Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Migration im schulischen Kontext. Sie untersucht die Forschungsfragen, inwieweit Migration die Schule vor Herausforderungen stellt. Zunächst werden Begrifflichkeiten zur Migration und ihrer Systematik erklärt und aktuelle Zahlen dargestellt. Nachdem der am Thema gebundene geschichtliche Hintergrund der Bundesrepublik Deutschland näher beleuchtet wird, wird auf die Formen und Motive der Migration eingegangen. Infolgedessen wird das multikulturelle Zusammenleben im deutschen Staat näher beschrieben.
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der Integration von Migrantenkindern in der Schule. Dabei wird auf das Konzept der Interkulturellen Pädagogik eingegangen und Möglichkeiten und Ziele des interkulturellen Lernens und Erziehens thematisiert. Der empirische Teil beinhaltet zwei Leitfadeninterviews mit Lehrkräften, die in Vorbereitungsklassen für Migrantenkinder unterrichtet haben. Innerhalb der Interviews werden sie zu Themengebieten oder Problemstellungen, die sich bei der Bearbeitung des theoretischen Teils ergeben, befragt.
Das Phänomen der Migration in Form von Menschenbewegungen über Landesgrenzen hinweg ist eine Thematik, die innerhalb unseres Landes seit der zuletzt rapide anwachsenden Zahl von Flüchtlingen ab dem Jahr 2015 an Bedeutung und Aufmerksamkeit zugenommen hat, obwohl dieser Prozess keineswegs als modern zu erachten ist. Bei Migration handelt es sich um eine universelle menschliche Handlungsform, die eine raum- und zeitbezogene Dimension aufweist und zu allen historischen Zeiten fast überall auf der Welt existierte.
Diese Wanderungen waren und sind Normalität, die vor allem in den letzten Jahrzehnten aufgrund verschiedenster Ursachen vermehrt auftreten. Dennoch sind im Laufe dieser Dekade so viele Menschen wie noch nie zuvor bereit, ihren Lebensmittelpunkt vorübergehend oder dauerhaft zu verändern. Als Hauptursachen für diese Entwicklung sind neben Armut, Kriege, ökologischen Veränderungen oder anderen Bedrohungen auch individuelle Beweggründe zu nennen, die gegebenenfalls auf freiwilliger Basis durchgeführt werden. Technologisch bedingte Veränderungen von Raum und Zeit begünstigen zudem Migrationen, sodass man feststellen kann, dass wir in einem Zeitalter leben, dass für Migrationen konstitutiv ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Systematik der Migration
2.1 Definition Migration
2.2 Geschichtlicher Hintergrund der Bundesrepublik Deutschland
2.3 Formen und Motive
2.3.1 Arbeitsmigration
2.3.2 Aussiedlung
2.3.3 Flucht
2.3.4 Irreguläre Migration
2.4 Multikulturelles Zusammenleben in der Gesellschaft
2.4.1 Assimilation und Akkulturation
2.4.2 Aktuelle demographische Zahlen
3. Migration im schulischen Kontext
3.1 Konzept der Interkulturellen Pädagogik
3.2 Interkulturelles Erziehen und Lernen
3.3 Didaktische und methodische Überlegungen
4. Unterrichtsgegenstand und Forschungsfrage
5. Forschungsdesign
5.1 Qualitativer Forschungsansatz
5.2 Datenerhebung
5.3 Stichprobe und Forschungsfeld
6. Auswertung der Daten
6.1 Transkription
6.2 Qualitative Inhaltsanalyse
7. Ergebnisdarstellung und Interpretation
8. Modulverknüpfung
9. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Möglichkeiten der Akkulturation in einer Gesellschaft (eigene Darstellung nach Berry, 1986)
Abb. 2: Entwicklung der Asylanträge seit 1995 (modifiziert nach Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2018)
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Die Anwerbeabkommen von 1955 bis zum Anwerbestopp 1973 (eigene Darstellung nach Auernheimer, 2005, S. 18)
Tab. 2: Bevölkerung 2016 nach Migrationsstatus (Statistisches Bundesamt, 2017, S. 3)
Tab. 3: Systematisierungsversuch Ausländerpädagogik (AP) und Interkultureller Pädagogik (IP) (modifiziert nach Diehm & Radtke, 1999, S. 128)
1. Einleitung
„Migration ist in quantitativer wie auch qualitativer Hinsicht ein grundlegendes Kennzeichen jener gesellschaftlichen Wirklichkeit, zu der wir „Deutschland“ sagen.“
Dieses Zitat von Inci Dirim und Paul Mecheril (2009) beschreibt in eindrucksvoller Weise, dass wir in einem Staat leben, der für Vielfalt steht und durch eine multikulturelle Gesellschaft geprägt ist. Das Phänomen der Migration in Form von Menschenbewegungen über Landesgrenzen hinweg ist eine Thematik, die innerhalb unseres Landes seit der zuletzt rapide anwachsenden Zahl von Flüchtlingen ab dem Jahr 2015 an Bedeutung und Aufmerksamkeit zugenommen hat, obwohl dieser Prozess keineswegs als modern zu erachten ist. Bei Migration handelt es sich um eine universelle menschliche Handlungsform, die eine raum- und zeitbezogene Dimension aufweist und zu allen historischen Zeiten fast überall auf der Welt existierte (Mecheril 2016, S. 9). Diese Wanderungen waren und sind Normalität, die vor allem in den letzten Jahrzehnten aufgrund verschiedenster Ursachen vermehrt auftreten (Matzner 2012, S. 9). Dennoch sind im Laufe dieser Dekade so viele Menschen wie noch nie zuvor bereit, ihren Lebensmittelpunkt vorübergehend oder dauerhaft zu verändern. Als Hauptursachen für diese Entwicklung sind neben Armut, Kriege, ökologischen Veränderungen oder anderen Bedrohungen auch individuelle Beweggründe zu nennen, die gegebenenfalls auf freiwilliger Basis durchgeführt werden. Technologisch bedingte Veränderungen von Raum und Zeit begünstigen zudem Migrationen, sodass man feststellen kann, dass wir in einem Zeitalter leben, dass für Migrationen konstitutiv ist (Mecheril, 2010, S. 7).
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist das öffentliche Bewusstsein in Deutschland über die Auswirkungen von Migration auf die Bildung gewachsen. Dabei stellt sich die Frage, wie es den Schulen gelingen kann, dass alle Schülerinnen und Schüler1 in Deutschland optimal gefördert werden und ihr individuelles Potential komplett ausschöpfen können. Neben dem bestehenden Gefälle, in dem Leistungen und Abschlüsse in Verbindung mit Ethnizität, sozialer Herkunft oder Geschlecht stehen und folglich ein wesentliches Kernproblem unserer Bildungspolitik darstellt, hat der schulische Wandel das Ziel, eine qualitativ hochwertige und sozial gerechte Bildung anzustreben, bei der alle Schüler die Kompetenzen erlernen können, die für ein Leben in einer pluralisierten Gesellschaft essentiell sind (Fürstenau & Gomolla, 2011, S. 7). Hinzu kommt, dass bei Flüchtlingskindern die sprachliche Barriere erst einmal durchbrochen werden muss, damit eine gerechte Bildung, Erziehung und Förderung realisiert werden kann.
Aufgrund dieser ersten Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand stellt sich folglich die übergeordnete Frage, inwieweit Migration die Schulen vor Herausforderungen stellt. Zur Bearbeitung und Beantwortung dieser Problematik ist diese Arbeit in einem theoretischen und einem empirischen Teil aufgebaut: Im theoretischen Teil werden zunächst Begrifflichkeiten zur Migration und ihrer Systematik erklärt und aktuelle Zahlen dargestellt. Nachdem der am Thema gebundene geschichtliche Hintergrund der Bundesrepublik Deutschland näher beleuchtet wird, wird auf die Formen und Motive der Migration eingegangen. Infolgedessen wird das multikulturelle Zusammenleben im deutschen Staat näher beschrieben. Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der Integration von Migrantenkindern in der Schule. Dabei wird auf das Konzept der Interkulturellen Pädagogik eingegangen und Möglichkeiten und Ziele des interkulturellen Lernens und Erziehens thematisiert. Ergänzend wird zum Abschluss des theoretischen Teils pädagogische Überlegungen zur Lehrerbildung, Methodik und Didaktik angerissen.
Der empirische Teil beinhaltet zwei Leitfadeninterviews mit Lehrkräften, die in Vorbereitungsklassen für Migrantenkinder unterrichtet haben. Innerhalb der Interviews werden sie zu Themengebieten oder Problemstellungen, die sich bei der Bearbeitung des theoretischen Teils ergeben, befragt. Die dabei generierten Daten werden transkribiert und durch die Qualitative Inhaltsanalyse von Mayring ausgewertet. Ein abschließendes Fazit finalisiert die vorgelegte Arbeit.
2. Systematik der Migration
Amtliche Statistiken in Deutschland unterscheiden bei soziodemographischen und sozialstrukturellen Themenbereichen (z. B. Bevölkerungs-, Bildungs-, Arbeitsmarktstatistik) in der Regel nur zwischen Deutschen und Ausländern (Rühl & Babka von Gostomski, 2012, S. 22). Der Begriff Migration ist infolgedessen als abstrakt zu sehen, da Unterscheidungen nach Nationalität aufgrund Einbürgerungen und der Vielfalt des Migrationsgeschehens zunehmend an Aussagekraft verlieren. Um vorab den Gegenstand der Migration in dieser Arbeit konkreter gestalten zu können, werden im Folgenden wesentliche Begrifflichkeiten erklärt und erläutert.
2.1 Definition Migration
Der Begriff Migration stammt aus dem lateinischen Wort migratio und heißt übersetzt (Aus)-Wanderung. Für Annette Treibel (1999) ist Migration
„der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in eine andere Region von einzelnen oder mehreren Menschen“ (zit. in Meinhardt & Schulz-Kaempf, 2015, S. 54).
Darüber hinaus muss für ein ausreichendes Verständnis hinzugefügt werden, dass über ein bloßes Wandern von A nach B hinaus zusätzlich die damit verbundenen Wandlungsprozesse und Verharrungsmomente miteinbezogen werden müssen. Daher weisen Castro Varela und Mecheril (2010) darauf hin, dass Migration ebenso als eine
„[…] biographisch relevante Überschreitung kulturell, juristisch, lingual und (geo-)politisch bedeutsamer Grenzen […] bezeichnet werden (kann)“ (Castro Varela & Mecheril 2010, S. 35).
Im Jahre 2000 bekamen fünf Sachverständige von der damaligen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Auftrag, innerhalb einer Kommission für den 6. Vorgelegten Familienbericht die Situation ausländischer Familien in Deutschland darzustellen (Adam & Inal, 2013, S. 18). Für diese Definition wurde ein prozessorientierter Ansatz gewählt, der Migration als einen sozialen Prozess beschreibt, dessen Spektrum
„von der schrittweisen und unterschiedlich weit gehenden Ausgliederung aus dem Kontext der Herkunftsgesellschaft bis zur ebenfalls unterschiedlich weit reichenden Eingliederung in die Aufnahmegesellschaft einschließlich aller damit verbundenen sozialen, kulturellen, rechtlichen und politischen Bestimmungsfaktoren und Entwicklungsbedingungen, Begleitumstände und Folgeprobleme [reicht]“ (Deutscher Bundestag 2000, S. 16 zit. in Adam & Inal 2013, S. 18).
Anhand der angeführten Definitionen ist festzustellen, dass es sich bei Migration um Ortswechsel handelt, bei denen sich die betroffenen Menschen zusätzlich die Werte und Normen der jeweiligen Gesellschaft annehmen und akzeptieren sollten, ohne dabei ihre eigenen Prinzipien aufgeben zu müssen.
2.2 Geschichtlicher Hintergrund der Bundesrepublik Deutschland
Migrationsprozesse beginnen in der Bundesrepublik, anders als in vielen migrationswissenschaftlichen Texten suggeriert wird, nicht erst nach 1949. Deutschland wurde zeitlich gesehen schon wesentlich länger mit Ein- und Auswanderungen konfrontiert, wobei es bis zum 19. Jahrhundert sogar vorwiegend ein Emigrationsland war (Castro Varela & Mecheril 2010, S. 23). Zwar weisen die Auswanderungsstatistiken des 19. und 20. Jahrhunderts Lücken auf, gut dokumentiert sind hingegen die transatlantischen Auswanderungen, obwohl auch diese nicht als zuverlässig anzusehen sind. Etwa 5 Millionen Deutsche sollen infolgedessen zwischen 1820 und 1890 nach Amerika ausgewandert sein (Gogolin & Krüger-Potratz 2010, S. 46). Im gleichen Zeitraum sind wesentlich mehr Deutsche in andere europäischen Länder migriert, weil im Jahr 1900 die Rede sei, dass etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung Europas von ihrem Geburtsort weggezogen ist (ebd.). Während der Weimarer Republik stieg die geringe Auswanderungszahl gegen Ende deutlich an, ehe aufgrund der Weltwirtschaftskrise 1929 das Thema Migration nicht mehr präsent war. Erst während der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik nahm die Zahl an Auswanderungen wieder deutlich zu bis im Jahre 1941 das Auswanderungsverbot für Juden erlassen wurde, welche eine Auswanderung für andere Bürger ebenfalls erschwerte (ebd.). Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erließen die Alliierten ein Auswanderungsverbot, das mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 gelockert und schlussendlich ganz aufgehoben wurde.
Vorausgegangene Prozesse der Arbeitsmigration in die Bundesrepublik hingegen tangierte die deutsche Gesellschaft seit dem 19. Jahrhundert nur sehr gering, da es sich dabei lediglich um Formen der Saisonarbeit in der kapitalisierten Landwirtschaft oder der vorübergehenden Beschäftigung beim Aufbau der industriellen Infrastruktur zugunsten der Industrialisierung im Land handelte (Auernheimer 2005, S. 16). Vielmehr sind es die Einwanderungsbewegungen der neueren Arbeitsmigration in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, bei denen Arbeitskräfte aus den Mittelmeerländern angeworben wurden und dadurch eine Auseinandersetzung mit fremden Lebensweisen und Kulturen forderte, die ebenfalls den schulischen Kontext miteinbezieht (Auernheimer 2005, S. 15). Die Hauptursachen für mangelnde Integration in den Rubriken Spracherwerb, Bildungswesen und Arbeitsmarkt ist die Tatsache, dass Deutschland anders als klassische Einwanderungsländer wie die USA oder Australien die Zuwanderung nicht nach Kriterien der Qualifikationen gesteuert hat. In den 1950er und 1960er Jahren wurden auf Drängen der Arbeitgeber mit politischer Unterstützung durch die Bundesregierung um- und angelernte ausländische Arbeitnehmer, die als Gastarbeiter zu bezeichnen sind, angeworben (Luft 2012, S. 48). Folgende Tabelle (Tab. 1) gibt einen chronologischen Überblick:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Die Anwerbeabkommen von 1955 bis zum Anwerbestopp 1973 (eigene Darstellung nach Auernheimer, 2005, S. 18).
Diese Anwerbepolitik im Zeitraum von 1955 bis 1973 löste einen sozial selektiven Wanderungsprozess aus. Für Schimany (2007) ist am Beispiel türkischer Gastarbeiter das Problem, dass durch die Zuwanderung dieser
„bildungsferne[n] Schichten aus peripheren Räumen mit traditionellen Wertvorstellungen die türkische Arbeitsmigration nach Deutschland stark geprägt haben und die Integrationsprobleme der zweiten und dritten Generation eine Folge der vergangenen Gastarbeitermigration [ist]“ (Schimany 2007, S. 167 f., zit. in Luft 2010, S. 48).
Typisch für diese Zuwanderungsart ist eine sogenannte Kettenmigration, bei der der Nachzug von Ehepartnern, Kindern oder Freunden durchgeführt wurde und dieser Prozess die deutsche Migrations- und Integrationspolitik, wie auch aktuell im Jahr 2018 mit der Diskussion einer Flüchtlingsobergrenze, auf identischer Weise vor neuen Herausforderungen stellte.
Neben der wirtschaftlich gesteuerten Arbeitsmigration erfuhr Deutschland im 20. Jahrhundert eine zusätzliche Form der Migration, deren Systematik anders zu verstehen ist: Fluchtbewegung. In den 1920er Jahren suchten viele russische Emigranten aufgrund der Russischen Revolution und dem dadurch resultierenden Bürgerkrieg Zuflucht in westeuropäischen Ländern (Auernheimer 2005, S. 18). Weiterhin kam es durch das Ende des Kolonialismus infolge kolonialer Grenzziehungen in Afrika und Asien zu ethnischen Konflikten und Bürgerkriegen, aus denen häufig Diktaturen oder autoritäre Regime entstanden (ebd.). Zudem wurden bedingt durch den Kalten Krieg zwischen den damaligen Supermächten Kriege auf Boden dritter Welt Länder ausgetragen, sodass weitere Leute die Flucht in Richtung Europa antraten (ebd.).
Seit dem Jahr 2015 sind vor allem aufgrund der Bürgerkriege im Nahen Osten (Syrien, Afghanistan etc.) erneut größere Flüchtlingsströme in Richtung Deutschland festzustellen, bei denen die politische Marschroute erneut diskutiert wird. Welche Formen und Motive die Menschen genau dazu veranlasst, ihr Land zu verlassen, werden im folgenden Teilkapitel genauer beschrieben und erläutert.
2.3 Formen und Motive
In diesem Teilkapitel wird das Wanderungsgeschehen in (West-)Deutschland nach 1945 aufgezeigt. Da viele verschiedene Formen und Ursachen zum Thema Migration existieren, wird zur vereinfachten Darstellung eine Typisierung vorgenommen, bei der sich 4 verschiedene Haupttypen herauskristallisiert haben. Im Anschluss werden die 4 Typen Arbeitsmigration, Aussiedlung, Flucht und irreguläre Migration näher beschrieben:
2.3.1 Arbeitsmigration
Eine Arbeitsmigration ist zwar als ökonomisch anzusehen, jedoch nicht immer erwünscht (Gogolin & Krüger-Potratz 2010, S. 34-35). Die Prozesse der Arbeitsmigration sind an das Vorhandenseins eines Marktes geknüpft, auf dem Arbeitskräfte nachgefragt und angeboten werden, wenn auf einheimische Arbeitskräfte nicht zurückgegriffen werden kann oder soll. Zudem wollen die Arbeitgeber die negative Situation vermeiden Vollzeitbeschäftigungen anbieten zu müssen, deshalb bedienen sie sich an Arbeitsmigranten, die eine relativ flexibel einsetzbare Reserve darstellen (Mecheril 2004, S. 32). In diesem Motiv steht Einwanderungspolitik primär für Arbeitspolitik (Auernheimer 2005, S. 17). Um nochmals den geschichtlichen Aspekt aufzugreifen ist anzumerken, dass es sich bei dieser Form der Migration um die bereits erwähnten Gastarbeiter handelt. Dabei stand die Lösung arbeitsmarktbezogener Probleme im Vordergrund, während das Thema Einwanderung nicht bedacht wurde. In der Regel erhielten die angeworbenen Gastarbeiter einen einjährigen Arbeitsvertrag und eine damit verbundene Aufenthaltserlaubnis, die auf zwei verschiedenen Ideen basiert: Zum einen sollten eine Beheimatung der Arbeitsmigranten verhindert werden und zum anderen ermöglichte diese Befristungspolitik einen Austausch zwischen verbrauchten und unverbrauchten Arbeitskräften, welche einer Neuauflage des Ansatzes der Rotationspolitik entspricht (Mecheril 2004, S. 33). Letztlich beschloss die Bundesregierung Ende 1973, aufgrund des Ölembargos der OPEC, das Ende der sogenannten Anwerbepolitik. Als Effekt der Rotationspolitik kamen zwischen 1955 und 1973 ca. 14 Millionen Menschen ohne deutschen Pass in die Republik, von denen etwa 11 Millionen das Land nach ihrer Beschäftigung wieder verließen (Mecheril 2004, S. 35). Von den übrigen 3 Millionen Menschen ohne Pass, die auch nach 1973 in Deutschland blieben, sowie deren Familienangehörigen und Nachkommen können somit als Migranten gelten, die faktisch den Prozess der Einwanderung vollzogen haben (Treibel 1999, S. 56).
2.3.2 Aussiedlung
Statistisch gesehen stammt jeder 4. Einwohner Deutschlands aus einer Familie, die nach 1945 aus Osteuropa zugewandert ist (Mecheril 2004, S. 29). Dabei unterscheiden Münz, Seifert und Ulrich (1999) zwischen Migration der Deutschen und der Zuwanderung von Ausländern. Bei der ersten Personengruppe bezieht man sich auf die durch Flucht und Vertreibung verursachte Wanderungen von Osteuropa nach Deutschland. So sind bis Anfang der 1950er Jahre ca. 12 Millionen Menschen aus den ehemaligen Ostgebieten in die Bundesrepublik gekommen (ebd.). Die größte Zuwanderungsgruppe stellen hierbei die sogenannten Aussiedler. Bei dieser besonderen Form der Immigration handelt es sich um die Nachkommen deutschsprachiger Siedler, die durch die Rechtsgrundlage des im Grundgesetz verankerten Artikel 116 und des Bundesvertriebenengesetzes als deutsche Volkszugehörige gelten (Auernheimer 2005, S. 19). Bis zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts wurde dieses Vorhaben maßgeblich mit einem ethnischen Nationalverständnis begründet und kann als problematisch angesehen werden, weil es mit einem republikanischen Nation-Verständnis unvereinbar betrachtet werden kann (ebd.). Andererseits entspricht diese Entscheidung dem Gerechtigkeitsprinzip bei dem die Bundesrepublik Deutschland diese umgangssprachlichen Russland-Deutschen, die lange Zeit für den deutschen Angriffskrieg haftbar gemacht werden können, in ihr Land aufnehmen müssen (ebd.).
2.3.3 Flucht
Das Thema Flucht stellt eine spezifische Form der Migration dar, bei welcher eine genauere Unterscheidung zwischen Migration und Flucht nicht immer möglich ist (Mecheril 2004, S. 38). Hierbei sind die gesetzlichen Bestimmungen entscheidend, die nicht nur Etikettierungen und unterschiedliche Zuordnungen begründen, sondern darüber hinaus auch die Lebensumstände beeinflussen (Castro Varela & Mecheril 2010, S. 31). So genannte Flüchtlinge gehören der dritten Migrantengruppe an. Im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, welches ein Abkommen der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 verabschiedete, ist ein Flüchtling jede Person,
„die infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind und aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlos infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will“ (GFK 1951, zit. in: Gogolin & Krüger-Potratz 2010, S. 65).
Dennoch wird dieses Verständnis von Flucht dem Spektrum der Anlässe und Verläufe gegenwärtiger Flucht nicht gerecht, da nur ein kleiner Teil der weltweit über 50 Millionen Flüchtlinge individuell nachweisen können, dass sie verfolgt werden, weil andere Ursachen wie Kriege, Umweltkatastrophen oder Binnenflucht nicht erfasst werden (Mecheril 2004, S. 38). Obwohl Flüchtlinge in Deutschland schon wesentlich länger in Obhut genommen werden, sind die Asylanten erst in den 1980er Jahren öffentlich zum Thema geworden. Bei dieser Thematik ist die wissenschaftliche Literatur noch spärlich, da sie überwiegend nur juristische Aspekte des Asyls behandelt (Auernheimer 1995, S. 51).
2.3.4 Irreguläre Migration
Seit Mitte der 1980er Jahre hat die irreguläre Migration immens an Bedeutung zugenommen (Castro Varela & Mecheril 2010, S. 33). Unter dem Wort irregulär versteht man in diesem Kontext Menschen, die keine gültigen Papiere haben, ein Arbeitsverhältnis trotz fehlender Arbeitserlaubnis eingehen oder illegitime Grenzüberschreitungen durchführen (ebd.). Wenn ein Mensch einen Asylantrag stellt und dieser abgelehnt wird oder keine Duldung aufgrund humanitärer Gründe ausgesprochen wird, so wird die Person aufgefordert, das Land zu verlassen. Wenn die Person dieser Aufforderung nicht nachkommt, dann handelt es sich um einen illegalen Aufenthalt. Für Alt (2003) stellt hierbei die relative Rechtslosigkeit dieser Menschen ein großes Problem dar, da sie ohne Papiere und Aufenthaltsgenehmigungen beispielsweise nicht medizinisch versorgt werden können. Besonders schwierige Lebenssituationen haben betroffene Familien, bei denen die Frau schwanger ist oder schulpflichtige Kinder vorhanden sind.
Aufgrund dieser Missstände gilt seit der Änderung des Grundgesetzartikels 16 im Jahre 1993 der Satz „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ nur noch eingeschränkt. Diese Einschränkung umfasst einerseits Flüchtlinge, die aus sicheren Drittstaaten (EG-Staaten, Europastaaten, die laut Europäischer Menschenrechtskonvention als sicher gelten) einreisen und andererseits Flüchtlinge aus Staaten, in denen politische Verfolgungen oder inhumane Bestrafungen oder Behandlungen (Nichtverfolgerstaaten) nicht gegeben sind (Castro Varela & Mecheril 2010, S. 33). Diese Menschen können laut dem Artikel 16 des Grundgesetzes ausgeschlossen und abgeschoben werden.
2.4 Multikulturelles Zusammenleben in der Gesellschaft
Wenn man an ein kulturelles Zusammenleben innerhalb einer Gesellschaft denkt, fällt zwangsläufig auch der Begriff Differenz. Dabei ist dieser Begriff als konfliktbehaftet zu beachten, primär in Verbindung mit negativen sozialen Auseinandersetzungen. Deshalb sollte dieser Begriff, der zweifelsohne auch mit dem Gegenstand der multikulturellen Gesellschaft im Einklang steht, stattdessen mit positiveren Begrifflichkeiten wie Vielfalt oder Diversität ersetzt werden. Während ethnische oder kulturelle Differenzen immer auf Probleme hinweisen, weisen ethnische oder kulturelle Vielfalt/Diversität auf ein Potential hin, das sich ergeben kann, wenn Menschen mit vielfältigen Kenntnissen in Sprachen und Kulturen zusammenleben und –arbeiten. Gerade Letzteres stellt in Zeiten der Globalisierung ein hohes Gut dar, welches wir in der Bundesrepublik Deutschland genießen (Leyendecker 2012, S. 57). Damit eine multikulturelle Gesellschaft auch funktionieren kann, muss sie sich nach Smolicz (1985) auf einige gemeinsam anerkannte Kern- oder Grundwerte stützen können. Für Smolicz ist ein stabiler Multikulturalismus durch ein übergreifendes Wertesystem gekennzeichnet, welches gleichzeitig ein Überschneidungssegment zweier oder mehrerer Kulturen darstellt (Auernheimer 1995, S. 79). Ohne ein „overarching framework of values“ kommt es zu einem Nebeneinander statt Miteinander der Kulturen, wobei förmliche Parallelgesellschaften entstehen können. Weiterhin sollen nach Smolicz (1985) innerhalb des Wertesystems auch „core values“ ihre eigene Kultur bewahren können und sich nicht beispielsweise der Kultur, die im jeweiligen Land am repräsentativsten ist, unterordnen. Eine gute Grundlage für die Realisierung dieser Ideale bietet eine ausreichend vorhandene interkulturelle Kompetenz eines jeden Bürgers, welche er im Laufe seiner Schullaufbahn erreichen sollte2.
2.4.1 Assimilation und Akkulturation
Um Migrationsprozesse beschreiben zu können werden häufig die Begriffe Assimilation und Akkulturation verwendet. In Anlehnung an Berry (1991) handelt es sich bei Assimilation um den Prozess der Übernahme von Wertestandards, kulturellen Normen und Verhaltensnormen der aufnehmenden Gesellschaft (Adam & Inal 2013, S. 15). Die politischen Meinungen sind hierbei zweigeteilt: Auf der einen Seite gilt Assimilation als etwas Erstrebenswertes, da sie dazu dient, dass eine Vereinheitlichung in der Gesellschaft stattfinden kann. Auf der anderen Seite wird der Prozess aufgrund des eigenen Identitätsverlustes und einer Abwertung der bisherigen Lebensgeschichte nahezu abgelehnt (ebd.). Solange sich jedoch Migranten aus ökonomisch-struktureller, sozial-kultureller und letztlich auch identitätsbezogener Sicht nicht an der bestehenden Struktur der vorhandenen Migrationsgesellschaft anpassen und nicht die in einem nationalen Kontext bezogenen bedeutsamen lingualen und sozial-kulturelle Ressourcen erwerben, können sie keinen hoch angesehen Sozialstatus erreichen (Castro Varela & Mecheril 2010, S. 48).
Die dabei entstehenden sozialen und psychischen Veränderungen, die während des Prozesses bei Immigranten und der aufnehmenden Gesellschaft entstehen, werden nach Berry (1991) als Akkulturation bezeichnet (Adam & Inal 2013, S. 16). Dabei unterscheidet er zwischen 4 verschiedenen Möglichkeiten der Akkulturation:
1. Bis zu einem gewissen Grad die Beibehaltung der eigenen kulturellen Identität innerhalb der aufnehmenden Gesellschaft, mit der die Person interagiert (Integration).
2. Geringer Kontakt zwischen der aufnehmenden Gesellschaft und dem Immigranten, der an seiner eigenen kulturellen Identität festhält (Separation).
3. Ablehnung der eigenen Kultur und Verstärkung der Beziehungen zur neuen aufnehmenden Gesellschaft (Assimilation).
4. Keinerlei Beziehungen, weder zur eigenen kulturellen Identität, noch zur aufnehmenden Gesellschaft (Marginalisation).
Folgende Abbildung (Abb. 1) stellt die 4 Möglichkeiten einer Akkulturation abschließend schematisch dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Möglichkeiten der Akkulturation in einer Gesellschaft (eigene Darstellung nach Berry, 1986, S. 28).
2.4.2 Aktuelle demographische Zahlen
Um dieses Kapitel abschließen zu können, wird an dieser Stelle der aktuelle demographische Stand der Bundesrepublik Deutschland mit Hinblick auf Migration ermittelt. Laut der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) vom 01.08.2017 erreichte die Bevölkerung mit Migrationshintergrund zum 5. Mal in Folge einen neuen Höchststand. Wie auf Basis des Mikrozensus3 mitgeteilt worden ist, hatten im Jahr 2016 rund 18,6 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund, welcher im Vergleich zum Vorjahr um 8,5 % weiter angestiegen ist (Statistisches Bundesamt, 2017, S. 1). Seit dem Beginn der Erfassung im Jahre 2005 war kein anderer Zuwachs stärker als der aktuelle, welcher vor allem auch auf die hohe Zuwanderung von Ausländern und Schutzsuchenden in den Jahren 2015 und 2016 zurückzuführen ist (ebd.). Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund setzt sich zusammen aus 58 % Ausländer und 42 % Deutsche. Die überwiegende Mehrheit der ausländischen Bevölkerung (85 %) ist zugewandert, bei den Deutschen mit Migrationshintergrund ist es etwas mehr als die Hälfte (53 %). Von den Deutschen mit Migrationshintergrund besitzen 42 % seit ihrer Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft (ebd.). Tabelle 2 (Tab. 2) gewährt einen aktuellen Einblick über den Migrationsstatus der Bevölkerung 2016:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Bevölkerung 2016 nach Migrationsstatus (Statistisches Bundesamt, 2017, S. 3).
Wie oben bereits erwähnt wurde, hängt der Zuwachs der Bevölkerung mit Migrationshintergrund auch verstärkt mit den erhöhten Asylanträgen ab dem Jahr 2015 zusammen. Folgende Abbildung (Abb. 2) zeigt die Entwicklung der Asylanträge ab dem Jahr 1995:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Entwicklung der Asylanträge seit 1995 (modifiziert nach Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2018, S. 3).
Dabei ist zu erkennen, dass sich die Anträge zwischen den Jahren 2014 und 2015 mehr als verdoppelt haben. Im Folgejahr 2016 ist eine noch höhere Zahl zu verbuchen, welche gleichzeitig auch die höchste Zahl an Anträgen seit der Aufzeichnung im Jahr 1953 darstellt (BAMF4, 2018, S. 3). Im bisherigen Berichtsjahr 2018 wurden 26.633 Erstanträge entgegengenommen, welche im Vergleich zu den Zahlen im identischen Zeitraum des Vorjahres (33.475 Erstanträge) einen Rückgang um 20,4 % aufweist (BAMF, 2018, S.4).
Die Zahlen dieser Statistiken geben deutlich zu verstehen, dass das Thema Migration in Deutschland zu hiesigem Zeitpunkt vielleicht präsenter ist als je zuvor. Aufgrund dessen gilt es im Folgenden zu klären, welche Möglichkeiten der Schule als homogen geprägte Institution der Massenerziehung zur Verfügung stehen, um dieser pädagogischen Herausforderung gerecht zu werden.
3. Migration im schulischen Kontext
Die Teilhabe an Bildung ist eine entscheidende Voraussetzung für die Kohärenz jeder modernen Gesellschaft, welche in ihrer Zusammensetzung von kultureller und sozialer Heterogenität geprägt ist. Ein gemeinsames Zusammenleben muss nach Avenarius/Ditton/Döbert (2003) bereits in den Bildungsprozessen vorbereitet werden (Krüger-Potratz, 2015, S. 93). Speziell der Schule kommt dabei seit Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts eine zentrale Rolle zu, da sie die einzige Bildungseinrichtung ist, die für alle Heranwachsenden in einem rechtlich festgelegten Zeitraum verpflichtend ist (ebd.). Die deutsche Bildungspolitik lehnt sich dabei an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948, in der es heißt:
„Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muß allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948, zit. in Krüger-Potratz, 2015, S. 97).
Dabei spielen Differenzen und Heterogenität, die durch Migration unverbindlich entstehen, für die Praxis der Schule eine bedeutsame Rolle in doppelter Hinsicht: Sie versucht allein aus technischen Gründen Heterogenität in ihren Lerngruppen zu vermeiden, obwohl sie gleichzeitig immer wieder Differenzen herstellt (Diehm & Radtke, 1999, S. 12). Zudem wird sie als Institution der organisierten Massenerziehung durch die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen ihrer Schüler irritiert. Um ihrer Aufgabe der Wissensvermittlung nachzukommen, werden innerhalb der Schule gleiche Ausgangsbedingungen durch Homogenisierung der Lerngruppen geschaffen: Schüler, die auf dem gleichen oder auf vergleichbaren Leistungsniveaus sind, werden in gemeinsamen Klassen unterrichtet, damit sie auf dem gleichen Weg, in der gleichen Zeit zum gleichen Ziel geführt werden. Voraussetzung hierbei ist eine vorangegangene Selektion nach der Grundschule sowie neue Selektionen, die das Ziel haben, die Homogenität aufrechtzuerhalten (ebd.). Man stellt fest, dass unser Bildungssystem religiöse oder sprachliche Differenzen zunächst einmal ignoriert oder als gleichgültig erachtet, bis sie als tatsächliche Lernschwierigkeiten problematisiert werden. Es ist nicht die Reaktion auf die gegebene Homogenität, sondern erst die Bearbeitung von Differenz und Heterogenität, die zu konstituierten Handlungsfeldern führt (Mecheril, 2015, S. 25). Vor allem sprachliche Differenzen werden genau dann zum Problem, wenn bewährte Unterrichtsroutinen und gewohnte Abläufe in Gefahr stehen, gestört zu werden. Diese Störungen können spätestens dann nicht mehr ignoriert werden, wenn nicht nur einzelne, sondern ganze Gruppen von Schülern im traditionellen System nicht mehr erfolgreich unterrichtet werden können (Diehm & Radtke, 1999, S. 12). Dabei ist die Schule gerade für die Entwicklung von Flüchtlingskindern essentiell, da sie neben der Eröffnung von Zukunftsperspektiven durch die Vermittlung von Werte und Normen als erstes Bindeglied zur deutschen Gesellschaft fungiert (Adam & Inal, 2013, S. 46). Zusätzlich dient sie laut dem Deutschen Jugendinstitut (2000) als Rettungslinie hin zu anderen sozialen Kontakten der Mehrheitsgesellschaft, zur Wissensaneignung und Qualifikationen und letztlich auch zur psychischen Stabilisierung. Da die Schule der Ort ist, an dem sich Migranten- und Flüchtlingskinder den Großteil ihrer Zeit aufhalten, nehmen Lehrer neben der Familie eine wichtige Position als Bezugsperson ein. Außerdem stellen diese Kinder in der Schule fest, wie wichtig es ist, die deutsche Sprache zu lernen, damit sie dem Unterricht folgen und neue Freundschaften schließen können (Adam & Inal, 2013, S. 48).
Als Reaktion auf diese migrationsgesellschaftliche Pluralität kommt die Interkulturelle Pädagogik ins Spiel, welche als Teildisziplin der Erziehungswissenschaften zu verstehen ist und im nächsten Teilkapitel näher beleuchtet wird (Leiprecht & Steinbach, 2015, S. 7).
3.1 Konzept der Interkulturellen Pädagogik
Wie bereits erwähnt, findet sich in der Vorstellung eines kulturellen, ethnischen Anderen jene Differenz, die ein Nachdenken über eine Pädagogik der Einwanderungsgesellschaft notwendig macht. Wäre Migration nicht mit der allgemeinen Differenz zwischen natio-ethno-kulturell Anderen und der speziellen Differenz zwischen Migrationsanderen und Nicht-Migrationsanderen verknüpft, so müsste man sich aus pädagogischer Sicht keine Gedanken darüber machen, dieses Thema zu spezialisieren (Mecheril, 2004, S. 80). Auf dieser Feststellung basieren die pädagogischen Ansätze der Ausländerpädagogik und der später daraus resultierenden Interkulturellen Pädagogik. Ein kleiner geschichtlicher Exkurs gewährt einen Einblick in die Systematik dieser beiden Konzepte:
[...]
1 Ab dieser Stelle wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur noch die männliche Form für Personen und Gegenstände verwendet. Mit dieser maskulinen Form sollen jedoch beide Geschlechter angesprochen sein, damit von einer Diskriminierung ausdrücklich abgesehen werden kann
2 Das Thema Interkulturelle Kompetenz wird im Kapitel 3 ausführlicher beschrieben und sollte hier nur passend zum Kontext erwähnt werden.
3 Methodischer Hinweis: Der Mikrozensus ist eine Stichprobenerhebung, bei der jährlich rund 1 % der Bevölkerung in Deutschland befragt wird. Um aus den erhobenen Daten Aussagen über die Gesamtbevölkerung ziehen zu können, müssen die Daten entsprechend hochgerechnet werden. Ab dem Berichtsjahr 2016 wurde die Stichprobe des Mikrozensus auf eine neue Grundlage umgestellt. Damit basiert die Stichprobe erstmalig auf den Daten des Zensus 2011. Durch diese Umstellung ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse des Mikrozensus 2016 mit den Vorjahren eingeschränkt (Statistisches Bundesamt, 2017, S. 2)
4 BAMF: Abkürzung für Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
- Arbeit zitieren
- Yannic Tominac (Autor:in), 2018, Migration im schulischen Kontext. Interkulturelles Erziehen und Lernen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1008376
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