Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Darstellung der begrifflichen Grundlagen
2.1 Kommunikation
2.2 Verhalten und Handeln
2.3 Semiotik und Pragmatik
3. Die Schule von Palo Alto
4. Die Axiome
4.1 Die Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren
4.2 Der Inhalts- und Beziehungsaspekt
4.3 Die Interpunktion von Ereignisfolgen
4.4 Digitale und analoge Kommunikation
4.5 Symmetrie und Komplementarität
5. Analyse des 1. Axioms
5.1 Analyse von Roland Burkart
5.2 Kritik durch Bettina Girgensohn-Marchand
5.3 Kritik an dem Begriff Metakommunikation
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens in einer menschlichen Gemeinschaft. Schließlich sind ja die Individuen, die durch ein Netzwerk sozialer Beziehungen miteinander in Kontakt und Interaktion stehen, ein Bestimmungsmerkmal von Gesellschaften. Wie diese Kommunikation beschaffen ist, soll diese Ausarbeitung darlegen. Sie befasst sich hauptsächlich mit der Kommunikation von einem Menschen zum anderen, nicht mit der Massenkommunikation, mit der viele Menschen erreicht werden.
Als Grundlage der Argumentation wird das Buch ,,Menschliche Kommunikation" von Paul Watzlawick et. al. herangezogen. Dieses Werk leistete einen bedeutenden Beitrag zur kommunikationstheoretischen Forschung, da es vielfach rezipiert und auch kritisiert wurde, wie wir im folgenden sehen werden. Es ,,handelt von den pragmatischen (den Verhaltensmäßigen) Wirkungen der menschlichen Kommunikation, unter besonderer Berücksichtigung von Verhaltensstörungen" (Watzlawick, S.13). Im Kapitel 2 werde ich einige grundlegende Begriffe klären, die zum Verständnis wichtig sind. Im 3. Kapitel wird Watzlawick in eine bestimmte Theorierichtung eingeordnet. Darauf folgt im Kapitel 4 die Darstellung der fünf Axiome Watzlawicks, wobei ich mich im Kapitel 5 auf das 1. Axiom spezialisiere und zu diesem einige Kritikpunkte unter Verwendung anderer Autoren diskutiere.
Das zu klärende Problem besteht darin, ob Watzlawicks Axiome in der Kommunikationsforschung anwendbar sind. Ich gehe deshalb auf das 1. Axiom besonders ein, weil es die anderen Axiome überspannt und auch am meisten in der Fachliteratur diskutiert wurde.
2. Darstellung der begrifflichen Grundlagen
2.1 Kommunikation
Das Zusammenleben der Menschen in einer Gesellschaft hängt im Wesentlichen von der Kommunikation ab. Gesellschaft bedeutet schließlich das jeweils umfassendste System des menschlichen Zusammenlebens. Zum einen hat sich die Massenkommunikation als wichtiger Informationsträger über und für eben jene Gesellschaft etabliert, zum anderen nimmt auch die interpersonale Kommunikation einen hohen Stellenwert ein. Sie besteht aus einer Information, die mitgeteilt wird, und zwar mit dem Ziel der Verständigung, das heißt, allein die Übertragung oder Ausbreitung von Information stellt noch keine Kommunikation dar, dies sind lediglich Informationsprozesse. ,,In der philosophisch orientierten Kommunikationstheorie bezieht sich der Begriff über den Prozess der Informationsübertragung hinaus auf den Prozess der intersubjektiven Verständigung" (Lexikon zur Soziologie, S.398)
Außerdem wird damit nicht nur die Verständigung allgemein erzielt, sondern es geht ja auch darum, dass man dem Gegenüber etwas Bestimmtes mitteilen will, um seine Interessen zu realisieren oder zu wahren. Diese Ansicht vertritt auch Burkart:
,,Jeder kommunikativ Handelnde besitzt... eine spezielle Intention: er setzt seine kommunikative Handlung aus einem bestimmten Interesse heraus... Die Kommunikations-Interessen sind der Anlass jeglicher Kommunikationsversuche" (Burkart, S.26 f., Hervorhebung im Original) Somit ist für ihn Kommunikation gleichbedeutend mit sozialem Handeln.
Im Gegensatz dazu vertritt Watzlawick eine andere Auffassung von Kommunikation. Für ihn ist sie gleichbedeutend mit ,,Verhalten jeder Art" (Watzlawick, S.51) Der näheren Definition dieser beiden Begriffe ist der nächste Abschnitt gewidmet.
2.2 Verhalten und Handeln
Bei der Definition besonders dieser Begriffe stütze ich mich vor allem auf soziologische Ansätze, da sich diese Wissenschaft meiner Ansicht nach auf diesen beiden Begriffen aufbaut. Schließlich geht es bei ihr ja um den Menschen und wie er agiert.
Verhalten ist die ,,allgemeinste Bezeichnung für jede Aktivität oder Reaktion eines Organismus..., gleichgültig ob das Individuum damit einen ´subjektiv gemeinten Sinn`, eine Absicht, einen Zweck usw. verbindet oder nicht." (Lexikon zur Soziologie, S. 823) Jegliche Regung eines lebenden Organismus kann man also als Verhalten bezeichnen.
Wenn man von einem sozialen Verhalten spricht, so ist dies bereits auf andere Organismen bezogen. Es ist eine Reaktion auf das Verhalten anderer Individuen, welche wiederum das Verhalten der anderen beeinflusst. Ein Verhalten kann im Sozialisationsprozess erlernt werden oder angeboren sein.
Die Begriffe Kommunikation und Verhalten werden bei Watzlawick als gleichbedeutend verwendet, da das Material der pragmatischen Kommunikation nicht nur verbaler Natur sei, sondern auch nonverbale und paraverbale Sprache sowie die Umwelt mit einbezogen wird, weil dies auch alle Regungen eines Organismus sind (vgl. Watzlawick, S. 51). Im Gegensatz dazu bezeichnet Handeln ,,ein menschliches Verhalten..., wenn und insofern als der oder die Handelnden damit einen subjektiven Sinn verbinden." (Weber, S.1 Hervorhebung im Original) Dieser Begriff wird oft dazu benutzt, um das menschliche Verhalten von dem tierischen abzugrenzen, nämlich indem auf dessen bewusstes Verfolgen eines Zieles verwiesen wird.
Vom sozialem Handeln spricht man wiederum, wenn es sich in seinem Ablauf an den Handlungen anderer orientiert.
Watzlawick benutzt den Begriff des Handelns in seiner Ausführung nicht speziell, er ist für ihn gleichbedeutend mit dem Begriff Verhalten.
2.3 Semiotik und Pragmatik
Weiterhin will ich auf das Wort eingehen, welches in meinem Titel und auch bei Watzlawicks Ausführungen erschienen ist. Mit Hilfe der Morris`schen Dreiteilung der Semiotik stellt Watzlawick den pragmatischen Aspekt der Kommunikation dar. Diese Dreiteilung sieht folgendermaßen aus (vgl. Watzlawick, S.22):
Syntaktik: der syntaktische Teil befasst sich mit Problemen der Nachrichtenübermittlung
Semantik: der semantische Teil hat als Untersuchungsgegenstand die Bedeutung der verwendeten Symbole
Pragmatik: der pragmatische Teil untersucht die Beeinflussung des Verhaltens durch die Kommunikation, das heißt es geht um die beobachtbaren Wechselwirkungen menschlicher Beziehungen
3. Die Schule von Palo Alto
Watzlawick gehört zu einer Forschergruppe, die sich mit drei großen Themen beschäftigt: der Theorie der Kommunikation, der Methodologie des Wandels sowie der therapeutischen Praxis in der Psychologie. Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie alle von einem systemischen Ansatz ausgehen, inspiriert von Gregory Bateson, welcher Interesse bekundete ,,für eine schlüssige transkulturelle Theorie, deren Begriffe auch auf andere Gesellschaften anwendbar sein sollen" (Marc/ Picard, S.12).
Jackson, ein Mitarbeiter von Bateson, gründete daraufhin das MRI (Mental Research Institute) in Palo Alto bei San Francisco/ USA. Er hatte es sich zum Ziel gesetzt, die kommunikationstheoretischen Erkenntnisse auf die Psychotherapie anzuwenden.
Im Jahre 1961 stieg Watzlawick ebenfalls in die Forschungsarbeiten im Institut ein. Er wurde 1921 in Österreich geboren, musste bei der Machtergreifung Hitlers ins Ausland emigrieren und promovierte 1949 in Venedig zum Doktor der Philosophie. Danach studierte er am C.G. Jung-Institut in Zürich Psychoanalyse und machte 1954 sein Diplom als Analytiker. Er trug erheblich zur Veröffentlichung der Ideen der Gruppe bei, da er sehr energisch dahinterstand und sich außerdem sehr gut ausdrücken konnte. (vgl. Marc/ Picard, S.18-20)
Die Kommunikationstheorie beruht auf drei zentralen Hypothesen (vgl. Marc/ Picard, S.25- 26):
1. Jede Kommunikation besteht aus relationalen und interaktiven Prozessen. Dabei geht es um die Beziehungen zwischen den Individuen, nicht um sie selbst. Darin lässt sich der systemische Ansatz erkennen.
2. Menschliches Verhalten besitzt immer einen Kommunikationswert, das heißt, jede Beziehung ist ein Kommunikationssystem, "in dem die Elemente einander bedingen und implizieren" (Marc/ Edmond 1991, S.26). Die Logik der Kommunikation lässt sich aus der Beobachtung der Mitteilungen in dem jeweiligen Kontext ableiten.
3. Psychische Probleme können "auf Störungen der Kommunikation zwischen dem Symptomträger und seiner Umwelt zurückgeführt werden" (Ebd.) Dies verschafft Zugang zum Verständnis von Geisteskrankheiten.
Die Hypothese 2 beinhaltet unter anderem auch das 1. Axiom, welches Watzlawick in seiner Kommunikationstheorie aufgreift. Dabei werden intrapsychische Vorgänge zweitrangig, der Psychologe analysiert primär das Verhalten, der menschliche Geist gleicht einer Black Box. Doch näheres über die Axiome Watzlawicks ist im nächsten Kapitel aufgeführt.
4. Die Axiome
Die Axiome sollen die Eigenschaften der Kommunikation beschreiben, wobei sich Watzlawick bereits in seiner Vorbemerkung gegen Kritik absichert, da er sagt, dass sie beim gegenwärtigen Wissensstand ,,weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Endgültigkeit erheben können" (Watzlawick, S.50).
4.1 Die Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren
Dies ist das wichtigste Axiom, welches alle anderen überspannt und beeinflusst. Kommunikation wird hierbei mit dem Begriff Verhalten gleichgesetzt, da ,,das Material jeglicher Kommunikation keineswegs nur Worte sind, sondern auch alle paralinguistischen Phänomene... umfasst - kurz, Verhalten jeder Art." (Watzlawick, S.51) Verhalten besitzt wie schon erwähnt keinen subjektiven Sinn, es verbindet sich damit keine Absicht, und es schließt vor allem auch unbewusste Verhaltensweisen von Individuen mit ein. Daraus leitet er ab, dass man sich immer irgendwie verhält, sich also "nicht nicht verhalten" (Ebd.) kann.
Da er Verhalten mit Kommunikation gleichsetzt, weicht von der oben erläuterten Auffassung über Kommunikation ab, da für ihn das Verstehen der Nachricht, die mitgeteilt wird, keine Rolle spielt und auch kein gerichtetes Ziel dahinter steht, zu kommunizieren. Daraus leitet er das erste Axiom ab: "Man kann nicht nicht kommunizieren." (Watzlawick, S.53 Hervorhebung im Original)
4.2 Der Inhalts- und Beziehungsaspekt
Der Inhaltsaspekt bezeichnet die Information in einer Mitteilung, egal ob diese wahr oder falsch ist, während der Beziehungsaspekt einen Hinweis darauf liefert, wie der Sender die Information vom Empfänger verstanden haben möchte, er definiert die Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern (vgl. Watzlawick, S. 53). Letzterer Aspekt ist eine Metakommunikation, da er ,,eine Kommunikation über eine Kommunikation darstellt" (Watzlawick, S.55).
Die beiden Aspekte treten immer zusammen auf, es gibt aber verschiedene Varianten der Kombination (vgl. Watzlawick, S.81):
1. Der Idealfall liegt vor, wenn sich die Kommunikationspartner sowohl über den Inhalt als auch über die Beziehung einig sind.
2. Im schlechtesten Fall liegt das Gegenteil vor, wenn in beiden Aspekten Uneinigkeit besteht.
3. Außerdem gibt es noch Mischformen:
a.
Die menschlich reifste Form der Auseinandersetzung ist gegeben, wenn auf der Inhaltsstufe Uneinigkeit herrscht, dadurch die Beziehung jedoch nicht beeinträchtigt wird.
b.
Schwierig wird es aber, wenn auch der Inhaltsstufe die selbe Meinung existiert, jedoch in der Beziehung Uneinigkeit vorliegt. Dann ist nämlich beim Wegfall der Einigkeit auf der Inhaltsstufe die Kommunikation ernsthaft gefährdet.
Aus diesen Überlegungen leitet er sein zweites Axiom ab: ,, Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist." (Watzlawick, S.56 Hervorhebung im Original)
4.3 Die Interpunktion von Ereignisfolgen
Es wird geschätzt, dass der Mensch durchschnittlich pro Sekunde 10.000 Sinneswahrnehmungen aufnimmt. Dies erfordert eine drastische Auswahl, um die höheren Hirnzentren nicht durch eine Überschwemmung von Informationen zu blockieren. Da aber die Entscheidung, was wichtig oder unwichtig ist, von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausfällt, ist das, was wir als Wirklichkeit empfinden, nur das Resultat unserer spezifischen Interpunktionen (vgl. Watzlawick, S.92 f.).
Konflikte zwischen Kommunikationspartnern entstehen sozusagen aus der Überzeugung, dass jeder eine andere Wirklichkeit sieht. Zum Beispiel entstehen Beziehungskonflikte in Ehen oft durch Diskrepanzen der beiden Partner auf dem Gebiet der Interpunktion. (Ebd.) Er schlägt weiterhin vor, dass man zur Lösung des Problems metakommunizieren soll, um den Kreislauf zu durchbrechen.
Auf jede Aktion folgt eine Reaktion, wobei diese davon abhängt, wie die Aktion aufgenommen wurde, was oftmals mit Missverständen passiert. Dieses Problem führt zum Begriff der selbsterfüllenden Prophezeiung.
Das bedeutet, dass es Verhaltensformen gibt, ,,die in anderen Menschen Reaktionen auslösen, auf die das betreffende Verhalten eine adäquate Reaktion wäre, wenn es sie nicht selbst bedingt hätte." (Watzlawick, S. 95) Es ist also eine Annahme oder auch Vorhersage, die nur Wirklichkeit wird, weil sie gemacht wurde, und sich aber somit auch in ihrer ,,Richtigkeit" bestätigt.
Über diese Ausführungen gelangt er zum dritten Axiom: ,, Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt." (Watzlawick, S.61 Hervorhebung im Original)
4.4 Digitale und analoge Kommunikation
Ein Objekt lässt sich auf zwei Arten darstellen: zum einen durch eine Analogie (beispielsweise eine Zeichnung), zum anderen durch eine digitale Kommunikationsform (zum Beispiel Namen). Namen sind Worte, deren Beziehung zu dem Objekt eine rein definitorische ist, es besteht lediglich eine Übereinkunft über die Bedeutung des Wortes. Diese Tatsache formuliert er folgendermaßen:
,, Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten.
Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikationen erforderliche logische Syntax." (Watzlawick, S.68 Hervorhebung im Original)
Dieses Axiom steht außerdem in Zusammenhang mit dem zweiten Axiom. Der Inhalt ist wird digital und der Beziehungsaspekt analog vermittelt.
4.5 Symmetrie und Komplementarität
Die Bezeichnungen haben grundsätzlich nichts mit Werturteilen wie gut oder schlecht zu tun, in gesunden Kommunikationsbeziehungen wirken beide Formen zusammen.
Bei der symmetrischen Interaktion ,,ist das Verhalten der beiden Partner sozusagen spiegelbildlich... Symmetrische Beziehungen zeichnen sich also durch Streben nach Gleichheit und Verminderung von Unterschieden...aus" (Watzlawick, S.69)
Im Gegensatz dazu beruht eine komplementäre Struktur auf dem gegenseitigen Ergänzen des Verhaltens des einen Partners durch den anderen. Sie basieren also auf ,,sich gegenseitig ergänzenden Unterschiedlichkeiten" (Ebd.). Daraus leitet er das fünfte Axiom ab: ,, Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Ungleichheit beruht." (Watzlawick, S.70 Hervorhebung im Original)
5. Die Analyse des 1. Axioms
Ich werde in diesem Abschnitt das erste Axiom einer genaueren Prüfung unterziehen, da es wie schon in der Einleitung erwähnt, das grundlegende Axiom für Watzlawick darstellt, aber auch, da es viele Wissenschaftler bis in die heutige Zeit beschäftigt und zu heftigen Auseinandersetzungen mit seinem Werk führt.
Einerseits wurden sehr viele Kritikpunkte gefunden, andererseits versuchten sich einige auch mit der Frage auseinanderzusetzen, wieso die Theorie eine solche Zustimmung und Popularität unter Studenten erreichen konnte.
5.1 Analyse von Roland Burkart
Watzlawick geht im Unterschied zu Burkart von einem anderen Kommunikationsbegriff aus. Während bei ersterem Kommunikation ganz allgemein gleichzusetzen ist mit Verhalten, grenzt Burkart das Feld enger ein, indem er nicht bloßes Verhalten als Grundlage annimmt, sondern von einem Spezialfall des Verhaltens ausgeht, dem sozialen Handeln. Nach seinen Ausführungen besitzt jeder kommunikativ Handelnde ,,eine allgemeine Intention, nämlich: den Mitteilungs-Charakter seiner kommunikativen Handlung verwirklichen zu wollen." ( Burkart, S.26 Hervorhebung im Original) Er will bestimmte Bedeutungen damit vermitteln, also ist seine Kommunikation intentional gelenkt, das heißt, er verfolgt damit das Ziel jeder kommunikativen Handlung: ,,er will Verständigung zwischen sich und seinem Kommunikationspartner herstellen." (Ebd.)
Weiterhin wird der Handelnde auch von einer ,, speziellen Intention" (Ebd.) geleitet: ,,er setzt seine kommunikative Handlung aus einem bestimmten Interesse heraus" (Ebd.) Er versucht, seine Interessen zu realisieren, indem er mit anderen darüber kommuniziert. Die spezielle Intention gibt Auskunft darüber, warum der Akteur überhaupt in der Art und Weise handelt, was der Anlass dazu ist. Im Gegensatz dazu ist bei Watzlawick die Ursache eines Verhaltens nicht so wichtig, eher wird seine Wirkung in den Vordergrund gestellt.
5.2 Kritik durch Bettina Girgensohn-Marchand
Bettina Girgensohn-Marchand kritisiert zunächst ebenfalls Watzlawicks Gleichsetzung der Begriffe "Verhalten" und "Kommunikation". Verhalten hat nur dann einen Informationswert, wenn es uns veranlasst, etwas zu wissen oder zu glauben, was wir bisher nicht gewusst oder geglaubt haben. Dies ist dann jedoch ein spezifisches Verhalten. Informationstheoretisch hat Verhalten allgemein ,,als Gesamtmenge aller Äußerungen von Menschen...eine Wahrscheinlichkeit von 100%, hat also keinen Informationswert." (Girgensohn-Marchand, S.36)
Anders formuliert: Wenn alles Verhalten, das in Gegenwart eines anderen Menschen stattfindet, kommunikativ ist - was für einen wissenschaftlichen Nutzen kann man dann noch aus der Kennzeichnung von Verhalten als "kommunikativ" entnehmen? Es ist eben nicht so, dass jedes Verhalten Informationsgehalt besitzt, das von Bedeutung ist. Wenn man die Aussage "Man kann sich nicht nicht verhalten" (Watzlawick, S.51) der doppelten Verneinung entkleidet, wird die Banalität klar: "Menschen verhalten sich" (Girgensohn-Marchand, S.36) ist eine triviale Erkenntnis, da es sich um eine abstrakte Aussage handelt und nicht um etwas spezifisches.
Dies kann ein Beispiel verdeutlichen: Der Mann im Wartezimmer, der nicht sprechen und nicht angesprochen werden will. Es geht nicht darum, dass er sich nicht verhalten will, sondern dass er sich nicht unterhalten will, also etwas spezifisches. Bettina Girgensohn-Marchand fordert die für sie angemessenere Fragestellung: "Unter welchen Umständen soll, kann oder will man gar nicht oder nicht deutlich mit einer bestimmten Verhaltensweise reagieren oder agieren? Welche -angemessenen- Handlungsstrategien gibt es dann?" (Girgensohn-Marchand, S.40)
Weiterhin beschäftigt sie die Frage, wieso diese Theorie vor allem bei Studenten eine solche Popularität besitzt. Sie erklärt dies damit, dass das Studium in einer Lebensphase höherer Konfliktanfälligkeit absolviert wird, und unterstellt weiterhin, dass Studenten an der Universität unter Kontaktstörungen leiden, da alles so anonym und unfreundlich ist. Watzlawick beweist ihnen, dass sie nicht allein Schuld an diesem Zustand haben, sondern dies einem bestimmten Interaktionskontext zugeschrieben werden kann:
,,Ich bin nicht schlecht, schüchtern, depressiv, unbeliebt, etc., sondern ich kann mich gar nicht anders verhalten, weil ich in einem bestimmten Interaktionskontext aufgewachsen bin und das Spiel mitmachen musste." (Girgensohn-Marchand, S.11)
Sie unterstellt also der Mehrzahl von Studenten, diese Theorie bedingungslos zu akzeptieren, weil sie eine Lösung ihrer persönlichen Probleme darstellt. Ich weiß nicht, ob sie diese Behauptung wissenschaftlich untermauern kann oder dies einfach nur eine unspezifische Annahme ist. Ich finde es ein wenig übertrieben, Studenten Kontaktschwierigkeiten zu unterstellen, da gerade das Studium vielen Menschen neue Wege eröffnet, ungezwungen mit anderen in Kontakt zu treten. Nichtsdestotrotz finde ich, dass ihre restlichen Ausführungen schlüssig sind und die Forschungen auf diesem Gebiet in eine neue Richtung lenken können. Anfangs war ich auch beeindruckt von den Überlegungen Watzlawicks, vor allem, wie einfach alles klang, doch verwirrte mich bereits bei der ersten Lektüre seine Verwendung der Begriffe, da ich als Soziologiestudent besonders auf die Wichtigkeit exakter Definitionen hingewiesen wurde.
5.3 Kritik an dem Begriff Metakommunikation
Um sich über unsere Kommunikation unterhalten zu können, sollen nach Watzlawick Begriffe verwendet werden, die nicht mehr Teil unserer Kommunikation sind, sondern von ihr handeln. (vgl. Watzlawick, S.41) Dabei tritt ein Problem auf: wir müssen bei der Erforschung der Metakommunikation unser Begriffsystem benutzen, da uns kein anderes zur Verfügung steht. Ein besserer Weg wäre es, die verwendeten Begriffe möglichst genau zu definieren, um Missverständnisse weitgehend auszuschließen.
Ein unklarer Faktor, der die gesamte Theorie betrifft, ist die Verwendung des Begriffs
,,Metakommunikation" selbst. Watzlawick gebraucht ihn in vier verschiedenen Varianten:
1. als Beziehungsaspekt
2. als Reden über das Miteinandersprechen
3. als Lösen von Beziehungsproblemen
4. als Kommunikatorforschung So ist es schwierig, die Bedeutung herauszufinden, wenn er von Metakommunikation spricht.
6. Zusammenfassung
Es hat sich gezeigt, dass Watzlawicks Ausführungen aufgrund vieler begrifflicher Unklarheiten sowie der anderen Herangehensweise an den Begriff der Kommunikation nicht unbedingt anwendbar sind auf die Kommunikationsforschung, dass er aber auf alle Fälle die Diskussion um den Begriff der Kommunikation weiter vorangetrieben hat. Aufgrund dieser Untersuchungen lässt sich aber die Theorie als Ganzes meiner Meinung nach nicht mehr aufrechterhalten, da heute eher die von Burkart formulierte Definition gebraucht wird. Außerdem steht dieser Ansatz nicht im Gleichgewicht mit anderen Theorien aus der Psychologie, da er den Menschen selbst nur in Zusammenhang mit anderen Individuen untersucht. Zu erwähnen bleibt noch, dass sich auch viele Wissenschaftler seiner Meinung angeschlossen haben und seine Theorie weiter ausbauen und als Ausgangspunkt für eigene Überlegungen benutzen, zum Beispiel Friedemann Schulz von Thun, der sich besonders mit der Analyse des zweiten Axioms beschäftigte.
7. Literaturverzeichnis
- Burkart, Roland: Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder, 3.Aufl., Wien/Köln/Weimar: Böhlau 1998
- Girgensohn-Marchand, Bettina: Der Mythos Watzlawick und die Folgen. Eine Streitschrift gegen systemisches und konstruktivistisches Denken in pädagogischen Zusammenhängen, 2. Aufl., Weinheim: Deutscher Studienverlag 1994
- Fuchs, Werner et al. (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie, 2.Aufl., Opladen: Westdeutscher Verlag 1988
- Watzlawick, Paul/ Beavin, Janet H./ Jackson, Don D.: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. 8. Aufl., Bern/Stuttgart/ Toronto: Huber 1969
- Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. Aufl., Tübingen: Mohr 1972
- Arbeit zitieren
- Corina Friedrich (Autor:in), 2000, Die Pragmatik der Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101100
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