Zeitraum neue Aufgaben und neue Motivation fürs Leben verschaffen können als die alten Tiere, da diese eher sterben. Dadurch wäre auch das Leben der Protagonistin länger gesichert, weil immer neue Aufgaben anstehen würden, auch, wenn die alten Tiere tot wären.
Nach dem Tod ihrer Tiere fehlt ihr die Motivation für das Leben, denn nicht nur die Tiere waren auf sie angewiesen, sondern sie auch sehr stark auf die Tiere.
Luchs war wie ein Teil von ihr. " Er war mein sechster Sinn. Seit er tot ist, fühle ich mich wie ein Amputierter." (vgl. Haushofer, S. 121, Z. 15 f) Die Angst, das Ungewisse und die Abhängigkeit voneinander hat sie stark zusammengeschweißt, sodass sie nach seinem Tod zunächst nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll, und sie muss lernen ihr Leben neu und anders aufzubauen, wie auch ein Amputierter neu lernen muss, mit einem fehlenden Bein zu gehen. Nach einiger Zeit entsteht ein neuer Lebenswillen und man bekommt das Leben wieder in den Griff.
Sie weiss nicht, wie alles weitergehe n soll. " Ich weiß nicht, was geschehen wäre, hätte mich die Verantwortung für meine Tiere nicht dazu gezwungen, wenigstens die notwendigsten Dinge zu tun." Sie hat den ganzen Sinn des Lebens verloren. Nicht nur durch den Tod von Luchs, sondern auch durch den Tod der anderen Tiere. Die Tiere hatten ihr immer wieder neue Aufgaben verschafft, und sie hatte jeden Morgen ein Ziel vor Augen, was erledigt werden musste und sie sah, für wen sie dies tat. Sie sagt selbst, dass sie die Verantwortung für die Tiere ha tte und sie deshalb nicht aufgeben konnte. Nicht nur Luchs war ein Teil von ihr, sondern auch die anderen Tiere gehörten zu ihrem Leben fest dazu. Es ist, wie bereits beschrieben, dass sie sich wie eine Amputierte fühlt und nun beginnen muss, das Leben neu aufzubauen, wie sie es schon einmal tat, als sie plötzlich die Wand vor sich spürte.
Anders ist es mit den Waldtieren. " Die Aussicht auf derart mörderische Betätigung gefiel mir gar nicht, es blieb mir aber auch keine Wahl, wenn ich mich und Luchs am Leben erhalten wollte." (vgl. Haushofer, S. 33, Z. 12 ff) Die Waldtiere sind ihre Nahrungsquelle, und sie ist auf das Fleisch bei ihren harten Arbeiten angewiesen. Sie muss sich entscheiden, ob sie oder das Wild leben soll. Wenn sie sich für das Wild entscheiden würde, hätte es nicht nur ihren Tod, sondern auch den Tod ihrer ganzen Tiere zur Folge. Es fällt ihr sehr schwer, das Wild zu töten, da es mit zum Leben der Protagonistin gehört und ebenfalls das Leid der Wand ertragen muss und sich nicht mehr ungehindert im Wald und überall hin bewegen kann. Sie lernt, ihre Hirsche von anderen zu unterscheiden. Das macht es ihr noch schwerer, sie zu töten.
4.4 Die Reaktion der Protagonistin auf Menschen im Roman "Die Wand":
Die Protagonistin der Wand war vor der Isolation der Außenwelt stark in den Alltag eingebunden. Sie hatte eine Familie und Kinder, für die sie sorgte. Den letzten menschlichen Kontakt hatte sie am Abend vor der Katastrophe zu Hugo und Luise. Nach der Katastrophe muss sie lernen, mit ihren Tie ren zusammenzuleben ohne menschlichen Kontakt. Sie kümmert sich um die Schwächeren. Erst zum Schluss des Romans taucht ein Mann auf. Er ist eine Bedrohung. "Ein Mensch, ein fremder Mann stand auf der Weide, und vor ihm lag Stier. Ich konnte sehen, daß er tot war, ein riesiger brauner Hügel."
(vgl. Haushofer, S. 223, Z. 32 ff)
Die Protagonistin ist von diesem Ereignis geschockt, da der Mann ohne erkennbaren Grund ihre Tiere, Luchs und Stier, getötet hat. Daraufhin erschießt sie ihn im Affekt. Der Mann ist so gesehen in ihre kleine Familie eingedrungen und hat zwei ihrer Familienmitglieder getötet. Ihr Handeln zeigt, dass sie ihre Tiere als gleichwertige Partner behandelt und sogar den letzten Menschen für sie tötet und sie die Tiere ihm vorzieht. Sie lebt lieber mit ihren Tieren zusammen als mit Menschen. In der Zeit, in der sie mit den Tieren zusammen gelebt hat, hat sie sich so stark an dieses Leben gewöhnt, dass sie es nicht mehr umändern will.
Sie kann sich nicht mehr vorstellen, jemals wieder mit Menschen zusammenzuleben. "Es wäre auch nicht gut für mich, mit einem schwächeren Partner zusammen zu sein, ich würde einen Schatten aus ihm machen und ihn zu Tode versorgen." (vgl. Haushofer, S. 52, Z. 6 ff) Ihre Tiere hingegen können nicht genug versorgt werden, da sie nicht die Fähigkeit besitzen, z.B. sich selbst etwas zu essen zu kochen, wie es ein Mensch könnte. Deshalb bevorzugt die Frau das Zusammenleben mit Tieren, sodass sie ihre Aufgaben behält und keine Zeit hat, über die Geschehnisse nachzudenken. Mit einer alten Frau könnte sie sich als einziges ein Zusammenleben vorstellen, wenn sie witzig wäre. (vgl. S.52) Widerum müsste die Protagonistin damit rechnen, dass die alte Frau stirbt und ihr fehlen würde. Aus diesem Grund ist ist glücklich, nur mit ihren Tieren zu leben.
4.5 Analyse der Erzählung "Die Verwandlung" von Franz Kafka und Vergleich zum Roman "Die Wand"
Auch in Franz Kafkas Erzählung "Die Verwandlung" macht der Protagonist eine Verwandlung durch wie die Protagonistin im Roman "Die Wand". Mit der äußeren Verwandlung wird der Leser in der Erzählung schon in den ersten Zeilen konfrontiert. "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt." (vgl. Kafka, S. 5, Z. 1 ff) Unterschiedlich ist zu dem Roman von Marlen Haushofer, dass der Protagonist vom Äusseren her keinem Menschen mehr gleicht. Er kann nicht mehr sprechen, später nicht mehr richtig sehen, nur noch krabbeln und nimmt andere Nahrung zu sich. Gregor Samsa ist unbeweglich und fühlt sich durch seinen Panzer eingeengt, dies sagen die Worte "zu kleines Menschenzimmer" (vgl. Kafka, S.5, Z. 13 f) aus. Außerdem wird sein Körper als ein von "bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch" beschrieben (S. 5). Dies spiegelt erneut die Unbeweglichkeit Samsas. Die Frau im anderen Roman hat dagegen große Angst vor der Verwandlung zu einem unbekannten Wesen.
Zu Beginn des Romans ist Gregor Samsa bereits ein Ungeziefer, kann es jedoch nicht glauben. "Wie wäre es, wenn ich noch ein wenig weiterschliefe und alle Narrheiten vergäß, dachte er (...) . (vgl. Kafka, S. 5, Z. 26 ff) Hier gibt es eine Gemeinsamkeit zum Roman "Die Wand". Auch Gregor Samsa sieht die Verwandlung nicht als endgültig an, ebenso wie die namenlose Protagonistin. Deutlich wird dies auch durch die Worte "unruhige Träume". Auf sie führt er zunächst die Verwandlung zurück. Gregor Samsa will es nicht wahrhaben und am liebsten noch einmal einschlafen, um alles zu vergessen und vielleicht eine veränderte Situation beim erneuten Aufwachen vorzufinden. Die gleichen Gedanken hat auch die Protagonistin der Wand. Beide hoffen darauf, dass es sich lediglich um eine Übergangsphase handelt.
Gregor Samsa schiebt die Verwandlung auf seinen anstrengenden Beruf als Reisender. Die Protagonistin der Wand sucht den Beginn der Verwandlung dagegen nicht bei sich, sondern hält die Wand für eine Erfindung. Gregor Samsa sagt über seinen Beruf, dass dieser ihn "ganz blödsinnig" macht.(S. 6) Seine ersten Gedanken, die er nach der Verwandlung hat, wenden sich an seinen Beruf, während die Protagonistin in Marlen Haushofers Roman sich Gedanken über die Zukunft macht. "Wenn ich mich nicht wegen meiner Eltern zurückhielte, ich hätte längst gekündigt, ich wäre vor den Chef hingetreten und hätte ihm meine Meinung von Grund des Herzens aus gesagt." (vgl. Kafka, S. 6, Z. 27 ff) Dies zeigt, dass er sehr unglücklich über seinen Beruf ist und nur seinen Eltern zuliebe nicht kündigt, um deren Schulden zu bezahlen. Auch die Protagonistin des anderen Romans war in ihrem Leben vor der Verwandlung nicht zufrieden und fühlte sich nicht frei. Sie war "immer eingezwängt in eine beklemmende Fülle von Pflichten und Sorgen." (vgl. Haushofer, S. 66) Gregor Samsa hat bis zur Verwandlung die Rolle des Familienernährers getragen. Seine Gedanken, dass er am liebsten kündigen würde, wenn es ginge, zeigen, dass er nur äußerlich zum Ungeziefer wird und im Inneren noch menschlich denken und auch ihre Sprache verstehen kann.
Am Morgen der Verwandlung kommt der Prokurist, Gregors Arbeitgeber, in die Wohnung der Familie Samsa. Der Prokurist weiß, dass Gregor Samsa aufgrund der Schulden auf seinen Beruf angewiesen ist und benutzt dies als Druckmittel. "Ich spreche hier im Namen Ihrer Eltern und Ihres Chefs und bitte Sie ganz ernsthaft um eine augenblickliche, deutliche Erklärung." (vgl. Kafka, S. 14, Z. 15 ff) Gregor weiß nun nicht, wie er sich verhalten soll. Einerseits hat er Angst, dass ihm gekündigt wird, wenn er in seinem Zimmer bleibt, andererseits hat er Angst, dass ihm gekündigt wird, wenn der Prokurist ihn in dieser Gestalt zu sehen bekommt.
Auch nach der Verwandlung steht bei Gregor Samsa die Familie im Vordergrund. "Halten Sie sich nur nicht auf, Herr Prokurist; ich bin gleich selbst im Geschäft, und haben Sie die Güte, das zu sagen und mich dem Herrn Chef zu empfehlen!" (vgl. Kafka, S. 15, Z. 19 ff) Er denkt nicht an seine veränderte Gestalt und an sein Wohl, sondern nur an das Wohl und die Schulden der Eltern. Ihm käme es nicht in den Sinn, dem Prokuristen zu erzählen, dass er krank sei, um seinen Job nicht zu verlieren. Eine solche Szene finden wir in dem Roman "Die Wand" nicht vor, da die Protagonistin aus der alten Umgebung komplett herausgerissen wird.
Als der Prokurist Gregor zum Ungeziefer verwandelt sieht, flüchtet er. Gregor verfolgt ihn. Er fühlt dabei zum ersten Mal "körperliches Wohlbehagen" (vgl.Kafka, S. 21, Z. 13 f , als er auf seinen Beinen läuft. Er hat sich in diesem Moment von seinen alten Gewohnheiten gelöst und fühlt sich frei.
Im zweiten Kapitel wird eine deutliche Verwandlung Gregors im Gegensatz zum ersten Kapitel sichtbar. Gregor beginnt, sich wie ein Tier oder ein Ungeziefer zu verhalten. "(...) so schmeckte ihm überdies die Milch, die sonst sein Lieblingsgetränk war, und die ihm gewiß die Schwester deshalb hereingestellt hatte, gar nicht, ja er wandte sich fast mit Widerwillen von dem Napf ab und kroch in die Zimmermitte zurück."(vgl. Kafka, S. 24, Z. 29 ff) Er stellt sich von der menschlichen Ernährung auf die eines Ungeziefers um. Er liebt von nun an z. B. "altes halbverfaultes Gemüse" (vgl. Kafka, S. 27, Z. 10 f) Außerdem beginnt er, wie ein Ungeziefer zu krabbeln. Auch die Protagonistin aus dem Roman "Die Wand" stellt ihre Ernährung um. Sie tut es jedoch zwangsweise, da sie ihre Lieblingsspeisen in ihrem Waldgefängnis nicht vorfindet und nicht, weil sich ihr Geschmack verändert hat.
Zu Beginn der Verwandlung sucht Gregor den Kontakt zu seiner Familie. "Während aber Gregor unmittelbar keine Neuigkeit erfahren konnte, erhorchte er manches aus den Nebenzimmern, und wo er nur einmal Stimmen hörte, lief er gleich zu der betreffenden Tür und drückte sich mit ganzem Leib an sie." (vgl. Kafka, S. 29, Z. 8 ff) Er sehnt sich nach dem Kontakt zur Außenwelt und möchte am Familienleben weiterhin teilhaben, auch wenn er hinter einer abgeschlossenen Tür lebt. Die Protagonistin der Wand sehnt sich zu Beginn des Romans auch nach einem Kontakt nach außen. Für sie ist es aber unmöglich, da sie anscheinend die einzige Überlebende ist und nicht von anderen Menschen eingesperrt wurde, wie es bei Gregor Samsa der Fall ist.
Schon kurze Zeit später isoliert sich Gregor jedoch immer mehr von seiner Familie. "Um ihr auch diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages auf seinem Rücken (...) das Leinentuch auf das Kanapee und ordnete es in einer solchen Weise an, daß er nun gänzlich verdeckt war, und daß die Schwester, selbst wenn sie sich bückte, ihn nicht sehen konnte." (vgl. Kafka, S. 34, Z. 16 ff) Er will es der Schwester nicht zumuten, ihn betrachten zu müssen und nimmt durch dieses Handeln Rücksicht. Es genügt ihm, sie in seiner Nähe zu haben und sie betrachten zu können. Die Protagonistin der Wand dagegen akzeptiert ihr verändertes Aussehen und versteckt sich nicht vor ihren Tieren. Sie ist der Meinung, dass diese sie lieben werden, egal, wie sie aussieht.
Nicht nur Gregor isoliert sich im Roman "Die Verwandlung", sondern auch die Familie zieht sich von ihm zurück. Dabei erkennt er nicht, dass er nur ausgebeutet wurde. "Man hatte sich eben daran gewöhnt, sowohl die Familie, als auch Gregor, man nahm das Geld dankbar an, er lieferte es gern ab, aber eine besondere Wärme wollte sich nicht mehr ergeben." (vgl. Kafka, S. 30, Z. 32 ff)
Es wird deutlich, dass Gregor kein besonders gutes Verhältnis zu seinen Eltern gehabt hat. Er musste arbeiten, ohne Geld für sich übrig zu haben und das, obwohl er die Arbeit nicht mochte. Selbst als er erfährt, dass die Eltern heimlich das übrige Geld gespart haben, ist er verständnisvoll. "Gregor, hinter seiner Türe, nickte eifrig, erfreut über diese unerwartete Vorsicht und Sparsamkeit."
(vgl Kafka, S. 31, Z. 34 ff) Anstatt enttäuscht zu sein, ist er erfreut und macht sich Sorgen um seine Familie, trotzdem sich diese von ihm abwendet und sich nicht um Gregor kümmert, im Gegensatz zu ihm, der immer für seine Familie da war.
Doch sein Verständnis für die wenige Zeit, die seine Familie für ihn aufbringt, nimmt im Laufe des Romans ab. "Das Aufräumen des Zimmers, das sie nun immer abends besorgte, konnte gar nicht mehr schneller getan sein." (vgl. Kafka, S. 48, Z. 3 f)
Es bedrückt ihn, da die Familie der einzige Kontakt zur Außenwelt ist. Er wird sogar agressiv und wütend über die "schlechte Wartung" (S. 47). Als in der Familie drei Zimmerherren auftauchen, werden sie im Gegensatz zu Gregor, der ein Familienmitglied ist, bevorzugt behandelt. Es ist das erste Mal, dass er er sich vernachlässigt fühlt. ">Ich habe ja Appetit<, sagte sich Gregor sorgenvoll, >aber nicht auf diese Dinge. Wie sich diese Zimmerherren nähren, und ich komme um!<" (vgl. Kafka, S. 51, Z. 35 ff) Gregor merkt, dass er für die Familie unwichtig geworden ist, da er kein Geld mehr verdient. Die Zimmerherren sind nun eine neue Einnahmequelle. Deshalb versucht die Familie, ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, ohne an viertes Familienmitglied zu denken.
Im Laufe des Romans nehmen die Eltern Gregor die Hoffnung auf eine Veränderung der Situation. "Sie räumten ihm sein Zimmer aus; nahmen ihm alles, was ihm lieb war; (...); lockerten jetzt den schon im Boden fest eingegrabenen Schreibtisch, an dem er als Handelsakademiker, als Bürgerschüler, ja sogar schon als Volksschüler seine Aufgaben geschrieben hatte,- da hatte er wirklich keine Zeit mehr, die guten Absichten zu prüfen, welc he die zwei Frauen hatten, deren Existenz er übrigens fast vergessen hatte, denn vor Erschöpfung arbeiteten sie schon stumm, und man hörte nur das schwere Tappen ihrer Füße." (vgl. Kafka, S. 39, Z. 13 ff) Dieses Zitat zeigt, dass Gregor die Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage noch nicht aufgegeben hat. Deshalb ist er enttäuscht, dass ihm alles genommen wird, was eine Bedeutung für ihn hat. Sein Schreibtisch ist ein Teil seiner Vergangenheit, der ihn immer begleitet hat von der Volksschule an. Plötzlich soll ihm dieser Teil des Lebens einfach genommen werden. Auch wenn es die Familie gut mit ihm meint und ihm mehr Platz zum Krabbeln verschaffen will, so ist Gregor gekränkt. Außerdem bemerkt er, dass sich seine Familie abwendet und meint ironisch, dass er sie fast vergessen habe. Aus der Sicht der Mutter und der Schwester ist diese Zitat anders zu deuten. Sie wollen lediglich das Beste für Gregor und denken, dass sie ihm einen Gefallen tun mit dem vielen Platz, der dadurch entsteht. Sie arbeiten dafür sehr schwer. Es wird jedoch nicht deutlich, ob dies aus Mitleid geschieht, weil sie sich eine lange Zeit gar nicht um Gregor gekümmert haben. Auch die Protagonistin der Wand hat zunächst Hoffnung auf Erlösung. Diese nimmt sie sich im Laufe der Zeit selbst, da der Wald zu ihrem Zuhause wird und sie sich immer mehr anpasst. Es geschieht in dem Roman nicht durch die Einwirkung dritter Personen.
Gregor riskiert bei dem Ausräumen des Zimmers, dass er von seiner Mutter und seiner Schwester gesehen wird, um das Bild einer Frau zu retten. "(...) da sah er im übrigen schon leeren Wand auffallend das Bild der in lauter Pelzwerk gekleideten Dame hängen, kroch eilends hinauf und preßte sich an das Glas, das ihn festhielt uns seinem heißen Bauch wohltat." (vgl. Kafka, S. 39, Z. 28 ff) Daran wird deutlich, dass Gregor Samsa nach wie vor menschlich denkt und fühlt, wie auch am ersten Tag der Verwandlung. Schon zu Beginn der Erzählung wird das Bild der Dame im Pelz aus einer Zeitschrift erwähnt. Er beschützt dieses Bild und is t von der Frau fasziniert. Sie tut seinem Bauch wohl und er möchte nicht darauf verzichten. Trotzdem kann sie auch als Kontrast zu ihm gesehen werden. Sie als edle Frau und er auf der anderen Seite als ein abstoßendes Ungeziefer. Die Pelzbekleidung kann auch dafür sprechen, dass Gregor sich zu der Dame hingezogen fühlt, da auch sein Leib von einem Pelz bedeckt ist. Trotz der menschlichen Empfindungen wird die teils vorhandene Verwandlung zu einem Ungeziefer sichtbar. Er krabbelt zu dem Bild an der Wand hoch und beginnt, nachts zu leben. Außerdem werden seine Augen im Laufe der Zeit schlechter.
Gregor sehnt sich während der Isolation nach menschlichem Kontakt, besonders zu seiner Schwester. "Gregor kroch noch ein Stück vorwärts und hielt den Kopf eng an den Boden, um möglicherweise ihren Blicken (denen der Schwester; V.E.) begegnen zu können." (vgl. Kafka, S. 53, Z. 25 ff) Er bezeichnet den Kontakt zu ihr sogar als "unbekannte Nahrung" (S.53), also einen sehr wichtigen Teil seines Lebens, ohne den er nicht mehr leben kann. Er tut alles dafür, um in ihrer Nähe zu sein und einen Blick auf sie werfen zu können. Für den Leser scheint es, als herrsche zwischen den Geschwistern eine erotische Beziehung. "(...), und Gregor würde sich bis zu ihrer Achsel erheben und ihren Hals küssen, den sie, seitdem sie ins Geschäft ging, frei ohne Band oder Kragen trug." (vgl. Kafka, S.54, Z. 10 f) Er ist davon überzeugt, dass sie dies alles zuließe, trotz seiner veränderten Gestalt. Außerdem ist es verwunderlich, dass Gregor bermerkt hat, dass Grete ihren Hals nicht mehr bedeckt trägt. Er muss also besonders auf sie geachtet haben, da seine Augen, wie bereits erwähnt, nicht mehr sehr gut sind. Als er eines Abends seine Schwester Violine spielen hört, ist er davon faziniert, sodass er zu ihr gelockt wird. Es ist nicht deutlich, ob es sich hierbei um eine menschliche oder eine typisch tierische Reaktion handelt. Die Musik kann auch als eine Art der Befreiung von ihm empfunden werden. Durch die Verwandlung kann er das Violinenspiel genießen und muss nicht seinen familiären Pflichten nachgehen. Derartig angedeutete Liebesbeziehungen kommen im Roman "Die Wand" nicht vor. Die Protagonistin wendet sich von den Menschen ab, anstatt dass sie Zuneigung verspürt.
Eines Tages kündigen die Zimmerherren, da sie Gregor entdeckt haben. Deshalb sind die Eltern und die Schwester fest entschlossen, Gregor loszuwerden. "Wir müssen versuchen, es loszuwerden." (vgl Kafka, S. 56, Z. 11 f) Sie nennen Gregor nicht mehr beim Namen und empfinden anscheinend nichts mehr für ihn, da sie ihn mit "Es" bezeichnen. Diese Enttäuschung kann Gregor nicht ertragen, weil er immer für seine Familie da war.
Zum Schluss der Erzählung fühlt Gregor sich selbst in seiner Gestalt nicht mehr wohl. "Er wunderte sich darüber nicht, eher kam es ihm unnatürlich vor, daß er sich bis jetzt tatsächlich mit diesen dünnen Beinchen hatte fortbewegen können." (vgl. Kafka, S. 58, Z. 36 f) Ihm wird klar, dass er dieses verwandelte Leben nicht weiterführen kann und er es seinen Eltern nicht länger zumuten will. Hierbei wird nicht ersichtlich, ob ihm diese Gedanken durch das Einreden der Eltern kommen. Er zieht sich nachdenklich zurück und stirbt. Seltsam ist es jedoch, dass er mit "Rührung und Liebe" (S. 59) an seine Familie zurückdenkt, obwohl sie ihm viel angetan haben, was sich auf seine Psyche ausgewirkt hat. Er gibt sich aber selbst die Schuld für seinen Tod und stirbt aus der Notwendigkeit seiner Eltern. Seinen Tod kann er widerum als Befreiung sehen, da er aus einem Leben voller Arbeit und Einsamkeit erlöst wird.
In dem Roman von Marlen Haushofer stirbt die Protagonistin nicht. Sie hat sich in ihrem Waldgefängnis eingelebt, und die Isolation von ihren Mitmenschen empfindet sie zum Schluss als Wohltat.
5. Schluss:
Nachdem beide Analysen abgeschlossen sind, bin ich froh, dass ich meine Gedanken verworfen habe, den Roman von Marlen Haushofer verschieden zu deuten. Ich denke, dass diese Arbeit zu umfangreich geworden und kein Referat für das zweite Semester gewesen wäre. Zu Beginn meiner Arbeit hatte ich mir Notizen zu den Deutungen gemacht und dabei bemerkt, dass die Arbeit sehr schnell hätte schiefgehen können durch die noch nicht so erfahrene Arbeit mit Sekundärliteratur.
Ich bin froh darüber, dass ich den Roman von Marlen Haushofer und die Erzählung von Franz Kafka nicht innerhalb eines Textes miteinander verglichen, sondern nacheinander analysiert habe. Marlen Haushofers Roman habe ich ohne Verweise auf Kafka gedeutet.. Bei der Analyse von "Die Verwandlung" habe ich des öfteren bei Parallelen zum anderen Roman darauf verwiesen, um der Aufgabenstellung nachzukommen, die Werke zu vergleichen.
Ich denke, wenn ich an diese Aufgabe anders herangegangen wäre und die Analyse in einem Text an den Leser gebracht hätte, wären einige Sachen unklar oder sogar unbehandelt geblieben.
Insgesamt hoffe und denke ich, dass das Referat verständlich geworden ist.
6. Literaturverzeichnis
Haushofer, Marlen: Die Wand.1963. Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart, 1986
Kafka, Franz: Die Verwandlung, Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 1995
KLG Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, Verlag edition text +kritik, München 1978; zu Marlen Haushofer von Iris Denneler
- Citation du texte
- viola Engel (Auteur), 2000, Haushofer, Marlen - Die Wand im Vergleich zu "Die Verwandlung" von Franz Kafka, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102103
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