Inhalt
1. Einleitung
1.1. Relevanz des Themas
1.2. Eingrenzung des Themas
2. Programmatischer Vergleich
2.1. Ideologie
2.1.1.Marxismus-Leninismus als „wissenschaftliche Weltanschauung“ der SED
2.1.2. Die Ideologischen Grundlagen der PDS
2.2. Parlamentarismus
2.2.1.Der Antiparlamentarismus der SED S
2.2.2. Parlamentarische und außerparlamentarische Politik in der PDS
2.3. Wirtschaft und Eigentum
2.3.1. SED: Planwirtschaft und „Gesammtgesellschaftliches“ Eigentum
2.3.2. PDS: Marktwirtschaft ohne Kapitalismus?
3. Innerparteiliche Demokratie
3.1. Der Demokratische Zentralismus in der SED
3.2. Pluralismus in der PDS
3.3. Exkurs: Die Kommunistische Plattform
3.3.1. Gründung und Selbstverständnis der Kommunistischen Plattform
3.3.2. Das Verhältnis von PDS und KPF
4. Zusammenfassung
Anhang: Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Relevanz des Themas
Von vielen Politikern, aber auch von vielen Politikwissenschaftlern ist im Zusammenhang mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) immer wieder von einer kommunistischen, postkommunistischen, neokommunistischen1 Partei oder gar von einer kommunistischen Kaderpartei2 die Rede.
Die PDS ist Rechtsnachfolgerin der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, aus der sie 1989/90 durch Namensänderung hervorging.3 95% ihrer Mitglieder waren bereits Mitglieder der SED. Dort bezeichnete man sich ganz selbstverständlich als Kommunisten. „Die PDS ist keine kommunistische Partei, aber auch keine antikommunistische“,4 erklärte Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der PDS.
Bei der Frage, ob die PDS nun eine kommunistische Partei ist, scheint es mehr um eine Diskreditierung der PDS (ist doch Kommunismus ein weitgehend negativ konnotierter Begriff), als um eine sachliche Auseinandersetzung zu gehen.
Das Anliegen dieser Hausarbeit soll es sein, jenseits von einer emotionsgeladenen Debatte, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob die PDS eine kommunistische Partei ist.
1.2. Themenbegrenzung
Sucht man in Texten über die PDS nach der Antwort auf die Frage, was denn überhaupt Kommunismus, bzw. eine kommunistische Partei sei, fallen die Ergebnisse recht vielfältig aus. Oft werden auch innerhalb eines Textes verschiedene Kommunismusvorstellungen verwendet, was je nach politischer Intention des Autors zur Über-, oder Untertreibung des kommunistischen Potentials in der PDS dient.
Ich versuche in meiner Arbeit eine kommunistische Partei so zu sehen, wie es dem Selbstbild der SED entsprach. Somit dient dieser Text auch als Hilfe bei der Diskussion, inwieweit die PDS mit ihrer Vergangenheit gebrochen hat. An drei wesentlichen Aspekten der Programmatik werde ich versuchen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen SED und PDS zu benennen. Ich versuche die Aspekte Ideologie, Parlamentarismus und Wirtschaft/Eigentum jeweils in den Vorstellungen der SED sowie der PDS zu untersuchen. Anschließend werde ich noch die innerparteiliche Demokratie beider Parteien vergleichen und mit einem kleinen Exkurs über die kommunistische Plattform (KPF) verknüpfen.
2. Programmatischer Vergleich
2.1. Ideologie
2.2.1.Marxismus-Leninismus als „wissenschaftliche Weltanschauung“ der SED
Der Marxismus-Leninismus (M.-L.) umfaßte nach dem damaligen Verständnis die dialektischen Bewegungsgesetze von Natur und Gesellschaft, den gesetzmäßigen Ablauf der Geschichte, die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise, die Erscheinungsformen des Klassenkampfes, die historische Mission der Arbeiterklasse, die Theorie und Taktik der proletarischen Revolution und die Methoden des sozialistischen und kommunistischen Aufbaus.5
Wie man aus dieser Aufzählung unschwer erkennen kann, umfaßt der M.-L. einen sehr weiten Bereich des gesellschaftlichen Lebens. Sämtliche weiter unten verglichen Teilbereiche, sind daher von der SED auf eben diese Weltanschauung zurückzuführen.
Der M.-L. galt als wissenschaftliche Weltanschauung und war als solche verbindlich für alle Mitglieder der SED. Er galt u.a. als unvereinbar mit religiösen Überzeugungen.
Politik wurde somit zur Wissenschaft gemacht und ließ demokratische Veränderung nur innerhalb enger Grenzen zu. Die Argumentation der SED schwankte diesbezüglich allerdings sehr stark, zwischen dem permanenten
Versuch einer demokratischen Legitimation6 und einem aus der historischen Determination des marxistisch-leninistischen Wissenschaftsverständnisses abgeleiteten Führungsanspruch.
2.2.2. Die Ideologischen Grundlagen der PDS
Im Programm der PDS ist ausdrücklich erklärt, daß die Mitgliedschaft in der PDS an keine bestimmte Weltanschauung, Ideologie oder Religion gebunden ist7. In einem Beschluß des 4. Parteitages, wurden jedoch leichte Einschränkungen vorgenommen. Es gelten nun nationalistische, chauvinistische, rassistische, antisemitische und stalinistische Auffassungen als unvereinbar mit einer Mitgliedschaft in der PDS.8 Und natürlich hat auch die PDS Vorbilder, auf die sie sich beruft. Dies sind hauptsächlich Personen aus der marxistischen Tradition, die schon in der SED verehrt wurden.
„Wir schöpfen aus der Geschichte des humanistischen Denkens, insbesondere aus den dialektischen und materialistischen Auffassungen von Karl Marx und Friedrich Engels, Wilhlelm Liebknecht und August Bebel, Eduart Bernstein und Karl Kautsky, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, W. I. Lenin und Antonio Gramsci und ihre nachfolgenden vielfältigen Weiterentwicklungen. Die Partei nimmt all diese Ideen kritisch in sich auf.“9
In diesem Satz zeigt sich für Patrick Moureau die diktatorische Vergangenheit der PDS, da sie sich noch immer auf Autoritäten berufe10. Meines Erachtens ist in diesem Satz aber gerade der Bruch mit der „Weltanschauungsdoktrin“ der SED zu sehen, da die Ideen kritisch aufgenommen und eben nicht zum Dogma werden sollen.
Die PDS ist nach eigenen Angaben keine Weltanschauungspartei wie die SED. Vielmehr setzt sie „voraus anzuerkennen, daß es die eine ,wahre Theorie‘ nicht gibt. Ein hohes Maß an Objektivität theoretischen Wirklichkeitsaneignung als Voraussetzung und Bestandteil politisch-programmatischer und strategischer
Arbeit ist nur erreichbar durch eine Verarbeitung und Vermittlung verschiedenartiger theoretischer Standpunkte.“11
Die PDS hat also deutlich dieselben Wurzeln wie der Kommunismus der SED. Der wesentliche Unterschied liegt in der Ablehnung der wissenschaftlichen Determination, der Lehren von Marx und Lenin.
2.2. Parlamentarismus
2.2.1. Der Antiparlamentarismus der SED
Nach dem marxistisch-leninistischen Staatsbegriff, war der Staat das Instrument der jeweils herrschenden Klasse und die Organisation dabei Ausdruck einer bestimmten historischen Entwicklung.12
Der Parlamentarismus war nach dieser Einteilung eine bürgerliche Herrschaftsform.
Durch die „Einheit von Staat und Partei“ sollte eine wissenschaftliche Leitung des Staates sichergestellt sein. So mußten in der Praxis Gesetze nicht einem Parlament, sondern dem Politbüro vorgestellt werden.
Demokratische Elemente mußten sich, ganz nach den Prinzipien des M.-L., in den Rahmen der Wissenschaft einfügen, so daß die Meinung des Volkes nur noch in den vorgegebenen Grenzen der Ideologie von Interesse war. Dennoch bezeichnete sich die SED als „wahrhaft demokratisch“ und pries beispielsweise die offene Stimmabgabe als Fortschritt.13
Gesellschaftliche Organisationen wurden nur dann offiziell zugelassen, wenn „deren Aufbau dem der SED entsprach, die statuarisch auf die Führungsrolle der SED festgelegt waren, und die realiter die Ziele der SED verfolgten (...). Organisationen dieser Prägung wurden als ,Transmissionsriemen‘ bezeichnet.“14
2.2.2. Parlamentarische und außerparlamentarische Politik in der PDS
In der Programmdebatte 1992/93 wurde eine grundlegende Diskussion der 68er Bewegung wieder aufgegriffen: Die Frage nach dem Parlamentarismus. Ein Grundkonsens bestand darin, „daß die PDS den Antiparlamentarismus in der kommunistischen Bewegung überwinden wollte. Die parlamentarische Demokratie wird von der PDS nicht als abzulehnende politische Institution, sondern als zivilisatorische Errungenschaft angesehen, deren offensichtliche Krise konstruktiv gelöst werden muß.“15
Wie aber die Krise des Parlamentarismus gelöst werden kann, ist aus den Äußerungen innerhalb der PDS nicht klar ersichtlich. Anhaltspunkte dazu finden sich in Gregor Gysis „Ingolstädter Manifest“. Demnach sollen in einer zweiten Kammer neben dem Bundestag, Vertreter verschiedener Interessengruppen sitzen. Durch eine dritte Stimme soll der Wähler entscheiden, welcher Interessengruppe er den Vorzug gibt. So wären Mieter-, Umwelt-, Menschenrechts-, etc. Interessen auch wirklich im Parlament vertreten. Dieses Konzept ist allerdings nicht weiter ausgearbeitet und daher eher als Diskussionsangebot zu verstehen.
Auch die Frage nach dem Verhältnis von parlamentarischer und außerparlamentarischer Arbeit konnte nicht abschließend geklärt werden. In Ihrem Programm sind die Mitglieder aufgerufen in außerparlamentarischen Organisationen und Bewegungen mitzuarbeiten, denn die PDS hält den außerparlamentarischen Kampf für entscheidend, um gesellschaftliche Veränderungen voran zu bringen.16
Einig ist man sich lediglich darin, daß die Partei nicht andere soziale Bewegungen im Leninschen Sinne als „Transmisionsriemen“ ihrer Politik benutzen will.17 Vielmehr müßten gesellschaftliche Forderungen „rechtlich und politisch umgesetzt [werden], was im sozialwissenschaftlichen Deutsch heißt: Sie müssen institutionalisiert werden.“18
In den institutionellen Entscheidungsrahmen sollen Elemente der direkten Demokratie, wie Volksbegehren und Volksentscheid einfließen. Die PDS versteht sich also auch wesentlich als außer- aber nicht als antiparlamentarisch, was wieder so ein scheinbarer Widerspruch ist, von dem abzuwarten bleibt, ob er sich in konkreten Konzepten aufzulösen vermag.
2.3. Wirtschaft und Eigentum
2.3.1. SED: Planwirtschaft und „Gesamtgesellschaftliches“ Eigentum
Der Begriff „Planwirtschaft“ ist etwas irreführend, da jedes Wirtschaftssystem auf Planung basiert. In Zusammenhang mit den Vorstellungen der SED scheint daher der Begriff der Kommandowirtschaft besser geeignet, die Art und Weise der Wirtschaftsplanung zu umschreiben. Es war der Versuch einen Plan für die gesamte Volkswirtschaft zu erstellen und imperativ durchzusetzen.19 Dies sollte allerdings mit Hilfe der örtlichen Staatsorgane, sowie der Betriebe und Werktätigen geschehen.
Zusammen mit dem (Verfassungs-) Prinzip des sozialistischen Eigentums an Produktionsmitteln20, welches mittels Enteignungen durchgesetzt wurde, bedeutete dies eine enorme Machtkonzentration auf seiten des Staates (und damit der SED), da eine solche, zentral gelenkte Wirtschaft, im Grenzfall sogar den Entzug der materiellen Existenzbasis bedeuten kann.21
2.3.2. PDS: Marktwirtschaft ohne Kapitalismus?
Marktwirtschaft ohne Kapitalismus. Auf diese zunächst etwas fremd wirkende Formel, könnte man die Wirtschaftsvorstellungen der PDS bringen. Zur Marktwirtschaft bekennt sich die PDS im zweiten Teil ihres Parteiprogrammes, aufgrund der hohen ökonomischen Effektivität und des raschen wissenschaftlich-technischen Fortschritts, den diese bietet.22
Die Frage des Eigentums ist im Programm der PDS noch völlig ungeklärt. Es gebe „unterschiedliche Auffassungen (...) hinsichtlich der Frage, ob die reale Vergesellschaftung von Eigentum primär durch die Vergesellschaftung der Verfügung über das Eigentum erreichbar ist oder der Umwandlung in Gemeineigentum, insbesondere in gesamtgesellschaftliches Eigentum (wie es in der DDR der Fall war - B. H.), die bestimmende Rolle zukommen muß.“23 Läßt dieser Passus noch ein Rückkehr zu Eigentumsformen der DDR zu, so zeugen die weiteren Konzepte der PDS von einem eindeutigen Bekenntnis zum Privateigentum an Produktionsmitteln, allerdings als eine Form unter vielen.
Vor allem müsse die „Dominanz des Kapitals“ überwunden werden, was die PDS hauptsächlich durch mehr Kontrolle und Mitbestimmung in der Wirtschaft sowie durch eine Politik der Umverteilung mit Hilfe von Steuern und Abgaben, und der Förderung von öffentlichem und genossenschaftlichen Eigentum, erreichen will.24
Ralf Neubauer, Wirtschaftskorrespondent der „Zeit“ bescheinigt der PDS sogar auf Kommunal- und Länderebene „Anträge zur Förderung des Mittelstandes (.), die ebensogut von FDP oder CDU stammen könnten“.25
Die PDS ist also in der Marktwirtschaft angekommen. Ihre Wirtschaftskonzepte tragen deutlich realpolitische Handschrift, wenngleich sich (vor allem im Parteiprogramm) noch Reste traditionell-kommunistischen Denkens finden. Sie steht für eine „Produktionsdemokratie“, d.h. eine radikale Demokratisierung der Wirtschaftsprozesse.
3. Innerparteiliche Demokratie
3.1. Der Demokratische Zentralismus in der SED
Aus dem M.-L. abgeleitet wurde innerparteilichem Pluralismus eine klare Absage erteilt. Durch die These von der Einheit der gesellschaftlichen Interessen, welche die SED selbst zu repräsentieren vorgab, negierte sie das Vorhandensein antagonistischer Interessen.26 Es galt in der SED das Prinzip des „demokratische Zentralismus“. Er war der Versuch das theoretische
Postulat von der Diktatur des Proletariats in die Realität umzusetzen. Dies sollte mit vier Grundsätzen geschehen: Wählbarkeit aller Organe von unten nach oben, Rechenschaftspflicht der gewählten Organe gegenüber den Wahlorganen, unbedingte Verbindlichkeit der Beschlüsse höherer Organe für die unteren, Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit27. „In der Realität war es aber meist so, daß das Vorschlagsrecht für alle wichtigen Personal- und Sach- [sic!] entscheidungen bei der übergeordneten Leitung lag. Somit bekam das zentralistische Element ein entscheidendes Übergewicht und das demokratische wurde dadurch ad absurdum geführt.“28
Das Prinzip des „demokratischen Zentralismus“ schloß die innerparteiliche Opposition in Form von Fraktionen, Plattformen und Interessensgemeinschaften aus. Innerparteilicher Pluralismus stand im Widerspruch zum „wissenschaftlichen Führungsanspruch“ in der Leitung.
3.2. Pluralismus in der PDS
Die Organisation der PDS ist ähnlich wie die anderer Parteien in der BRD: Oberstes Gremium ist der Parteitag auf Bundesebene. Bei Parteitagen, wird über Programm und Statut, sowie über die langfristige, strategische und politische Vorgehensweise entschieden. Für das politische Tagesgeschäft werden Vorstände, Ausschüsse etc. gewählt. Als bindend für die Mitglieder gelten lediglich die Beschlüsse der jeweiligen Parteitage, nicht aber Beschlüsse eines anderen gewählten Organes.
Demokratische Defizite sehe ich aber dennoch, zum Beispiel bei der Abstimmung über den Koalitionsvertag von Mecklenburg-Vorpommern, die offen erfolgte und damit der SED-Realität sehr ähnlich wurde.
Bezüglich der nnerparteilichen Strömungen hat die PDS einen Wandel hinter sich. War im Parteiprogramm von 1990 noch das Verbot der Fraktionsbildung festgeschrieben29, so ist dies seit 1993 aufgehoben.30 Desweiteren gibt es eine Vielzahl von Arbeitsgemeinschaften, Interessensgemeinschaften und Plattformen wie z.B. die Kommunistische Plattform, die Ökologische Plattform, die AG Junge GenossInnen oder der Frauenarbeitskreis LISA.
Innerparteilicher Pluralismus ist für sie die Voraussetzung für ihre weitere Entwicklung. Organisatorisch setzt sie dabei auf die gängigen Formen innerparteilicher Demokratie.
3.3. Exkurs: Die Kommunistische Plattform
3.3.1. Gründung und Selbstverständnis der Kommunistischen Plattform
Die Kommunistischen Plattform (KPF) ist die älteste Plattform innerhalb der PDS. Sie konstituierte sich am 30. Dezember 1989 (dem Jahrestag der Gründung der KPD), verfügt über eine eigene Organisationsstruktur und eine eigene Satzung. Ihrem Selbstverständnis nach bezeichnet sie sich „als eine Aktion von Kommunisten und Kommunistinnen in der PDS“.31 Sie will „kommunistisches Gedankengut innerhalb der PDS stärker zum Wirken“32 bringen.
Über ihre Mitgliederzahlen existieren keine genauen Angaben. Von verschiedener Seite wird aber davon ausgegangen, daß sie in der Gründungsphase ca. 20.000 Mitglieder hatte, ihre jetzige Stärke aber bei gerade mal 500 Mitgliedern liegt (das entspricht etwa 0,5% der Gesamtpartei).33 Die auf Bundesebene bestimmenden Kräfte kommen aus Berlin. Die Politik dieses kleinen Führungszirkels unterscheidet sich enorm von den Anschauungen der Basis, wie Christian von Ditfurth für die Thüringer KPF feststellte: „Nein, Thüringens KPF ist eine Vereinigung von Verlierern, von Menschen die einen Glauben verloren, aber keinen neuen gefunden haben. Sie wollen die PDS nicht in eine Kaderpartei stalinistischen Zuschnitts verwandeln, sondern gemeinsam trauern. Denn sie haben eine Biographie verloren.“34
Trotz dieses Gefälles zwischen Basis und Führung der KPF und der geringen Mitgliederzahl, genießt die KPF eine besondere Stellung innerhalb der PDS.
Auf dem letzten Parteitag am 16./17. Januar 1999 in Berlin wurde Michael Benjamin von der KPF gegen den Willen des „Reformflügels“ um Gysi, Bisky und Brie in den Parteivorstand gewählt.
Einzelne Mitglieder der KPF fallen in der Öffentlichkeit immer wieder durch Äußerungen auf, mit denen versucht wird, den Stalinismus zu rechtfertigen, oder wie beispielsweise in folgender Äußerung von Sahra Wagenknecht, Vorstandsmitglied der KPF, den Pluralismus abzuschaffen: „(...) das pluralistische Parteienkonzept ist selbstverständlich mit einer konsequent sozialistischen Politik ebenso unvereinbar wie das Sozialdemokratische, es ist ja genau besehen nur eine Spielart desselben“.35
3.3.2. Das Verhältnis von KPF und PDS
Für den relativ hohen Einfluß der KPF innerhalb der PDS gibt es zwei Hypothesen. Die erste besagt, daß das Gedankengut KPF weit über die Anzahl ihrer Mitglieder, teilweise sogar mehrheitlich in der PDS, vertreten ist. Die zweite These ist die der enormen medialen Wirkung der KPF, die oft genug auch von den politischen Gegnern ausgenutzt wird. „Die Medien und konservativen Kräfte werden sich ihre KPF nicht nehmen lassen. Genügt es doch oft, krude Thesen von deren Exponenten hervorzuheben um sich der Auseinandersetzung mit der Partei zu entziehen. Am Ende wird darin die Hauptbedeutung der KPF bestehen.“36
Das Verhältnis von KPF zur PDS-Führung ist immer wieder gekennzeichnet durch ideologische Frontalangriffe und strategisch bedingte Ausgrenzung seitens der PDS. Einerseits brauchte man z.B. bei Wahlen die Stimmen kommunistischer Wählergruppen in Ost und West, andererseits störte die KPF bei dem Bruch mit der Vergangenheit.
Zusammen mit den Überbleibseln der westdeutschen DKP wollte die KPF eine “erneuerte” gesamtdeutsche Kommunistische Partei gründen. Dieser Gedanke wurde aber, auch auf drängen des „Reformflügels“ in der PDS, wieder fallengelassen.
4. Zusammenfassung
Ein großes Problem dieser Arbeit war der Vergleich der theoretischen Grundlagen der PDS (nur sehr vereinzelt wurde die Praxis angesprochen) mit einer Partei wie der SED, die sich eben nicht nur an ihrer Theorie, sondern auch ganz wesentlich an ihrer Praxis messen lassen muß. Aufgrund der Tatsache, daß in der DDR Staat und Partei eng miteinander verflochten waren, führte dies teilweise zu einem ungleichen Vergleich, nämlich zu dem Vergleich einer Staatspraxis, mit einer Partei.
Doch trotz dieses Problems kann man sagen, daß die PDS keine kommunistische Partei im Sinne der SED ist.
Sie ist ein Sammelbecken linker Kräfte, das von Sozialdemokraten bis zu Kommunisten reicht. Entsprechend breit gefächert sind ihre Äußerungen. Aus Zeitmangel, wahltaktischen Überlegungen, oder noch unklaren eigenen Standpunkten heraus, entstand ein programmatisches Aussagengeflecht, welches sowohl mit Hoffnungen, als auch mit Ängsten verschiedenster Art aufgeladen wird. Es kann, je nach Intention, benutzt werden, einzelne Gruppen zu beruhigen oder zu beunruhigen. Es ist ein Geflecht von unklaren Äußerungen und scheinbaren Widersprüchen, wie „Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“, „antiparlamentarisch, aber nicht außerparlamentarisch“ oder „nicht kommunistisch, aber auch nicht antikommunistisch“, welche für Verwirrung um die PDS sorgen.
Ebenso wie zwischen einzelnen Äußerungen eine große Lücke klafft, so gibt es auch einen enormen Unterschied zwischen realitätsgebundener Regierungspolitik auf Landes- oder kommunaler Ebene und Oppositionsarbeit auf Bundesebene.
Diese Schwächen werden von der PDS selber gesehen und es bleibt abzuwarten, ob aus der aktuell angefangenen Programmdiskussion ein klares, nicht mehr kommunistisch dekodierbares Programm herauskommt. Unter dem Aspekt der „Politikfähigkeit“ und der „Strategiefähigkeit“ soll eine Debatte erfolgen, welche die vielfach zerstreuten Einzelaspekte der PDS zu einem gemeinsamen Konzept zusammenfaßt.37 Ein ganz wesentlicher Bruch ist allerdings bereits erfolgt. Der Bruch mit dem Dogma des Marxismus-Leninismus. Da mit diesem Dogma ein ganzes, wirtschaftliches, strategisches und historisches Verständnis verbunden war, das auf weite gesellschaftliche Bereiche wirkte, ist die Bedeutung des Bruches mit diesem Dogma wohl nicht zu unterschätzen.
Literaturverzeichnis:
Beinert, Heinz (Hrsg.), Die PDS - Phönix oder Asche?, Berlin 1995
Brie, Andre und Klein, Ditmar in: Freitag, Ausgabe 6/1999
Falkner, Thomas und Huber, Ditmar, Aufschwung PDS, München 1994
Gerner, Manfred, Partei ohne Zukunft, Von der SED zur PDS, München 1994
Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.V. (Hrsg.) Zur Programmatik der Partei des Demokratischen Sozialismus, Berlin 1997
Lösche, Peter, Parteienverdrossenheit ohne Ende? Polemik gegen das Lamentieren deutscher Politiker, Journalisten, Politikwissenschaftler und Staatsrechtler, in:Zparl. Heft 1/1995 Moreau, Patrick, Die PDS: Profil einer antidemokratischen Partei, München 1998 Moreau, Patrick und Lang, Jürgen, Was will die PDS? Frankfurt/M 1994 Mintzel, Alfred, Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1992 Nohlen, Dieter, (Hrsg.) Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1998 Partei des Demokratischen Sozialismus, Programm und Statut, Berlin 1998
v. Dithfurt, Christian, Ostalgie oder linke Alternative, Köln 1998
Welzel, Christian, Von der SED zur PDS, Frankfurt/M, 1992
Willoweit, Dietmar, Deutsche Verfassungsgeschichte. München, 1997
[...]
1 Vgl. Moureau, Patrick und Lang, Jürgen, Was will die PDS? Frankfurt/M 1994, S.169
2 Vgl. Lösche, Peter, Parteienverdrossenheit ohne Ende? Polemik gegen das Lamentieren deutscher Politiker, Journalisten, Politikwissenschaftler und Staatsrechtler, in: Zparl. Heft 1/1995, S. 152
3 Vgl. Alfred Mintzel, Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1992, S. 432
4 Gysi, Gregor in: Beinert, Heinz (Hrsg.), Die PDS - Phönix oder Asche?, Berlin 1995, S. 3
5 vgl. René Ahlberg in: Dieter Nohlen (Hrsg.) Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1998, S. 413 4
6 Willoweit, Dietmar, Deutsche Verfassungsgeschichte. München, 1997 S. 399
7 Vgl. Partei des Demokratischen Sozialismus, Programm und Statut, Berlin 1998, S. 25
8 Beschluß, des 4. Parteitages der PDS 1995. In: Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.V. (Hrsg.) Zur Programmatik der Partei des Demokratischen Sozialismus, Berlin 1997, S. 223
9 Moreau, Patrick und Lang, Jürgen, Was will die PDS? Frankfurt/M 1994, S. 67
10 ebd. S. 166
11 Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.V. (Hrsg.) Zur Programmatik der Partei des Demokratischen Sozialismus, Berlin 1997, S. 288
12 vgl. Willoweit, Dietmar, Deutsche Verfassungsgeschichte. München, 1997, S. 393
13 ebd. S. 396
14 Welzel, Christian, Von der SED zur PDS, Frankfurt/M, 1992 S. 30
15 Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.V. (Hrsg.) Zur Programmatik der Partei des Demokratischen Sozialismus, Berlin 1997 S. 319
16 vgl. Partei des Demokratischen Sozialismus, Programm und Statut, S. 25
17 Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.V. (Hrsg.) Zur Programmatik der Partei des Demokratischen Sozialismus, Berlin 1997, S. 320
18 ebd., S. 323
19 vgl. Uwe Anderson in: Dieter Nohlen (Hrsg.), Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1998 S. 535
20 vgl. Willoweit, Dietmar, Deutsche Verfassungsgeschichte. München, 1997 S. 395
21 vgl. Uwe Anderson in: Dieter Nohlen (Hrsg.), Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1998 S. 535
22 Moreau, Patrick, und Lang, Jürgen, Was will die PDS?,Frankfurt/M 1994, S. 68
23 Partei des Demokratischen Sozialismus, Programm und Statut, Berlin 1998, S. 8
24 vgl. Falkner, Thomas und Huber, Ditmar, Aufschwung PDS, München 1994, S. 201
25 ebd. S. 206
26 Welzel, Christian, Von der SED zur PDS, Frankfurt/M, 1992 S. 30
27 Willoweit, Dietmar, Deutsche Verfassungsgeschichte. München, 1997, S. 395
28 Gerner, Manfred, Partei ohne Zukunft, Von der SED zur PDS, München 1994, S. 63f.
29 Moreau, Patrik, und Lang, Jürgen, Was will die PDS? Frankfurt/M 1994, S. 99
30 vgl. Partei des Demokratischen Sozialismus, Programm und Statut, Berlin, 1998, S. 30
31 Moreau, Patrick, und Lang Jürgen, Was will die PDS?, Frankfurt/M 1994 S. 68
32 Satzung der KPF, zitiert nach: Patrick Moreau, Die PDS: Profil einer antidemokratischen Partei, München 1998 S.201
33 vgl. Christian v. Dithfurt, Ostalgie oder linke Alternative, Köln 1998, S. 13, sowie Patrick Moreau, Die PDS: Profil einer antidemokratischen Partei, München 1998 S.195
34 Christian v. Dithfurt, Ostalgie oder linke Alternative, Köln 1998, S. 26
35 Sahra Wagenknecht, zitiert nach: ebd. S. 42
36 ebd. S. 45
37 Andre Brie, Ditmar Klein in: Freitag, Ausgabe 6/1999, S. 11 13
- Arbeit zitieren
- Benno Herzog (Autor:in), 1999, PDS - eine kommunistische Partei?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100899
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