Vorwort:
Dass Faust als Erzmagier und Prototyp des Teufelsbündners eine der literarisch
folgenreichsten Figuren in der deutschen und europäischen Dichtung geworden ist, daran gibt es nichts zu bezweifeln. Wie es aber um den historischen Faust bestellt ist, ist schwer zu ermitteln. Als Antwort auf Fausts unrühmliches Ende wurden zahlreiche Dokumente vernichtet, die mit ihm in Zusammenhang standen, und von seinen eigenen Schriften hat sich nichts erhalten. Biographische Fakten und Legende vermischten sich fast unentwirrbar. So lassen sich die wenigen historisch belegbaren Daten zu Fausts Leben und Tod notgedrungen nur zu einem hypothetischen Portrait dieses literarischen „Superstars“ zusammenstellen. Das folgende Referat über den historischen Faust stellt den Versuch einer Auflistung dieser Hypothesen dar.
1. Lebensdaten:
um 1480 wurde (Johann) Georg Faust vermutlich in Knittlingen im Kraichgau (Württemberg) geboren (Primär stützt sich Knittlingen auf den Kaufbrief des vermutlichen Geburtshauses Fausts, ein nur in Abschrift erhaltenes Dokument aus dem Jahre 1542. Der Brief berichtet von einem Pergamentzettel mit Beschwörungsformeln und einem im Keller eingelagerten sechseckigen „Giftschrank des Dr. Faust“ mit paracelsischen Symbolen. Die Geburt Fausts wird beiläufig und eben deshalb umso beweiskräftiger erwähnt.)
1483 Immatrikulation an der Universität in Heidelberg
1484 Bakkalaureat
1487 Promotion zum Doktor der Philosophie oder Theologie
1506 Aufenthalt in Gelnhausen
1507 Protegé des Ritters Franz von Sickingen und Schulmeister in Kreuznach
(Ein Brief des Abtes Trithemius aus dem Kloster Sponheim bei Kreuznach an Johann Vierdung in Heidelberg vom 20. August 1507 gilt als folgenreichstes Dokument für die Wertung der Person Faust. Trithemius selbst war als Schriftsteller, Historiker [Geschichtsfälscher: „Hunibald“...] und Vertreter des deutschen Humanismus bekannt, zusätzlich wurde ihm die Neigung zum Okkultismus vorgeworfen. Der Brief beschreibt Faust als Magier, Schwarzkünstler [= Nekromant] Wahrsager aus der Hand [= Chiromant], als Alchimist der Elemente Feuer [= Pyromant], Wasser [= Hydromant] und Luft [= Aeromant] mit der Wertung als Kirchenfeind.)
1513 Aufenthalt in Erfurt; unterrichtet griechische Philologie
1520 Honorar von 10 Gulden für ein Horoskop für den Bischof von Bamberg
(Aus dem Rechnungsbuch des Fürstbischofs Georg III. von Bamberg am 12. Februar
1520: Item X gulden geben und geschenckt Doctor Faustus ph[ilosoph]o zuvererung hat m[einem] g[nedigen] herren ein nativitet oder Indicium gemacht, zalt am Sontag nach stolastice. Jussit R(everendissi]mus. Hierbei wird Faust als Astrologe geschätzt und hochbelohnt.)
1528 Aufenthalt in Ingolstadt und baldige Ausweisung
1532 Aufenthalt in Nürnberg; wiederum Ausweisung und Ablehnung des beantragten Geleites aus der Stadt
1534 Stellen einer ungünstigen Prognose für Philipp von Hutten für dessen Expedition nach Südamerika um 1539 ist Faust nach einer Aussage von Philipp Bergardi nicht mehr am Leben; vermutlich starb er durch eine Explosion bei dem Versuch Gold herzustellen
(Philipp Bergardi war Arzt in Mainz und lobt im „Index sanitatis“ aus dem Jahre 1539
Fausts Tätigkeiten als Arzt: „vnd seine grosse kunst / nit alleyn der artznei / sonder auch Chiromancei / Nigramancei / Visionomei / Visiones imm Cristal / vnd dergleichen mer künst / sich höchlich berümpt.“ Fausts Tod wird wie folgt deutlich: „Aber was soll man nuon dazuthuon, hin ist hin.“)
Als Todesstätte stehen zwei Örtlichkeiten zur Auswahl:
- Das „Hotel zum Löwen“ in Staufen (Breisgau) will anhand eines zu besichtigenden Fußabdrucks des Teufels Fausts Todesort sein. Hierbei soll er von verschuldeten Herren aus Staufen als Alchimist eingeladen worden sein.
- Ebenso versucht die Maulbronner Faust-Legende Fausts Ende im Kloster des Abtes Entenfuß zu belegen. Auch hier soll Faust seinem alten Schulfreund mittels der Schwarzkunst aus finanziellen Nöten helfen. Als Beweise werden s.g. „Faustturm“, „Faustküche“ und „Faustloch“ herangezogen, wobei der „Faustturm“ bis zum Jahre 1840 noch den Namen „Lustturm“ trug. Zusätzlich „beweisen“ gleich an zwei Stellen des Klosters die „Blutflecken“ Fausts grausames Ende.
1540/56 Nachricht aus Südamerika; Fausts Prognose für Huttens Expedition erweist sich als richtig
2. Der historische Hintergrund im Leben von Faust:
In Zeiten der Renaissance (14.-16.Jhd.) wurde die Ordnung der mittelalterlichen Welt erschüttert, man bezog sich auf die Antike und suchte in alten Normen nach neuen Zielen. Der Humanismus (14.-15.Jhd.) rückte die Freiheit des Einzelnen und das diesseitige Leben in den Vordergrund, kämpfte gegen die Autorität der Kirche und unterstützte die Wissenschaften. Kopernikus und Kolumbus veröffentlichten ein neues Weltbild, Reformation und Bauernkriege machten religiöse und soziale Unruhen deutlich, und in der verstärkten Portraitmalerei (z.B. Dürer) wurde die Bedeutung des Einzelmenschen hervorgehoben. Man befand sich im Übergang zur Neuzeit.
3. Abschließende Bewertung der historischen Faustgestalt:
(Johann) Georg Faust erscheint in den Quellen als Doktor der Philosophie oder Theologie, Astrologe, Wahrsager, Magier, Alchimist, Arzt, Lehrer und sogar Totenbeschwörer. Seine gründlichen Kenntnisse der Astrologie und angrenzender Parawissenschaften wie Alchimie und Kabbalistik ließen ihn bald zum gesuchten Experten auf diesen Gebieten werden. Er suchte Verbindungen zu humanistischen Gelehrtenkreisen und hielt sich in der Umgebung bedeutender Zeitgenossen auf. Durch gute Beziehungen zu katholischen Stellen und Ablehnung in protestantischen Kreisen wurde sein Ruf zweifelhaft. So wurde er einerseits hoch bezahlt und bewundert, andererseits als Kirchenfeind und Scharlatan beschimpft. Faust als Kind seiner Zeit musste unweigerlich mit der Kirche in Konflikt kommen, da er als Philosoph und Naturwissenschaftler Gegenpoole zur Religion und Kirche vertrat. Vielfach hörte man die Aussage: „Natur ist Sünde, Geist ist Teufel!“ Viele Lutheraner nutzen seinen plötzlichen und für damalige Zeiten unerklärlichen Tod als Unterstreichung der Theorie, Faust habe mit höllischen Mächten im Bunde gestanden. Luther selbst nannte später Fausts Schicksal als warnendes Beispiel für einen unchristlichen Lebenswandel.
Quellenauszüge:
- dtv-Lexikon Band 5, F.A. Brockhaus GmbH, Mannheim und Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH&Co. KG, München, 1990
- Ulrich Struve über Günther Mahals Buch „Faust und Faust: Der Teufelsbündler in Knittlingen und Maulbronn“, Tübingen: Attempto, 1997 http://www.literaturcafe.de/bf.htm?/notizen/faust.htm
- „Faust, Johann“, Microsoft Encarta Enzyklopädie, 1993-1997
- Bertelsmann Universal Lexikon, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh 1992
- Michael Renner „Wer war Faust?“ www.hausarbeiten.de
- Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Auflage, Band 8, Bibliographisches Institut, Mannheim 1973
- http://www.zum.de/Faecher/D/Saar/gym/faust/fausbita.htm
- Deutsche Literaturgeschichte, Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1967