Peter Turrini
Ein Skandalschriftsteller
1.Kurzbiographie
Peter Turrini wurde am 26.9.1944 in St. Margarethen im Lavanttal als Sohn einer ö sterreichischen Mutter und eines italienischen Vaters geboren. Nachdem er in Maria Saal in K ä rnten aufwuchs, besuchte er von 1958-1963 die Handelsakademie in Klagenfurt und legte im Sommer 1963 erfolgreich seine Maturapr ü fung ab. Von 1963-1971 arbeitete Turrini wohl eher als Gelegenheitsarbeiter in verschiedenen Berufen: Holzf ä ller, Stahlarbeiter, Werbetexter und Hotelsekret ä r. Von 1971 bis jetzt lebt Turrini als freier Schriftsteller in Wien und Retz (Retzer Weinstrasse).
Peter Turrini ist ein sehr vielseitiger Schriftsteller, so schreibt er Theaterst ü cke, Drehb ü cher, Gedichte, Aufs ä tze und Reden. Seine Theaterst ü cke werden weltweit in zahlreichen Sprachen gespielt, wobei besonders zu betonen ist, dass er viele davon selbst ü bersetzt.
Preise und Auszeichnungen:
- 1971 F ö rderungsbeitrag des Wiener Kunstfonds der Zentralsparkasse Wien f ü r Literatur
- 1972 F ö rderungspreis des Landes K ä rnten f ü r Literatur
- 1976 F ö rderungspreis der Stadt Wien f ü r Literatur
- 1977 Silberne Nymphe, Preis f ü r das beste TV-Drehbuch in Monte Carlo
- 1979 Fernsehpreis der Ö sterreichischen Volksbildung ( gemeinsam mit Dieter Berner und Wilhelm Pevny)
- 1981 Gerhart-Hauptmann-Preis der Freien Volksb ü hne Berlin
- 1988 Buchpr ä mie des Bundesministeriums f ü r Unterricht und Kunst
- 1990 Preis des Maubenge International Th éâ tre Festival f ü r das beste ausl ä ndische Theaterst ü ck
2. Werke im Ü berblick
Grunds ä tzlich ist ü ber Peter Turrinis Werke zu sagen, dass Sie von der Lust an
Provokation, der Infragestellung und Zerst ö rung von moralischen Werten und heimatlicher Idylle, sch ä rfster Gesellschaftskritik und einem, nicht selten in die Vulg ä rsprache abdriftenden , Verbalradikalismus gepr ä gt sind.
Schlagartig bekannt wurde Turrini im Jahre 1971 mit der Urauff ü hrung seines
Theaterst ü ckes „ Rozznjogd “ . Turrini stellte dieses Werk der Ö ffentlichkeit mit folgenden Worten vor: “ Es geht zu Ende!!!! Zu Ende mit den Worten der Werbung, diesen B ü roklammern der Sprache, die als N ä gel von den Fingern des Wohlstandes gerissen werden: [...].Zu Ende mit den Worten der Liebe, diesen schei ß igen und soufflierten EKG-T ö nen der Sprache.( „ Brief an den Verlag “ , in: „ Turrini Lesebuch “ . 1978) “ .
Kurzinhalt „ Rozznjogd “ :
Ein junger Mechanikerlehrling nimmt seine neue Bekanntschaft mit auf die M ü llhalde zur Rattenjagd, wo er versucht , seine Aggressionen gegen ü ber seiner Umwelt abzubauen. Nachdem sich das M ä dchen anfangs widersetzt, legen die beiden jungen Leute im Laufe ihres Liebesspieles s ä mtliche Kosmetika und Kleidungsst ü cke ab und werfen alles, was Sie vorher zu sogenannten „ zivilisierten Menschen “ gemacht hatte, auf den M ü ll. Der Traum der Selbstverwirklichung, dem die Beiden durch Ihre Nacktheit allm ä hlich ziemlich nahe kommen, wird durch zwei vorbeikommende Rattenj ä ger j ä h zerst ö rt: Die beiden werden von den Rattenj ä gern erschossen.
Die Botschaft Turrinis ist leicht zu erkennen:
F ü r ihn ist die Welt eine M ü llhalde und die Menschen sind Ratten. Spricht sich der Mensch von den Normen, die ihn zum „ zivilisierten Menschen “ machen frei, so wird er von der restlichen, monotonen Gesellschaft nicht mehr als Mensch erkannt und zum Abschu ß freigegeben.
Ein ähnliches Motiv liegt dem Skandalst ü ck „ Sauschlachten “ zugrunde:
Der Bauernsohn Valentin weigert sich zu sprechen und gibt nur noch Grunzlaute von sich. Das ganze Dorf macht sich ü ber das „ Schwein Volte “ lustig. Valentins Vater, der dem Spott der Gesellschaft nicht mehr standh ält, versucht daraufhin vergebens das Schweigen seine Sohnes zu brechen. Fortan wird Valentin von seiner ganzen Familie gepeinigt und gezwungen, Saufutter zu fressen und im Stall zu hausen.
Nachdem die sogenannten „ Dorfhonorationen “ ( Doktor, Pfarrer und Lehrer) den kollektiven Hass legitimieren, wird die Sau Valentin geschlachtet- „ von urgem ü tlicher, l ändlicher Musik begleitet “ (Regieanweisung).
Das Theaterstück „ Der tollste Tag “ (nach Beaumarchais) ü bernimmt vom Original Handlungsger ü st und Figurenpersonal:
Figaro, Diener am Hofe eines spanischen Adeligen, k ämpft um die Hochzeit mit seiner Geliebten Susanne, welcher aber auch der Graf recht zugeneigt ist. Dieser verlangt von Susanne das Recht der ersten Nacht und versucht die Hochzeit mit allen Mitteln ( Motiv des Machtmissbrauchs) zu verhindern. Am Hofe entwickelt sich ein ausgepr ägtes Intrigenspiel, wobei die Gr äfin infolge der Vernachl ässigung von Seiten des Grafen eher dem jungen Hochzeitspaar zur Seite steht.
Im Laufe dieser diversen Intrigen kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, die wohl die Kernaussage des St ü ckes deutlich macht: Es erweist sich, dass Eloquenz und Argumentationskraft gegen brutalen Machtmissbrauch nichts ausrichten k ö nnen. Nachdem der Graf mit der Peitsche Susannes Hingabe erzwingt, greift der ansonsten der Gewalt abgeneigte Figaro zum letzten „ Machtmittel “ und stranguliert den Grafen.
Im Jahre 1974 sprach sich Turrini von der Infragestellung und Zerst ö rung bereits vorgegebenen Materials los und begann zusammen mit Wilhelm Pevny die Drehb ü cher f ü r die sechsteilige TV-Serie „ Die Alpensaga “ zu schreiben. Mit dieser TV-Produktion spricht sich Turrini auch vom Theater los. Nach eigenen Aussagen ist f ü r ihn die B ü hne l ängst kein Ort der Vermittlung mehr, sondern „ eine zur Subventionstradition erstarrte Leichenhalle “ .
Die Alpensaga wurde von vielen äußerst negativ aufgenommen. So hatten Turrini und Pevny nicht nur den Widerstand der Fernsehanstalten zu ü berwinden; auch von diversen anderen Seiten wurde gegen die „ Bauern-TV-Serie von Kommunisten und Kommunarden “ mobil gemacht: Der ö sterreichische Bauernbund initiierte eine Pressekampagne gegen den Film, der Kameradschaftsbund forderte in einer Postwurfsendung die Bev ö lkerung zur Sabotage der Dreharbeiten auf und die Pfarrer verweigerten die Drehgenehmigung in der Kirche.
Ende der siebziger Jahre wandte sich Turrini von seiner urspr ü nglichen Haltung ab und seine provokanten Auftritte in der Ö ffentlichkeit wurden seltener.
Ein Produkt dieser Zeit ist der Einakter „ Josef und Maria “ , bei dem sich Turrini wiederum bereits vorhandenem Material bedient:
Der Nachtw ächter Josef und die Putzfrau Maria verbringen den Heiligen Abend in einem Kaufhaus. Die durch ihre Lebenserfahrung gepr ägten, vereinsamten Leute , kommen sich nur langsam n äher und verbringen den Weihnachtsabend dann doch in einer gewissen Z ärtlichkeit.
Über Turrinis politische Gesinnung, die st ändig wechselt und nie genau zuzuordnen ist, lässt sich nur aus einem Ausspruch aus einem Interview etwas erfahren: „ Ich bin ein Chaotiker “ .
In seinem ersten Gedichtband „ Ein paar Schritte zur Ück “ erz ählt Turrini einiges Über sein bisheriges Leben:
Seine Überm ächtige Mutter, die Qual des italienischen Vaters, den man nicht vorzeigen kann, Pubert ätsverklemmungen und eine vom Pfarrer gesch Ürte Furcht vor Sexualit ät.
In Anbetracht dieser Lebensumst ände ist es nicht verwunderlich, dass aus Turrini ein derartiger Zyniker wurde.
In Bezug auf Turrinis sprachliche Gestaltung seiner Werke ist zu erw ähnen, dass er weitgehend auf Metaphern und andere stilistische Besonderheiten verzichtet, wobei die Wortwahl der Schicht entspricht, auf die seine St Ücke zielen sollen: Die breite Masse! Turrini sagt selbst: „ Ich bin kein Sozialromantiker wie Kroetz, kein Dialektdichter. F Ür mich ist Sprache nur Material. Mein Verh ältnis zur Sprache ist zynisch “ .
In den folgenden Jahren folgten die StÜcke „ Die BÜrger “ ( UA 1982) und „ Die Minderleister “ (UA 1988).
Im Jahre 1990 folgte mit dem TheaterstÜck „ Tod und Teufel “ ein weiteres SkandalstÜck. Noch vor der UrauffÜhrung erstatteten aufgebrachte Katholiken Strafanzeige und ein Gro ß teil des Burgtheater-Ensembles weigerte sich, in der AuffÜhrung mitzuspielen.
Inhalt:
Der Pfarrer Christian Bley, der auf der Suche nach der SÜnde ist, macht sich von der Provinz aus auf in die Stadt. Gleich zu Beginn wird sein Sexualdrang in einem bizarren Nachtlokal gestillt. Dort trifft Bley auch auf zwei Personen, mit denen er dann eine neue „ heilige Familie “ grÜndet: Magda Schneider, eine Alkoholikerin und Rudi Hoffmann, ein arbeitsloser Jugendlicher. Bei einer Party wird dann die Korruption, die in den h ö heren
Schichten schon fastÜblich ist, aufgezeigt, als ein Minister, Manager und ein Waffenh ändler ihren Stimmungen freien Lauf lassen.
Am Ende seines Leidensweges kauert der Priester nackt in einem Schließfach.
Als zum Schluss die Wohnung von Magda Schneider von der Polizei gestÜrmt wird, nagelt sich der Priester selbst an die Schrankwand. Bevor er jedoch den Kreuztod stirbt, bedauert er noch, dass er den t ö dlich getroffenen Gef ährten (Schneider, Hoffmann) nicht zu Hilfe kommen kann: „ Jetzt h ätte ich wirklich gerne eine Hand frei “ .
3. Werkverzeichnis (Auswahl)
- „ Erlebnisse in der Mundh ö hle “ 1972
- „ Der tollste Tag “ 1972
- „ Rozznjogd “ 1973
- „ Sauschlachten “ 1973
- „ Der Bauer und der Million är “ 1978
- „ Josef und Maria “ 1980
- „ MÜllomania “ 1988
- „ Tod und Teufel. Eine Kolportage “ 1990
- „ Die Schlacht um Wien “ 1995
- „ Liebe M ö rder!Von der Gegenwart, dem Theater und dem lieben Gott “ 1996
Hörspiele:
-„ Josef und Maria “ .österreichischer Rundfunk. 24.10.1981.Neuproduktion:SÜdwestfunk. 18.12.1984
-„ Die Minderleister “ . RIAS Berlin/österreichischer Rundfunk. 25.10.1989 „
-Tod und Teufel “ .RIAS Berlin/österreichischer Rundfunk. 12.2.1992.
Filme:
„ Die Alpensaga “ . Zusammen mit Wilhelm Pevny. Fersehserie in sechs Folgen:
„ Liebe im Dorf “
„ Der Kaiser auf dem Lande “
„ Das große Fest “ Erschienen zwischen 1976 und 1980 „ Die feindlichen BrÜder “
„ Der deutsche FrÜhling “ „ Ende und Anfang “
„ Josef und Maria “ . ORF/ZDF. 1980
Schallplatten:
- „ Peter Turrini liest Rozznjogd “ . Stuttgart (Intercord) 1975
- „ Peter Turrini liest Gedichte “ . Wien (GIG Records) 1985
Literaturverzeichnis:
- Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur-KLG
- www.literaturhaus.at
- Citation du texte
- Tobias Fritz (Auteur), 2001, Turrini, Peter - Ein Skandalschriftsteller, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101066