Die Pariser Kommune 1871: Die erste Diktatur des Proletariats
Vorgeschichte:
Nach der Niederlage Frankreichs im Krieg gegen Deutschland (1870/71), führte die großbürgerliche Regierung unter Louis-Adolphe Thiers gegenüber den deutschen Eroberern eine Politik des nationalen Verrats. Das führte zur Herausbildung einer revolutionären Situation in der sich die Bevölkerung Paris und vieler anderer französischen Städte erhob. Nach viermonatiger Belagerung Paris durch die Truppen Bißmarks, kam es am 18. März 1871 schließlich zum Ausbruch der Revolution. Als reaktionäre Generäle der Regierung die Nationalgarde, welche tief in der Arbeiterklasse verwurzelt war, entwaffnen wollten. Die Folge dieser Provokation war die Vertreibung der Regierungstruppen durch Nationalgarde und Volk und die Übernahme der Stadt durch den Zentralausschuss der Nationalgarde. Die bürgerliche Regierung flüchtete nach Versailles und begab sich unter den Schutz Bißmarks.
Das war die Geburtsstunde der Kommune.
Eine Woche später wurde gewählt und am 29. März konstituierte sich die Kommune offiziell. An ihrer Spitze stand der Rat der Kommune. Seine Mitglieder waren in der Mehrzahl Arbeiter oder anerkannte Vertreter von Arbeiterinteressen. Das stehende Heer wurde aufgelöst und durch die allgemeine Volksbewaffnung ersetzt; die Staatsfunktionäre wurden gewählt, waren ihren Wählern rechenschaftspflichtig und absetzbar; die Trennung von legislativer und exekutiver Gewalt wurden beseitigt; im Interesse der Werktätigen wurde wesentliche soziale Reformen durchgeführt, u.a.:
- Faire Mietbedingungen
- Rückgabe verpfändeter Arbeitsgeräte
- Abschaffung des Geldsystems in den Werkstätten
- Verbot der Nachtarbeit für bestimmte Berufsgruppen
- Ersetzung des stehenden Heeres durch die allgemeine Volksbewaffnung
- Von ihren Besitzern verlassenen Werkstätten wurden von Arbeitergenossenschaften übernommen
So zeichnete sich die Pariser Kommune durch die völlige Zerschlagung des alten bürgerlichen Staatsapparates aus und bot sämtliche Voraussetzungen für einen Arbeiterstaat. Nicht zu unrecht bezeichnete Engels die Kommune später als die erste Diktatur des Proletariats in der Geschichte der Menschheit.
Doch waren die objektiven und die subjektiven Bedingungen noch nicht ausgereift genug, so dass sich die Pariser Kommune nur im Keim entfalten konnte und die Umgestaltung der Gesellschaft nur in begrenzten Umfang beginnen konnte.
Die ersten Schritte zur Befreiung der Frau
„Wenn die französische Nation nur aus Frauen bestünde, was wäre das für eine schreckliche Nation" - so soll ein Korrespondent der Londoner ‘Times’ die Ereignisse der Pariser Kommune kommentiert haben.
Bei der Erhebung der Pariser Bevölkerung spielten die Frauen eine wesentliche Rolle. Neben der zunehmenden Bewußtseinsbildung der Frauen selbst, die sich in der Gründung zahlreicher Frauenkomitees und Gruppen widerspiegelte, waren dafür auch die äußeren Umstände verantwortlich. Die Frauen von Paris waren durch die Not und die Strapazen der viermonatigen Belagerung gestählt. Während dieser Zeit organisierten sie sich und halfen sich und anderen gegenseitig. Als am 18. März Regierungstruppen versuchten die Nationalgardisten zu entwaffnen, waren es anfangs Großteils Frauen die sich den Regierungstruppen entgegenstellten. So schreibt ein zeitgenössischer französischer Schriftsteller:
"Auf den Straßen ... ein Bataillon von hundert Männern, die ins Feld ziehen oder zurückkommen, Frauen die sie begleiten Diese Frau, die da grüßt oder mitgeht, ist die tapfere und wahre Pariserin. Die ekelhafte Androgyne, aus imperialem Kot geboren, ist ihren Verehrern nach Versailles gefolgt oder läßt sich von der preußischen Zeche in Saint-Denis aushalten.
Die jetzt den Pflasterstein in die Hand nimmt, ist die starke Frau, leidenschaftlich, tragisch, die zu sterben weiß, wie sie liebt ... die Arbeitskollegin will sich auch im Tod anschließen ... Sie hält ihren Mann nicht zurück, im Gegenteil, sie drängt ihn in den Kampf, sie bringt ihm Wäsche und Suppe in den Schützengraben, wie vorher in die Werkstatt. Viele wollen gar nicht mehr zurückkehren, sondern greifen selbst zum Gewehr.
Wenn sie zurückkehren, rufen sie zu den Waffen, ... und hängen glühende Proklamationen an: 'Es gilt zu siegen oder zu sterben. Ihr, die Ihr sagt: Was kümmert mich der Triumph unserer Sache, wenn ich meine Lieben verlieren muß! Wißt, daß es nur ein Mittel gibt, Eure Lieben zu retten: wenn Ihr Euch selbst in den Kampf werft.'"
Also zählten die französischen Arbeiterinnen zu den hartnäckigsten und entschlossensten Kämpferinnen beim bewaffneten Aufstand im März. Aufgrund ihrer tristen ökonomischen und sozialen Lage wußten sie ganz genau dass sie nichts zu verlieren haben als ihre Ketten.
Obwohl es schwer zu sagen ist, schätzt man die Zahl der insgesamt aktiv an der Kommune beteiligten Frauen auf über 50.000. Zu den Versammlungen des Comité des Femmes sollen immer zwischen 3000 und 4000 Frauen gekommen sein die sich auf die über 150 Unterorganisationen verteilten.
Zum ersten Mal in der Geschichte gab es weibliche Gemeinderatsmitglieder, eine Anzahl von Dekreten wurde erlassen die die Frauen aus ihrer besonderen Rechtlosigkeit und Unterdrückung in der bürgerlichen Gesellschaft befreiten. Durch die Einrichtung von Fabriksarbeitsplätzen und die Schaffung einer Industrieberufsschule für Mädchen wurden sie aus der ökonomischen Abhängigkeit gerissen. Ein großer Triumph war auch die Schaffung des Scheidungsrechts auch für die Frau.
Die Kommunardinnen richteten Volxküchen ein, die sie „revolutionären Kochtopf“ nannten und organisierten Wachsamkeitskomitees.
Einer der großen Fehler der kommune war es nicht gegen die bürgerliche Regierung in Versailles vorzugehen. Obwohl die Volksarmee über 400.000 Mitglieder zählte, zusammengesetzt aus Nationalgarde, Freiwilligen und vielen Frauen, beschloss man abzuwarten, im Glauben dass die Regierung bald zusammenbrechen würde. Die Verteidigung Paris und der Bau von Barrikaden wurden erst viel zu spät organisiert. Und so begannen die Versailler Paris wieder zurückzuerobern. In der Woche vom 21. bis zum 28. Mai (Blutwoche) stürmten Regierungstruppen die Stadt und massakrierten über 30.000 Menschen, Frauen waren dazu noch sexueller Gewalt ausgesetzt. Noch mehr wurden festgenommen und meist ohne Prozess in Kerker und Gefängnisse geworfen. Auffallend ist, dass der Frauenanteil bei härteren Strafen höher ist als bei den Deportierten oder Inhaftierten, das heißt dass ein großer Teil der Frauen führend an der Revolution beteiligt waren, aber auch dass sie leichter der Strafe entkamen.
Aus der Pariser Kommune sind viele Lehren und Erfahrungen gewonnen worden die dem Befreiungskampf der Frau vor allem in Europa einen revolutionären Charakter verliehen, aber auch in späteren, erfolgreicheren Versuchen einen Arbeiterstaat aufzubauen ausgewertet und benutzt worden sind. Dies Zeugt von der Lernfähigkeit der Werktätigen Masse.
David Uitz
die pariser kommune 1871: erste diktatur des proletariats und erster schritt zur befreiung der frau
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
die pariser kommune 1871: erste diktatur des proletariats und erster schritt zur befreiung der frau
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- David Uitz (Author), 2001, Die Rolle der Frau in der Pariser Kommune, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101468