In diesem Essay wird das Thema Wahrnehmungsverzerrung, beziehungsweise Correspondence Bias beleuchtet. Dabei geht es insbesondere um die Frage, welchen Stellenwert der Correspondence Bias im Kontext Werbung hat.
Der Correspondence Bias selbst ist ein Begriff der Sozialpsychologie und wird im deutschen Sprachraum auch Korrespondenzverzerrung oder fundamentaler Attributionsfehler genannt. Es handelt sich um eine Wahrnehmungsverzerrung, daher kann der Correspondence Bias den Heuristiken und kognitiven Verzerrungen zugeordnet werden
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Correspondence Bias
2.1 Grundlagen
2.2 Anwendungsbereiche
3 Correspondence Bias in der Werbung
3.1 Stellenwert im Kontext Werbung
3.2 Kritische Würdigung
4 Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Dieses Scientific Essay hat einen Umfang von 2039 Wörtern. Grundlage ist der Leitfaden zum wissenschaftlichen Arbeiten in der Wirtschaftspsychologie in der Version 1.1 vom 01.08.2019.
1 Einleitung
Die allgemein bekannte Floskel „Der Kunde ist König“ beschreibt zugespitzt, dass Unternehmen den Kunden bei allen Entscheidungen stets im Fokus wahren sollten. Doch kann die Floskel auch wortwörtlich verstanden werden - der Kunde IST König. Heutzutage handelt es sich in vielen Bereichen um Käufermärkte. Vereinfacht bedeutet dies, dass die Marktmacht beim Käufer liegt (Versteegen, Esslinger, Häußer, & Pampus, 2003). Er entscheidet, wo er welches Produkt zu welchem Preis kauft. Eine steigende Homogenität der Produkte vergünstigt diese Marktsituation. Der Kunde kann sein Wunschprodukt in nahezu identischer Qualität bei einer Vielzahl von Anbietern erwerben - und das dank der voranschreitenden Globalisierung weltweit. Eine Differenzierung der Produkte über beispielsweise Design und Image ist zunehmend wichtiger geworden und damit auch die Art und Weise, wie Produkte präsentiert und beworben werden.
Eine Werbemaßnahme, die von Unternehmen eingesetzt wird, sind sogenannte Testimonials. Testimonials sind bekannte und angesehene Personen, die sich für ein Produkt aussprechen (Lange, 2016). Den Konsumenten begegnen diese Marken- oder Produktbotschafter beispielsweise in Werbespots, auf Plakaten oder auf Werbeanzeigen in Zeitschriften. Die Idee dahinter ist einfach: Die Werbung wirkt authentisch und das Produkt nimmt ein Stück dessen an, wofür das Testimonial steht. Spricht sich ein Testimonial für ein Produkt aus, wird ihm außerdem eine passende Einstellung zum Produkt unterstellt. Insgesamt soll der Kunde so dazu angeregt werden, dieses Produkt bevorzugt zu kaufen. Wer möchte nicht eine Uhr tragen, die auch James Bond tragen würde? Selbst fiktive Figuren werden als Testimonials genutzt.
In Zeiten der Digitalisierung wirkt der Begriff Testimonial veraltet. Stattdessen wird in der Literatur heutzutage der Begriff Influencer genutzt. Unter Influencern werden im Allgemeinen Personen verstanden, die über digitale Kanäle Menschen erreichen und meist in einem Fachgebiet agieren (Jahnke, 2018). Durch große Reichweiten in meist spezifischen Personengruppen sind Influencer für die Werbeindustrie besonders interessant. Da sich die psychologische Wirkungsweise bei Testimonials und Influencern nicht unterscheidet, können diese im Rahmen dieser Arbeit synonym verstanden werden. Eine aktuelle Prognose macht deutlich, wie relevant der Bereich Influencer Marketing für die Werbeindustrie ist. Demnach werden sich die Ausgaben für Influencer Marketing im Jahr 2020 mit 990 Millionen Euro im Vergleich zu 2017 (560 Mio. Euro) nahezu verdoppeln (Statista, Goldmedia GmbH Strategy Consulting, 2018).
Die Werbeindustrie nutzt diese Maßnahmen systematisch für die Bewerbung verschiedenster Produkte und Marken. Doch warum funktioniert diese Art des Werbens für viele Unternehmen so gut? Und warum bezeichnet der österreichische Psychologe Fritz Heider Menschen in diesem Kontext als „naive Wissenschaftler“ (1958)?
Der Grund dafür liegt in der Wahrnehmungsverzerrung Correspondence Bias, der in dem vorliegenden Scientific Essay näher betrachtet und kritisch diskutiert wird. Dabei geht es insbesondere um die Frage, welchen Stellenwert der Correspondence Bias im Kontext Werbung hat.
Der Verfasser vertritt die Meinung, dass insbesondere durch die Notwendigkeit, das beworbene Produkt im homogenen Produktumfeld hervorzuheben, dieser Art der Wahrnehmungsverzerrung im Kontext der Werbung eine wichtige Rolle zukommt.
2 Correspondence Bias
In diesem Kapitel werden die Grundlagen des Correspondence Bias sowie die Anwendungsbereiche näher betrachtet. Anschließend folgt eine Eingliederung in den Kontext Werbung.
2.1 Grundlagen
Der Correspondence Bias ist ein Begriff der Sozialpsychologie und wird im deutschen Sprachraum auch Korrespondenzverzerrung oder fundamentaler Attributionsfehler genannt. Es handelt sich um eine Wahrnehmungsverzerrung, daher kann der Correspondence Bias den Heuristiken und kognitiven Verzerrungen zugeordnet werden (St.Pierre & Gesine, 2020).
Die Grundlage des Correspondence Bias ist die Attributionstheorie (engl. attribution theory) von Fritz Heider, der 1958 untersuchte, wie sich Menschen das Verhalten von Mitmenschen erklären. Nach Heider wird das Verhalten anderer entweder einer inneren Veranlagung (dispositionale Attribution) oder einer äußeren Situation (situationale Attribution) zugeschrieben. Diese subjektiven Einschätzungen nehmen Menschen alltäglich vor, weshalb Heider sie in diesem Kontext als „naive Wissenschaftler“ bezeichnet.
Eine Weiterentwicklung der Theorie von Heider stellt die Theorie der korrespondierenden Schlussfolgerung von Jones und Davis dar (1965). Sie systematisiert den Ansatz von Heider und beschreibt, dass Betrachter unter bestimmten Umständen von beobachteten absichtsvollen Verhalten auf entsprechende (korrespondierende) Absichten und Dispositionen schließen. Also ableiten, dass die Handlung einer Person durch eine bestimmte (stabile) Eigenschaft verursacht wird oder zumindest mit ihr korrespondiert (Stroebe, Hewstone & Stephenson, 1997).
Rund zwei Jahre später beschreibt Kelly in der Kovariationstheorie, dass der Betrachter Ursachen eines Verhaltens herausarbeitet, indem er Daten über vergleichbare Fälle sammelt (1967). Hierbei werden drei Arten von Informationen berücksichtigt: Über die Person, die Situation und das betreffende Objekt. Beschwert sich z. B. ein Gast eines Restaurants über ein Essen, berücksichtig der Betrachter nach Kelly, ob sich nur diese Person über das schlechte Essen beschwert (Person) oder auch andere, ob sich der Gast immer über sein Essen beschwert (Situation) und ob sich der Gast auch über andere Gerichte (Objekt) beschwert. Aus der Summe dieser Beobachtungen erst bildet der Betrachter seine Einschätzung.
Aufbauend auf diesen Theorien beschreibt Lee Ross 1977 erstmals den fundamentalen Attributionsfehler. Demnach tendieren Menschen dazu, Persönlichkeitsfaktoren zu überschätzen und situative Faktoren zu unterschätzen. Der Irrtum entsteht aus der Annahme, dass sich menschliches Verhalten primär von den Persönlichkeitseigenschaften der Personen bestimmen lasse. Da Menschen dauerhafte Persönlichkeitsmerkmale besitzen, treffen solche Attributionen manchmal zu. Oft unterliegen Menschen damit aber dem fundamentalen Attributionsfehler (Myers, 2014).
Des Weiteren rückt die Person in den Vordergrund und wird primär wahrgenommen. Die situativen Faktoren sind meist nicht direkt sichtbar. Eine kognitiv anstrengende Analyse wird vernachlässigt und die nicht offensichtlichen Gründe ignoriert (Gilbert & Malone, 1995). Veranschaulicht hat dies ein Experiment von Napolitan und Goethals (1979). Hierbei unterhielten sich Studenten mit einer jungen Frau, die diesen auf Anweisung freundlich oder unfreundlich gegenübertreten sollte. Dabei begründeten Studenten das Verhalten der jungen Frau selbst dann mit einer persönlichen Veranlagung, wenn ihnen gesagt wurde, dass ihr Verhalten ausschließlich situationsbedingt sei.
Gilbert und Malone formulieren aus den vorhandenen Theorien vier Ursachen für die Entstehung des Correspondence Bias: mangelndes Bewusstsein, unrealistische Erwartungen, übertriebene Kategorisierung und unvollständige Korrekturen (1995). Diese Wahrnehmungsverzerrung tritt insbesondere in Situationen auf, in denen ein Verhalten schnell und automatisiert interpretiert wird, ohne es bewusst kognitiv zu durchdenken.
2.2 Anwendungsbereiche
Die Wahrnehmungsverzerrung Correspondence Bias tritt alltäglich und in allen Bereichen des Lebens auf, in denen Menschen mit anderen Individuen oder Gruppen interagieren (Berry & Frederickson, 2015).
Dabei ist die Wahrnehmungsverzerrung nicht angeboren, sondern sehr wahrscheinlich erlernt. Dafür spricht, dass Kinder die Gründe für Verhalten in der Situation suchen, nicht in persönlichen Veranlagungen (Langdridge & Butt, 2004). Auch gibt es kulturelle Unterschiede. Menschen in individualistischen westlichen Staaten neigen verstärkt dazu, Verhalten von Menschen Persönlichkeitseigenschaften zuzuschreiben, während östliche Kulturen empfänglicher für situative Faktoren sind (Myers, 2014).
Im betriebswirtschaftlichen Kontext tritt der Correspondence Bias beispielsweise bei Personalentscheidungen auf (Berry & Frederickson, 2015). Etwa wird das zu spät Kommen eines Bewerbers als generelle persönliche Tendenz betrachtet und situationale Einflussfaktoren ignoriert.
Auch im Bereich des Unternehmertums wird der Erfolg eines Unternehmens oftmals einzelnen Individuen zugeschrieben - nicht der Situation (Fiore, 2012). Aktuelle Beispiele dafür sind Elon Musk, Chief Executive Officer von Tesla oder Mark Zuckerberg, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Facebook. Sie werden als Erfolgstreiber der Unternehmen gesehen, auch wenn diese mehrere tausend Mitarbeiter beschäftigen.
Im wirtschaftlichen Kontext ist der Correspondence Bias, wie in der Einleitung erwähnt, insbesondere in der Werbung interessant. Im folgenden Kapitel wird dieser Bereich daher näher betrachtet.
3 Correspondence Bias in der Werbung
Grundsätzliches Ziel der Unternehmen ist es, den Konsumenten zum Kauf und Konsum des eigenen Produktes zu bewegen. Nach Einschätzung des Verfassers wird die Anfälligkeit der Konsumenten für Wahrnehmungsverzerrungen im Kontext Werbung gezielt genutzt, um die Attraktivität eines Produktes und resultierend daraus dessen Absatz zu steigern. In diesem Kapitel wird der Stellenwert des Correspondence Bias im Kontext Werbung betrachtet und kritisch hinterfragt.
3.1 Stellenwert im Kontext Werbung
Wie in der Einleitung beschreiben, werden dazu beispielsweise Testimonials genutzt. Testimonials sind Personen, die aufgrund medialer Präsenz bekannt sind, häufig einen hohen sozialen Status haben oder in bestimmten Bereichen herausragende Leistungen hervorbringen (Lange, 2016). In Deutschland gehören Dirk Nowitzki und Dieter Bohlen im Jahr 2019 zu den am stärksten wahrgenommenen prominenten Testimonials (Statista, 2019).
Unabhängig davon, ob die Ansprache des Konsumenten über Above-the-Line oder Below-the-Line Werbemaßnahmen erfolgt, ist der Correspondence Bias im Kontext Werbung relevant. Erstens kann ein Testimonial für Konsumenten vertrauenswürdig und kompetent erscheinen, auch wenn dieses fiktiv ist und nur für die Werbung konstruiert wurde, wie es beispielsweise bei Dr. Best der Fall ist (Lange, 2016). Dem Testimonial werden vom Konsumenten Eigenschaften zugesprochen und die Situation (Werbung, fiktive Person) wird weitestgehend ausgeblendet. Durch die Eigenschaftszuschreibungen erzielt die durch die Werbung erfolgte Produktempfehlung eine bessere Wirkung beim Konsumenten. Ebenso verhält es sich bei der Werbung über Influencer, die verstärkt für Online-Werbeaktivitäten genutzt werden.
Zweitens können Fehlattributionen, also die Zuschreibung falscher Eigenschaften, nicht nur in Bezug auf ein Lebewesen erfolgen, sondern auch zu einer Sache (Küchlin, 2016). Einem Deodorant könnten durch Fehlattributionen Eigenschaften wie Erfolg und Sportlichkeit zugeordnet werden (Paul, 2017). Auch hier spielt der Correspondence Bias eine entscheidende Rolle, da der Konsument die Situation (Werbung) bei der Zuweisung von Eigenschaften zu einem Produkt ignoriert. Dies geschieht auch bei Product Placement, einer Marketingmaßnahme, bei der Produkte und Marken gezielt in Filmen und Serien eingesetzt werden (z. B. die Automarke Aston Martin in James Bond Filmen).
Im Unternehmertum fungieren eigene CEOs zudem zunehmend oft als Testimonials und präsentieren in aufwändigen Onlinestreams Produktneuheiten. Ein prominentes Beispiel dafür ist Steve Jobs, dessen Produktpräsentationen als Vorbild gelten, so etwa die Vorstellung des iPhones (Gallo, 2011).
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- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2020, Der Correspondence Bias und Wahrnehmungsverzerrung. Welche Rolle spielt er im Marketing?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1010132
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