Sind wir auch betroffen?
Glücksburg/Bonn - Nach einem Bericht des "Rheinischen Merkur" ist ein Notausstieg nur bis 60 Meter Tiefe möglich.
Einsätze deutscher U-Boote beschränkten sich aber nicht auf die flache Ostsee, sondern führten auch ins Mittelmeer und über den Atlantik bis in die Karibik mit ihren wesentlich größeren Wassertiefen. Zum Thema Andocken eines Rettungs-U-Bootes sagte ein Offizier der Zeitung: "Das ist bei unseren jetzigen deutschen U-Booten nicht möglich." Auch verfüge die deutsche Marine nicht über ein Rettungs-U-Boot. Ein anderer Matrose wird zitiert: "Falls unser Ein-Abteilungs-Boot voll läuft, sind wir geliefert."
Das Flottenkommando in Glücksburg will von solchen Vorwürfen nichts wissen: "Unsere U- Bootfahrer haben keine Angst", sagte Fregattenkapitän Peter Stoffers. Das Sicherheitssystem der deutschen U-Boote sei darauf angelegt, bei Notfällen immer an die Wasseroberfläche zurückzukehren. In diesen Fällen - etwa Feuer im Boot - könne per Knopfdruck ein Gas in den Tauchtanks freigesetzt werden, das enormen Auftrieb habe und das Boot nach oben bringe. Es reiche ein unbeschädigter Tauchtank von insgesamt vieren, der mit dem chemisch hergestellten Auftriebsgas gefüllt werde, um die rund 500 Tonnen schweren deutschen U-Boote an die Wasseroberfläche zu bringen.
"Kein Boot läuft aus, ohne dass die Besatzung nicht auf Herz und Nieren geprüft wurde", sagte Stoffers. Die U-Bootfahrer würden immer wieder auf Notsituationen gedrillt, auch auf den Notausstieg. Die kleinen deutschen Boote sind nicht durch wasserdichte Schotten in einzelne Sektionen unterteilt.
Vorwürfe gegen die Marine erhebt auch der U-Boot-Sachbuchautor Eckard Wetzel. In einem Schreiben an Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping bemängelt der Diplomingenieur, dass die deutschen Boote der Klassen 205 und 206 keinen genormten Anschlussflansch über der Notausstiegsluke im Vorschiff haben. Dänemark habe seine Klasse-205-Boote entsprechend nachgerüstet, so wie der nördliche Nachbar und andere Nato-Marinen auch über entsprechende Rettungs-U-Boote verfügten.
Moskau/Oslo - Vize-Regierungschef Ilja Klebanow habe den Verwandten der 118 ums Leben gekommenen Soldaten zugesagt: "Alle Toten werden geborgen". Das meldete der Fernsehsender RTR. Putins Reise zum Marinestützpunkt nahe der Hafenstadt Murmansk fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Es gab zunächst keine Informationen über das Treffen mit den Familien. Putin war n Russland heftig kritisiert worden, weil erden Rettungsarbeiten für das gesunkene U-Boot ferngeblieben war.
Für kommenden Mittwoch hat Putin landesweite Staatstrauer angeordnet. Er will an Bord des Atomkreuzers "Peter der Große" an einer Trauerfeier teilnehmen. Die Angehörigen sollen mit dem Lazarettschiff "Swir" zu der Unglücksstelle in der Barentssee hinausfahren und dort Kränze ins Wasser werfen. Die russische arine will ständig ein oder zwei Kriegsschiffe über dem Wrack des tom-U-Boots kreuzen lassen. Die Einstiegsluke der "Kursk" sei wieder hlossen worden, hieß es.
Unterdessen verließen die zwölf ausländischen Tieftaucher an Bord des Spezialschiffes "Seaway Eagle" die Barentssee. Ihr Unternehmen, die britisch-norwegische Firma Stolt Offshore, erklärte sich jedoch bereit, der russischen Bitte nachzukommen und einen Plan zur Bergung der Leichen auszuarbeiten. Man werde innerhalb von zwei Wochen endgültig entscheiden, ob die Arbeit in 108 Meter Tiefe ausgeführt werden könne, kündigte die Firmenleitung an. Besonders schwer abzuschätzen sei das Risiko, das von den beiden Atomreaktoren ausgehe.
Die russische Regierung hat die Bergung der gesamten Wracks angekündigt und will in zwei Wochen ein erstes Projekt erörtern. Die Hebung des 18.000 Tonnen schweren Bootes sei jedoch nur mit ausländischer Hilfe möglich, hieß es. Experten hatten gewarnt, dass das mit Wasser gefüllte Wrack bei einem Bergungsversuch auseinander brechen könnte.
Moskau - Russische Medien verbreiteten den Zorn der Bevölkerung darüber, dass die Öffentlichkeit nur mangelhaft über das Unglück informiert wurde. Kritisiert wurde in erster Linie die Tatsache, dass die russische Regierung Norwegen die Mitteilung überließ, dass niemand den Untergang des U-Boots am 12. August überlebt habe. "Kein führender Politiker des Landes hatte den Mut, den Tod der Seeleute bekannt zu geben", schrieb die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta". "Die Behörden haben ihre krankhafte Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal russischer Bürger demonstriert", hieß es im russischen Online-Magazin "Vesti.ru". Die russischen Bemühungen um eine Rettung der Seeleute könnten nur als ein Scheineinsatz bezeichnet werden. Putin selbst wird ohnehin angelastet, dass er seinen Schwarzmeer-Urlaub nicht unterbrach, als um die Menschen an Bord der "Kursk" gekämpft wurde.
"Wir trauern alle zusammen mit den Angehörigen", sagte Verteidigungsminister Sergejew im Fernsehsender ORT. Er räumte ein, dass es zu Fehlern gekommen sein könnte. Wegen mangelnder finanzieller Ausstattung der Flotte gebe es zu wenig Taucher und kein modernes Rettungsgerät. Der Kommandeur der Nordmeerflotte, Admiral Wjatscheslaw Popow, wandte sich an die Frauen und Mütter der ums Leben gekommenen Seeleute und sagte: "Verzeiht mir, dass ich eure Matrosen nicht gerettet habe!"
Angehörige wollen zum Unglücksort
Mehrere Angehörige der getöteten Besatzungsmitglieder verlangten, zu dem Seegebiet hinausgefahren werden, in dem die "Kursk" auf Grund liegt. Auch Putin wollte nach Angaben seines Presseamts zur Unglücksstelle fahren.
Moskau bat unterdessen Norwegen, bei der Bergung der Leichen aus dem Wrack zu helfen. Nach anfänglicher Ablehnung wegen zu hoher Risiken erklärte die Firmenleitung später, man werde sich innerhalb von zwei Wochen endgültig entscheiden. Die russische Regierung richtete auch einen Appell an die internationale Gemeinschaft, Geld und Ausrüstung für die Hebung des U-Boots zur Verfügung zu stellen. Der frühere Kommandeur der Nordmeerflotte, Admiral Eduard Baltin erklärte, die Bergung des gesamten Atom-U-Boots könne angesichts der technischen Schwierigkeiten, finanzieller Engpässe und kritischer Wetterbedingungen in der Barentssee etwa ein Jahr dauern.
Als Ablenkung für den attackierten Putin dient der russischen Regierung offenbar die Suche nach dem Phantom-U-Boot, das die "Kursk" versenkt haben soll. Das Verteidigungsministerium in Moskau hält eine Kollision zwischen der "Kursk" und einem anderen Objekt vergleichbarer Größe offiziell Ursache der Havarie. Am Montag hatte Sergejew verkündet, ein "zweites Objekt" sei am Tag nach dem Untergang bei der "Kursk" geortet worden. Doch bevor man es identifizieren konnte, "war das Objekt nichtmehr da". Das unbekannte Schiff sei aber "ähnlich groß" wie die 18.000 Tonnen schwere "Kursk" gewesen.
Die Nato stellte erneut klar, keines ihrer Schiffe sei in dem Gebiet unterwegs gewesen. Zuvor hatte bereits der amerikanische Verteidigungsminister William Cohen erklärt: "Ich kann kategorisch feststellen, dass keine amerikanischen Schiffe verwickelt waren." Es gebe aber noch zu viele Widersprüche, um Ursache und Hergang des Unglücks zu bestimmen Oslo/Bodö - Norwegische Militärstellen haben am Dienstag russische Behauptungen über die angebliche Kollision des Atom-U-Bootes "Kursk" mit einem anderen U-Boot oder Schiff scharf zurückgewiesen. Der Oberkommandierende der Nordstreitkräfte, Einar Skorgen, sagte in Bodö, dies sei "interne russische Propaganda". Stabssprecher Kjell Grandhagen erklärte in der Zeitung "Dagbladet", dass sowohl nach Messungen seismologischer Institute wie auch durch Beobachtungen von dem in der Barentssee stationierten norwegischen Überwachungsschiff "Marjata" aus als sicher anzusehen sei, dass es am Samstagmorgen zwei Explosionen an Bord der "Kursk" gegeben habe. Die erste und kleinere sei durch ein Waffensystem an Bord ausgelöst und selbst wiederum wahrscheinlich Ursache für die zweite und größere gewesen. Grandhagen sagte, es gebe dafür auch "andere Informationsquellen" als die eigenen Messungen, machte aber keine näheren Angaben.
Die norwegischen Stellen hatten ihre Messergebnisse einschließlich der zweiten Explosion mit einer Stärke von 3,5 auf der Richterskala erst Mitte der Woche öffentlich bekannt gegeben, nachdem russische Stellen zuvor den Zeitpunkt der Havarie von Sonntag auf Samstag korrigiert hatten.
Eine Moskauer Zeitung hatte zuvor spekuliert, das Atom-U-Boot könne von einem russischen Torpedo getroffen worden sein. Die "Kursk" könne möglicherweise auch mit dem schweren russischen Raketenkreuzer "Pjotr Weliki" zusammengestoßen sein, schrieb die Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda". Sie bezog sich dabei auf Vermutungen eines ehemaligen U-Boot-Kommandanten. Die "Pjotr Weliki" ist das Flaggschiff der russischen Nordflotte.
Putins Traum ist vorüber
Die internationale Presse sieht den Untergang der "Kursk" und das Scheitern der Rettungsaktion vor allem als Katastrophe für den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den Kreml
"The Independent", London:
"Wenn der Kreml in der vergangenen Woche weniger misstrauisch gewesen wäre, könnten einige der Seeleute der 'Kursk' heute möglicherweise noch leben. Das ist die Lektion, die die Wähler in Russland nicht so schnell vergessen werden. Der Westen kann helfen, aber nur wenn Putin und dessen Kollegen in Moskau bescheiden genug sind, diese Hilfe anzunehmen. Das gilt für die kranke russische Wirtschaft ebenso wie für Unglücke auf See. Die Russen mögen mit schöner Regelmäßigkeit den Westen für die Armut verantwortlich machen, unter der ihr Land immer noch leidet. Aber internationale Zusammenarbeit zur Verbesserung der Lage in Russland ist nur möglich, wenn Russland selbst einsieht, dass der Westen nicht länger der Feind ist. Wir haben ein neues Jahrhundert begonnen.
Putin muss auch lernen, neu zu beginnen."
"Iswestija", Moskau:
"Bereits in dem Moment, als das U-Boot gefunden wurde, hat man die Besatzung abgeschrieben. Die Rettungsaktion wurde nicht für sie durchgeführt, sondern für die Politiker, Admiräle und Konstrukteure. Die 'Besatzung' an der Macht wurde gerettet und ein Militärgeheimnis gewahrt. Das schwache Klopfen der Sterbenden war ein störendes Hindernis in diesem Kampf der Titanen.
Hätte man die Norweger schon vor einer Woche gerufen, wären das Oberkommando der Marine, die Regierung und vielleicht auch das Leben wenigstens eines Matrosen gerettet worden."
"Le Figaro", Paris:
"Wenn es so aussah, als sei der Kreml in der Lage gewesen, die Informationen über den Krieg in Tschetschenien zu kontrollieren, dann nur, um der Weltöffentlichkeit eine offizielle Version vorzusetzen: Die Verluste wurden nach unten gerechnet, der Erfolg der Armee überschwänglich aufgebläht.
Auf ähnliche Weise wurden die Fakten im Zusammenhang mit dem Untergang der 'Kursk' manipuliert. Das ist ein Grund, warum sich die Empörung in der Bevölkerung gegen die Politiker richtet. Russlands Präsident Putin muss jetzt ein großes Interesse daran haben, seine Fehler so schnell wie möglich wieder gutzumachen und für Transparenz zu sorgen."
"Trud",Sofia:
"Von der Heldengeschichte (der Panzerschlacht) von Kursk bis zur Tragödie mit (dem U-Boot) 'Kursk' hat sich nichts im Denken hinter den Mauern des Kremls verändert. (...) Falsche Vorstellungen von einem beschädigten Ansehen, Manie für Vertraulichkeit und Größenwahn, Angst vor der Übernahme von Verantwortung und schwere Bürokratie lähmen die Handlungen und verwickeln die Obrigkeiten in Moskau in Lügen.
Zehn Tage erschütterten die Welt, aber umso mehr ernüchterten sie die postsowjetische Gesellschaft. Es wird Putin jetzt schwer fallen, sich seinem Volk zu stellen. Und wie wird er den Müttern in die Augen schauen?"
"Salzburger Nachrichten", Salzburg:
"Und nun sollten Engländer oder Norweger, Amerikaner gar, zu Hilfe gerufen werden? Um vor aller Augen schmachvoll die eigene
Unfähigkeit eingestehen zu müssen? Was zählen vor diesem Hintergrund ein paar Matrosen und ihre Angehörigen? Da schon lieber tun, was ebenso alte wie zynische Kreml-Strategie ist: lügen, täuschen, verwirren, Zeit gewinnen, selbst probieren. Doch wie in Tschetschenien scheiterte die Not leidende und marode russische Armee an den Vorgaben. Im Kaukasus sollte sie einen Gewaltfrieden herstellen, im Eismeer weltweite Einsatzbereitschaft demonstrieren um fast jeden Preis.
Mit der 'Kursk' und dem fürchterlichen Missmanagement der Tragödie ist der von Wladimir Putin erhobene Anspruch, das russische Imperium wieder zu beleben, wohl endgültig auf Grund gegangen. Die Demütigung ist perfekt. Der Traum ist vorüber."
"Mlada fronta Dnes", Prag:
"Es wäre eine Katastrophe, wenn Russland aus der 'Kursk'-Tragödie einzig den Schluss ziehen würde, dass es stabilere U-Boote braucht. Russland braucht nicht bessere Waffen, es braucht bessere Demokratie. Zwar gibt jede Armee Tatsachen immer nur stückweise heraus, das ganze Bild des Dramas in der Barentssee ist aber bedrückend: Russland informierte nicht nur spät, sondern auch ungenau und schlecht.
In Gedenken an die Lügen um den Reaktorunfall von Tschernobyl sollte man daran erinnern, dass man nur mit exakter Benachrichtigung Vertrauen schafft. Ein positives Ergebnis hat die Tragödie aber vielleicht doch: Sie hat gezeigt, dass die öffentliche Meinung in Russland stark ist und von Politikern nicht ignoriert werden kann."
Moskau - Putin schwieg tagelang zu der Tragödie im Nordmeer, er zögerte, westliche Hilfe anzunehmen, und setzte seinen Urlaub am Schwarzen Meer fort, während in der eisigen Barentssee um das Leben der eingeschlossenen Seeleute gekämpft wurde - das alles quittierte die russische Presse mit zum Teil zynischen Kommentaren, wie es sie nicht gegeben hat, seit Putin Ende Dezember in den Kreml einzog.
"Was richtige Staatschefs eigentlich tun", überschrieb die Zeitung "Kommersant", die dem Putin-Opponenten Boris Beresowski gehört, in dicken Lettern einen Artikel. So habe etwa Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen Urlaub unterbrochen, um einen Gedenkgottesdienst für die deutschen Opfer des Concorde-Absturzes zu besuchen; US-Präsident Bill Clinton sei aus den Ferien zurückgeeilt, um sich mit Feuerwehrleuten zu treffen, die die Waldbrände in den USA löschen.
Drei Monate nach seiner Vereidigung habe Putin noch nicht gelernt, Präsident zu sein, schrieb die Internet-Zeitung "gazeta.ru". "Was kann er (Putin) denn schon sagen?", zitierte sie einen Mitarbeiter der Präsidentenadministration. Und die Zeitung gab darauf ihre eigene Antwort: "Der Präsident muss ein Mensch sein und nicht einfach eine Instanz."
Bislang war Putins Karriere ohne Knick verlaufen. Als vergangene Woche eine Bombe in einer Moskauer Fußgänger-Unterführung hochging und zwölf Menschen starben, kam Putin einen Tag später sichtlich bestürzt zu der Unglücksstelle und legte Blumen für die Opfer nieder.
Auch das Militär steht in der Kritik
Durch die starke Zentralisierung, die Putin in Russland eingeleitet hat, durch die Machtkonzentration in seinen Händen, wird auch jeder Erfolg und Misserfolg unweigerlich mit seinem Namen verbunden. "Der Präsident ist für alles verantwortlich", hatte Putin im Wahlkampf gesagt. Der neue russische Staatschef hat zwar ohne Zögern den Machtkampf mit den einflussreichen Provinzgouverneuren und der korrupten Wirtschaftselite aufgenommen und für sich entschieden, aber der Katastrophe im Nordmeer mochte er anscheinend nicht direkt ins Auge schauen.
Zu der Tragödie der "Kursk", die schon am Samstag gesunken war, äußerte sich Putin erstmals am Mittwoch am Rande einer Sitzung mit Wissenschaftlern in seinem Urlaubsort Sotschi. War der Präsident schlecht informiert über das tatsächliche Ausmaß der Tragödie?
Bislang ist es immer noch ein Rätsel, warum die Öffentlichkeit erst am Montag vom Untergang der "Kursk" erfuhr.
Noch am Mittwoch hatte Putin zunächst behauptet, die russischen Spezialisten hätten ausreichend eigene Mittel zur Rettung der in 100 Meter Tiefe eingeschlossenen Soldaten. Erst wenige Stunden später wies Putin nach einem Telefonat mit US-Präsident Bill Clinton den Flottenstab an, alle erdenkliche Hilfe aus dem Ausland anzunehmen. Doch vielleicht kommt diese Hilfe nun zu spät.
Auch die russischen Admiräle mussten Kritik einstecken. "Sie haben mehr Angst als alle anderen", schrieb "Iswestija". "Sie fürchten, die Wahrheit über das Schicksal der auf dem Meeresgrund Gefangenen zu sagen. Sie fürchten, ihren Rang zu verlieren. Sie fürchten, den Westen sofort um Hilfe zu bitten und ihre Ohnmächtigkeit zu offenbaren."
Der "starke Staat", die starke Armee, die Putin schaffen will, haben durch den Untergang der "Kursk" einen Schlag erhalten. "Zusammen mit dem U-Boot ist auch die Staatsmacht auf Grund gesunken", schrieb die "Iswestija".
Waren die Klopfzeichen eine Marine-Erfindung?
Die Hoffnung, die 118 Besatzungsmitglieder der "Kursk" zu retten, ist stark zusammengeschmolzen. Fernsehberichten zufolge hat es die am Mittwoch gemeldeten Lebenszeichen nie gegeben. Das letzte Klopfen wurde danach am Montag registriert.
Der Versuch zur Rettung der "Kursk"-Besatzung als Flash-Animation Moskau - Der Fernsehsender RTR berichtete am Freitag, während ausländische Rettungsschiffe noch mit voller Kraft zur Unglücksstelle eilten, dass der Kontakt schon vor vier Tagen abgebrochen sei. Für Samstag wurde mit dem Eintreffen des britischen Rettungs-U-Bootes "LR5" gerechnet.
"Heute haben wir von der russischen Marineführung einige Informationen über das U-Boot erhalten. Seit dem 14.
(August) gibt es von dem U-Boot keinen akustischen Kontakt auf die Signale der Retter. Aus dem U-Boot dringt kein Klopfen", sagte der RTR-Reporter Arkadij Mamontow an Bord des russischen Raketenkreuzers "Pjotr Weliki" an der Unglücksstelle. Zuvor hatte es noch geheißen, es habe seit Mittwoch keine Klopfsignale aus der "Kursk" mehr gegeben.
Die Chancen für einen Erfolg der russischen Tauchmissionen mit Rettungskapseln schwanden am Freitag weiter. RTR berichtete, eines der Rettungsboote habe nach Tagen vergeblicher Versuche endlich an einer der Luken des U-Bootes in hundert Meter Tiefe anlegen können. Es sei jedoch nicht gelungen, das Wasser aus der Schleuse an der Kapsel abzupumpen, da die Plattform an der Luke vermutlich verformt sei.
Die Sauerstoffvorräte auf dem U-Boot könnten nach Schätzungen von Experten schon vor Eintreffen der britischen Helfer zu Ende sein. Die Retter gaben die Hoffnung aber nicht auf, dass im U-Boot Eingeschlossene noch am Leben sein könnten und sich nicht bemerkbar machten, um Kräfte zu sparen.
Der russische Präsident Wladimir Putin rechtfertigte das tagelange Zögern bei der Annahme westlicher Hilfe für die verunglückte "Kursk".
Verteidigungsminister Igor Sergejew und Marinechef Admiral Wladimir Kurojedow hätten ihm versichert, dass "die russische Seite über alle Mittel für Rettungsarbeiten verfüge", sagte er am Freitag auf der ukrainischen Halbinsel Krim. Zudem habe schlechtes Wetter die Rettungsaktion behindert, sagte Putin. Das Eintreffen ausländischer Helfer "hätte das Wetter nicht zum Besseren verändert", wurde Putin von der Nachrichtenagentur Interfax zitiert. Er wurde noch am Freitagabend zurück in Moskau erwartet.
Die russischen Behörden nannten als wahrscheinlichste Unglücksursache weiterhin eine Kollision. Unter anderem war bereits zuvor ein Zusammenstoß mit einem ausländischen U-Boot als mögliche Ursache genannt worden. RTR berichtete unter Berufung auf Informationen vor Ort, dass die russische Marine im Unglücksgebiet nach der Havarie so genannte Notsignal-Bojen ausländischen Typs gesichtet habe. Das Marine-Oberkommando wies diese Angaben zurück.
Umweltschützer glauben nicht an russische Version
Die norwegische Umweltschutzorganisation Bellona hat russischen Marineangaben widersprochen, wonach eine Explosion im Torpedoraum des Atom-U-Boots "Kursk" das Unglück ausgelöst hat. Nach der Analyse der vorhanden Informationen seien die eigenen Experten zu dem Schluss gekommen, dass ein unter hohem Druck stehender Lufttank geborsten sei, teilte die Organisation mit. Dabei seien große Teile des Bugs und des Kommandoturms zerstört worden. Ursache für die Explosion ist laut Bellona entweder eine Fehlbedienung durch die Besatzung oder mangelnde Wartung.
Nach dieser Expertenmeinung befand sich die "Kursk" vor der Explosion in 40 Metern Tiefe und sollte auftauchen, um während eines Manövers routinemäßig mit dem Flottenkommando Kontakt aufzunehmen. Für den folgenden Unfall gibt es zwei Szenarien. Entweder wurde die Steuerung von automatisch auf manuell umgeschaltet und anschließend falsch bedient, woraufhin das U-Boot absackte und auf den Meeresboden aufschlug. Durch die Wucht des Aufpralls seien die Drucklufttanks im Bug explodiert. Die zweite Möglichkeit wäre, dass während des Auftauchens, wegen eines Systemlecks, Öl in die Buglufttanks gekommen ist. Das Öl-Luft-Gemisch sei dann explodiert.
In beiden Fällen steht für Bellona fest, dass die beiden Atomreaktoren sich über ein Notsystem selber ausschalteten und nicht wieder anfahren ließen.
Nur allmählich formt sich ein einigermaßen klares Bild vom Ablauf der "Kursk"-Havarie. Um die Ursache der vermuteten Explosion im Bug des U-Boots kursieren widersprüchliche Theorien.
Moskau - Nach jüngster Darstellung der Regierungskommission wurde zunächst der Bug der "Kursk" leckgeschlagen. Dadurch sei das 18.000 Tonnen schwere U-Boot vornüber in die Tiefe gerissen worden. Beim Aufprall auf den Meeresgrund habe eine gewaltige Explosion der gesamten Torpedo-Munition den Vorderteil des Boots zerrissen.
Unklar bleibt auch nach diesen Angaben, wie das Loch in dem dicken Titan-Panzer der "Kursk" entstand. Die Rede ist zunächst einmal von der Kollision mit einem anderen Schiff oder U-Boot oder einer Mine. Das Leck könne aber auch eine erste kleinere Explosion im Inneren des Boot verursacht haben. Norwegische Seismologen hatten zwei Explosionen mit einem Abstand von zwei Minuten registriert, die erste schwächer.
In russischen Medien hielt sich über Tage die These von der Kollision mit einem Frachter oder einem amerikanischen oder britischen U-Boot. Letzteres wurde von den USA und Großbritannien zurückgewiesen.
Nach anderen Vermutungen könnte der Kapitän des U-Bootes ein schnelles Tauchmanöver in dem nur 100 Meter tiefen Gewässer angeordnet haben - möglicherweise um einer Kollision auszuweichen. Dabei habe sich das 155 Meter lange Boot nur wenige Sekunden später mit dem Bug in den Meeresboden gebohrt. Auch die norwegische Umweltschutzorganisation Bellona schloss einen solchen Navigationsfehler in dem zu flachen Wasser nicht aus. Stoff für Spekulationen lieferte die Nachricht, das Periskop des Bootes sei ausgefahren und verbogen.
Amerikanische Marineexperten vermuteten dagegen, dass die Explosion eines Torpedos der "Kursk" zum Verhängnis geworden sein könnte. Möglicherweise sei ein Torpedo beim Abschuss im Rumpf stecken geblieben. Zunächst sei im Inneren des Bootes der Antrieb der Waffe explodiert. Zwei Minuten später, nachdem es den Seeleuten nicht gelungen sei, den brennenden Torpedo aus dem Rohr zu entfernen, explodierte auch der Sprengkopf, mutmaßten die Amerikaner.
Wusste Putin gleich Bescheid?
Moskau - Der russische Präsident Wladimir Putin wurde angeblich bereits wenige Stunden nach dem Sinken des Atom-U-Bootes "Kursk" davon informiert, dass die meisten Besatzungsmitglieder tot sind. Der Kommandeur der russischen Marine, Wladimir Kurojedow, habe Putin noch am Tag des Unglücks - dem 12. August - an seinem Urlaubsort am Schwarzen Meer von den ersten Untersuchungen informiert, berichtete die Nachrichtenagentur AWN unter Berufung auf einen hohen Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums.
Schon die ersten Unterwasseraufnahmen der russischen Marine hätten gezeigt, dass sieben der neun Kammern in dem U-Boot von Anfang an geflutet gewesen seien. Außerdem seien Trümmer des Rumpfes und Teile der Ausrüstung aus dem U-Boot weit entfernt vom Unglücksort gesichtet worden. Der Ministeriumsvertreter schloss nicht aus, dass der Kreml eine gezielte Desinformation der Öffentlichkeit organisiert habe, um sie im Glauben zu lassen, dass es noch Hoffnung auf die Rettung der Besatzung gebe, berichtete AWN. Öffentlich bekannt wurde der Unfall der "Kursk", die mit 118 Menschen an Bord sank, erst am Montag vergangener Woche.
Oslo/Bodö - Norwegische Militärstellen haben am Dienstag russische Behauptungen über die angebliche Kollision des Atom-U-Bootes "Kursk" mit einem anderen U-Boot oder Schiff scharf zurückgewiesen. Der Oberkommandierende der Nordstreitkräfte, Einar Skorgen, sagte in Bodö, dies sei "interne russische Propaganda".
Stabssprecher Kjell Grandhagen erklärte in der Zeitung "Dagbladet", dass sowohl nach Messungen seismologischer Institute wie auch durch Beobachtungen von dem in der Barentssee stationierten norwegischen Überwachungsschiff "Marjata" aus als sicher anzusehen sei, dass es am Samstagmorgen zwei Explosionen an Bord der "Kursk" gegeben habe. Die erste und kleinere sei durch ein Waffensystem an Bord ausgelöst und selbst wiederum wahrscheinlich Ursache für die zweite und größere gewesen. Grandhagen sagte, es gebe dafür auch "andere Informationsquellen" als die eigenen Messungen, machte aber keine näheren Angaben.
Die norwegischen Stellen hatten ihre Messergebnisse einschließlich der zweiten Explosion mit einer Stärke von 3,5 auf der Richterskala erst Mitte der Woche öffentlich bekannt gegeben, nachdem russische Stellen zuvor den Zeitpunkt der Havarie von Sonntag auf Samstag korrigiert hatten.
Eine Moskauer Zeitung hatte zuvor spekuliert, das Atom-U-Boot könne von einem russischen Torpedo getroffen worden sein. Die "Kursk" könne möglicherweise auch mit dem schweren russischen Raketenkreuzer "Pjotr Weliki" zusammengestoßen sein, schrieb die Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda". Sie bezog sich dabei auf Vermutungen eines ehemaligen U-Boot-Kommandanten. Die "Pjotr Weliki" ist das Flaggschiff der russischen Nordflotte.
Über die Ursache für den Untergang der "Kursk" gibt es immer mehr Theorien und Gerüchte. Die russische Regierung beharrt auf ihrer Version, die eine Kollision mit einem fremden U-Boot als wahrscheinlich ansieht. Eine Moskauer Zeitung spekuliert jedoch, das Atom-U-Boot könne von einem russischen Torpedo getroffen worden sein.
Moskau - Die "Kursk" könne möglicherweise auch mit dem schweren russischen Raketenkreuzer "Pjotr Weliki" zusammengestoßen sein, schrieb die Moskauer Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda". Sie bezog sich dabei auf Vermutungen eines ehemaligen
U-Boot-Kommandanten. Die "Pjotr Weliki" ist das Flaggschiff der Nordflotte.
Die Zeitung zitierte außerdem einen russischen Munitionsexperten, der vermutete, dass die "Kursk" von einem eigenen Torpedo getroffen worden sein könnte. Möglicherweise sei nach dem Abschuss ein Defekt im Antrieb des Torpedos aufgetreten, der daraufhin in einem Bogen zurückgekehrt und in den Rumpf der "Kursk" eingeschlagen sei, sagte der Experte Michail Aronson. Die "Kursk" sollte am 12. August bei einem Flottenmanöver einen Torpedo abfeuern. Zuvor war nach Militärangaben erfolgreich ein Marschflugkörper gestartet worden.
Nach einer anderen Version könnte die "Kursk" von einem versehentlich abgefeuerten Torpedo eines anderen russischen U-Bootes versenkt worden sein. Dies habe ein Marineoffizier aus Murmansk behauptet.
Bergung
Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt", sagte Vize-Admiral Michail Motzak. "Alle Kammern stehen unter Wasser. Kein einziges Besatzungsmitglied hat überlebt." Die westlichen Taucher sollen sich nun um die Bergung der Leichen kümmern. Derweil gab es neue Vorwürfe gegen den in der Kritik stehenden Präsidenten Wladimir Putin. Angeblich wurde er schon wenige Stunden nach dem Unglück über den Tod der meisten Besatzungsmitglieder informiert.
Am Montag gelang es den zwölf
westlichen Tauchern erstmals, das in 108 Metern Tiefe auf Grund liegende Boot zu öffnen.
Erste Leiche entdeckt Dem britisch-norwegischen Team, das erst am Wochenende am Unglücksort eingetroffen war, gelang damit in 30 Stunden, was die Russen nach dem Sinken der "Kursk" am 12. August tagelang vergeblich versucht hatten. Nur kurze Zeit erklärten die Spezialisten ihren Einsatz dann bereits wieder für beendet. Das Innere des 155 Meter langen U-Boots stehe fast komplett unter Wasser. Trotz der Hoffnungslosigkeit wollte die russische Marine dann aber mit Spezialkameras zunächst weiter nach Überlebenden suchen. Erst Stunden später kam dann das Eingeständnis, dass alle 118 Mann Besatzung tot sind. In der Nähe der Rettungsluke wurde die erste Leiche entdeckt.
Desinformations-Kampagne?
Vermutlich starben die meisten Matrosen bereits in den ersten Stunden nach der Katastrophe. Ihre Angehörigen machten ihrer Wut über die späte Anforderung ausländischer Hilfe Luft. Der Zorn verstärkte sich durch eine Meldung der Militärnachrichtenagentur AWN, wonach bereits die ersten Unterwasseraufnahmen der "Kursk" zeigten, dass sieben der neun Kammern in dem U-Boot von Anfang an geflutet waren. Von den Aufnahmen habe der Kommandant der russischen Marine, Wladimir Kurojedow, Putin noch am Tag des Unglücks an seinem Urlaubsort am Schwarzen Meer informiert, berichtete AWN unter Berufung auf einen hohen Vertreter des Verteidigungsministeriums. Er schloss nicht aus, dass der Kreml eine gezielte Desinformations-Kampagne organisiert habe, um die Öffentlichkeit im Glauben zu lassen, dass es noch Hoffnung auf die Rettung der Besatzung gebe.
"Katastrophal" reagiert
Der Präsident hatte erst auf Druck der Öffentlichkeit seinen Urlaub am Schwarzen Meer abgebrochen und war am Wochenende nach Moskau zurückgekehrt. Nach Ansicht des früheren Bundesaußenministers Klaus Kinkel (FDP) ist Putins
Ansehen durch die U-Boot-Katastrophe schwer beschädigt worden. Kinkel sagte im SWR, Putin habe sich bislang als derjenige dargestellt, der Russlands Ansehen in der Welt retten und dem Land seine Macht zurückgeben könne. "Dieses Image ist mehr als angekratzt." Die Menschen seien wütend darüber, dass die russische Gesamtführung und in erster Linie Putin "katastrophal" auf das Unglück der Kursk reagiert hätten. Die Machtstellung Putins werde aber nicht ernsthaft beeinträchtigt.
- Citation du texte
- Sarah Eitel (Auteur), 2001, Das Kurskunglück, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100969
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