Inhalt
1 Jürgen Habermas – Zeittafel
1.1 Lebensgeschichtliche Perspektiven
2 Kritische Theorie
2.1 Normatives Telos: Emanzipation
2.2 J. Habermas: Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Skizze
3 (Entwicklungs-) Psychologische Perspektiven
3.1 J. Piaget: Vier Stufen der kognitiven Entwicklung
3.2 L.Kohlberg: Stages of Moral Consciousness
4 Moralentwicklung und Ich-Identität
4.1 Kognitive Entwicklungsstufen und Stufen des Moralischen Bewußtseins
4.2 Qualifikationen des Rollenhandelns und Strukturen kommunikativen Handelns
4.3 Rollenkompetenz und Stufen des moralischen Bewußtseins
5 Vervollständigung des Kohlberg-Schemas 6 Kritische Würdigung
1 Zeittafel
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.1 Lebensgeschichtliche Perspektiven
Habermas wächst in einem kleinstädtischen Milieu auf, das durch Anpassung an die politische Umgebung geprägt war. Das Kriegsende erlebt er mit fünfzehn Jahren. Nunmehr konnte ihm bewußt werden, in einem politisch kriminellen System gelebt zu haben. Die Hoffnung auf grundlegende Veränderung wurde enttäuscht: Die Berufung Seebohms[1] in das Kabinett der BRD und die Kritiklosigkeit Heideggers[2], der seither ein Vorbild für Habermas war, deuteten auf Kontinuität hin. Das Moralische Bewußtsein als Korrektiv des technisch-instrumentellen Denkens, das offensichtlich auf Beherrschung abzielt, und der geschichtliche Brüche, wie z.B. den Totalitarismus wie z.B. den Totalitarismus, wurde fortan Gegenstand seiner Forschung. Besonders diese Grundannahme begründet seine Zugehörigkeit zur Philosophie der Kritische Theorie.
2 Kritische Theorie
Diese Theorie nimmt die Marxsche Kapitalismuskritik auf, berücksichtigt jedoch stärker die Phänomene des Bewußtseins. Denn eine Kritische Theorie konnte nicht (kritiklos) im Sinne Marxens weiterargumentieren, sondern hatte sich mit Phänomenen wie dem Faschismus auseinanderzusetzen, aber auch mit einer weitgehenden gesellschaftlichen Integration der Arbeiterklasse in den entwickelten Industriegesellschaften[3].
Der Grundgedanke der Marxschen Theorie, so auch der Kritischen Theorie ist die emanzipierte, also herrschaftsfreie Gesellschaft.
2.1 Normatives Telos
Emanzipation ist also normativ zu verstehen als Telos der Theorie. Emanzipation ist ein fortschreitender Prozeß, als eine fortschreitende Befreiung des Menschen von gesellschaftlichen (z.B. ökonomischen) Zwängen, die den Menschen in Unmündigkeit und Abhängigkeiten halten. Sie ist also eine in die Zukunft projizierte ideale Ordnung.
Emanzipation ist jedoch keine nur gedachte Fiktion, sondern sowohl in der Ontogenese, wie in der Phylogenese enthaltendes Element der Entwicklung. Theorien der Entwicklungspsychologie, wie auch Gesellschaftstheorien nehmen Emanzipation als möglich an: Kohlberg und Piaget sehen in der Entwicklung des Heranwachsenden eine zunehmende Autonomisierung des Individuums. Die Theorie des Historischen Materialismus nimmt eine zunehmende Befreiung der großen Massen von der Herrschaft der Wenigen, also eine zunehmende Autonomisierung an.
Die Nähe dieser beiden Annahmen (Autonomisierung des Individuums und Autonomisierung einer Gesellschaft) begründet sich in der Tatsache, „ daß sie sich wechselseitig fordern [4] “.
2.2 J. Habermas: Zur Rekonstruktion des Historischen Matrialismus, Skizze über die Einleitung
So ist es für Habermas naheliegend, zu versuchen von der Ontogenese auf die Phylogenese zu schließen:[5]
„Die Strukturen sprachlich hergestellter Intersubjektivität sind gleichermaßen konstitutiv für Gesellschafts- wie für Persönlichkeitssysteme. Gesellschaftssysteme können als Netzwerke kommunikativer Handlungen aufgefaßt werden;
Persönlichkeitssysteme lassen sich unter dem Aspekt der Sprach- und Handlungsfähigkeit betrachten. (...)“[6]
„ Trotz aller Vorbehalte “, so Habermas selbst vermutet er Homologien in beiden Bereichen, zumindest dort, wo sich Moral und Recht manifestieren: in der kognitiven Entwicklung des Individuums, sowie in der Evolution von Weltbildern. So ließen sich die Homologien in jeweils vier Stadien einteilen. Habermas macht sich das Stufenmodell Jean Piagets zu Nutze, auf das ich später infolge noch eingehen möchte. Er stellt der präoperationalen Phase der Individualpsychologie die gattungsgeschichtliche Entwicklungsstufe gegenüber, in der die Menschen im Stammesverband lebten. Beide Weltauffassungen scheinen nach innen zentriert: beim Kind auf das eigene Ich, beim Stammesverband auf sein Zentrum.
Die Stufe der konkreten Operationen finden scheinbar ihre Homologien in den archaischen Kulturen, in denen Mythen die Legitimation von Herrschaftsordnungen übernehmen.
Die weitere Entwicklung zu den Hochkulturen bringen Hochreligionen, Philosophien und kosmologische Weltbilder hervor, sowie explizit lehrbares Wissen, das zunächst der Dogmatisierung fähig ist. Die obersten Prinzipien verlieren ihren fraglosen Charakter mit der Reformation und später mit der Aufklärung „die Einheit der Welt (...) kann nicht länger über einheitsstiftende Prinzipien (Gott, Sein, Natur) gesichert werden, sie kann nunmehr reflexiv über die Einheit der Vernunft behauptet werden.“[7] Diesen Prozess der Dezentrierung sieht Habermas homolog zur formal-operationalen Phase der Ontogenese.
Soviel nur zur Einleitung, in der Habermas zeigt, wie eine Theorie des Historischen Materialismus womöglich auch heute rekonstruierbar ist.
[...]
[1] Seebohm, Hans-Christoph: (1903-1967) seit 1933 in hohen Positionen in der Industrie, von 1945 für die DP im Bundestag, seit 1955 für die CDU;
[2] Heidegger, Martin, (1889-1976) der seine Vorlesung „Einführung in die Metaphysik“, ein Text aus dem Jahre 1935, ohne ein Wort der Erklärung 1953 veröffentlichte,
[3] nach: Geschichte, Lexikon der wissenschaftlichen Grundbegriffe, M. Asendorf, J. Flemming, Rowohlt, Hamburg 1994, S. 400,f
[4] Habermas, Jürgen, Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Suhrkamp 1995 / VI. Frf./M., S. 64
[5] ebenda, erstes Kapitel
[6] ebenda, S. 12
[7] ebenda S. 19,20
- Quote paper
- Hannes Barske (Author), 2000, Moralbewußtsein und Ich-Identität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101904
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