Inhalt
1. Historische Einleitung1
2. Entstehung und Inhalt der Mathematik des Jonglierens
a. Von der Beschreibung von Jongliermustern
b. ... zur zahlenmäßigen Erfassung
3. Site-Swaps
a. Mathematische Herleitung
b. Vorstellungshilfen und praktischer Nutzen
4. Site-Swaps und die Anzahl der Bälle
5. Anzahl der gültigen Site-Swaps
6. Verhältnis verschiedener Zeiten zueinander
7. Rückkehrsatz
8. Grafische Jongliernotationen
a. Notation nach Tiemann
Abb. 1
b. Ladder Notation
c. Causal Diagrams
9.Schlußbemerkung
10.Literaturverzeichnis
1. Historische Einleitung
Jonglieren ist eine Kunst, die seit Jahrhunderten in aller Welt verbreitet ist. Schon aus der Zeit des Mittleren Reiches Ägypten ist eine Darstellung jonglierender Frauen überliefert (Abb. 2)2. Auch Griechen und Römer erfreuten sich des Spiels mit Bällen. Die Entwicklung des Jonglierens zu einer Zirkuskunst erfolgte jedoch erst ab 18703.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Altägyptisches Grabrelief (ungefähr 1994-1781 v.C.)
Die Bezeichnung „Jonglieren“ umfaßt viele verschiedene Techniken, die sich in dem
Punkt gleichen, daß Objekte auf eine bestimmte Art und Weise in der Luft gehalten werden. Normalerweise versteht man unter dem Begriff Jonglieren die Kunst, eine beliebige Anzahl von Objekten - meist Bälle, Keulen oder Ringe - mit den Händen zu manipulieren. Im Allgemeinen zählen auch Diabolo, Devil-Stick und Cigar-Boxes zu den
„Werkzeugen“ eines Jongleurs.
2. Entstehung und Inhalt der Mathematik des Jonglierens
a. Von der Beschreibung von Jongliermustern...
Die Mathematik des Jonglierens entstand primär durch das Bedürfnis eines jeden Jongleurs, immer neue Tricks und Jongliermuster zu erlernen. Die Schwierigkeit des Lernens liegt jedoch nicht allein im langwierigen Prozeß, die eigenen Hände dazu zu bringen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort den richtigen Ball aufzufangen und wieder zu werfen, sie liegt auch darin, einen Trick mitzuteilen und ihn sich zu merken, solange man ihn noch nicht beherrscht. Meist sieht man ein unbekanntes Jongliermuster bei einem Jongliertreffen oder einer Aufführung und hat dann häufig nur wenige Minuten Zeit, sich den entsprechenden Trick erklären zu lassen. Eine Möglichkeit ist selbstverständlich,
jede einzelne Phase eines Jongliermusters aufzumalen, jede einzelne Position eines jeden Balls. Da dies in der Regel sehr zeitaufwendig ist, haben sich verschiedene Gruppen von jonglierenden Mathematikern damit beschäftigt, Jongliermuster in Zahlen zu fassen und sie somit kurz aber eindeutig beschreiben zu können.
b. ... zur zahlenmäßigen Erfassung
Bengt Magnusson und Bruce Tiemann vom California Institut of Technology in Pasadena, Paul Klimek von der University of California in Santa Cruz sowie Colin Wright und Michael Day von der Cambridge University haben unabhängig voneinander um 1985 eine Notation erfunden, die erst später vereinheitlicht und unter dem Namen Site-Swap-Notation bekannt wurde4. Es ist nicht festzustellen, wer der eigentliche Erfinder dieser Site-Swaps ist, sie sind eine Art Zusammenfassung der Ergebnisse, die die verschiedenen Gruppen zu Papier gebracht haben, denn die oben genannten Personen schreiben sich die Erfindung gegenseitig zu.
In der Folgezeit entstanden an vielen Universitäten Jongliergruppen, die sich auch mit der Jongliertheorie befaßten. In Deutschland wurde Anfang der neunziger Jahre eine Jongliertheoretische Arbeitsgemeinschaft (Jota) gegründet, die 1992 einen jongliertheoretischen Kongreß veranstaltete, der nach Workshops in Freiburg, Banyoles und Erlangen mit sechs Teilnehmern zum bis dahin weltgrößten wurde5.
An dieser geringen Teilnehmerzahl kann man auch deutlich erkennen, wie verbreitet die Mathematik des Jonglierens ist. Weltweit gibt es etwa 30 Menschen, die über dieses Thema publiziert haben, wobei darin auch Artikel über die Physik des Jonglierens, über Jonglierroboter und Simulationsprogramme eingeschlossen sind. In der Zeitung der International Juggler’s Association verfaßt Arthur Lewbel in jeder Ausgabe eine Kolumne unter dem Titel „The Academic Juggler“, die sich immer wieder mit Jongliertheoretischem befaßt6.
3. Site-Swaps
a. Mathematische Herleitung
Um ein Jongliermuster zu beschreiben und festzuhalten, müßte man eigentlich für jeden Bruchteil einer Sekunde den Ort und die Geschwindigkeit jedes einzelnen Balles, den Zustand jedes Muskels des Jongleurs und am besten noch den darin verborgenen „Lach-“ oder „Erstaunfaktor“ des Publikums notieren. Da dies jedoch nie möglich sein wird, beginnt man - wie alle Wissenschaftler das tun - mit dem Ignorieren aller irrelevanten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.3: Drei-Ball-Kaskade
Details. Von nun an ist es belanglos, welche Art von Objekten - der Gewohnheit halber im folgenden Bälle genannt - jongliert werden, welche Flugbahn sie beschreiben und wie viele Jongleure beteiligt sind7.
Dabei reduziert sich das Können einiger Jongleure schon auf drei Grundmuster: Kaskade (Abb. 3 8 ), Shower (Abb. 4 9 ) und Wasserfall (Abb. 5 10 ).
Effektvolle Tricks wie das Werfen unter den Beinen oder hinter dem Rücken entlang sind lediglich Abwandlungen der einfachen Drei-Ball-Kaskade.
Als nächstes definiert man einige Voraussetzungen, die bei der Beschreibung der Jongliermuster gelten sollen. Betrachtet man die Zeitpunkte t, zu denen ein Ball geworfen wird, setzt man voraus, daß diese Zeitpunkte t periodisch auftreten, daß pro t jeweils nur ein Ball geworfen wird (es gibt auch Tricks, die auf dem gleichzeitigen Werfen verschiedener Bälle basieren) und daß die Bälle wiederholt geworfen werden. Die Anzahl der Bälle sei B.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 DANCEY ’94, S. 3 vor 1
2 SHANNON ‘93, S. 850
3 BEEK ‘96, S. 80
4 BUHLER ‘94, S. 507
5 BÄRMANN ‘93-1, S. 35
6 LEWBEL ‘88-‘93
7 BUHLER ‘94, S. 507
8 BUHLER ‘94, S. 508
9 BUHLER ‘94, S. 510
10 BUHLER ‘94, S 509
- Citation du texte
- Kunigk, Dietrich (Auteur), 1996, Mathematik des Jonglierens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101918
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