Diese Arbeit analysiert, inwiefern die Novelle "Mon oncle Jules" (1883) von Guy Maupassant als Kritik an der damaligen Gesellschaft verstanden werden kann und auch heute noch als Ausgangspunkt einer kritischen Analyse unserer Gesellschaft dient.
Die Familie Davranche dient als Beispiel für die Habsucht und Gier der Gesellschaft nach wirtschaftlicher Macht und Sicherheit in einer Zeit der immer weiter fortschreitenden Industrialisierung. Darüber hinaus thematisiert die Novelle Maupassants auch, dass Werte wie Familie, Zusammenhalt und Ehrlichkeit in der modernen Welt immer mehr an Relevanz verlieren.
Die Novelle beschreibt die Situation einer armen Familie aus Havre in Frankreich, deren Hoffnungen auf Wohlstand auf Lügen eines Familienmitgliedes basieren.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Analyse der Novelle „Mon oncle Jules“ von Guy de Maupassant
2. Bibliographie
2.1 Primärliteratur
2.2 Sekundärliteratur
1. ANALYSE DER NOVELLE „MON ONCLE JULES“ VON GUY DE MAUPASSANT
Die Novelle „Mon oncle Jules“ von Guy de Maupassant, die im Jahre 1883 erstmals veröffentlicht wurde, beschreibt die Situation einer armen Familie aus Havre in Frank- reich, deren Hoffnungen auf Wohlstand auf Lügen eines Familienmitgliedes basieren. Im Folgenden wird analysiert inwiefern das Werk von Maupassant als Kritik an der damaligen Gesellschaft verstanden werden kann, und auch heute noch als Aus- gangspunkt einer kritischen Analyse unserer Gesellschaft dient.
Die Familie Davranche dient als Beispiel für die Habsucht und Gier der Gesellschaft nach wirtschaftlicher Macht und Sicherheit in einer Zeit der immer weiter fortschrei- tenden Industrialisierung. Darüber hinaus thematisiert die Novelle Maupassants auch, dass Werte wie Familie, Zusammenhalt und Ehrlichkeit in der modernen Welt immer mehr an Relevanz verlieren.
Die Novelle „Mon oncle Jules“ von Guy de Maupassant wird dem Leser auf zwei Ebe- nen übermittelt, wobei die Rahmenerzählung die erste Ebene bildet und die Binnen- erzählung die zweite.1 In dieser Rahmenerzählung, die die Binnengeschichte einlei- tet, schildert ein Kamerad von Joseph Davranche, welcher als homodiegetischer Er- zähler auftritt1, wie Joseph einem Bettler „cent sous“ gibt.2 Der Freund erklärt dem Erzähler, dass „ce misérable m’a rappelé une histoire que je vais te dire […]“.2 Nach dem Narratologen Gérad Genette bestimmt eine interne Fokalisierung die Perspekti- vierung der Novelle, sodass der Erzähler gleichzeitig auch als Figur der erzählten Welt, der sogenannten Diegese, fungiert.1 Die Rahmenerzählung der Novelle wird als Erzählerbericht übermittelt, der zeitlich gesehen als Szene dargestellt wird, da sich die Erzählzeit und die erzählte Zeit nahezu decken1, dies wird durch die direkte Rede
„Ce misérable m’a rappelé une histoire […]“ unterstützt.2 Außerdem werden die Er- eignisse der Handlung der Rahmenerzählung chronologisch erzählt und dieses ein- malige Ereignis wird dem Leser auch nur ein einziges Mal mitgeteilt, sodass es sich hier um eine singulative Frequenz nach Genette handelt.1 Laut Franz K. Stanzel wird die Rahmenerzählung durch eine Ich-Erzählsituation dargestellt, die sich dadurch auszeichnet, dass der Erzähler, der Kamerad von Joseph Davranche, auch als Figur der Diegese auftritt.1 Die Binnenerzählung der Novelle handelt von einer fünfköpfigen Familie aus Havre in Frankreich, die Familie „n’était pas riche“, worunter besonders
„[…] [la] mère souffrait beaucoup“.3 Die Familie des Erzählers besteht aus der Mutter Clarisse und dem Vater Philippe Davranche, seinen Schwestern und „[…] [son] oncle Jules, le frère de […] [son] père“.4 Auch der frisch angetraute Ehemann der jüngeren Schwester zählt seit Kurzem zur Familie.5 Joseph Davranche selbst, der Freund des Erzählers der Rahmenerzählung, berichtet seine Familiengeschichte und tritt so in Form einer intradiegetisch-homodiegetische Erzählinstanz auf, da er in der Binnener- zählung die Position des Erzählers annimmt und gleichzeitig als aktiv handelnde Figur der Novelle in den Vordergrund rückt.6 Maupassants Novelle wird nach Genette durch den Erzählerbericht mit einigen direkten Figurenreden übermittelt und von einer inter- nen Fokalisierung bestimmt.6 Durch diesen Erzählerbericht erlangt der Erzähler selbst Kontrolle über das Erzählte, jedoch erzeugt die Novelle durch den Erzählerbe- richt keine Illusion der Unmittelbarkeit, welche aber durch die Verwendung der direk- ten Rede der Figuren steigt.6 Die Erzählzeit ist um einiges kürzer als die erzählte Zeit, wodurch sich für die Dauer der Novelle eine Raffung der erzählten Zeit ergibt.6 Jedoch liegt an manchen Stellen auch eine Pause der erzählten Zeit vor, die der Erzähler durch Reflexionen oder Kommentare seinerseits kennzeichnet6, so auch bereits am Anfang der Novelle mit der Aussage „[…] j’aurais préféré autre chose“.3 Die Binnen- geschichte gilt generell als Rückblick auf ein vergangenes Ereignis aus dem Leben von Joseph Davranche, der als Erzählinstanz alle Ereignisse zeitlich chronologisch und singulativ wiedergibt.6 Nach F. K. Stanzel wird die Binnenerzählung, genau wie die Rahmenerzählung, durch eine Ich-Erzählsituation übermittelt, denn der Erzähler erzählt die Ereignisse aus der 1. Person Singular („J’avais deux sœurs“3) und ist selbst auch Figur der erzählten Welt.6 Die Titelfigur Jules, ist der Onkel des Erzählers Joseph Davranche, der zuerst als „le seul espoir de la famille“ beschrieben wird, wodurch deutlich wird, wie sehr sich die Familie an Onkel Jules, der als Symbol für die Hoffnung der Familie steht, klammert.4 Im Gegensatz dazu verdeutlicht der da- rauffolgende Satz „après en avoir été la terreur“, dass Jules sich große Fehler erlaubt haben muss, denn die Familie „ne parlât qu’à voix basse de cette période de sa vie“.4 Des Weiteren wird Jules als „le plus grand des crimes pour les familles pauvres“ dar- gestellt, was ebenfalls verdeutlicht, dass er für die Familie nicht als Bereicherung, sondern eher als Last gilt.4 Diese Textstelle gilt als eine der wichtigsten im Werk Maupassants, denn sie verdeutlicht, wie Jules durch seine Lügen Illusionen in seiner Familie geschaffen hat, die nun bereitwillig daran festhält, dass er ihnen finanzielle
Besserung bringen könnte. Denn Josephs Vater Philippe zählt auf das Erbe, welches sein Bruder Jules durch seine luxuriöse Lebensweise bis auf den letzten Groschen ausgegeben hat („Enfin l’oncle Jules avait notablement diminué l’héritage sur lequel compait mon père […]“)7 Somit gilt Jules, die Titelfigur, als Verantwortlicher für die sich immer weiter fortsetzende Armut seiner Familie. Daraufhin wird der Onkel von seiner Familie zu einem Schiff gebracht, dass ihn nach Amerika fahren soll, um dort das Geld zu verdienen, welches er seiner Familie schuldet („On l’avait embarqué pour l’Amérique […]“)7 Onkel Jules schreibt in einem „lettre [qui] causa dans la famille une émotion profonde.“, dass er Geld verdient und hofft seinen Bruder eines Tages ent- schädigen zu können.7 Durch diesen Brief schöpft die Familie Davranche neue Hoff- nung, denn Jules wird plötzlich als „un honnête homme, un garçon de cœur, un vrai Davranche“ beschrieben.7 So wird nicht nur deutlich, welche Illusionen durch Lügen geschaffen werden können, sondern auch, wie naiv die Eltern mit diesen Briefen um- gehen, da keiner der beiden diese jemals hinterfragt. Andererseits zeigt dies auch, wie verzweifelt die in Armut lebende Familie ist, denn sie ist bereit, alles zu glauben. Durch den zweiten Brief, der „deux ans plus tard“, ankommt, verstärkt sich die Illusion auf ein Leben im Wohlstand immer mehr.7 Somit wird für den Leser immer deutlicher, dass die Familie nicht um Jules Willen auf seine Rückkehr hofft, sondern nur auf sein vermeintliches Vermögen hofft. So kann an dieser Stelle sozialkritisch argumentiert werden, dass die Gesellschaft den Wert eines Individuums nur an deren wirtschaftli- cher Macht und Sicherheit misst. Auch die Familie Davranche misst Onkel Jules nicht an seiner Person als Wert, sondern an seinem vermeintlich verdienten Geld, woran er nicht ganz unschuldig ist, was auch die zweimalige Wiederholung der Phrase Philippes „Hein ! Si Jules était là-dedans, quelle surprise“ unterstreicht.8 Dass die Familie ihre finanzielle Rettung an Jules anknüpft, wird passenderweise immer sonn- tags bei dem obligatorischen Hafenspaziergang offensichtlich, bei dem sich vor allem der Vater vorstellt, Jules könnte aus einem der Schiffe steigen. Anlässlich dieser sonntäglichen Spaziergänge zum Hafen, macht sich die Familie Davranche derart schick, was fast schon überheblich wirkt und steht in starkem Kontrast zum alltägli- chen Leben der Familie, das durch Armut geprägt ist („Mais chaque dimanche nous allions faire notre tour de jetée en grande tenue […]“)8 Durch die einmalige Mitteilung dieses sich jeden Sonntag wiederholenden Ereignisses, gilt dieser Teil der Novelle nach Gérad Genette als iterative Frequenz.9 Diese Textstelle ist ebenfalls eine Schlüsselszene der Novelle, denn hier wird deutlich, dass die Familie besonders viel
Wert darauf legt, gegenüber der Gesellschaft den Schein einer wohlhabenden Fami- lie zu wahren, was auch als sozialkritische Deutungsmöglichkeit der Novelle gilt. Vor allem der Ausdruck „[…] ma mère, pavoisée comme un naivre un jour de fête“ ver- deutlicht, dass vor allem die Mutter, die am meisten unter der Armut leidet, diese Momente genießt, weil sie in diesen aus der Armut fliehen kann und sie ihre Familie nach außen hin so zeigen kann, wie sie es sich erträumt.10 So kann dies auch als Versuch, die Armut für einen Moment zu vergessen, und die Verzweiflung zu unter- graben, gedeutet werden. Zum Anlass der Heirat der jüngeren Tochter der Familie Davranche aus Havre, beschließt die ganze Familie „un petit voyage à Jersey“ anzu- treten.11 Angekommen auf dem Schiff, das die Familie ins englische Jersey fährt, fragt Vater Philippe: „Voulez-vous que je vous offre des huîtres?“, auch diese Stelle zeigt, dass die Familie den Schein, eine wohlhabenden Familie zu sein, durch wohlhabende Speisen, wie Austern zu wahren versucht.12 Clarisse lehnt das Angebot ihres Ehe- mannes „à cause de la dépense“ ab, schlägt aber vor, nur für die Kinder Austern zu kaufen.12 Durch dieses Verhalten der Mutter wird erneut deutlich, wie sehr sie unter der Armut leidet, was der Erzähler schon zu Beginn der Novelle hervorhebt („Ma mère souffrait beaucoup de la gêne où nous vivions“)13 Generell gilt, die Ereignisse der Handlung, die auf dem Schiff geschehen, fallen durch viele direkte Figurenreden auf, was die Erzählzeit verlangsamen soll, sodass sie sich nahezu mit der erzählten Zeit deckt.14 Dieser Umgang mit der Zeit des Erzählens deutet auf eine intensive Ausei- nandersetzung des Erzählers mit dem Thema der Novelle und auf die Bedeutsamkeit der Ereignisse, die sich auf dem Schiff vollziehen, hin. Auf dem Schiff stellt sich näm- lich dann heraus, dass „[…] cet homme qui ouvre les huîtres ressemble à Jules“.12 Diese Aussage von Philippe gegenüber Clarisse gilt für die beiden als so unwahr- scheinlich, dass Clarisse ihren Ehemann daraufhin fragt „Quel Jules“ er doch meine, obwohl sie genau weiß, welcher Jules gemeint ist.12 Obwohl der Vater unterbewusst weiß, dass es sich um seinen Bruder Jules handelt, will er die Situation nicht wahrha- ben und redet sich weiterhin ein, sein Bruder sei „en Amérique“, um Geld zu verdie- nen.15 Seine Ehefrau Clarisse äußert daraufhin ihre Angst „[…] que ce garnement ne nous retombe pas sur le bras“, was verdeutlicht, dass Jules Wert als Person auch in dieser Situation an seinem Vermögen gemessen wird und nicht an seiner selbst.16 Auch diese Textstelle verdeutlicht die Naivität der Eltern, da sie einer so eindeutigen
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- Citation du texte
- Anonyme,, 2020, Sozialkritische Deutungsmöglichkeiten der Novelle "Mon oncle Jules" von Guy de Maupassant, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1020799
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