Aufgabe: Interpretieren Sie den Text von Franz Kafka “Auf der Galerie“. Beziehen Sie dabei in wesentlichen Aspekten den Text „Ovation“ von Robert Walser ein!
Sie trägt ein weit ausgeschnittenes Kleid, dass es einem nicht sehr schwer macht, denn darunter liegenden Körper zu vermuten. Ihre Mähne ist wild gelockt und ihre Pumps machen ihr die Schritte nicht gerade leicht. Ich wusste, dass es zu Umstrukturierungen kommen soll, aber dass der Chef tatsächlich auch nur in Erwägung ziehen könnte, so eine Modepuppe einzustellen, kann ich mir nicht vorstellen. Schließlich haben wir Stil.
Die Blumen fangen langsam an zu welken. Mein Chef schenkt mir jeden Tag einen Strauss. Er kann sich einfach nicht damit abfinden, dass er nicht mein Typ ist. Seit drei Tagen bekomme ich keine Blumen mehr, was mich erleichtert. Eine Bekanntschaft würde ihm gut tun nach der Scheidung mit seiner Frau, nur ich bin dafür wohl nicht die richtige Person. Als ich von dem Klo wiederkam saß die Frau von eben auf meinem Schreibtisch. Mein Chef stand direkt neben ihr. „Ja Frau Schmidt“ sagte er, während sie mit ihrer Hand über sein Knie strich, „ich hoffe sie leben sich hier gut ein.“
Mir legte er nur einen braunen Kuvert in die Hand, sah mich kalt durch seine dunklen Augen an und sagte, „Das haben sie sich selbst zuzuschreiben! Sie hatten genug Chancen. Viel Glück in der Zukunft“ und verließ mit großen Schritten und ohne sich umzusehen meinen Schreibtisch
Mit dem Problem der Ignoranz, des Egoismus und Individualismus vor allem im Arbeitsleben beschäftigt sich auch Franz Kafka in seinem 1916/17 erschienen Text „Auf der Galerie“. Im Mittelpunkt des Textes steht dabei ein Zirkus mit seiner zu vermutenden Hauptattraktion in Form einer jungen Kunstreiterin, welche sich ohne Widerspruch von ihrem tyrannischen Chef zu einer monatelangen Tortour auf ihrem Pferd einlässt. Die Zuschauer sehen dabei nur zu, greifen nicht ein sondern treiben dieses Spiel durch ihr nicht anfaltendes Beifallklatschen an.
Im zweiten Bild des Textes ist die Spiegelwelt der zuerst geschilderten Situation beschrieben. Der Chef fungiert hier nicht mehr als tyrannisierendes Wesen, sondern als liebevoller Zirkus- direktor, der seine Kunstreiterin in den Mittelpunkt seines Denkens und Fühlens setzt. Die Kunstreiterin wird dabei nicht als maschinelles Wesen gesehen, dass keine Rechte hat ihre Bedürfnisse durchzusetzen und dem Chef beziehungsweise dem Publikum hörig ist. Die Rahmenhandlung bildet dabei ein Galerist, der sich beide Handlungsabläufe als Stiller Betrachter in einer Galerie ansieht.
Kafka nimmt somit eine Trennung seiner Parabel vor, die nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch nachzuweisen ist.
Dabei ist der erste Teil- von Zeile 1-10 reichend- im Konjunktiv und somit in einer Zeitform, die das Irreale, kaum Eintreffende darstellt, geschrieben, der zweite Teil - von Zeile 11-26 reichend- im Gegensatz dazu im Indikativ, das reale Geschehen verkörpernd, verfasst. Im Gegenteil zum ersten Teil des Textes, eine einzige Hypotaxe, von dem der Eindruck des Lesers eher negativ, rasant und radikal ist, ist der zweite Teil von Kafka positiv, liebevoll und idyllisch dargestellt.
Im ersten Teil beschreibt Kafka „irgendeine [...]Kunstreiterin“(Z.1), was darauf schließen lässt, dass die Rolle der Zirkustänzerin sich auf jede beliebige Person transferieren lässt.
Diese Kunstreiterin befindet sich in einem „monatelangen“ Trott, der ihr eine „graue Zukunft“ verkündet. Dies vermittelt zunächst einmal den Eindruck, dass die Kunstreiterin entweder wenig Selbstbewusstsein hat, um diesem Spiel ein Ende zu setzen oder aber von ihrem Chef so abhängig ist, dass sie keinen Mut beziehungsweise keine Rechte hat, sich gegen ihn aufzu- lehnen. Auffällig ist hierbei auch, dass Kafka das Wort „Chef“ anstatt sonst üblich den Titel „Zirkusdirektor“ benutzt, was für den Leser auf ein allgemeines übertragbares Arbeitsverhält- nis schließen lässt. Der Chef ist dabei der Zirkusdirektor, die Kunstreiterin übernimmt dabei die Rolle der untergeordneten Angestellten.
Der negative Grundcharakter dieses ersten Abschnittes lässt sich vor allem an den vielen Negativwörtern nachweisen. Es kommt dem Leser so vor, als ob alle negativen Zustände sich in dieser Situation vereinen. Somit ist die Kunstreiterin nicht einfach krank, sondern sie wird zur Bekräftigung ihres schlechten Gesundheitszustandes als „hinfällig, lungensüchtig“ (Z.1) beschrieben. Das Pferd, der Kunstreiterin Arbeitswerkzeug, ist „schwankend“(Z.1f.), was auf einen unsicheren Posten oder eine ungewisse Zukunft hindeuten könnte. Durch die Beschreibung des Chefs als „peitscheschwingend“ und „erbarmungslos“ (Z.2f.) kann man wieder auf ein stark asymmetrisches Arbeitsverhältnis schließen, was von Abhäng- igkeit und Über- beziehungsweise Untergeordnetheit gekennzeichnet ist. Die Aufgabe des Chefs besteht in diesem Teil einzig und allein in der Antreibung des Pferdes und somit der Kontrolle des Auftrittes. Er hat dabei die „Zügel in der Hand“ und entscheidet über das Leben der Kunstreiterin, was hier in keinem Fall individuell, sondern eher unter- geordnet und rechtlos dargestellt ist.
Das Publikum ist die treibende Feder und ist passiv gesehen der zweite Leiter des Geschehens. Aufgrund seines „unermüdlichen“(Z.2) Beifalls gibt es dem Chef das Zeichen, das Pferd weiter anzutreiben und somit das Leben der Reiterin zu kontrollieren und zu bestimmen.
Man kann es mit der Gesellschaft gleichsetzen, welche sich so entwickelt, dass jeder egoistisch und nur auf sich bedacht ist. Es kommt zu einer Passivität und, wie hier dargestellt, zu dem Zustand, dass man der Qual anderer kein Ende setzt, sondern sich eher an dem Leid mit „nicht aussetzendem Orchester“(Z.5)ergötzt, solange man nicht selbst den Schaden trägt und solange es, wie hier für den Chef, fördernd ist. Ein glückliches Publikum bedeutet positive Propaganda für sein Geschäft.
Ein weiterer Beweis der Abhängigkeit und des Zurückstellens der Bedürfnisse des Arbeiters weist die Zeile 4 auf, in der Kafka schreibt dass die Reiterin „auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend“ im Kreise getrieben wird. Die einstige Funktion dieses Handelns, die weiblichen Reize erotisch einzusetzen, stumpft in der Beschreibung regelrecht ab und hat einen maschinellen, gefühlslosen und monotonen Charakter bekommen. Auch durch die Tatsache, dass der Autor das einst positive Resultat einer gelungenen Vor- stellung, das Klatschen des Publikums, mit „Dampfhämmern“(Z.7) vergleicht und die Lauf- richtung der handelnden Personen „im Kreise rundum“(Z.3) die Rotation und die Langatmig- keit der Handlung bekräftigt, die, mit Verstand betrachtet schon zu langweilig hätte werden müssen, dass das Publikum noch Grund zum Jubeln, die Reiterin noch Pflicht zum Reiten beziehungsweise der Chef noch Recht zum peitschen hätte. Trotzdem wird sie ohne Ende, ohne Ermüden und ohne Mitleid fortgesetzt.
Die Mehrheit der Zuschauer und des Chefs wirkt monströs gegen eine Minderheit, der Kunstreiterin.
Auch lässt sich eine Art Gefühlskälte nachweisen, da jeder Chef so human sein müsste um seine Mitarbeiter vor einer monatelangen Arbeitsqual zu bewahren.
Nachweisbar ist diese Kälte auch an der Tatsache, dass die Handlung subjektiv, aus der Sicht einer unabhängigen dritten Person beschrieben wird, bei der es zu keinerlei Gefühlsbeschreibungen, sondern lediglich zu stupidem Handeln kommt.
Nach langen Hoffen auf eine Gefühlregung, tritt diese nicht von Seiten irgendeiner beteiligten Person auf, sondern durch den unparteiischen Betrachter, welcher sich wie aus Geisteshand in die Handlung integrieren kann und dieses Spiel beenden könnte.
Dabei wird die dargestellte Handlung, im Text durch eine Parenthese in Zeile 8 verdeutlicht, durch einen real scheinenden Handlungsauftakt des einst stillen Betrachters unterbrochen. Der Galerist, welcher vorher lediglich als stiller Betrachter hoch oben auf der Tribüne in der Handlung fungierte, reißt den Rezipienten aus dem endlos scheinenden Kreislauf durch ein kurzes prägnantes „Halt“(Z.9) heraus.
Die Rettung vor der Unmenschlichkeit wird durch einen Galerist vollzogen. Er versteht und erkennt als einziger die Situation was ihn zur Zivilcourage führt. Gerade dieser Punkt scheint paradox, da die eigentliche Aufgabe eines Galeristen darin besteht, sich Bilder zu betrachten, und sich dabei subjektiv eine Vorstellung der Intention und der Handlung auf diesem zu machen.
Dabei gehört es jedoch nicht zu den Aufgaben eines Betrachters zu handeln und somit das ursprüngliche Bild zu verändern und durch sein “Halt“ zu stoppen.
Der Galerist hat in Kafkas Beschreibung jedoch die unmögliche Fähigkeit Leid zu beenden und in das Bild zu steigen. Das stupide Betrachten des Bildes führt ihn zur verborgenen Erkenntnis der Ungerechtigkeit.
Beim ersten Lesern überkommt dem Rezipienten zuerst eine Art Hektik auf Grund des schnellen und rasanten Handlungsablaufes des ersten Abschnittes, welcher ihn erst Aufatmen lässt, als der zweite Teil mit den Worten „Da es aber nicht so ist“(Z.11)beginnt. Dieser wird durch eine besänftigende, ruhige und schon fast romantische Art und Weise erzählt und hat somit einen positiven Charakter.
Der zweite Teil ist im Gegenteil zum ersten im Indikativ, dass heißt in der Gegenwartsform geschrieben. Auch er besteht aus nur einer Hypotaxe.
Im Vergleich zum ersten Teil wird die Kunstreiterin hier fortschrittlich und einen Entwick- lungsprozess andeutend als „Dame“(Z.11) bezeichnet, welche nicht mehr krank, sich kaum auf dem Pferd haltend, sondern impulsiv „hereinflieg(en)d“(Z.11)und buntgekleidet die Manege betritt.
Im zweiten Teil ist eine Liebe zum Detail erkennbar. Requisiten und Personen, die einen Zirkus ausmachen, wie zum Beispiel „Vorhänge“(Z.12), „Livrierten“(Z.12) oder „reifen- haltende Reitknechte“(Z.18) sind erkennbar, welche dem Leser ein lebendigeres Bild vermitteln.
Außerdem lassen sich viele Positivwörter wie „stolz“(Z.12), „hingebungsvoll“(Z.12) oder „vorsorglich“(Z.13) nachweisen, welche Gefühle eine idyllische Stimmung vermuten lassen. Im Gegensatz zum stark asymmetrischen, lediglichem Angestelltenverhältnis des Chefs zur Reiterin im ersten Teil ist hier eine fast symmetrische Beziehung entstanden(„[...]als wäre sie seine überaus geliebte Enkelin, die sich auf eine gefährliche Fahrt begibt“(Z.14f.)), wenn man nicht sogar sagen kann, dass sich die Asymmetrie in die andere Richtung verschoben hat. In gewisser (gefühlsbedingter) Weise ist nun der Chef abhängig, von seiner Kunstreiterin, da er sich um sie sorgt und versucht, jegliche Hindernisse („[...]die reifenhaltenden Reitknechte zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt“Z.18f.)aus dem Weg zu räumen und ihr unterwerfend („in Tierhaltung“Z.13) mit Liebe und Ehre entgegentritt.
Die Reiterin wird dabei durch die Verkleinerungsform „Köpfchen“(Z.23) und das Wort „Kleine“ (Z.20) verniedlicht und als unerfahren dargestellt, der Direktor auf Grund seiner Autorität und seiner Erfahrung als erfahren.
Die Abhängigkeit der Reiterin von dem Chef wird nun nicht durch ein bestehendes Arbeitsverhältnis, sondern von dem Verhältnis jung und alt gekennzeichnet Schmerz wird hier von dem einst „erbarmungslosen Chef“ abgelehnt wodurch es dazu kommt, dass er schließlich nur „in Selbstüberwindung“(z.15f.) „das Peitschenzeichen [...] geben“(Z.15) kann.
In diesem zweiten Teil steht nicht mehr die rotierende Handlung im Vordergrund, sondern die Attraktion der Kunstreitrein und die Gefühlswelt des Zirkusdirektors. Schon an dessen Betitelung lässt sich nachweisen, dass Kafka nun von einem unpersönlichen Chef-Reiter- Verhältnis zu einem Zirkusdirektor-schönen Dame -Verhältnis abwandelt. Der Auftritt der Reiterin wird hier nicht als monoton und alltäglich angesehen, sondern als immer wieder einzigartig.
Sogar das vorher durch „nichtaussetzendes Brausen“(Z.5) gekennzeichnete Orchester gönnt der Reiterin vor ihren Sprung eine (Kunst-)pause.
Trotzdem wird der positive und wünschenswerte Grundcharakter des zweiten Teils durch die negative Hauptattraktion, den Saldo mortale, d.h. den Todessprung wieder abgeflacht. Er ist eindeutig ein Zeichen dafür, dass sich die Reiterin auf eine „gefährliche Fahrt“(Z.14f) begibt.
Der gelungene Todessprung ist der Schluss des Auftrittes der Kunstreiterin, der nicht wie im ersten Teil als immer währender Kreislauf dargestellt wird, sondern hier Anfang und Ende besitzt.
In Zeile 24 wird die Hypotaxe des zweiten Teils ebenfalls wie im ersten mit einer Parenthese und den darauffolgenden Worten „da dies so ist“(Z.24) beendet, was bedeuten soll, dass dies tatsächlich das Bild ist, was der Galeriebesucher auf dem Bild sieht. Im Gegensatz zum ersten Bild geschieht im zweiten kein Leid woraufhin er nicht als Held und Retter fungieren muss. Diese Tatsache lässt ihn in einen „schweren Traum versinken“(Z.25) und beginnen zu „weinen“.
Jetzt ist ihm klar geworden, dass das Bild, was er sich betrachtet, die wahre Scheinwelt ist und die Handlung, die fiktiv im Konjunktiv geschrieben wurde unser wahres Leben ist. In der Galerie hat er gelernt, hinter die Fassade zu sehen, musste jedoch auch erkennen, dass die Wirklichkeit schmerzhaft ist und nicht jeder in der Lage ist, diese zu erkennen und sich gegen sie aufzustemmen.
Menschen sind egoistisch und denken nur an sich. Das ist nachweislich an dem Zirkusdirektor erkennbar, welcher ohne Humanität zu zeigen, seine Angestellte vielleicht sogar unter Qualen so lange arbeiten lässt, wie es die Nachfrage, indem Moment das Publikum (mit seinem Klatschen andeutend), verlangt. Das zweite Bild, was Kafka uns von Zeile 11-26 zeigt, ist in Wirklichkeit das, was die Menschen sehen, wenn sie einen Zirkus oder übertragbar auch irgend eine andere öffentliche Arbeitsstätte besuchen. Harmonie und Glückseligkeit wird vorgespielt um den Kunden einen nachhaltigen Eindruck zu vermitteln. Der Besucher sieht glückliche Gesichter, pompöse Ausstattungen und einen Direktor, der alles auf seine liebenswürdige Art im Griff hat.
Kein Besucher kommt jedoch auf die Idee hinter die Fassade zu sehen. Keiner erkennt, dass hinter dem glamourösen Auftritt Zwang stehen könnte, dass die Augenringe weggeschminkt sind und der Chef in Wirklichkeit nur profitorientiert ist.
Nur der Galeriebesucher, da er sich Zeit nimmt, um die Situation einzuschätzen und auch kritisch betrachtet, erkennt den wahren Charakter der Situation. Er verschließt sich nicht vor den Problemen andere, der Menschheit, sondern hat den Mut, der Wahrheit ins Auge zu sehen.
Dadurch, dass niemand diese Wahrheit erkennt, geschweige denn sich Zeit nimmt über das Leben nachzudenken, kann auch keiner eingreifen und die Menschen aus ihrer „selbst verschuldeten Unmündigkeit“(E.Kant) retten.
Menschen von heute sind nur noch auf Karriere aus. Nichts ist ihnen zu schade dafür, kein Preis zu hoch. Arbeitgeber erkennen diese Lage und nutzen sie in der Hinsicht aus, das sie ihre Mitarbeiter zu den unmenschlichsten Taten passiv zwingen können, da das Argument, dass sonst ein Nachfolger auf dem Arbeitsmarkt wartet, überzeugt.
Franz Kafka hat diesen Text eindeutig nachweisbar als Nachtext auf den Text „Ovation“ von Robert Walser verfasst. Dabei ist der Text in seinen groben inhaltlichen Strukturen übernommen worden.
Im Mittelpunkt steht ebenfalls eine jungen „Tänzerin“(Z.2), die vor einem „Theaterpublikum“ (Z.3) einen Auftritt hat. Ebenfalls wie bei Kafkas ersten Teil ist der Text „Ovation“ nur fiktiv, da er mit den Worten „Stelle dir. [...]vor“(Z.1)beginnt.
Gleichsam dem zweiten Teil ist diese Tänzerin die gefeierte Attraktion des Abends. Der Text wirkt zu Beginn positiv, träumerisch, glücklich, wandelt sich am Ende jedoch zu einem spöttischen Grundton, der den Leser eine versteckte Moral vermuten lässt. Die Tänzerin wird gefeiert, das Publikum, ebenfalls als Antrieb, belohnt die Leistung dieser, welche im Laufe des Textes ebenfalls eine Entwicklung geht und zwar vom „kleinen, lieben, artigen Kind“(Z.10f.) zu einem (selbstbewussten) „Mädchen“(Z.21). Der Text zeigt inhaltlich auf, wie sich ein einst dem Chef höriges Kind zu einem selbstbestimmenden Individuum wandelt. Das Mädchen hat am Ende den Mut, sich gegen den Mann, den sie vorher treu ergeben war, aufzustemmen und seine Bevormundungen abzuschlagen. Sie ist zu einem Mensch herangewachsen, der selbst für sich entscheiden kann und es nicht nötig hat, seinen Vorgesetzten auch ihre Seele zu verkaufen. Sie zieht Grenzen und lernt es, im richtigen Moment (hier: vor dem Publikum) ihr Sein zu verteidigen. Erst diese Tat bringt ihr richtigen Ruhm und zwar vor sich selbst. Denn danach „glühen die Wangen, die Augen leuchten und die Herzen zittern“(Z.24f.). Sie hat es geschafft, sich von dem Zwang unserer Gesellschaft loszueisen und „in süßer Freiheit“(Z.25)zu leben.
Kafka, der ebenfalls in diesen Jahren das Berufsleben am eigenen Leib erfahren hat, galt als „Mensch, der niemals Feinde hatte“. Er ist innerhalb von wenigen Jahren die Karriereleiter nach oben gestiegen und hatte somit an sich selbst erleben müssen, wie einfach es ist, Karriere zu machen wenn man nur maschinell korrekt arbeitet. Er erkannte vermutlich aber auch, dass die Persönlichkeit dabei verloren ist. Man ist Arbeiter, sonst nichts.
Mir hat der Text sehr gut gefallen. Beim ersten Lesen war es schwer, den Inhalt und gleich- zeitig die Intention Kafkas zu verstehen. Obwohl ich nicht weiß, ob meine Interpretation wirklich Kafkas damaligen Gedanken entspricht, meine ich, dass wenn er es so gemeint hat, es erstaunlich ist, dass sich diese Situation noch fast 100 Jahre später auf die Gesellschaft übertragen lässt.
Auch heute ist es noch so, dass sich Menschen auf Grund von Karrierezwängen einschränken lassen. Ich finde diese Situation schade und hoffe, dass es irgendwann mal so sein wird, dass Grenzen gezogen werden können und man niemals durch das Aufgeben seiner eigenen Werte erfolgreich ist.
Beide Parteien, Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer sollten wissen, dass sie beide voneinander abhängen. Man sollte dies nicht asymmetrisch so entwickeln, dass der Chef das Recht hat, über Personen, Schicksale und ganze Leben zu entscheiden.
Wir Menschen haben die Pflicht, diesen Zustand der uns zur Zeit umgibt zu erkennen und zu überwinden. Wir müssen verhindern, dass die Arbeitswelt uns zu herzlosen Robotern erzieht, in der es kein Gruppengefühl, sondern lediglich ein Alleingang jedes einzelnen gibt. Wir müssen lernen, uns selbst in jedem Fall zu schätzen und es niemals zuzulassen, dass uns jemand in unserer Person einschränkt.
Wir müssen wieder SEIN!
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- Denise Trensinger (Autor), 2001, Kafka, Franz - Auf der Galerie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101059
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