Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Möglichkeiten einer Beschäftigungspolitik aus juristischer Sicht
3 Konferenzen, Verträge und Gipfel zum Thema Beschäftigungspolitik seit Maastrich
3.1 Maastrich I
3.2 Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (1993)
3.3 Regierungskonferenz 1996
3.4 Amsterdamer Gipfel und Luxemburger Beschäftigungsgipfel 1997
3.5 Bestandsaufnahme
4 Beschäftigungspolitik und Währungsunion
5 Momentane Diskussion
5.1 Lohnflexibilität
5.2 Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit
5.2.1 Jugend(arbeitslosigkeit)
5.3 Förderung der Anpassungsfähigkeit
5.3.1 zeitliche Flexibilität
5.3.2 räumliche Flexibilität
5.4 Kritik
6 Schlußbemerkung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Aktualität des Themas „koordinierte Beschäftigungspolitik der europäischen Union“ macht eine Betrachtung im Rahmen einer Seminararbeit sehr schwierig. Die mitunter täglichen Entwicklungen sind nicht zu erfassen. Sei es in Form von Machtverschiebungen durch Wahlen in den Mitgliedsstaaten1 oder durch Ereignisse, welche ganze Tagesordnungen ad absurdum führen2. Die jeweilige Präsidentschaft ändert sich ständig und damit auch die Schwerpunktsetzung des jeweiligen Staates. Der Rücktritt des ehemaligen deutschen Finanzministers Lafontaine traf mich beim Schreiben dieser Arbeit genauso überraschend, wie der komplette Rücktritt der europäischen Kommission.
Trotzdem oder gerade deswegen sind aber bei solchen schwer zu fassenden Themen Bestandsaufnahmen enorm wichtig. Soll Politik nicht nur in einer häufig unkontrollierbaren Tagesdynamik geschehen, ist eine Betrachtung gerade wichtig.
Zu Beginn werde ich einen kurzen Einblick auf die Möglichkeiten einer koordinierten Beschäftigungspolitik aus juristischer Sicht geben. Wir wissen aus der Vergangenheit, daß sich die Mitgliedsstaaten der EU bei Abgabe von Kompetenzen immer schwer tun. Insofern ist dies ein häufig fälschlicherweise zu wenig beachteter Gesichtspunkt. Auch hat der Rücktritt der Kommission endgültig die Diskussion über Demokratisierung innerhalb der EU ins Rollen gebracht, auf die ich kurz eingehen werde.
Dem Kapitel folgt ein Überblick über den bisherigen Weg der Diskussion über die (neue) Beschäftigungspolitik im Rahmen von Konferenzen und Gipfeln seit 1992, bei denen das Thema eine Rolle spielte. Die Resultate3 einzelner Konferenzen seit dem Maastrich-Vertrag zeigen verschiedene Ansätze und Standpunkte. Dabei wird schnell deutlich, daß die Diskussion aktuell geführt wird und noch nicht abgeschlossen ist.
Die Geldpolitik ist im Hinblick auf eine Beschäftigungspolitik nicht alles. Ohne sie ist jedoch alles nichts. Die neu aufgekommene Diskussion, eine Beschäftigungspoltik als Aufgabe der EU zu sehen, geht sicherlich über das Instrument der Geldpolitik hinaus. Sie ist jedoch ein wichtiges Instrument, mit dem die Europäische Union die Arbeitslosigkeit bekämpft hat und in Zukunft bekämpfen wird.4 Die Auswirkungen der gemeinsamen Währung werden auch auf dem Beschäftigungsmarkt zu spüren sein. Deshalb werde ich diesen Aspekt ebenfalls beleuchten.
Am Schluß werde ich einige ausgewählte Inhalte der momentanen Diskussion aufführen. Die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und die Förderung der Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen5 am Arbeitsmarkt werden dabei sowohl aus theoretischer Sicht, als auch anhand von Beispielen und Erfahrungen aus den (Mitglieds-)Staaten beleuchtet werden.
2 Möglichkeiten einer Beschäftigungspolitik aus juristischer Sicht
Der Vertrag über die Europäische Union, der 1992 in Maastrich unterzeichnet wurde, hatte fast schon ein Novum in sich, wurde doch bereits im Artikel N Absatz 2 die Prüfung einer Revision des Vertrages festgeschrieben.6 Als Grund gilt, daß es im Zuge des europäischen Einigungsprozesses zu einer schrittweisen Übertragung von nationalen Hoheitsgewalten auf die EU kommen soll. Dies ist auch im Hinblick auf eine europaweite Beschäftigungspolitik wichtig. Das sogenannte Subsidiaritätsprinzip wird in Artikel 3b des EWG-Vertrages definiert: „In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedsstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkung besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können“.7 Ob dies auf den Bereich der Beschäftigungspolitik zutrifft ist strittig.
Jedoch wirft die Diskussion um die Beschäftigungspolitik noch eine weitere Frage auf. Die Stimmen, die eine breitere Legitimierung der Staatsvertreter bei solchen weitreichenden Entscheidungen fordern, werden immer lauter. „Es ist daher an der Zeit, den Wirrwarr der verschiedenen Beteiligungsformen zu beseitigen und dem Europäischen Parlament durchgehend ein Mitspracherecht zu verschaffen.“8 Zur Erlangung einer nachhaltigen europäischen Integration auch bei den Völkern und nicht nur auf politischer Ebene ist dies auch im Hinblick auf eine Beschäftigungspolitik wichtig.
Das Dilemma besteht im Bereich der Beschäftigungspolitik auch darin, daß die Nationalstaaten die Herausforderungen der hohen Arbeitslosigkeit nicht mehr meistern können und noch nicht über eine breite gesellschaftliche Legitimationsbasis für gemeinschaftliche Entscheidungen verfügen. Allerdings hat dies auch einleuchtende Gründe: Die zeitliche Dimension des bisherigen europäischen Einigungsprozesses ist trotz 40 Jahren zu kurz, um auch in der Bevölkerung eine breite Identifikation hervorzurufen. Besonders, wenn man bedenkt, daß es sich bei vielen Mitgliedsstaaten um ehemalige Erbfeinde und bei allen, um Staaten mit eigener Geschichte, Kultur und Sprache handelt.9
Die Entwicklung einer ‘koordinierten Beschäftigungspolitik’ aus juristischer Sicht ist also mehr die Frage nach Demokratisierung der Institutionen innerhalb der EU. Bisher beschränkt sich der Klärungsbedarf hauptsächlich auf das Subsidiaritätsprinzip. Sollte es die Gemeinschaft schaffen, das Problem der Arbeitslosigkeit erfolgreich zu lösen, wird die Akzeptanz für die europäische Idee unter den Völkern steigen. Spätestens seit dem Druck des europäischen Parlaments, welches zum Rücktritt der Kommission führte, zeigt sich der Wunsch nach einer Veränderung der Legitimationsbasis.
3 Konferenzen, Verträge und Gipfel zum Thema Beschäftigungspolitik seit Maastrich
Die Diskussion über eine ‘koordinierte Beschäftigungspolitik’ ist in vollem Gange. Um die einzelnen Standpunkte verstehen zu können, ist es wichtig, die Entwicklung der Diskussion zu kennen. In diesem Kapitel soll anhand wichtiger Konferenzen auf den bisherigen Verlauf der Diskussion eingegangen werden.
3.1 Maastrich (1992)
Als am 7. Februar 1992 der Vertrag über die Europäische Union (EU-V) unterzeichnet wurde, spielte die Beschäftigungspolitik in Form von verbindlichen Vertragsinhalten (noch) keine Rolle. In den drei Säulen des Vertrages gab es für die erste, der Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion die konkretesten Regelungen. Schon weniger detailliert fielen in dem Vertragswerk die Aussagen über die zweite Säule, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der dritten Säule über die Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik (JIZ) aus.10 Zwar gehört ein hohes Beschäftigungsniveau nach Art. 2 EU-V „zu den grundlegenden Gemeinschaftsaufgaben“, jedoch wird diese Aussage durch die Artikel 118 und 127 geschmälert, in denen die Beschäftigung lediglich im Rahmen von Untersuchung, Beratung und Stellungnahme der Kommission erwähnt wird bzw. die berufliche Bildung auf eine Erleichterung der Eingliederung oder Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt abzielt.11
3.2 Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (1993)
Über Absichtserklärungen und wohlformulierte Vertragsinhalte hinaus ging dann allerdings ein Jahr später das „Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ der europäischen Kommission. Es wird darin versucht, das Beschäftigungsproblem nicht mit eindimensionalen Ansätzen zu lösen, sondern in einem komplexen Gesamtrahmen zu sehen. Es setzt also beispielsweise nicht auf Lohnflexibilität, demographische Veränderung oder Wachstum allein, sondern versucht, verschiedene Entwicklungen zu fördern. Das Weißbuch beabsichtigt dabei, die wesentliche wirtschaftliche Grundorientierung (intensives Beschäftigungswachstum) mit Strukturreformen und einer Reform der Beschäftigungssysteme (Bildung und Regelungen des Arbeitsmarktes) zu verbinden.12 Konkret weist es dabei auf die Bereiche Forschung und Entwicklung, neue Technologien und eine Schaffung eines „Transeuropäischen Netzes“ (TEN) hin. Je nach politischer Meinung wurde das Weißbuch begrüßt oder kritisiert. Dem Vorschlag, die Beschäftigung durch ein TEN zu erhöhen wurde entgegnet, daß der Fall Ostdeutschland gezeigt habe, daß eine solche Initiative keine nachhaltige Beschäftigung erzeuge und sogar Regionen in einer trügerischen Blüte wiege.13 Außerdem wurde mit dem Weißbuch die Diskussion über die Zuständigkeit der EU beim Thema Beschäftigungspolitik angeheizt. Die eine Seite sieht in der Beantwortung der Probleme des Arbeitsmarktes eine nationale Aufgabe, da der Zusammenhang der verschiedenen Ursachen von Land zu Land unterschiedlich ist. Eine Beschäftigungspolitik, die über das Instrument der Geldpolitik und zentralisierte Politikbereiche wie Wettbewerbs- und Handelspolitik hinausgeht, sei daher nicht wünschenswert.14
Konkretere Kritik mußten sich die Verfasser des Weißbuch auch aufgrund seiner weiterhin sehr wachstumsorientierten Lösungsansätze gefallen lassen. Ein Beschäftigungsanstieg ist erst ab einem Wirtschaftswachstum von 2% zu erwarten. Dies ist die Voraussetzung, um das Ziel des Weißbuches zu erreichen, bis zum Jahr 2000 15 Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Daß dieses Ziel zu hoch gegriffen war, läßt sich schon heute sagen. Auch muß die Frage erlaubt sein, ob der Wachstumsglaube als Lösung der Beschäftigungskrise nach den Erfahrungen der letzten 15 Jahre nicht überdacht gehört.15
3.3 Regierungskonferenz 1996
Geprägt war diese Konferenz von dem Wunsch, die politische Union weiter zu vertiefen. Wie schon im Kapitel 3.1 angesprochen, bedarf der EU-V einer weiteren Konkretisierung in Bereichen der GASP und JIZ. Doch auch in den Bereich der Beschäftigung kam weitere Bewegung. Zur Vorbereitung der Regierungskonferenz hatte der Europäische Rat eine Reflexionsgruppe eingesetzt. In ihrem Bericht ist unter der Überschrift Beschäftigung zu lesen: „(...) Auch wenn uns allen bewußt ist, daß Arbeitsplätze nicht durch bloße Vertragsänderungen entstehen, so wünschen viele doch, daß der Vertrag eine eindeutige Verpflichtung seitens der Union zur Erreichung einer auf die Schaffung von Arbeitsplätzen ausgerichtete wirtschaftlichen und sozialen Integration und Kohäsion enthält und vorsieht, daß die Union koordinierte Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen ergreifen kann.“16
Die Ergebnisse der Regierungskonferenz waren dann aber nicht zuletzt wegen der starren Haltung Deutschlands eher dürftig. Der damalige Finanzminister Theo Waigel setzte weiterhin auf eine stabile Währungspolitik als Heilmittel gegen Arbeitslosigkeit. Dazu kam, daß in den Folgekonferenzen des Europäischen Rates in Turin und Florenz durch die aktuelle Auseinandersetzung des BSE-Skandals in Großbritannien das Thema Beschäftigungspolitik in den Hintergrund gedrängt wurde.
Vor allem sorgte jedoch die französische Regierung immer wieder für eine Fortführung der Diskussion. Die sozialistische Regierung Jospins stellte beispielsweise ihre Intention für eine Beschäftigungspolitik im Juni 1996 so dar: „Wenn Europa zu einem abstrakten Gebilde verkümmert oder nur noch in Bereich Wirtschaft und Währung vorankommt, wird ihm das wesentliche fehlen: der Wille und die Zustimmung der Völker ohne die nichts Großes geleistet werden kann.“17
Bei dieser Diskussion kann man feststellen, daß es weniger darum geht, „ob“ eine Beschäftigungspolitik von der EU betrieben werden soll, sondern vielmehr um das „wie“. Die Initiative des Kommissionspräsidenten Santer Anfang Juni 1996 stellte einen weiteren wichtigen Eckpunkt zur Klärung dieser Frage bei. Die Punkte seines „europäischen Vertrauenspakts für mehr Beschäftigung“ wurden dann im darauffolgenden Jahr bei den Gipfeln in Amsterdam und Luxemburg mit einbezogen.
3.4 Amsterdamer Gipfel und Luxemburger Beschäftigungsgipfel 1997
Auch bei der Fortschreibung des Maastrichvertrages dominiert das Ziel der Geldwertstabilität.
Bedingt durch die sich geänderten politischen Machtverhältnisse innerhalb der EU wurde allerdings dem EU-V ein Beschäftigungskapitel angehängt. Weiterhin steht die Diskussion im Spannungsfeld zwischen konkreten Schritten und Absichtserklärungen, sowie zwischen der Zuständigkeit auf europäischer Ebene und lediglich der Koordination nationaler Programme. Spätestens bei diesen beiden Gipfeln wurde auch die Diskussion über den jahrelang praktizierten Ansatz der Angebotstheorie und dem Neo-Keynesianismus begonnen.
Um trotz der unterschiedlichen Haltungen der einzelnen Staaten das Kapitel Beschäftigung nicht ganz scheitern zu lassen, wurde versucht, im Rahmen des Luxemburger Beschäftigungsgipfels anhand „best practices“ einen Konsens zu finden. Darin wurden einzelstaatliche Maßnahmen der Mitgliedsstaaten beschrieben, die zur Nachahmung empfohlen wurden. So wurden beispielsweise die „Jobmaschinen“ in den Niederlanden und Großbritannien als Vorbild genannt.
3.6 Bestandsaufnahme
Die bisherigen Ergebnisse der Gipfel sind eher dürftig18 und wurden immer wieder von den Befürwortern nationaler Beschäftigungsprogramme gebremst. Auf der anderen Seite haben sich die Befürworter einer ‘koordinierten Beschäftigungspolitik’ auf gesamteuropäischer Ebene immer mehr durchgesetzt. In den Leitlinien für 1998 wurden sehr konkret Mittel und Wege benannt, mit denen die Arbeitslosigkeit gesenkt und die Beschäftigung erhöht werden soll. Die vier Kernpunkte lassen sich folgendermaßen benennen:19
1. Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit: Der Bereich der Bildung gehört dabei ebenso zum Inhalt, wie besondere Maßnahmen für besonders von der Arbeitslosigkeit betroffene Gruppen, wie z.B. Jugendliche und Langzeitarbeitslose.
2. Förderung der Anpassungsfähigkeit: Unter dem Stichwort der „Modernisierung der Arbeitsorganisation“ geht es dabei um Regelungen der Arbeitszeit, Teilzeit und lebenslange Weiterbildung.
3. Entwicklung eines Unternehmergeistes: Dem Abbau von bürokratischen Hürden wird hierbei ebenso Bedeutung zugeschrieben wie auch der Bereitstellung von Risikokapital.
4. Stärkung der Maßnahmen für Chancengleichheit: Die Bekämpfung der Diskriminierung zwischen Frauen und Männern, sowie die Förderung von Eingliederungen Behinderter in das Erwerbsleben erhalten hierbei besondere Beachtung.
Erste Maßnahmen in dieser Richtung sind inzwischen - teils auf nationaler, teils auf europäischer Ebene - unternommen worden. Auf einige werde ich im Kapitel 5 eingehen. Weiterhin steht jedoch die Stabilitätspolitik sehr im Vordergrund des politischen Handelns.
4 Beschäftigungspolitik und Währungsunion
Die Diskussion um die Währungsunion wurde erst in der letzten Zeit um eine beschäftigungspolitische Sichtweise erweitert. Davor dominierten die Bemühungen um die Stabilität der neuen Währungsunion die Politik.
Die dabei definierten Konvergenzkriterien ließen zuerst einmal die Frage aufkommen, ob diese im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit nicht gar negative Auswirkungen nach sich zogen. Schließlich machten und machen die weitgehenden Konsolidierungsmaßnahmen der Staaten den (finanziellen) Handlungsspielraum sehr eng.
Während der Zeit, in denen die Staaten ihre Defizit- und Verschuldungsgrenzen erfüllen mußten, waren die Konjunkturdaten und das Wachstum durchaus in einem Bereich, in dem man nicht von einem negativen Einfluß auf die Beschäftigung sprechen kann. Dies lag sicherlich nicht zuletzt daran, daß die Notwendigkeit der Konsolidierung auch ohne die Währungsunion erforderlich war und ist. Allerdings darf man auch nicht vergessen, daß ein gestiegenes Wirtschaftswachstum nicht die erhofften Impulse für mehr Beschäftigung gegeben hat. Der jahrelang proklamierte Zusammenhang zwischen Wachstum und Arbeit blieb weitgehend aus.
Die Chance für den Arbeitsmarkt liegt nicht zuletzt in einer massiven Senkung der Transaktionskosten durch die gemeinsame Währung. Der Wegfall der Umtauschkosten für Fremdwährungen, Informationskosten über Währungsentwicklungen für die Planung im Unternehmen und natürlich das nicht mehr vorhandene Währungsrisiko beinhalten ein großes Maß an Effizienzgewinnen.20 Diese werden nach Schätzungen zwischen 0,25% und sogar 1% des Bruttoinlandproduktes der EU liegen.21 Außerdem entfällt für die Unternehmen der „Risikozuschlag“ auf Renditen bei Investitionen im Ausland, womit auch durch diesen Effekt eine Steigerung der Investitionsbereitschaft erwartet wird.
Die Hoffnung für den Arbeitsmarkt liegt also darin, daß eingesetzte Resourcengewinne positive Auswirkungen auf die Beschäftigung haben. Eine Haltung, die aufgrund der Erfahrungen der jüngsten Zeit immer mehr in Kritik gerät. Das Ziel der Geldwertstabilität und der Schuldenfreiheit führt zu mehr Wachstum. Dieses „Beste aller Welten“-Szenario löst dann angeblich automatisch auch alle anderen Probleme wie Arbeitslosigkeit und Armut.22 Die Empirie der letzten Jahre spricht aber eine andere Sprache.
Die unterschiedlichen Währungen zwischen den Ländern führt zu einer Ausgleichsfunktion bei Angebots- und Nachfrageschwankungen. Dirk Dohse und Christiane Krieger-Boden stellen dies sehr anschaulich dar:23 In ihren Ausführungen entstehen solche Schwankungen, von ihnen „Schocks“ genannt, zufällig, aufgrund eines Ölpreisschocks, durch politische Krisen oder kriegerische Ereignisse. Auch länderspezifische Schocks, wie z.B. durch nationale Fiskalpolitik oder am Beispiel Deutschland durch die Wiedervereinigung hervorgerufene Schocks, sind denkbar.24 Als Ausgleich kommen bei solchen Schocks zwei Mechanismen in Frage, nämlich dem Ausgleich durch Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt25 oder dem Ausgleich durch Wechselkurse. Zur weiteren Verdeutlichung der Wirkungen der beiden Mechanismen dient das Modell von Mundell (1961):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Beispiel zum Funktionsmechanismus der Wechselkursanpassung - das Modell von Mundell (1961)
Quelle: Dohse, Krieger-Boden, 1998, S.13 (Auszug)
Symmetrische Schocks stellen für den Arbeitsmarkt keine Gefahr in der Form dar, daß sie durch die gemeinsame Währung hervorgerufen oder verstärkt werden. Schließlich betreffen sie die Länder der EU alle gleich. Wichtig für die Betrachtung sind allerdings die asymmetrischen Schocks, die die Mitgliedsstaaten in unterschiedlichem Ausmaß treffen. Desweiteren lassen sich bei der Arbeitsmarktflexibilität eine hohe und eine geringere Flexibilität unterscheiden. Zusammengefasst läßt sich dies folgendermaßen darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kategorisierung hinsichtlich der Risiken für die Arbeitsmärkte
Quelle: in Anlehnung an Dohse, Krieger-Boden, 1998, S.95
Durch die Einführung des Euro als gemeinsame Währung ist der Mechanismus des Ausgleichs durch die Währung nicht mehr möglich. Betrachtet man die obere Matrix, sind von der Währungsunion hauptsächlich die Länder der Kategorie (IV) betroffen. Sie weisen eine hohe Wahrscheinlichkeit von asymmetrischen Schocks auf, die sie wegen ihres unflexiblen Arbeitsmarktes nicht ausgleichen können.26 Auf die Möglichkeiten der Steigerung der Arbeitsmarktflexibilität werde ich im nächsten Kapitel eingehen.
5 Momentane Diskussion
In den vorangegangenen Kapiteln wurde aufgezeigt, daß eine Lösung ausschließlich über den Faktor Wachstum, eine unzureichende Aussicht auf Erfolg hat. Die sehr hohe Beschäftigungsschwelle27 von ca. 2% Wirtschaftswachstum macht dies nicht zum allheilenden Mittel. Außerdem wurde aufgezeigt, daß durch den Wegfall der einzelnen Währungen zwar enorme Einsparpotentiale eröffnet werden, die bestenfalls aber in neue Beschäftigung münden kann. Auf der anderen Seite ist die Notwendigkeit einer Flexibilisierung des Faktors Arbeit dadurch höher denn je.
Die Flexibilisierungskomponenten sind vielfältig. Sie reichen von Lohnflexibilität über zeitliche, qualifikatorische und räumliche Mobilität bis hin zu Flexibilisierungsdruck durch Strukturwandel. Verschiedene Komponenten sind zwar substituierbar, aber keineswegs gleichwertig. Das Hauptziel verbindet alle Bemühungen miteinander: die Arbeitskosten sollen „unterm Strich“ nicht mehr steigen, als der Produktionsanstieg. Einen Überblick über die verschiedenen Komponenten in der Diskussion werde ich im folgenden aufzeigen.
5.1 Lohnflexibilität
Die Lohnflexibilität wird bisher eher innerhalb der einzelnen Mitgliedsstaaten diskutiert. Durchbrüche in diesem Bereich, die Auswirkungen auf den gesamten EU-Raum haben, sind in der nächsten Zeit nach meiner Einschätzung nicht zu erwarten. Für die meisten Tarifakteure (vorallem für die Gewerkschaften) würde dies doch ein großer Machtverlust bedeuten. Daher ist das Thema wohl zu heikel.
Dennoch ist es im Bewußtsein der politischen Akteure seit langem vorhanden.
In vielen Staaten der EU gibt es inzwischen Mindestlöhne28. Dies soll die Arbeitnehmer vor Lohndumping schützen und den Standortvorteil der sozialen Sicherheit weiter stärken. Auf der anderen Seite ist es ein Schritt, der die Starrheit der Löhne verstärkt. Dies allerdings lediglich in den unteren Lohnbereichen.
Auch durch die jeweiligen Sozialsysteme entsteht quasi ein Mindestlohn. Die soziale Sicherung bedeutet letztlich die Schwelle, ab dem der Anreiz einer eigenen Beschäftigung größer ist als die Sozialleistung.
Arbeitsmarktflexibilität auf, jedoch auch eine geringe Gefahr von asym. Schocks. Jedoch zeigen auch diese Länder im Hinblick auf Flexibilität Handlungsbedarf an.
Meiner Meinung nach ist man allerdings viel zu schnell dabei, Mindestlohn und Sozialleistungen aufgrund der nötigen Flexibilisierung in Frage zu stellen. Da hier nur ein sehr geringer Teil der Beschäftigten betroffen ist, sollte die Flexibilisierungsdebatte an anderer Stelle ansetzen und den sozialen Frieden nicht willkürlich aufs Spiel setzen.
Ich meine, bei diesem Thema muß man vielmehr einen genauen Blick auf das Lohnverhandlungssystem werfen, da dies maßgeblich auf die Flexibilität wirkt. Der bisherige Trend durch Rahmen und Flächentarifverträge die Lohnvereinbarungen zu zentralisieren, ist der Faktor, der am meisten eine Flexibilisierung der Löhne verhindert. Die Notwendigkeit einer größeren Flexibilität ist in Deutschland besonders groß. Die Schritte zu mehr Dezentralisation sind bisher eher zögerlich29. Jedoch sind Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen erste Schritte in diese Richtung30. Erhöht wird der Handlungsdruck durch das erhebliche Ausmaß an Tarif- und Verbandsflucht vor allem in Ostdeutschland.
Ein Sonderfall stellt hierbei Irland dar. Seit Jahren ist dort ein Trend zu mehr Zentralisation spürbar. Durch nationale Drei-Jahres-Programme wurde massiv Einfluß auf die Lohnbildung genommen. Der Vorteil lag demgegenüber in einer gewissen Planungssicherheit für die Unternehmen sowie den relativ moderaten Steigerungen, die sich an der vermuteten Preissteigerung orientierten und bei ca. 2 % lag. Der Erfolg gab der Regierung bisher recht. Jedoch ist die Übertragbarkeit auf andere Mitgliedsstaaten höchst zweifelhaft. Die Stellung der nationalen Gewerkschaften wird in vielen Ländern eine solche Entwicklung unmöglich machen. In Deutschland darf man sicherlich gespannt sein, inwieweit das „Bündnis für Arbeit“ eine solche Politik zustandebringen wird. Eine große Schwierigkeit liegt darin, daß die Akteure der Tarifpolitik nicht zwangsläufig auch Lobbyisten für mehr Beschäftigung sind. Den Unternehmen geht es um die Sicherung ihres eigenen Fortbestands und um Gewinnerzielung. Gewerkschaften sind primär an der Bedienung ihrer Mitglieder interessiert und nicht an den Arbeitslosen. Die deutliche Ausrichtung auf eine Lohnsteigerung der letzten Tarifabschlüsse haben dieses Inside-Outside-Problem deutlich zu Tage treten lassen. Ob die Lösung dieses Problem allerdings in einer Entmachtung der Gewerkschaften liegt, darf sicherlich bezweifelt werden.31 Der Handlungsspielraum der Gewerkschaftsspitze ist nicht zu unterschätzen, da die direkte Kontrolle durch die Basis nicht so stark ist.
5.2 Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit
Allein die Anzahl an beschäftigten Personen ist für sich genommen noch kein Kriterium für den Erfolg der Arbeitsmarktpolitik. Speziell in unserem Wirtschaftsraum, in dem durch hohe Produktivität und Know How der Großteil des wirtschaftlichen Erfolges entsteht, ist der Bildungs- und Ausbildungsstand einer der entscheidenden Standortvorteile gegenüber anderen Wirtschaftsregionen. Gewarnt werden muß daher auch vor den Folgen eine „Überflexibilität“32, wie sie in weiten Teilen z.B. in den USA zu beobachten ist. Die Möglichkeit, Arbeitskräfte ansatzweise fast schon beliebig austauschen zu können, entbindet die Unternehmen häufig davor, ihre Mitarbeiter durch Fort- und Weiterbildungen zu qualifizieren. Eine Entwicklung, die in Europa den Standortvorteil des hohen Bildungs- und Ausbildungsstandes zunichte machen würde. „Es stellt sich (..) die grundsätzliche Frage, ob der bisherige wirtschaftliche Erfolg Europas nicht zu einem guten Teil seinen Unterschieden zum ‘amerikanischen’ bzw. ‘japanischen Modell’ zu danken ist“.33 Speziell für den wichtigen Punkt der strukturellen Arbeitslosigkeit sind Bildung und ein „lebenslanges Lernen“ (bzw. die Möglichkeit dazu) einige der besten Lösungsansätze. Die OECD stellte dazu schon 1994 in ihrer Studie fest, daß die Beschäftigung durch eine Ausweitung der technologischen Verfeinerung des Produktionsapparates angekurbelt werden soll.34 Um diesen Wandel zu ermöglichen, forderte sie Strategien, um nachhaltige Unternehmensgründungen im Privatsektor durch Vereinfachung der Anforderungen und Bereitstellung von Beratung und Risikokapital zu ermöglichen.
5.2.1 Jugend(arbeitslosigkeit)
Viele Programme der Regierungen zielen auf verschiedene Bevölkerungsschichten, die eine besondere Erschwernis auf dem Beschäftigungsmarkt zu verkraften haben.35
Die gesellschaftspolitischen Risiken einer mangelnden Beschäftigung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden wegen ihrer Folgen bei mangelnder Integration als besonders gravierend eingeschätzt.36 Jugendarbeitslosigkeit hat in vielen Ländern inzwischen Ausmaße angenommen, die große Teile von Bildungspotential brach liegen läßt. Die Arbeitslosigkeit von Personen unter 27 Jahren liegt in Frankreich bei über 25%37 und damit doppelt so hoch wie die durchschnittliche Arbeitslosenrate. Durch die französischen Strukturen eines Zentralstaates und dem neuen Politikverständnis nach dem Wahlsieg der Linken von Lionel Jospin verwundert es nicht, daß hauptsächlich dem Probelm durch Schaffung von Stellen im öffentlichen Sektor begegnet werden soll. Ziel ist es, in den nächsten fünf Jahren 700 000 Arbeitsplätze für diesen Personenkreis zu schaffen. Die Hälfte davon im öffentlichen Sektor, die andere in privaten Unternehmen. Bei uns werden solche Vorstöße eher kritisch betrachtet. Die öffentlichen Haushalte sind durch ihre Konsolidierungsmaßnahmen dazu gezwungen, Arbeitskräfte zu rationalisieren. Jedoch hat der Ansatz Jospins einen entscheidenden Gedanken, der dieses Programm zu einem Erfolg machen könnte. Bisher waren solche Programme häufig allein mit dem Ziel der Reduzierung der Arbeitslosenquote verbunden. Dafür wurde häufig an im Zuge des Strukturwandels weniger sinnvollen Beschäftigungen festgehalten und durch eine langfristige Subventionierung eine Umschichtung zu zukunftsträchtigen und nachhaltigen Beschäftigungen verhindert. In ihrer Ankündigung verfolgt die Regierung Frankreichs jedoch die Schaffung von Arbeitsplätzen in neuen Berufsfeldern. Unter dem Gedanken, besser Arbeit als Arbeitslosigkeit zu finanzieren38 werden Stellen geschaffen, die neuen gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechen. Überlegungen beziehen sich dabei auf Bereiche wie Versorgung älterer Menschen, Umweltschutz, Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen, Sicherheitsdienste in öffentlichen Einrichtungen und an öffentlichen Plätzen, sowie Personal in den Bereichen Information, Bildung und Kultur.39
In ihrem Weißbuch schlug die Europäische Kommission vor, allen Jugendlichen unter 18 Jahren den Zugang zu anerkannter Ausbildung zu garantieren. Ergänzend sieht die Kommission auch in Bereichen des Nachbarschaftsdienstes, des Umweltschutzes, sowie im audiovisuellen Bereich die Möglichkeit unerschlossener Reserven neuer Beschäftigungsmöglichkeiten.40 Bei der Diskussion über Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit geht es also um zwei Dinge: zum einen um eine Optimierung der staatlichen Aktivitäten. Zum anderen auch um eine zumindest in Ansätzen neue Definition des Begriffes „Arbeit“, der einen Lohnerwerb in bisher ehrenamtlich abgedeckten Tätigkeiten ermöglichen soll. Eine weitere Betrachtung wäre der Anfang zu einer neuen Seminararbeit und deshalb in diesem Rahmen nicht möglich.
5.3 Förderung der Anpassungsfähigkeit
In der Diskussion um mehr Flexibilität und der Erhöhung der Anpassungsfähigkeit werde ich die Punkte zeitliche und räumliche Flexibilität herausgreifen. Ersteres, weil es in der momentanen Diskussion eine herausragende Rolle spielt. Die räumliche Flexibilität, weil ihr im Zuge der europäischen Einigung eine neue, vielleicht bisher unterschätzte Bedeutung zukommt.
5.3.1 Zeitliche Flexibilität
Als Beispiel für erfolgreiche Methoden zur Steigerung der Beschäftigung werden oft die Arbeitszeitmodelle in den USA und als europäisches Beispiel die Niederlande herangezogen. Durch eine massive Ausweitung von Teilzeitarbeit konnten dort die Beschäftigungszahlen massiv erhöht werden. Bei aller Chance die in diesem Instrument liegt, mehren sich doch die kritschen Stimmen. Die Teilzeit als alleiniges Allheilmittel zu verstehen, wird wegen ihrer begrenzten Ausdehnungsmöglichkeit zu keinem guten Ergebnis führen. Die Bereitschaft zur Teilzeit ist von Land zu Land bei Bevölkerung und Arbeitgebern sehr unterschiedlich. Zum anderen ist der Anteil an unfreiwilliger Teilzeitarbeit41 speziell in den Niederlanden mit über 12% der höchste in der gesamten EU.42 Das Schlagwort der „working poor“ aus den USA zeigt in gleicher Weise die Schattenseite der Ausdehnung der Teilzeit. Die Gefahr besteht auch in Europa, daß Menschen durch Teilzeitarbeit in die Sozialsysteme getrieben werden, falls sie mit ihrem Arbeitslohn die Familien nicht mehr unterhalten können.43
Bei all diesen berechtigten Bedenken wäre es aber nicht fair, die enormen Chancen der Arbeitszeitflexibilität zu vergessen. Die Möglichkeit, daß der durch längere Maschinenlaufzeiten erzielte Effizienzgewinn des Sachkapitalstocks für mehr Beschäftigung sorgt, ist nicht von der Hand zu weisen. Dabei geht es nicht nur um die Frage der Teilzeitarbeit, sondern auch um die Frage flexibler Arbeitszeiten. Diese werden für die Unternehmen immer wichtiger, um Beschäftigungsschwankungen ausgleichen zu können. Durch ein hohes Maß an gesetzlichen Beschränkungen sind wenige Unternehmen bereit zeitweiligen Beschäftigungsanstiegen mit Neueinstellungen zu begegnen. Dabei geht es nicht um das Modell „hire and fire“, sondern um eine Schaffung nachhaltiger, aber eben auch flexibler Beschäftigungen.
Die Flexibilisierung der Arbeitsorganisation ist europaweit auf dem Vormarsch. Sicherlich ist die Notwendigkeit in Ländern mit relativ hoher Flexibilität weniger stark als z.B. in Deutschland, Griechenland oder Belgien, in denen der Regulierungsgrad noch sehr hoch ist.44 Diese unterschiedlichen Grade machen eine „koordinierte“ Politik natürlich sehr schwierig. Wieder einmal wirft ein Ansatzpunkt die Frage auf, inwiefern eine gemeinsame Politik zur Erzielung von mehr Beschäftigung überhaupt möglich ist oder nationale Programme besser den gewünschten Erfolg sichern.
5.3.2 Räumliche Flexibilität
Unter räumlicher Flexibilität sind Punkte, wie beispielsweise Umzugsbereitschaft oder die Bereitschaft und Möglichkeit an wechselnden Einsatzorten zu arbeiten, zu verstehen. Die intranationale Mobilität hat durch den Wegfall der Grenzen zwischen den Mitgliedsstaaten auch eine inter-europäische Dimension erreicht. In den USA ist die Mobilität ein wichtiger Anpassungsmechanismus. Speziell in Fragen des Strukturwandels kommt ihr eine wichtige Rolle zu. Will man diesen Ansatz fördern, hilft ein Blick nach Schweden. Gegen den europäischen Trend zeigt sich dort eine sehr hohe Mobilitätsbereitschaft. Durch massive Mobilitätsbeihilfen und der Androhung von Streichung von Sozialleistungen wurde diese gefördert.
Die Aussichten, das Ziel steigender Mobilität zu erreichen, sind ungleich höher als in anderen Bereichen. Durch eine immer mehr steigende Identifikation mit Europa, einem steigenden Flexibilitätsdruck und einer nachwachsenden Generation flexibler jüngerer Beschäftigter sind die Chancen auf eine Entwicklung zu mehr Mobilität sehr gut.
5.4 Kritik
Die Steigerung der Flexibilität in verschiedenster Hinsicht ist ein sehr wichtiger Faktor zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Jedoch darf man nicht vergessen, daß viele dieser Maßnahmen zu Lasten des Sicherheitsgefühls der Arbeitnehmer geht. Dies kann bedeuten, daß das Vertrauen in die (europäische) Politik und damit auch die Verbrauchernachfrage sinkt. Doch brauchen wir gerade jetzt eine Kombination aus Angebots- und Nachfragepolitik. Eine Lösung der Beschäftigungskrise wird nur dann gelingen, wenn die Politik neben der Flexibilisierung noch andere Antworten auf das Problem findet.
6 Schlußbemerkung
Bisher haben die europäischen Staats- und Regierungschefs ein hohes Maß an Kraft in die Währungspolitik gesetzt. Wollen wir den großen Teil unserer Gesellschaft, die ohne Beschäftigung ist, nicht einfach vergessen, ist die Definition eines eigenständigen Zieles der Beschäftigung unumgänglich. Die Identifikation mit der europäischen Idee wird bei der Bevölkerung nicht nur über eine stabile Währung sondern auch (und vielleicht viel mehr) über die Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit geschehen. Über den Sinn oder Unsinn einer koordinierten Beschäftigungspolitik läßt sich streiten. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten erscheinen oft so groß, daß eine nationale Beschäftigungspolitik sinnvoller erscheint. Auch sehe ich in der Delegation der Aufgabe auf europäische Ebene eine große Gefahr, daß bei nicht zufriedenstellender Lösung des Problems der „schwarze Peter“ nicht bei den mitverantwortlichen Staaten, sondern bei den europäischen Institutionen liegt.
Die Diskussion über eine Beschäftigungspolitik mit der Umstrukturierung unseres Sozialstaates zu verbinden und als Lösung dann den Abbau der sozialen Sicherung zu fordern wird meiner Meinung nach nicht zu dem gewünschten Ziel führen. Eine Stärke war und ist der soziale Frieden innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU - und dieser ist jetzt schon in genügendem Maße in Gefahr. Unsere Gesellschaft war schon immer durch ein hohes Maß an Innovationsfähigkeit geprägt. Vielleicht schaffen wir es mit dieser Kraft, neben den amerikanischen und japanisch/asiatischen Modellen auch ein „europäisches Modell“ zu entwickeln.
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Man denke nur an die Auswirkungen der Wahlen in London, Paris oder Bonn/Berlin
2 Der BSE-Skandal während der Konferenzen in Italien war ein solches Ereignis, auf welches im Kapitel 3 noch kurz eingegangen wird
3... und sicherlich auch manchmal die fehlenden Resultate.
4 Einige, meist kritische Autoren behaupten gar, die Bemühungen, die Arbeitslosigkeit zu senken, seien alleinig durch das Mittel der Geldpolitik versucht worden (z.B. Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik, 1998)
5 Wenn ich im folgenden nur die männliche Form verwende, geschieht dies lediglich aus Gründen der besseren Verständlichkeit
6 Vgl. Zuleeg, 1997, S. 23, in: Die Reform der Europäischen Union
7 Aus: Schröder, 1997, S. 190f, in: Beschäftigungskrise in Europa
8 Zuleeg, 1997, S.25, in: Die Reform der Europäischen Union
9 Vgl. Schöder, 1997, S. 189ff, in: Beschäftigungskrise in Europa
10 Vgl. Kösters, 1997, S. 31, in: Die Reform der Europäischen Union
11 Vgl. Platzer, 1997, S.235f, in: Die Reform der Europäischen Union
12 Vgl. Foden, Yuste, 1997, S.156, in: Beschäftigungskrise in Europa
13 Vgl. Franzmeyer, Weise, 1997, S. 323, in: Die Reform der Europäischen Union
14 Vgl. Franzmeyer, Weise, 1997, S. 324, in: Die Reform der Europäischen Union
15 Vgl. Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, 1998, S. 148 ff
16 Jopp, 1996, S. 110
17 Memorandum für ein Europäisches Sozialmodell (französisches Regierungsdokument, aus: Platzer, 1997, S.234, in: Die Reform der Europäischen Union
18 Man sehe sich nur das Ergebnis des Beschäftigungsgipfels in Luxemburg an.
19 vgl. Arbeitskreis Alternative Wirtschaftspolitik, 1998, S. 215f
20 Natürlich darf man dabei nicht vergessen, daß es kurzfristig allerdings zuerst zu Kosten in der Umstellphase kommen wird
21 Vgl. Dohse, Krieger-Boden, 1998, S.8
22 Vgl. Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, 1998, S.211
23 In: Währungsunion und Arbeitsmarkt, 1998, S.6ff und S.94ff
24 Vgl. Dohse, Krieger-Boden, 1998, S.11
25 Darunter fallen verschiedene Arten von Flexibilität wie z.B. zeitliche Flexibilität, Lohnflexibilität und räumliche Mobilität (siehe auch Kapitel 5)
26 Dohse, Krieger-Boden bezeichnen Finnland, Schweden, Italien, Spanien und Griechenland als zu dieser Gruppe gehörend. Deutschland, Frankreich, Belgien und Dänemark weisen zwar ebenfalls eine geringe
27 Also die Schwelle, ab dem das Wirtschaftswachstum sich positiv auf die Beschäftigung auswirkt. In den USA wird eine Beschäftigungssteigerung schon bei einer Steigerung vom 0,5 % erreicht. Dieser scheinbare Vorteil wird in letzter Zeit des öfteren zitiert. Vergessen wird dabei allerdings häufig, daß die Ursache in der nahezu gleichbleibenden Produktivität liegt. Die ständig steigende Arbeitsproduktivität im europäischen Raum benötigt einfach ein höheres Wachstum, bis es sich auf die Beschäftigung steigernd auswirkt (vgl. Schröder, 1997, S. 217)
28 Mindestlöhne gib t es in Belgien, Griechenland, Spanien, Frankreich, Irland, Luxemburg, Niederlanden und Portugal; Großbritannien hat sie inzwischen abgeschafft
29 diese zögernde Haltung teilen wir allerdings mit Italien, Österreich, Griechenland, Portugal und Belgien (vgl. Dohse, Krieger-Boden, 1998, S. 66)
30 zum Beispiel: Tarifabschluß in der chemischen Industrie
31 Vgl. Hallwirth, 1998, S.154f
32 Vgl. Schröder, 1997, S. 196f
33 Schröder, 1997, S. 196
34 Vgl. Foden, Yuste, 1997, S. 151
35 Als Beispiele seien Behinderte, Langzeitarbeitslose und Frauen (vorallem beim beruflichen Wiedereinstieg) genannt. Eine weitere Betrachtung auch dieser Bevölerungsgruppen ist aber im Umfang dieser Seminararbeit leider nicht möglich.
36 Vgl. Schröder, 1997, S. 223
37 Zahlen von 1998 (vgl. Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, 1998, S. 221)
38 Ein Ansatz, den man auch in Äußerungen deutscher Politiker immer öfter hören kann.
39 Vgl. Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, 1998, S. 221
40 Vgl. Schröder, 1997, S. 224
41 Unter unfreiwilliger Teilzeitarebit versteht man die Personen, die Teilzeit arbeiten, aber lieber Vollzeit arbeiten würden.
42 Vgl. Dohse, Krieger-Boden, 1998, S. 73
43 Vgl. Empter, 1996, S. 59
44 Vgl. Dohse, Krieger-Boden, 1998, S. 75
- Citation du texte
- Rainer Pietschmann (Auteur), 1999, Die "koordinierte Beschäftigungsstrategie" der EU, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101365
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