Ziel dieser Arbeit ist es, das Abgrenzungsproblem sowie verschiedene Möglichkeiten zur Lösung, die in der Wissenschaftstheorie diskutiert werden, zu erläutern und die Auswirkungen auf die Betriebswirtschaftslehre zu untersuchen.
Dabei werden zunächst die Definitionen der Begriffe Demarkationsproblem, Mystik und Wissenschaft erläutert und im Anschluss die verschiedenen Lösungsansätze nach den jeweiligen Hauptvertretern unterteilt. Im Weiteren werden die Auswirkungen des Abgrenzungsproblems auf die BWL untersucht. Dazu wird die Betriebswirtschaftslehre in das System der Wissenschaften eingeordnet und anschließend die Anwendung der Abgrenzungskriterien durchgeführt.
Es sich die Frage, was eine wissenschaftliche Theorie ausmacht und wie man die Wissenschaft von Spekulationen oder Mythen bzw. Pseudo- oder Nichtwissenschaften unterscheiden kann? Dieses Problem wird in der Wissenschaftstheorie als Abgrenzungs- oder Demarkationsproblem behandelt. Im Mittelpunkt der Lösungsansätze stehen dabei die jeweiligen Kriterien, nach denen die Abgrenzung vollzogen wird. Dieses Thema spielt auch in der Betriebswirtschaftslehre insofern eine Rolle, da dort ebenfalls auf eine Vielzahl von wissenschaftlichen Theorien, aber auch Mythen und nicht wissenschaftlichen Theorien zurückgegriffen werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
2. Das Demarkationsproblem
2.1 Wissenschaft
2.2 Mystik
2.3 Demarkationsproblem
3. Lösungsansätze
3.1 Karl R. Popper (1902-1994)
3.2 Thomas S. Kuhn (1922-1996)
3.3 Gerhard Schurz (geb. 1956)
4. Das Demarkationsproblem in der Betriebswirtschaftslehre
4.1 Die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft
4.2 Anwendungen der Abgrenzungskriterien
4.3 Auswirkungen des Abgrenzungsproblems
5. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
BWL - Betriebswirtschaftslehre
EA - erkenntnistheoretische Annahmen
ect. - et cetera
i.d.R. - in der Regel
MG - methodologische Grundbestandteile
v.Chr. - vor Christi Geburt
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Einordnung der Betriebswirtschaftslehre im System der Wissenschaften
Abb. 2: Gliederung der Betriebswirtschaftslehre
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Die Wissenschaft verfolgt zwei Finalziele, die Bildung des Menschen und die Gestaltung der Welt.1 Bei der Gestaltung der Welt spielen politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte eine wichtige Rolle. In diesen Bereichen werden täglich weitreichende Entscheidungen getroffen, die das Leben von jedem Einzelnen betreffen. Diese Entscheidungen basieren i.d.R. auf wissenschaftlichen Grundlagen bzw. wissenschaftlichen Theorien. Dabei hängt die Qualität der Entscheidung direkt mit der Qualität der Theorie zusammen.2
Somit stellt sich die Frage, was eine wissenschaftliche Theorie überhaupt ausmacht und wie man die Wissenschaft von Spekulationen oder Mythen bzw. Pseudo- oder Nichtwissenschaften unterscheiden kann? Dieses Problem wird in der Wissenschaftstheorie als Abgrenzungs- oder Demarkationsproblem behandelt. Im Mittelpunkt der Lösungsansätze stehen dabei die jeweiligen Kriterien nach denen die Abgrenzung vollzogen wird.3
Dieses Thema spielt auch in der Betriebswirtschaftslehre (BWL) insofern eine Rolle, da dort ebenfalls auf eine Vielzahl von wissenschaftlichen Theorien aber auch Mythen und nicht wissenschaftlichen Theorien zurückgegriffen werden kann.
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist es, das Abgrenzungsproblem sowie verschiedene Möglichkeiten zur Lösung, die in der Wissenschaftstheorie diskutiert werden, zu erläutern und die Auswirkungen auf die Betriebswirtschaftslehre zu untersuchen.
Dabei werden zunächst die Definitionen der Begriffe Demarkationsproblem, Mystik und Wissenschaft erläutert und im Anschluss die verschiedenen Lösungsansätze nach den jeweiligen Hauptvertretern unterteilt. Im Weiteren werden die Auswirkungen des Abgrenzungsproblems auf die BWL untersucht. Dazu wird die Betriebswirtschaftslehre in das System der Wissenschaften eingeordnet und anschließend die Anwendung der Abgrenzungskriterien durchgeführt.
2. Das Demarkationsproblem
2.1 Wissenschaft
Um das Demarkationsproblem, also die Abgrenzung zwischen Wissenschaften und nicht Wissenschaften beschreiben zu können, muss zunächst der Begriff der Wissenschaft selbst definiert werden.
Dies erweist sich jedoch als problematisch, denn es gibt keine einheitliche Definition des Begriffes. Es geht so weit, dass sich in der Philosophie sogar eine eigene Disziplin der Fragestellung „Was ist Wissenschaft ?“ verschrieben hat, die sog. Wissenschaftstheorie. Selbst die Lexikographen können keine einheitliche Definition liefern. So ist die Wissenschaft nach Meyers Großem Taschenlexikon wie folgt definiert: „Das System des durch Forschung, Lehre und überlieferte Literatur gebildeten, geordneten und begründeten, für gesichert erachteten Wissens seiner Zeit.“4 Die Brockhaus Enzyklopädie definiert den Begriff hingegen wie folgt: „Die Wissenschaft [...] ist der Inbegriff der Gesamtheit menschlichen Wissens der Erkenntnisse und Erfahrungen einer Zeitepoche, welches systematisch gesammelt, aufbewahrt, gelehrt und tradiert wird.“5 Diese Definitionen zeigen u.a., dass die Wissenschaft maßgeblich vom systematisch gesammelten Wissen der eigenen Zeitepoche abhängig ist. So wie sich das Verständnis vom Wissen jedoch im Laufe der Zeit entwickelt, so entwickelt sich auch die Wissenschaft und dementsprechend auch ihre Definition.
2.2 Mystik
Nachdem die Definition der Wissenschaft dargelegt wurde, muss das Antonym der Wissenschaft ebenfalls definiert werden, bevor man sich dem Demarkationsproblem widmen kann. In der Wissenschaftstheorie wird dieses Thema einerseits häufig tabuisiert, andererseits wird, wenn doch thematisiert, die Mystik bzw. die Magie der Wissenschaft gegenübergestellt. Die Kernelemente dieser beiden Begriffe lassen sich dabei wie folgt zusammenfassen: „Das Wesen der Dinge wird nicht aus dem Erkenntnisprozess herausgehalten bzw. der rückschließenden Hypothesenbildung überlassen, sondern direkt dadurch angegangen, dass der Mystiker das Wesen der Dinge auf sein eigenes Wesen einwirken lässt und es dort durch Innenschau wahrzunehmen versucht.“6
Umgangssprachlich werden mit mystischen und magischen Tatsachen die Wirkungen benannt, die nicht der gewohnten Kausalreihe entsprechen.7 In der Wissenschaftstheorie wird sowohl die Mystik als auch die Magie strikt abgelegt.8
2.3 Demarkationsproblem
Philosophen wie Aristoteles (384 v. Chr.-322 v. Chr.) haben sich bereits mit der Fragestellung beschäftigt, wie echtes Wissen gewonnen werden kann. Aristoteles bezog sich dabei auf „ein Fundament von sicheren und notwendigen Prinzipien, welche nicht durch unsichere Erfahrung, sondern durch rationale Intuition gewonnen werden.“9 Somit ist die Fragestellung nach echtem Wissen und wie bzw. ob man es überhaupt erlangen kann seit langem Gegenstand philosophischer Diskussionen.
Die beiden Philosophen David Hume (1711-1776) und Emmanuel Kant (1724-1804) widmeten sich ebenfalls der Fragestellung nach den Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis. Sie befassten sich damit, wann eine Aussage wissenschaftlich ist und mit welchen Kriterien dies bestimmt, bzw. von nicht wissenschaftlichen Aussagen abgegrenzt werden kann. Während David Hume die Frage unter dem Gesichtspunkt des Induktionsproblems betrachtet, stellt Emmanuel Kant das Problem der Kriterienfindung in den Mittelpunkt der erkenntnistheoretischen Problematik.10
Karl R. Popper (1902-1994) hat sich in seinem Werk „Logik der Forschung“ ebenfalls dem Thema gewidmet und brachte den Begriff des Abgrenzungsproblems bzw. Demarkationsproblems ein.
Popper war auf der Suche nach einem Kriterium „durch das wir die empirischen Wissenschaften gegenüber Mathematik und Logik, aber auch gegenüber metaphysischen Systemen abgrenzen können.“11
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es bei dem Demarkationsproblem nicht um die Unterscheidung von wahren und unwahren Theorien oder der Bestimmung von echtem Wissen geht, sondern um die Abgrenzung von Wissenschaften und Nichtwissenschaften.
3. Lösungsansätze
3.1 Karl R. Popper (1902-1994)
Der Falsifikationismus stellt die von Karl R. Popper (1902-1994) entwickelte Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus dar. Den Ansatz der induktiven Sichtweise, bei der allgemeine Theorien aus Einzelbeobachtungen entwickelt werden, kritisierte er sehr. „Ein solcher Schluss kann sich ja immer als falsch erweisen [rezensiert Popper am Beispiel der Beobachtung bestimmter Eigenschaften, Anm. d. Verf.]. Bekanntlich berechtigen uns noch so viele Beobachtungen von schwarzen Raben nicht zu dem Satz, dass alle Raben schwarz sind.“12
Zur Lösung des Abgrenzungsproblems schlägt er in seinem Werk „Logik der Forschung“ die Falsifikation als Abgrenzungskriterium, als Gegenkonzeption zu dem der Verifizierbarkeit, vor. Der Grundgedanke der dahinter steckt ist, dass eine Hypothese niemals erwiesen, wohl aber widerlegen werden kann. So wird der Erkenntnisfortschritt nach dem „trial and error“ Prinzip vollzogen. Auf offene Fragestellungen werden versuchsweise Antworten gegeben, die anschließend einer strengen Prüfung unterzogen werden müssen. Besteht eine Antwort die Prüfung nicht, wird diese verworfen und es wird nach einer neuen, besseren Antwort gesucht. Die Fragestellung muss dabei zu einem logischen Widerspruch führen können. Eine Aussage wie „Morgen schneit es“ lässt sich falsifizieren, nicht jedoch „Morgen schneit es oder es schneit nicht“. Hat demnach eine Theorie mehrere Falsifikationsversuche überstanden, so gilt sie zwar noch nicht als bewiesen, aber dennoch als bewährt. Im Umkehrschluss gilt jedoch, dass ein einziger erfolgreicher Falsifikationsversuch ausreicht, um eine Theorie zu wiederlegen. Allgemeinsätze wie „Alle Raben sind schwarz“ lassen sich nach Popper niemals verifizieren, können aber wohl von einem einzigen Gegenbeweis widerlegt werden. In der Praxis lassen sich allerdings nicht immer Falsifikationen durchführen, da geeignete Experimente fehlen, z.B. in der Atomphysik oder der Astronomie. Dies hat Popper in seiner Ausarbeitung berücksichtigt und unterschied daher grundsätzlich in logische und praktische Falsifizierbarkeit.13
Nicht wissenschaftliche Aussagen sind, laut Popper, nicht falsifizierbare Aussagen, da sie zu keinem logischen Widerspruch führen. Er verdeutlicht dies am Beispiel des Marxismus. Da Marxisten bspw. in einer Zeitung in jedem Artikel einen Beweis für ihre Theorie sehen, aber auch in Allem was nicht geschrieben wird, sehen sie einen Beweis. Was auch immer geschieht, ihre Theorie wird bestätigt. Demnach ist dies keine wissenschaftliche Theorie.14
3.2 Thomas S. Kuhn (1922-1996)
Mit wissenschaftlichen Revolutionen beschreibt Thomas S. Kuhn (1922-1996) in seinem Werk „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ ein Wissenschaftsmodell das auf der Basis von Paradigmen beruht. Laut Kuhn ist Wissenschaft ein Prozess, der sich in zwei Phasen gliedern lässt. Zum einen die Phase der Normalwissenschaft und zum anderen die Phase der Revolution.15
Dabei findet die Normalwissenschaft immer innerhalb eines Paradigmas statt. Mit Paradigmen beschreibt er „konkrete Problemlösungen, die die Fachwelt akzeptiert hat.“16 Damit ist gemeint, dass bei Problemen bereits akzeptierte Problemlösungen als Anleitung herangezogen werden, indem sie mit den bereits gelösten Problemen verglichen werden. Es werden die gleichen Musterbeispiele verwendet und die gleichen Annahmen getroffen. Die allgemein akzeptierten Lösungen bzw. Ansätze können dabei u.a. aus Fach- und Lehrbüchern bezogen werden.17
Kommt es in der Normalwissenschaft zu einer Anomalie, wird zunächst versucht eine Lösung innerhalb des Paradigmas zu finden. Findet sich keine Lösung innerhalb des Paradigmas, so kann sich daraus eine neue Weltsicht herausbilden. Es werden neue Paradigmen aufgestellt mit denen sich die aufgetretenen Anomalien besser erklären lassen. Anschließend werden die neuen den alten Paradigmen gegenübergestellt. Dies bezeichnet man als revolutionäre Phase. Dabei ist das neue Wissen mit dem alten nicht verträglich.18 In der Philosophie wird das auch als Inkommensurabilitätsthese bezeichnet.19
Die großen wissenschaftlichen Revolutionen (Kuhn nennt als Beispiele die Kopernikanische Revolution, die Revolution, die Newton mit seiner Mechanik erzeugte, die Neugestaltung der Chemie durch Lavoisier und die Ersetzung der Newtonschen Mechanik durch die Relativitätstheorien durch Einstein) beschreibt er mit dramatischen Worten. Er behauptet, dass sich auch die Maßstäbe fachwissenschaftlicher Forschung änderten und dass es zu einer Umwandlung der Welt kam.20
Kuhn verallgemeinert den Begriff des Paradigmas soweit, dass der Begriff eine globale Bedeutung erhält. Nahezu alles in der Wissenschaft sei paradigmatisch, darunter auch ganze Theorien. Dadurch vermeidet er im Gegensatz zu Popper die methodologische Festlegung auf das, was Wissenschaft ist oder sein soll. Diese Festlegung erfolgt, nach Kuhn, im Rahmen des Paradigmas selbst.21
Die Frage wie nun nach dieser Definition Wissenschaft von Nichtwissenschaft unterschieden werden kann, beantwortet Kuhn aus der Sicht der Normalwissenschaft. Er hält die Möglichkeit Normalwissenschaft zu betreiben für das entscheidende Abgrenzungskriterium. Dies sei bei vorwissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen Theorien nicht möglich.22
[...]
1 Vgl. Münch (2012), S. 19; Poser (2001), S. 17.
2 Vgl. Schurz (2008), S. 12.
3 Vgl. Schurz (2008), S. 39.
4 Zwahr (1999 a), S. 108.
5 Zwahr (1999 b), S. 356.
6 Eberhart (1999), S. 23.
7 Vgl. Hofmeister (1955), S. 390.
8 Vgl. Eberhart (1999), S. 22 ff.
9 Schurz (2008), S. 12.
10 Vgl. Popper (1989), S. 3 ff.
11 Popper (1989), S. 9.
12 Popper (1989), S. 3.
13 Vgl. Schurz (2008), S. 15.
14 Vgl. Popper (2004), S. 45.
15 Vgl. Kuhn (1989), S. 22 ff.
16 Kuhn (1989), S. 25.
17 Vgl. Kuhn (1989), S. 25 ff.
18 Vgl. Hoyningen-Huene, Kuhn, (1992) S. 318.
19 Vgl. Schurz (2008), S. 16.
20 Vgl. Kuhn (1989), S. 20 f.
21 Vgl. Kuhn (1989), S. 141 f.
22 Vgl. Kuhn (1989), S. 121.
- Citation du texte
- Artur Janke (Auteur), 2016, Das Demarkationsproblem. Lösungsansätze und Auswirkungen auf die Betriebswirtschaftslehre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1014578
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