,, Das Bild der Schlacht am Isonzo" von Günter Kunert
Die Parabel ,, Das Bild der Schlacht am Isonzo" ist 1968 von Günter Kunert verfasst.
Der Autor, welcher auch unter dem Namen Dieter Prenzl bekannt ist, wurde am 6.3.1929 in Berlin geboren. Er gilt als einer der produktivsten und geistreichsten Dichter der Nachkriegszeit. In seinen teils beklemmenden Gedichten und grotesk- verzerrten Prosaminiaturen schildert er anhand von genau beobachteten Alltagssituationen oder mit Hilfe mythischer Motive die entfremdete Rolle des Individuums innerhalb der modernen Gesellschaft.
Seine Lyrik sucht die Gräuel des Nationalsozialismus und des Krieges zu verarbeiten, denn dem Sohn einer jüdischen Mutter wurde beispielsweise in den vierziger Jahren aus ,,rassischen Gründen" die Ausbildung auf der Oberschule verwehrt. In der Isolation einer engen Wohnung und ständig von der möglichen Deportation in eines der faschistischen Vernichtungslager bedroht, suchte er in seiner Kindheit sich autodidaktisch zu bilden und wurde durch die glücklicherweise reich bestückte Bibliothek seiner Eltern mit der Weltliteratur vertraut. Kunert steht in aufklärerischer Tradition: Er möchte die Leser für Probleme sensibilisieren und appelliert an Vernunft und Mitmenschlichkeit. Wie viele seiner Schriftstellerkollegen kritisierte er die realsozialistische Wirklichkeit und trat für einen demokratischen Sozialismus ein. Mit der Unbeweglichkeit der Machthaber wurde Kunert jedoch schon sehr früh konfrontiert: Sein Gedichtband ,, Echos " z.B., in dem er die Zustände in der DDR kritisiert, durfte nur in veränderter Fassung unter dem Titel ,,Der ungebetene Gast" (1965) erscheinen.
Seine Parabel ,,Das Bild der Schlacht am Isonzo" beschreibt zunächst das Gemälde, welches die Ereignisse der Isonzoschlacht zwischen den Italienern und den Österreichern im I. Weltkrieg darstellt. Der Maler, der selbst ein Soldat am Isonzo, einem Fluss in Italien, mitkämpfte, fertigte das Bild mit noch frischen Erinnerungen an die Schlacht an. Im Vordergrund zeigt es in grausamer Weise die leidenden Sterbenden und die respektlos behandelten Toten als tiefgreifendste, schlimmste Eindrücke des Kampfes. Dahinter sind kämpfende Soldaten dargestellt, die sich ängstlich ihrer Pflicht ergeben. Im Hintergrund sitzen, unbeeindruckt von der Schlacht, sich amüsierende Offiziere, die sich ausgelassen vergnügen und sogar Kriegsausrüstungen zu ihrem eigenen Profit verkaufen.
Als eines Tages ein General den Maler besucht, um sich von ihm porträtieren zu lassen, fällt ihm jenes Bild ins Auge. Erschrocken von der brutalen, ungeschminkten Darstellung des Kampfes behauptet er das Bild lüge. Nach genauerem Betrachten des Gemäldes entdeckt er jedoch eine kleine Gestalt, die heldenmütig und kampfesfroh auf das Schlachtfeld spaziert und sogar singt. Dieses Detail lässt sich der General ausschneiden und einrahmen, um künftigen Generationen ein positives Bild von der Schlacht am Isonzo zu bewahren.
Wie die Fabel entstammt die Parabel der Rhetorik, ist eine gleichnishafte Lehrdichtung und im Orient beheimatet. Sie ist jedoch viel später als die Fabel zu einer selbstständigen Kunstform geworden, denn sie blieb lange ein Bestandteil der religiösen Lehrdichtung. Wir kennen sie unter dem Namen ,,Gleichnis" als die Form der Unterweisung Jesu; im Hebräischen heisst sie ,,Maschal". Nach ihrer Loslösung von der geistlichen Rede versuchte man wiederholt, sie von der Fabel abzusetzen, wobei man eine der beiden zum Oberbegriff erklärte. Fragwürdig sind alle diese Versuche.
Dem heutigen Sprachgebrauch entspricht am ehesten folgende Abgrenzung: Die Parabel schildert einen in der Wirklichkeit möglichen Vorgang, während die Fabel ein Phantasiegebilde ist; denn in ihr sprechen Tiere und Steine. - Man hat die Parabel auch ,,menschliche Fabel" genannt.
Ihren Höhepunkt als selbstständige Kunstform erlebte die Parabel erst im 20. Jahrhundert. Sie erfasste zwei Bereiche, die schon in ihrem Ursprung angelegt sind: die religiöse und die politische Belehrung. Martin Buber sammelte Legenden und Parabeln der jüdischen Mystik und erzählte sie nach. Aus jüdischem Geist stammen auch die Parabeln Kafkas, deren immer wiederkehrendes Thema die Unergründlichkeit des Daseins ist. Selbst seine Romane sind ausgedehnte Parabeln.
Brecht benutzte die parabolische Form in Lehrstücken und Balladen, um soziale Zustände bloßzulegen. Keine andere Form eignet sich besser, den Menschen zum Nachdenken zu zwingen, denn Distanz und V- Effekt sind ihr immanent.
Auch in Kunerts Parabel ,,Das Bild der Schlacht am Isonzo" wird an einer beispielhaften Handlung eine allgemeine Einsicht oder Verhaltensregel sinnfällig. Anhand eines bildhaften Beispiels wird der Leser angeregt den entsprechenden Sachverhalt zu finden.
Die, wie eine Erzählung verfasste, Parabel beruft sich dabei auf das historische Ereignis der Schlacht am Isonzo. Im ersten Weltkrieg war das Tal des Isonzo Schauplatz vieler Schlachten zwischen den italienischen und österreichisch- deutschen Streitkräften. Nach den insgesamt 12 Schlachten, die zwischen 1915 und 1917 ausgetragen wurden, gelang den Österreichern mit deutscher Hilfe der Durchbruch der vom Golf von Triest bis in die Julischen Alpen verlaufenden Front. Nach dem Krieg wurde das Gebiet allerdings sowie andere österreichische Gebiete an Italien abgetreten.
,,Das Bild der Schlacht am Isonzo" lässt sich in drei Abschnitte gliedern: Die Exposition ist in den ersten zwei Zeilen zu finden und klärt die Beziehung zwischen der Schlacht, dem Maler und seinem Bild. Daraus ergibt sich, dass der Maler selbst einmal in der Schlacht gewesen ist und auf diesem Wege diese schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten sucht. Der Maler, als Vertreter der Soldaten, und als offensichtlicher Kriegsgegner mag mit seiner Darstellung der Schlacht etwas übertrieben haben, will jedoch die Ereignisse im Großen und Ganzen verhältnismäßig wirklichkeitsnah widerspiegeln Er hat weder verdrängt, noch unterschlagen, dass es sehr wohl Soldaten gab, die mit Leib und Seele für ihr Vaterland in den Krieg zogen. Dass diese Männer in der Minderheit waren, zeigt er indem er die Figur klein und unscheinbar malte. Die negativen Kriegserinnerungen überwiegen für ihn.
Ab Zeile 2 bis 8 beschreibt Kunert detailgetreu das Gemälde nach Vorder-, Mittel und Hintergrund, wobei der Bildaufbau einen starken Kontrast vermittelt. Während der Autor im Vordergrund das Leid der Soldaten, das Elend jedoch vielmehr die Leichen und deren durchgestandene Qualen rezitiert, stellt der Hintergrund die fröhliche Gestalt dar und verkörpert so den Spaß der Soldaten, aber auch deren Vergnügen bei Kognak und Geschäftemacherei. Der Gegensatz zeigt sich jedoch in der Wirkung auf den Leser. Zwar kommt diese auf das Auge des Betrachters an, jedoch sollte der Vordergrund eine entsetzte Wirkung bzw. lehrhafte Warnung auslösen, während im Hintergrund die moralische Verkommenheit der Offiziere verkörpert wird und somit das Verhalten der Soldaten entlarvt werden soll.
Dem dritten Abschnitt, welcher von Zeile 9 bis 17 verläuft, kann die Überschrift ,,Der General und das Bild" zugeordnet werden. Ein weiterer Kontrast ist auch hier zu finden, nämlich zwischen dem General und dem Maler. Denn der General, welcher sein ganzes Leben lang auf dem Feld arbeitete, hat selbst einmal den Soldaten Befehle erteilt und unterscheidet sich deshalb in der Auffassung des Künstlers, welcher eventuell in der Schlacht um sein eigenes Leben bangen musste. So ist der Leser gezwungen festzustellen, dass im Gegensatz zum General, der den Schrecken des Elends verleugnet, der Maler die Wahrheit aufdecken zu sucht, um das unmoralische Verhalten der Offiziere zu verurteilen. In jenem Abschnitt finden wir aber auch den Gegensatz von der durch den Trommler dargestellten Fröhlichkeit und den Leichen, welche den Tod zeigen. Somit geht klar die Gespaltenheit des Krieges hervor: Auf der einen Seite das Heldenhafte und Heroische als blinden Heldentum, auf der anderen Seite jedoch spürt der Leser die Selbstzerstörung des Menschen als Kritik des Gemäldes an die Schlacht.
Letztendlich gibt es auch im Schluss einen Gegensatz, denn obwohl der General die dargestellte Weise des Kampfes schrecklich findet, kauft er einen Ausschnitt daraus. Jene unscheinbare, fröhliche Gestalt stellt das Ereignis so dar, wie es der General zu sehen vermag. Er, als alter Offizier, verherrlicht den Krieg und kann sowie will sich nicht an die Grausamkeiten der Schlacht erinnern. Möglicherweise hat er alles Negative verdrängt und nur den triumphalen Kampf für Ehre und Vaterland im Gedächtnis erhalten. Das ausgelassene Verhalten der Offiziere hat er bestimmt miterlebt und mitgestaltet, will es jedoch, obwohl er sich daran erinnern kann, nicht zugeben.
Während die erste Texthälfte Qualen und deren Sinnlosigkeit kritisiert und die Verantwortungslosigkeit kritisiert, läuft die zweite Hälfte diesen Zielen zuwider, denn sie beschreibt die Reaktion des Generals auf das Gemälde des Malers. Dieser ist nämlich äußerst schockiert und zu tiefst in seiner Würde gekränkt. Aufgrund seiner lebenslangen und erfahrungsreichen Arbeit auf dem Feld scheint es ihm unbegreiflich zu sein, wie die Einstellung zum Kampf alles andere als heroisch sein kann. Weder stellen die Opfer für ihn Kanonenfutter dar, noch empfindet er das Opfer der Soldaten als sinnlos. Seiner Meinung nach verkörpert die Schlacht die Begeisterung zum Krieg, sowie die Lust darauf und dem dabei entstehenden Vergnügen. Diese Empfindungen müssten in einem solchen Gemälde, welches auf historischen Hintergründen beruht, viel mehr zum Ausdruck gebracht werden. So dementiert der General und erhebt schwere Vorwürfe gegen den armen Maler, der lediglich seine Meinung in dem Gemälde zum Ausdruck bringen wollte. Aus dieser empörten Meinung heraus, entschließt sich der General zum Kauf eines ausgewählten Ausschnittes, welches einen kampfbegierigen Trommler darstellt. Zwar will er damit künftigen Generationen die positive Welt der Isonzoschlacht erhalten, jedoch verleugnet er auf diesem Wege die Realität. Seine überliefert positive Haltung zum Krieg zeigt die Verfälschung der wahren Welt und er Ideale für die Soldaten, die in den Tod gehen.
Kunert, der die Schlacht nicht selbst miterlebt hat, stellt in dieser Parabel dar, wie unterschiedlich verschiedene Darstellungen eines Sachverhaltes einen Dritten beeindrucken können. Beide Perspektiven, die er beschreibt sind gegensätzlich und natürlich subjektiv. Der Maler als charakteristischer Vertreter der Soldaten, sieht die Schlacht grausam und unmenschlich. Die Sicht des Generals, die der der Offiziere allgemein entspricht, ist jedoch grundverschieden. Ob der Maler den Kampf wirklich wahrheitsgetreu wiedergibt, ist nicht oder nur schwer nachzuvollziehen. Seine Variante wirkt jedoch glaubwürdiger als die des Generals, da dieses Gemälde durch rohe Sprache sehr anschaulich und lebendig beschrieben wird und somit beim Leser einen tiefen Eindruck hinterlässt.
Sicherlich hat der Maler sein Bild in erster Linie aus finanziellen Gründen verkauft, aber indem er diese kleine heroische Figur in das Bild, dessen Aussage im Wesentlichen pazifistisch ist, integriert, schließt er sich der Lüge des Generals an, gibt sich selbst auf und verrät das, was er eigentlich seine Aussageabsicht darstellen sollte. Das heisst er verkauft sich dem Verkaufswunsch des Generals, da er ökonomisch davon abhängig ist und distanziert sich so aus finanziellen Gründen von seiner Bildaussage.
Der General hat sich sein Bild nur schön zurechtgelegt, hat bestimmt auch schon die negative Seite der Schlacht am eigenen Leibe zu spüren bekommen.
Neben der Verdeutlichung des Grundgedanken, wie unterschiedlich ein Betrachter anhand von verschiedenen Blickwinkeln auf eine Sache beeinflusst werden kann, klagt Günter Kunert aus seiner parteiischen Autorenposition heraus in der Parabel, die wie eine kurze Erzählung geschrieben ist, das charakterlose Verhalten der Offiziere im Krieg an. Er kritisiert ihre teilnahmslose Einstellung, aber auch ihr macht- und geldhungriges Benehmen. Durch seine barbarische Beschreibung der Schlacht am Isonzo wird deutlich, dass auch Kunert ein Pazifist ist.
Kunert, rät hiermit sich hinter seiner eigenen Meinung nicht zu verstecken- genauso wenig wie er es getan hat. Denn jeder hat das Recht zur freien Meinungsäußerung und braucht sich daher niemandem zu unterwerfen. Zur Wahrheit zu stehen ist ehrlicher als sich selbst etwas vorzulügen um ein schöneres Leben zu haben.
Denn dieses Lied der Soldaten und die Angst des Ausgeliefertseins ist ganz und gar nicht positiv am Krieg. Denn der General ist am Krieg im Wesentlichen nicht beteiligt, er schickt nur die Leute in den Tod und zeiht seinen nutzen aus der brutalen Seite. Er hat seit dieser Schlacht den Bezug zur Realität vollkommen verloren. ;Man sollte nie vergessen, dass widersinnige Begeisterung zum Tode führt.
Wörter: 1878
- Arbeit zitieren
- Anne Kokoschko (Autor:in), 2001, Kunert, Günter - Das Bild der Schlacht am Isonzo, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101837
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