Die vorliegende Bachelorarbeit analysiert das CO2-Einsparpotential der deutschen Industrie in puncto Wasserstoff als erneuerbarer Energieträger. Die Analyse wird auf Basis der Grundstoff- und spezifisch der Stahlindustrie durchgeführt. Insbesondere die Frage der Wirtschaftlichkeit wird näher erörtert. Die Beantwortung dieser Frage ist unter der Prämisse des globalen Wettbewerbs für Unternehmen essentiell. Die relevanten Forschungsfragen sind: Welche Art des Wasserstoffs kann in welchen industriellen Sektoren sinnvoll eingesetzt werden? Wie ist das ökologogische und ökonomische Potential des Wasserstoffeinsatzes in der deutschen Industrie? Wäre eine deutsche Wasserstoffproduktion finanziell und flächentechnisch machbar?
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Energiewende im Überblick
2.1 Herausforderungen der Energiewende
2.2 Historische Entwicklung in der Industrie
3 Grundlagen des Wasserstoffs
3.1 Einleitende Worte
3.2 Herstellungsarten
3.3 Infrastruktur und politische Rahmenbedingungen
3.4 Herausforderungen und Chancen
3.5 Anwendungsbereiche
4 Ökonomisches und ökologisches Potential in der deutschen Industrie
4.1 Stahlindustrie
4.2 Chemische Industrie und Raffinerietechnik
5 Standortanalyse
6 Förderung
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das Energiekonzept der Bundesregierung
Abbildung 2: Die Energiewende in der Industrie
Abbildung 3: Die historische Entwicklung des Wasserstoffs
Abbildung 4: Herstellungsarten von Wasserstoff
Abbildung 5: Regulierungssystem der Kostenanerkennung für H2
Abbildung 6: Strombestandteile für Elektrolyseure
Abbildung 7: SWOT-Analyse Wasserstoff
Abbildung 8: Sektorenkopplung
Abbildung 9: Anwendungsbereiche für grünen Wasserstoff
Abbildung 10: Fakten Stahlproduktion
Abbildung 11: Die Umstellung des Stahlherstellungsprozesses
Abbildung 12: Berechnung der WGK
Abbildung 13: Resultate der WGK
Abbildung 14: Die Umstellung des Stahlprozesses in Zahlen
Abbildung 15: Der Herstellungsprozess der Ammoniaksynthese
Abbildung 16: Die Umstellung der Ammoniaksynthese in Zahlen
Abbildung 17: Vereinfachte Darstellung der Methanolerzeugung
Abbildung 18: Die Umstellung der Methanolsynthese in Zahlen
Abbildung 19: Der Herstellungsprozess für Rohbenzin
Abbildung 20: Umstellung des Wasserstoffs in der Raffinerieindustrie in Zahlen
Abbildung 21: Die Standorte der industriellen Wasserstoffabnehmer
Abbildung 22: Windgeschwindigkeiten und Sonnenerträge in Deutschland
Abbildung 23: Abstandsregelungen von WKA
Abbildung 24: Standortanalyse der Industrien
Abbildung 25: Bewertung der nationalen Wasserstoffstrategie
Abbildung 26: Die Wirkungsweise des CfD
Abbildung 27: Beeinflussung politischer Instrumente auf den Wasserstoffgestehungspreis
Abbildung 28: Die Ausbaustufen des Projektes SALCOS
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
„Das Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“1, so beschrieb der Autor Jules Verne das Szenario der Energiewende in seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ aus dem 19. Jahrhundert. Er konnte damals noch nicht wissen, wie bedeutungsvoll das Thema Wasserstoff im Jahr 2020 sein wird.
Der Klimawandel ist in der heutigen Zeit allgegenwärtig, was bspw. durchschnittliche Rekordtemperaturen in Deutschland mit sich bringt.2 Extreme Wetterereignisse wie Starkregen, Überschwemmungen, Hitzewellen oder der Anstieg der Meeresspiegel kursieren in den Nachrichten.3 Dementsprechend erlangt das Thema der Energiewende immer mehr Aufmerksamkeit. Bewegungen wie Fridays for Future oder andere Klimastreiks symbolisieren die Bedeutung des Klimaschutzes innerhalb der Bevölkerung und fordern die Politik zum Handeln auf.4 Auch wenn der Klimawandel u.a. auf natürliche Ursachen zurückzuführen ist, so ist es dennoch sicher, dass die steigenden Treibhausgas (THG)-Emissionen durch einen anthropogenen Eingriff eine Klimaveränderung induzieren.
Deutschland hat sich mit der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens völkerrechtlich an die darin festgelegten Klimaziele gebunden. Die Erderwärmung soll möglichst auf 1,5 Grad Celsius bis 2050 limitiert werden. Des Weiteren sollen die THG-Emissionen kontinuierlich gesenkt werden, damit das Land letztendlich klimaneutral wird.5 Das impliziert eine fast vollständige Reduzierung der CO2-Emissionen in allen Sektoren. Die Energieversorgung und die Produktionsprozesse müssen sich grundlegend ändern, um dieses Ziel zu erreichen.
Der Industrie-Sektor stößt jährlich 200 Mio. t CO2-Äquivalente aus, wovon ca. 71% auf die Grundstoffindustrie und die Stahlbranche zurückzuführen sind.6 Die Lösung scheint in einem erneuerbaren Energieträger zu bestehen, der im Gegensatz zu den konventionellen Energieträgern keine CO2-Emissionen mit sich bringt. Es stellt sich die Frage, ob Wasserstoff der Lösungsbaustein der Energiewende sein kann. Auch Einsparpotentiale der deutschen Industrie müssen analysiert werden.
Die vorliegende Bachelorarbeit analysiert das CO2-Einsparpotential der deutschen Industrie in puncto Wasserstoff als erneuerbarer Energieträger. Die Analyse wird auf Basis der Grundstoff- und spezifisch der Stahlindustrie durchgeführt. Insbesondere die Frage der Wirtschaftlichkeit wird näher erörtert. Die Beantwortung dieser Frage ist unter der Prämisse des globalen Wettbewerbs für Unternehmen essentiell. Die relevanten Forschungsfragen sind:
- Welche Art des Wasserstoffs kann in welchen industriellen Sektoren sinnvoll eingesetzt werden?
- Wie ist das ökologogische und ökonomische Potential des Wasserstoffeinsatzes in der deutschen Industrie?
- Wäre eine deutsche Wasserstoffproduktion finanziell und flächentechnisch machbar?
Im zweiten Teil liegt der Fokus auf der Entwicklung der Energiewende. Zunächst werden die klimapolitischen Ziele diskutiert und die damit verbundene Strategie der Bundesregierung wird näher betrachtet. In diesem Zuge wird verdeutlicht, inwiefern die deutsche Industrie einen Beitrag zu der Thematik geleistet hat und wie sich CO2-Emissionen, Stromverbrauch und der damit verbundene Endenergieverbrauch (EEV) im Vergleich zum Referenzjahr 1990 entwickelt haben.
Im dritten Abschnitt wird sich der Darstellung der theoretischen Grundlagen des Wasserstoffs gewidmet. Dabei werden die verschiedenen Arten des Wasserstoffs dargestellt und die Bedeutung in Bezug auf die Energiewende veranschaulicht. Anschließend werden die aktuellen politischen Rahmenbedingungen aufgezeigt und ihr Einfluss auf die Wasserstoffgestehungskosten (WGK) deduziert. Darauf aufbauend werden mittels SWOT-Analyse die Stärken und Schwächen von Wasserstoff als Energieträger herausgearbeitet. Zudem werden die Risiken und Möglichkeiten für den Markt aufgezeigt. Abschließend werden die potentiellen Anwendungsbereiche von Wasserstoff in der deutschen Industrie eruiert.
Auf der Grundlage des dritten Teils erfolgt die Potentialanalyse der deutschen Industrie. Die zentralen Resultate sollen das ökonomische und ökologische Potential in Deutschland verdeutlichen. Dafür wird speziell hinsichtlich der Stahlproduktion die gesamte Wertschöpfungskette analysiert. Die WGK spielen für die Wirtschaftlichkeit eine zentrale Rolle. Eine neuartige Herangehensweise wird präsentiert. Diese wird durch komplexe Berechnungen gestützt. Die Wirtschaftlichkeit, der EEV und das CO2-Einsparpotential der Prozesse vor und nach der Umstellung auf Wasserstoff werden gegenübergestellt. Als weitere zentrale Resultate sollen hier die Veränderung des Stromverbrauches und der zu erwartende Bedarf an Wasserstoff für die Industrie veranschaulicht werden.
Im fünften Teil werden die zuvor genannten Berechnungen für die Analyse des räumlichen Zusammenhangs zwischen erneuerbaren Energien (EE) und der Wasserstoffproduktion in der deutschen Industrie herangezogen. Besondere Bedeutung haben in dieser Hinsicht der Platzbedarf der regenerativen Anlagen und die Durchführbarkeit des Ausbaus hinsichtlich rechtlicher Rahmenbedingungen in Deutschland unter der Prämisse der klimaneutralen Industrie.
Abschließend wird die wirtschaftliche Umsetzbarkeit überprüft. Dafür wird die nationale Wasserstoffstrategie als politisches Instrument mit den Kriterien ökologische Treffsicherheit, statische und dynamische Effizienz und Transaktionskosten bewertet. Weitere Handlungsoptionen für die Bundesregierung werden thematisiert und evident dargelegt. Dahingehend werden Best-Practice-Bei- spiele vorgestellt. Die Bachelorarbeit schließt mit dem Zusammentragen der Resultate im Fazit.
2 Die Energiewende im Überblick
Dieses Kapitel beleuchtet die Thematik der Energiewende. Im ersten Schritt werden die Ursachen bezüglich des Klimawandels erläutert, um danach die vorrangigen Ziele und die daraus resultierende Strategie des Entgegenwirkens der Bundesregierung aufzugreifen. Die Kernziele der Energiewende und die damit verbundenen Kennzahlen werden anschaulich im historischen Kontext beleuchtet. Im zweiten Schritt wird auf den Industriesektor eingegangen. Hier stellt sich die zentrale Frage, ob und in welchem Ausmaß die deutsche Industrie zur Bewältigung der Energiewende in den letzten Jahrzehnten beigetragen hat.
2.1 Herausforderungen der Energiewende
„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen kön- nen.“.7 Der Begriff der Nachhaltigkeit bzw. der nachhaltigen Entwicklung wird verschieden interpretiert. Dies ist eine Variante der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro wurde aus diesem Grund eine Konvention verabschiedet, die das Fundament des nachhaltigen Leitbildes unterstreichen soll. In Deutschland wurde 2002 eine Strategie für die Nachhaltigkeit entwickelt, die stetig aktualisiert wird.8 Die Umwelt wird als Allmendegut bezeichnet und ist dadurch gekennzeichnet, dass es eine Rivalität im Konsum gibt, aber keine Ausschließbarkeit. Die Rivalität sind die Ressourcen der Umwelt: die Luft, das Wasser, diverse Mineralien, Metalle und andere konventionelle Energieträger.
Der Mensch wird in der Volkswirtschaftslehre als Homo Oeconomicus dargestellt, ein egoistisches Wesen, das immer rational und nutzenmaximierend handelt. Die Schädigung des Gutes Umwelt wird volkswirtschaftlich als Marktversagen definiert. Folgen des Marktversagens sind die sog. externen Effekte. Es gibt sowohl positive, als auch negative externe Effekte. Die negativen überwiegen durch die anthropogenen Eingriffe. Daraus resultieren externe Kosten. Das sind politische Kosten (z.B. Kriege), soziale Kosten (z.B. Gesundheitsschäden durch Feinstaub), Umweltkosten (z.B. der Treibhauseffekt) oder nukleare Kosten (z.B. Endlagerung des Atommülls). Gegen das Marktversagen und die Beseitigung externer Effekte hat der Staat verschiedene Ziele definiert.9 In Abbildung 1 sind die Intentionen der Bundesregierung, um dem entgegen zu wirken, bildlich dargestellt.
Abbildung 1: Das Energiekonzept der Bundesregierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach: BMWi (2016a).
Rechts in der Abbildung, rot umrandet, erkennt man die Strategie, mit der die Bundesregierung das Energiekonzept umsetzen möchte. Es werden zunächst einmal die prägnantesten Ziele definiert, um dann auf jeder weiteren Ebene den Lösungsweg detaillierter auszuarbeiten. Die letzte Ebene bildet die Umsetzung in Form von politischen Instrumenten. Neben den Strategien sind die Ziele für das Jahr 2020 aufgelistet. Die Grünen Pluszeichen bedeuten diese Ziele wurde bereits erreicht oder stehen kurz bevor. Die schwarzen Kreise bedeuten, dass noch Handlungsbedarf seitens der Regierung besteht, aber das Ziel, bei Betrachtung der letztjährigen Entwicklung, noch erreicht werden kann. Das rote Minuszeichen steht für Ziele, die nicht erreicht wurden und deren Entwicklungen der letzten Jahre nicht auf eine Besserung hindeuten.
Die Energiepolitik in Deutschland verfolgt die Absichten unter Einhaltung des energiepolitischen Zieldreiecks. Das beinhaltet die drei maßgeblichen Grundsätze der Versorgungssicherheit, der Wirtschaftlichkeit und der Umweltverträglichkeit. Diesen drei eine gleichbleibende Gewichtung zuzumessen, bleibt eine dauerhafte Herausforderung für die Bundesregierung.10
Der politische Rahmen für die Neugestaltung der Energieversorgung bildet die oberste Ebene. Bis zu dem Jahr 2022 soll ein vollständiger Ausstieg aus der Kernenergie stattfinden.11 Zurzeit befinden sich noch sechs Kernkraftwerke am Netz. Davon sollen drei schon 2021 und die restlichen drei 2022 abgeschaltet werden. Des Weiteren ist eine relevante Kenngröße zur Eingrenzung des Klimawandels die Senkung der THG-Emissionen. Die Kernziele der Energiewende sind klar definiert: Im Vergleich zum Basisjahr 1990 sollen bis 2020 die Emissionen um 40%, bis 2030 um 50% und bis 2050 um 80% gesenkt werden, um somit eine vollständige Dekarbonisierung der Energieversorgung in Deutschland anzustreben. Der Status Quo zeigt, dass aktuell eine Reduzierung von 35,7% stattgefunden hat.12 Folglich ist die Bundesrepublik auf einem guten Weg die Vorgaben zu erreichen.
Um die ambitionierten Kenngrößen weiterhin zu erreichen, werden auf der nächsten Ebene des Energiekonzeptes zwei grundlegende Strategien angewandt. Zum einen sollen die EE ausgebaut und zum anderen soll die Energieeffizienz gesteigert werden. Bei Ersterem soll sich der Anteil der EE am Brutto-EEV bis 2020 auf 18% erhöhen. 2019 wurden insgesamt 452 TWh aus EE bereitgestellt, das entspricht einem prozentualen Anteil von 17% am Brutto-EEV. Folglich ist die Zielerreichung noch im Rahmen. Windkraftanlagen (WKA), Biomasseanlagen und Photovoltaik (PV)- Anlagen bilden zusammen den größten Faktor der EE.13
Die zweite Strategie hat die gleiche Intention, aber einen anderen Ansatz. Durch Steigerung der Energieeffizienz soll automatisch der grundlegende Primärenergieverbrauch abnehmen. Er soll bis 2020 um 20% fallen. Stand jetzt, ist er nach Schätzungen um 10,8% gesunken.14 Hier liegt Handlungsbedarf seitens der Bundesregierung vor.
Die nächste Stufe ist die Steuerungsebene des Energiekonzeptes. Sie definiert die Kernziele aus der vorherigen Ebene der einzelnen Sektoren Strom, Verkehr und Wärme detaillierter. Der Anteil der EE am Bruttostromverbrauch soll bis 2030 insgesamt 65% betragen. 2019 lag er bei 42,1% und hat bereits das Ziel für 2020 überschritten. Hauptsächlich werden die regenerativen Anlagen zur Stromnutzung verwendet. Um das zweite Kernziel, die Steigerung der Energieeffizienz, weiterhin zu fokussieren, soll die Endenergieproduktivität jährlich um 2,1% steigen. Bei dieser Kennzahl wird das reale Bruttoinlandsprodukt in Verhältnis zum EEV gesetzt und aufzeigen, wie effizient eine Volkswirtschaft Energie einsetzt. Zwischen 2008 und 2018 lag der durchschnittliche Anstieg bei ca. 1.5%, also deutlich unter dem vorgegebenen Wert. Im Sektor Strom ist die Intention den Bruttostromverbrauch bis 2020 um 10% zu verringern wohl nicht zu erreichen. Bis zum Jahr 2016 waren es 3,6%, die Reduktionsrate müsste sich in den kommenden Jahren also verdreifachen.15
Der EEV der beiden weiteren Sektoren soll bis 2020, für Wärme 20% und für den Verkehr um 10% gesenkt werden. Hier wird mit dem Jahr 2008 verglichen. In 8 Jahren konnte der Wert im Sektor Wärme um 6,3% gemindert werden. Im Verkehrssektor ist der Wert bis zum Jahr 2010 gefallen, danach folgte eine Zunahme des Wertes bis 2017. Im Jahr 2018 liegt er mit 2.705 Petajoule (PJ) nur knapp hinter dem Jahr 2000, in dem der Wert 2.715 PJ betrug. Ergo wird die Zielerreichung von -10% nur sehr schwer erreichbar sein.16
Die Maßnahmenebene des Energiekonzeptes der Bundesregierung beschäftigt sich mit der Umsetzung der jeweiligen Ziele. Es werden rechtliche, ökonomische und sozialwissenschaftliche Instrumente verwendet. Sie dienen dazu, die Kernziele über verschiedene Vorgehensweisen zu erreichen. Dabei handelt es sich z.B. um Gesetze, Normen und Steuern oder Subventionen und Verbote sind Teile der Politik.17 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Energiewende bilden grundlegend das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).
In §1 des EnWG wird das Energiepolitische Zieldreieck aufgegriffen. „Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf EE beruht.“18 Untermauert wird das EnWG von diversen Verordnungen.
Das EEG zählt zu den Instrumenten der Subvention und wurde im Jahr 2000 verabschiedet. Die Grundidee war es, die EE in ihrer Markeinführung übergangsweise zu unterstützen. Mit Hilfe der Einspeisevergütung bekam der Produzent von erneuerbarem Strom eine bestimmte Förderung pro kWh eingespeistem Strom. Die positiven und negativen externen Effekte der Nutzung sollen inter- nalisiert werden und über eine Kostendegression soll so eine Mengenausweitung stattfinden. Das EEG wird stetig aktualisiert, seit Inkrafttreten gab es fünf Novellierungen. Als einer der relevanten Entwicklungen kann die im Jahr 2004 eingeführte vorrangige Abnahme des Stromes aus Anlagen der EE bezeichnet werden. Im Jahr 2016 wurde die bislang letzte Novellierung veröffentlicht. Anlagen ab einer bestimmten Leistung müssen an einem Ausschreibungsverfahren teilnehmen. Die festgelegte Vergütung wird durch ein Auktionsverfahren ersetzt. Es bekommt derjenige den Zuschlag, der mit der niedrigsten Förderhöhe auskommt. Der Wettbewerb soll somit gestärkt und die Subventionen gesenkt werden.19
2.2 Historische Entwicklung in der Industrie
Der Industriesektor und die damit im Gegensatz stehende Energiewende sind für die Bundesregierung ein zweischneidiges Schwert. Denn auf der einen Seite ist die Industrie nach der Energiewirtschaft und dem Verkehr der drittgrößte Emittent von CO2-Äquivalenten.20 Betrachtet man die jeweiligen Branchen genauer, dann wird deutlich, dass besonders die Grundstoffindustrie einen erheblichen Anteil an dem Ausstoß besitzt, ca. 57% der Treibhausgasemissionen. Zu der Grundstoffindustrie gehören hauptsächlich Unternehmen, für die das Hauptaugenmerk auf dem Abbau und der Verarbeitung von Rohstoffen liegt, wie z.B. der Eisen- und Stahlindustrie, der Grundstoffchemie oder der Zementbranche. Innerhalb dieser Sektoren fallen ca. zwei Drittel der Emissionen auf die Energiebereitstellung, z.B. in Hochöfen der Stahlwerke. Das andere Drittel setzt sich aus prozessbedingten Emissionen zusammen.21 Auf der anderen Seite muss die Bundesregierung darauf achten, dass die Energie, gerade für energieintensive Unternehmen, bezahlbar bleibt und diese mit Regelungen schützt. Das dient besonders international agierenden Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und somit zum Schutz vor Carbon Leakage. Erhöhte Abgaben auf Energie oder höhere Umweltabgaben bringen die Unternehmen dazu in kostengünstigere Länder zu emigrie- ren.22 Daher wurden seitens der Regierung politische Maßnahmen verabschiedet: Energieintensive Unternehmen können Entlastungen für Steuern, der EEG-Umlage, Netzentgelte oder für die KWKG-Umlage beantragen. So lag die Steuerentlastung für energieintensive Unternehmen 2016 bei ca. 3,5 Mrd. €. Im Gegenzug dazu müssen Unternehmen dafür zusätzliche Energieeffizienzanforderungen erfüllen. Kleinere und mittelgroße Industrieunternehmen mit einem Jahresverbrauch unter 150 GWh gehören nicht mehr zu energieintensiven Unternehmen und bekommen somit keine Steuerentlastung. Im Vergleich zum europäischen Durchschnitt zahlten sie ca. 15% mehr für den Strom.23
In Abbildung 2 werden die bekannten Kenngrößen der Energiewende, die CO2-Emissionen, der EEV und der Bruttostromverbrauch, für den Industriesektor aufgezeigt. Verglichen werden das Basisjahr, das Jahr 2010 und die Daten aus dem Jahr 2018.
Abbildung 2: Die Energiewende in der Industrie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach: BMWi (2019a), S. 20 / Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2019) / Umweltbundesamt (2019b).
In der Grafik wird die Entwicklung der Industrie für die Energiewende deutlich. Die CO2 Emissionen sanken seit 1990 bis 2018 um ca. 31%. Dennoch stagnieren die Werte seit 2000 und sind seit dem Jahr 2010 wieder angestiegen. 24,8% der Industrieemissionen sind prozessbedingt, klimaneutrale Verfahren könnten ein hohes Einsparpotential aufweisen.24
Der EEV hat nach 1990 stark abgenommen, die Hauptursache dafür war der Schwund der Industrie nach dem Mauerfall zwischen 1990-1993.25 Im Laufe der Zeit nahm der EEV wieder zu, was auf ein erhöhtes Wirtschaftswachstum zurückzuführen ist. Zwei Drittel im Industriesektor werden für Prozesswärme benötigt. Die Industrie besitzt mit 44,7% nicht nur den größten Anteil am Stromverbrauch, sondern lässt ihn seit dem Jahr 1998 stetig steigen.26 Dafür hat die Bundesregierung bereits den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz und eine Informationskampagne verabschiedet. Durch energieeffizientere Betriebsmittel sinkt der Bruttostromverbrauch, das impliziert sinkende Stromkosten für energieintensive Unternehmen. Die Ambitionen für die Industrie ist die Senkung der CO2-Emissionen bis 2030 um 51%, bis 2050 um knapp 95% zum Vergleichsjahr. Somit soll die deutsche Industrie fast komplett dekarbonisiert werden.27
Abschließend lässt sich sagen, dass die Energiewende in einigen Bereichen Stand heute erfolgreich bewältigt wurde. Ständige Entwicklung neuer Techniken und Innovationen helfen dabei die Ziele zu erreichen. In der Industrie besteht noch Handlungsbedarf. Gerade in der Grundstoffindustrie weisen die Industrieprozesse Potentiale auf, um ebenfalls einen Beitrag zur Bewältigung der Energiewende zu leisten. Diese Potentiale gilt es zu nutzen.
3 Grundlagen des Wasserstoffs
In Fokus des dritten Abschnittes der vorliegenden Bachelorarbeit steht das Element Wasserstoff. Die Intention ist es, ein grundlegendes Verständnis über den Begriff des Wasserstoffs zu verschaffen. Zunächst folgt eine allgemeine Definition, die anschließend in den geschichtlichen Hintergrund eingeordnet wird. Es soll aufgezeigt werden, dass die Thematik Wasserstoff nicht seit kurzer Zeit existiert, sondern schon seit Jahrhunderten eine wiederkehrende Rolle einnimmt. Hinzu kommen die diversen Arten des Wasserstoffs, die verschiedene Herstellungsarten widerspiegeln und zugleich eine maßgebliche Grundlage für die Thematik der THG-Emissionen darstellen. Um Wasserstoff in den bestehenden Markt integrieren zu können, benötigt es eine vollständige Infrastruktur und politische Rahmenbedingungen. Der Status Quo in diesen Handlungsfeldern wird erläutert. Letztlich werden die Risiken und Chancen für den Wasserstoff in Verbindung mit der Energiewende verdeutlicht, um anschließend die Anwendungsbereiche in der deutschen Industrie aufzuzeigen. Das Kapitel bildet die Grundlage für den vierten Abschnitt, den Analyseteil der vorliegenden Bachelorarbeit.
3.1 Einleitende Worte
Der Begriff Wasserstoff stammt von dem lateinischen Wort „hydrogenium“ - „Wassererzeuger“ ab. Wasserstoff ist im Periodensystem das erste Element und hat somit die Ordnungszahl 1. Es trägt das Symbol H2 und ist das häufigste Element des Universums. Unter sog. Normalbedingungen ist Wasserstoff ein gasförmiges, geruch- und farbloses Gas. In dieser Form ist es ein zweiatomiges Molekül, das sich bei einer Temperatur von -253 Grad Celsius verflüssigt und ab einer Temperatur von -259 Grad Celsius zu erstarren beginnt. Wasserstoff ist das Leichteste aller chemischen Elemente und ist 14 mal leichter als Luft.28 Auf der Erde kommt es hauptsächlich gebunden vor, in allen Lebewesen, in Erdöl, Erdgas und Methan. Der größte Anteil kommt in der Verbindung Wasser vor und bedeckt 75% der Erde. Die wohl relevanteste Eigenschaft in Bezug auf die vorliegende Fragestellung ist die Energiedichte und die CO2-Emissionen. Es besitzt eine sehr hohe gravimetri- sche und sehr geringe volumetrische Energiedichte. Bezogen auf den Heizwert beträgt diese 33,3 kWh/kg. Vergleicht man den Heizwert mit dem von Erdgas oder Benzin, enthält 1 kg Wasserstoff genauso viel gravimetrische Energie wie 2,1 kg Erdgas oder 2,8 kg Benzin. Die volumetrische Energiedichte hingegen beträgt jedoch nur ein Viertel von Benzin und ca. ein Drittel von Erdgas. Daraus deduziert sich, dass Wasserstoff für die Lagerung und den Transport stark verdichtet werden muss. Bei der Verbrennung stößt H2 keine Emissionen aus.29
Wasserstoff war schon seit Ende des 18. Jahrhunderts bekannt. In der heutigen Zeit ist Wasserstoff ein relevantes Thema. Im Juni 2020 hat die Bundesregierung die Nationale Wasserstoffstrategie herausgegeben und bezeichnet diese als „Schlüsselelement der Energiewende“.30 In Abbildung 3 wird die technische Entwicklung des Wasserstoffs verdeutlicht.
Abbildung 3: Die historische Entwicklung des Wasserstoffs
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach: Lehmann/Luschtinetz (2014), S. 5ff.
Henry Cavendish entdeckte in einem Experiment 1766 das Gas unabsichtlich und bezeichnete es als unechte Luft. Dabei wurde zusätzlich entdeckt, dass Wasserstoff brennbar ist, deswegen wurde es als Knallgas betitelt. Zwölf Jahre später wurde die Bezeichnung hydro-gene von Antoine de Lavoisier verwendet. Es folgten einige relevante Ereignisse, die die Entwicklung des technischen Hintergrunds des Wasserstoffs figurieren sollen.31
Johann W. Ritter erbaute im Jahr 1800 einen ersten Wasserelektrolysier-Apparat und stellte erstmals Wasserstoff mit Hilfe von Strom her. Der britische Physiker William Grove kehrte den Prozess der Elektrolyse um und versuchte mit seiner Erfindung aus H2 und O2, Strom herzustellen. Damit hatte er die Grundlage der heutigen Brennstoffzelle geschaffen. Im Laufe der 1960er Jahre begann die Raumfahrt Wasserstoff als Raketentreibstoff zu nutzen. Die NASA setzte dann 1963 beim Gemini-Projekt eine Brennstoffzelle zur Stromversorgung ein. Nach der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre wurden Alternativen für den Autoantrieb gesucht.32 Die deutschen Unternehmen BMW und Daimler-Benz bauten bereits zu dieser Zeit die ersten Prototypen mit Wasserstoff-Verbrennungsmotoren. Die Regierung subventionierte im Nachhinein keine öffentlichen Projekte mehr für Wasserstoffautos. Der Fokus wurde zunehmend auf Elektrofahrzeuge gelegt. Daimler ließ 2011 seine B-Klasse F-CELL einmal um die Welt fahren und versuchte somit noch einmal die Aufmerksamkeit auf das Brennstoffzellenfahrzeug zu legen, dennoch setzte es sich nicht durch.33 Im selben Jahr ging erstmalig ein Hybridkraftwerk durch die ENERTRAG AG in Betrieb. Dort wurde Wasserstoff mit Hilfe von WKA erzeugt.34
Abschließend wird deutlich, dass Wasserstoff schon seit seiner Entdeckung 1874 eine Rolle in den Visionen der Menschen zur Nutzung als Alternative zu konventionellen Energieträgern spielt. Gerade durch die vielfältigen physikalischen und chemischen Eigenschaften gerät er immer wieder in den Fokus von Politik und Wirtschaft, hauptsächlich in der Energiewirtschaft und zur Fortbewegung. In der jüngsten Vergangenheit bekommt er durch seine Umweltneutralität wieder eine höhere Bedeutung zur Bewältigung der nationalen und globalen Energiewende.
3.2 Herstellungsarten
Im Gegensatz zu Öl, Kohle oder Erdgas ist Wasserstoff ein Sekundärenergieträger. Das bedeutet, er muss hergestellt werden. Dafür gibt es verschiedene Verfahren, die in Bezug auf die Energiewende von Bedeutung sind. Denn je nach Verfahren entstehen THG-Emissionen. Aus diesem Grund werden diverse Farben mit Wasserstoff in Verbindung gebracht. Die Farben implizieren die Erzeugungsarten. Die Gängigsten sind grüner, blauer, türkiser und grauer Wasserstoff. Die Abbildung 4 zeigt die Verfahren und die damit verbundenen Umwandlungsprozesse auf.
Abbildung 4: Herstellungsarten von Wasserstoff
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach: DIHK e.V. (2020), S. 5 / Shell Deutschland Oil GmbH (2017), S. 6.
Die zurzeit meist genutzte Anwendungsart ist der sog. graue Wasserstoff, grafisch grau dargestellt. Er wird aus Erdgas, Kohle oder Öl hergestellt. Für den grauen Wasserstoff gibt es drei Umwandlungsprozesse: die Dampfreformierung, die partielle Oxidation und die autotherme Reformierung. Der Ausgangsstoff der Dampfreformierung ist Erdgas. Es reagiert chemisch mit Methan und Wasser. Daraus entsteht ein Synthesegas, das aus H2 und CO2 besteht. Im letzten Schritt kommt es zu einer sog. Wassergas-Shift-Reaktion, wobei die beiden Gase voneinander getrennt werden. Bei der partiellen Oxidation wird meistens Kohle oder Öl genutzt und unter hohem Druck und hohen Temperaturen entsteht wiederum ein Synthesegas, das mittels Wassergas-Shift und Gasaufbereitung zu Wasserstoff umgewandelt wird. Die letzte Methode, die autotherme Reformierung, ist eine Kombination aus den vorherigen Umwandlungsprozessen. Das ist das aufwendigste Verfahren und nutzt hauptsächlich Methan als Ausgangsstoff. Dennoch haben alle drei Verfahren eine Gemeinsamkeit, eine erhebliche Freisetzung von CO2- und Methanemissionen.
Bei dem blauen Wasserstoff, grafisch blau dargestellt, wird ebenfalls die Dampfreformierung und die autotherme Reformierung genutzt, aber das CO2 wird unterirdisch gespeichert. Diese Technik nennt man „Carbon Capture and Storage“. Der Vorteil ist, dass die entstandenen Emissionen nicht an die Atmosphäre abgegeben werden. Dennoch ist die CO2-Problematik damit nicht gelöst. Die Risiken sind hauptsächlich eine ungewollte Freisetzung der Gase bspw. durch Unfälle oder einen Nutzungskonflikt mit der Geothermie. Zu dieser Art der Speicherung und deren Folgen gibt es noch kein Monitoring.35
Beim türkisen Wasserstoff ist der Primärenergieträger Erdgas. Es wird thermisch in einem Hochtemperaturreaktor in seine Grundstoffe, Wasser und festen Kohlenstoff, zerlegt. Der Prozess wird Methanpyrolyse genannt. Das CO2 ist in dem Kohlenstoff gebunden und wird in der Industrie häufig weiterverwendet. Bei der Weiterverarbeitung besteht die Gefahr, dass CO2 freigesetzt wird. Zudem ist diese Art der Erzeugung noch in der Pilotprojektphase. Aktuell wird für die Herstellung kleiner Mengen Wasserstoff noch zu viel Energie benötigt.36
Der grüne Wasserstoff, bildlich grün als letzter Herstellungsprozess dargestellt, ist die umweltfreundlichste Art der Wasserstofferzeugung. Auf dem Markt sind zwei Arten der Wasserstofferzeugung verfügbar. Zum einen kann feste oder flüssige Biomasse verwendet werden. Mit Hilfe thermischer Konversion oder Vergasung (Bio-Chemische Konversion) kann Wasserstoff entstehen. Bei Letztgenanntem ist noch keine Marktreife absehbar und wird aus diesem Grund nicht weiter erläutert. Zudem kann es bei den nachwachsenden Rohstoffen an Nachhaltigkeit und Nutzungskonkurrenz scheitern.
Der wohl potentiell interessanteste Weg in Bezug auf die Energiewende ist der zweite Produktionsweg des grünen Wasserstoffs. Hierbei wird Wasser mit Hilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Das Verfahren wird Elektrolyse genannt. Der Strom sollte aus EE wie WKA oder PV-Anlagen stammen. Ist das nicht der Fall, zählt dieser Weg der Erzeugung zum grauen Wasserstoff. Es gibt verschiedene Arten der Elektrolyse, die Alkalische Elektrolyse, die Hochtemperatur-Elektrolyse und die PEM-Elektrolyse. Die PEM-Elektrolyse und die alkalische Elektrolyse sind die Gängigsten. Die Hochtemperatur-Elektrolyse besitzt den höchsten Wirkungsgrad. Dennoch ist diese Art der Technik noch nicht ausgereift und marktreif. Die Hochtemperatur- und die PEM-Elektrolyse sind in den Anschaffungs- und Betriebskosten teurer als die alkalische Elektrolyse. Alkalische Elektrolyseanlagen kosten zwischen 800-1.500 €/kWh, PEM-Elektrolyseanlagen 1.000-2.300 €/kWh und Hochtemperatur-Elektrolyseanlagen ab 2.400 €/kWh.37 Die Alkalische Elektrolyse gibt es schon seit ca. 100 Jahren und ist Stand der Technik. Die Vorteile sind, die hohe Lebenserwartung der Anlage, die hohe Leistungsmöglichkeit und die relativ geringen Systemkosten im Vergleich zu den anderen Verfahren. Dennoch hat sie von den drei Elektrolyseverfahren den niedrigsten Wirkungsgrad.38
Vergleicht man die Herstellungsarten hinsichtlich der Produktionskosten wird deutlich, dass der Preis mit steigendem CO2-Ausstoß abnimmt. Grauer Wasserstoff kostet in der Herstellung ca. 1,80 €/kg, blauer Wasserstoff ca. 2,1 €/kg und grüner Wasserstoff ca. 5 €/kg, dieser Wert kann sich aber bei verschiedenen Gegebenheiten stark verändern, was im Laufe der vorliegenden Bachelorarbeit weiter thematisiert wird.39
Wasserstoff kann nach der Herstellung direkt als Energieträger weiter genutzt oder in andere Energieträger konvertiert werden. Man nennt das Power to X. Das Power steht für die Wasserstofferzeugung mittels Strom bzw. Elektrolyse. Das X steht für die Weiterverarbeitungsarten. Der Vorteil ist, dass durch die dargebotsabhängigen volatilen EE, der Wasserstoff als Speichermedium genutzt werden kann. Mit dem Überschussstrom der EE, wenn die Stromerzeugung die Nachfrage übersteigt, kann H2 produziert werden. Danach folgt die Umwandlung in andere Energieträger. Die Nutzung ist vielfältig. Power to Gas beschreibt die Weiterverarbeitung zu Methan, Power to Liquid die Produktion von Kraftstoffen. In der Chemieindustrie kann es als Power to Chemicals angewendet werden, z.B. für die Herstellung von Syngas.40 Ansonsten findet Wasserstoff in der Brennstoffzelle Verwendung. Diese werden in der Verkehrsbranche für den Antrieb oder im Gebäudebereich zur Wärme- und Stromerzeugung genutzt. Der Nachteil dieser Weiterverarbeitungsarten ist, dass bei jeder Umwandlung Energie verloren geht bzw. benötigt wird. Der Vorteil ist, bei Verwendung des grünen Wasserstoffs, dass insbesondere konventionelle Energieträger substituiert werden können. Daraus resultiert eine mögliche Emissionsminderung und ein Beitrag zur Bewältigung der Energiewende.41
Zusammenfassend wird deutlich, dass Wasserstoff, gerade in Bezug auf die Power to X-Varianten, vielfältig in verschiedenen Sektoren anwendbar ist. Besonders in Bezug auf die EE könnte hier eine Chance genutzt werden, die es bei anderen Energieträgern noch nicht gibt. Für die Energiewende ist es maßgeblich, dass langfristig der grüne Wasserstoff verwendet und andere Arten der Erzeugung höchstens als Übergang genutzt werden.
3.3 Infrastruktur und politische Rahmenbedingungen
Für die Integration des Wasserstoffs in den vorhandenen Energiemarkt ist es von Bedeutung eine Infrastruktur, sowie politische und rechtliche Rahmenbedingungen herzustellen. Jegliche Formen der Power to X-Verfahren implizieren eine Möglichkeit der Speicherung des Mediums. In diesem Themenfeld steht die Bundesrepublik noch am Anfang. Eine Netzinfrastruktur gibt es zurzeit noch nicht. Erstmalig wurde Wasserstoff im Netzentwicklungsplan 2020-2030 aufgenommen. Da der genaue Bedarf in Deutschland noch nicht bekannt ist, wird eine Marktabfrage der Fernleitungsnetzbetreiber für Grüngas-Projekte durchgeführt. Hauptsächlich sollen Erdgasleitungen umgewidmet werden. Zusätzlich könnten vorrangig Hauptnutzungsgebiete für Wasserstoff die vorhandenen Rohrleitungen nutzen.42 Elf Fernleitungsnetzbetreiber aus neun EU-Staaten haben ein Konzept für eine Wasserstofftransportinfrastruktur vorgestellt. Ab Mitte der 2020er soll ein 6.800 km langes Leitungsnetz ausgebaut und danach schrittweise bis zu 23.000 km erweitert werden. Bei diesem Projekt sollen drei Viertel des Leitungsnetzes aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen.43
Indirekt stellt sich die Problematik der Regulierung, die noch nicht ausgiebig behandelt wurde, denn der Begriff Wasserstoff wurde im Regelwerk noch nicht eigenständig aufgenommen. Im EnWG wird „(.. ,)Wasserstoff, der durch Wasserelektrolyse erzeugt worden ist, und synthetisch erzeugtes Methan, das durch wasserelektrolytisch erzeugten Wasserstoff und anschließende Methanisierung hergestellt worden ist“44 unter der Definition von Gas gelistet und sollte in ein Gasversorgungsnetz eingespeist und so reguliert werden. Das aber nur unter der Prämisse, dass der für die Elektrolyse benutzte Strom weniger als 80% aus Grünstrom besteht. Ansonsten ist Wasserstoff als Biogas zu betrachten und darf nur in ein solches Netz eingespeist werden. Außerdem darf Wasserstoff nur bis zu einem Anteil von 2% Erdgas beigemischt werden. Das konkludiert ein Verbot von der Einspeisung von reinem Wasserstoff in ein Gasversorgungsnetz, verdeutlicht in Abbildung 5 mit den unteren drei Kästchen.
Abbildung 5: Regulierungssystem der Kostenanerkennung für H2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach: Bundesnetzagentur (2020), S. 32.
Außerdem erkennt man in der Abbildung, dass die Definitionen nur für Verteilungsnetze gelten. Bei Fernleitungsnetzen werden die Begriffe Wasserstoff und Biogas nicht erfasst, aber erlaubt. Im Augenblick wird seitens der Bundesregierung darüber diskutiert, inwiefern autarke Wasserstoffnetze zu regulieren sind und wie zukünftig die Entgelte für eine Wasserstoffinfrastruktur aussehen könnten. Durch die Definitionen gibt es keine Kostenanerkennung für reine Wasserstoff-leitungen. Als Biogas können die gesamten Kosten anerkannt werden, als Beimischung zum Erdgas ist das grundsätzlich anerkennungsfähig, wird aber von Fall zu Fall überprüft.45
[...]
1 DIHK e.V. (2020), S.4.
2 Vgl. Deutscher Wetterdienst (2020), S.36f.
3 Vgl. Deutscher Wetterdienst (2020), S.36f.
4 Vgl. Hildebrandt, Alexandra (2020), S.10.
5 Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen (2020), S. 38.
6 Vgl. Agora Energiewende und Wuppertal Institut (2019), S. 22.
7 Hauff (1987), S. 46.
8 Vgl. Umweltbundesamt (2019a).
9 Vgl. Döring / Töller (2018), S. 401ff.
10 Vgl. Schröter, Fabian (2017), S. 3ff.
11 Vgl. BMWi (2020a), S. 59f.
12 Vgl. BMWi (2020a), S. 17.
13 Vgl. Umweltbundesamt (2020a), S. 15ff.
14 Vgl. Umweltbundesamt (2020a), S. 15ff.
15 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2020), S. 22f.
16 Vgl. Umweltbundesamt (2020b).
17 Vgl. Deimer/Pätzold/Tolkmitt (2017), S. 100ff.
18 Energiewirtschaftsgesetz, §1.
19 Vgl. Germanwatch e.V. (2016), S. 3 iff.
20 Vgl. Öko-Institut e.V. (2020), S.1f.
21 Vgl. Agora Energiewende und Wuppertal Institut (2019), S. 21ff.
22 Vgl. Agora Energiewende und Wuppertal Institut (2019), S. 34ff.
23 Vgl. BMWi (2018), S. 94ff
24 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2019).
25 Vgl. Umweltbundesamt (2020c).
26 Vgl. Umweltbundesamt (2019b).
27 Vgl. BMWi (2016), S. 118.
28 Vgl. Umweltbundesamt (2006), S. 6ff.
29 Vgl. Paschotta (2020).
30 BMWi (2020b), S. 1.
31 Vgl. Hoffmann (1994), S. 12f.
32 Vgl. Lehmann/Luschtinetz (2014), S. 5ff.
33 Vgl. Feck (2009), S. 10ff.
34 Vgl. ENERTAG (2011), S. 4ff.
35 Vgl. Shell Deutschland Oil GmbH (2017), S. 6f.
36 Vgl. DIHK e.V. (2020), S. 5ff.
37 Vgl. IPP ESN Power Engineering (2018), S. 26.
38 Vgl. DIHK e.V. (2020), S. 5ff.
39 Vgl. Deutscher Bundestag (2020), S. 9.
40 Vgl. Bünger (2017), S. 328.
41 Vgl. Shell Deutschland Oil GmbH (2017), S. 30ff
42 Vgl. FNB Gas (2020), S. 4f.
43 Vgl. Open Grid Europe (2020).
44 EnWG § 3 Nr. 19a.
45 Vgl. Bundesnetzagentur (2020a), S. 24ff.
- Citation du texte
- Tobias Doil (Auteur), 2020, Wasserstoff als Lösungsbaustein für die Energiewende? Eine Potentialanalyse für die deutsche Industrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1010153
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