Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Was ist Methadon
3. Zur biochemischen Wirkungsweise von Opiaten
4. Geschichte des Methadons und seines Einsatzes als Substitutionsmittel
4.1. Die pharmakologische Entwicklung von Methadon
4.2. Erste Behandlungen von Opiatabhängigen mit Methadon
4.2.1. Behandlungsarten mit Methadon
5. Zur Methadondiskussion in der BRD
5.1. Der Hannoversche Modellversuch
5.1.1. Ziele und Durchführung des ATM
5.1.2. Resultate und Folgen des ATM
5.2. Zur Methadondiskussion in der BRD in den 70er und 80er Jahren
5.2.1. Der gesetzliche Rahmen zur Durchführung von Substitutionsprogrammen in der BRD (Stand: Mitte der 80er Jahre)
5.3. Der Nordrhein-Westfälische Modellversuch
5.3.1. Die Methadonverordnung bei schwer erkrankten insbesondere AIDS-kranken Opiatabhängigen
5.3.2. Das wissenschaftliche Erprobungsvorhaben zur medikamentengestützter Rehabilitation intravenös Drogenabhängiger
5.3.2.1. Die Ziele und Rahmenbedingungen für das wissenschaftliche Erprobungsvorhaben zur medikamentengestützten Rehabilitation intravenös Drogenabhängiger
5.3.2.2 Die wissenschaftliche Begleitung des Erprobungsvorhabens
5.3.2.3. Die psychosoziale Betreuung des Erprobungsvorhabens
5.3.2.4. Die Ergebnisse des nordrhein-westfälischen Erprobungsvorhabens
5.4. Das Hamburgische Einzefallkonzept
5.4.1. Die Ziele und Rahmenbedingungen des Hamburger Einzelfallkonzeptes
5.4.2. Die Durchführung des Hamburger Einzelfallkonzeptes
5.4.3. Die bisherigen Erfahrungen des Hamburger Einzelfallkonzeptes
5.5. Der augenblickliche Stand der Substitutionsdiskussion in der BRD
5.5.1. Die NUB-Richtlinien
5.5.2. Die heutige Substitutionspraxis mit Polamidon in der BRD
5.5.3. Die heutige psychosoziale Betreuung der Substituierten in der BRD
6. Ausblick
Literaturverzeichnis
Erklärung
Man kann es nicht oft genug wiederholen: Von der Therapieseite ist nichts zu erwarten, was auf eine L ö sung des Drogenproblems hinausliefe, und niemand, kein Staat, kein Gott, kein ärztliches Wesen, sollte die Therapie mit solchen Erwartungen belasten.
aus: Günter Amendt: Die Droge, der Staat, der Tod
1. Einleitung
Die deutsche Drogenpolitik setzte schon seit Beginn des sogenannten Drogenproblems auf Repressionen in Folge der „Utopie einer möglichen drogenfreien Gesellschaft“ (SCHWENDTER 1992, S. 205).
Dieser Ansatz erklärt auch, daß in der Behandlung von Heroin- bzw. intravenös-Drogenabhängigen in Deutschland hauptsächlich Langzeittherapien angeboten werden, die bei den zu Therapierenden ausschließlich auf Abstinenz abzielen. Zugleich wird das therapeutische Ziel der Abstinenz schon paradoxerweise vorausgesetzt. Der Leidensdruck der Betroffenen wird zum „zentralen therapeutischen Druckpunkt“ (ebd., S. 205).
Eine therapeutische Opposition, die eine akzeptierende Position vertritt, stellt dieses „Abstinenzparadigma“ in Frage. Sie fordert dagegen eine Wende in der Drogenpolitik, die die Linderung des Leids der Betroffenen in den Vordergrund stellt, auch wenn die Drogenfreiheit (zunächst) nicht erreicht werden kann. Hierzu zählen vorallem niedrigschwellige Angebote von Kontaktläden bis zur Substitution.
Unter Substitution versteht man in diesem Zusammenhang den Ersatz einer Suchtdroge, bzw. eines Opiats wie Heroin1, durch eine verwandte, möglichst weniger schädliche bzw. besser kontrollierbare Substanz.
Zur Substitution des halbsynthetischen Opiats Heroin kommen verschiedene Möglichkeiten in Frage. Es kann durch natürliche Opiate wie Codein oder Morphium ersetzt werden oder durch ein synthetisches wie Methadon. Auch die kontrollierte Originalstoffabgabe kann zur Substitution gezählt werden, da reines Heroin anstelle von gestrecktem und verschmutzten Straßenheroin mit schwankendem Wirkstoffgehalt abgegeben wird.
Alle der oben erwähnten Substitutionsverfahren wurden oder werden irgendwo angewandt. Bei meiner Arbeit werde ich allerdings mein Hauptinteresse auf die Dokumentation der Substitution mit Methadon in der Bundesrepublik Deutschland lenken.
An dem Thema Methadonvergabe finde ich besonders interessant, daß hier trotz des Hintergrundes des Abstinenzparadigmas versucht wird, eine Ersatz droge an Süchtige abzugeben. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage der Politiker, Ärzteschaft, Drogenberater und -helfer ist die Möglichkeit der Methadonvergabe begrenzt, bzw. steht in einem konfliktträchtigen Spannungsfeld. Ich werde versuchen, meine Position hierbei herauszuarbeiten. Zu Beginn der Arbeit war ich ambivalent bezüglich des für und wider.
Nach einer kurzen Erläuterung des Mittels Methadon und dessen Anwendung gehe ich auf die biochemische Wirkungsweise von Opiaten ein. Ich werde mit einem Einblick in die Geschichte des Methadons und der ersten internationalen Substitutionsprogramme fortfahren. Dann werde ich auf die Diskussion der Methadonvergabe in der BRD zu sprechen kommen. In diesem Zusammenhang sind die wichtigen verschiedenen Modellversuche zu nennen: Das Hannoversche Modell, das Nordrhein-Westfählische Erprobungsvorhaben und das Hamburger Einzelfallkonzept. Diese Modelle werde ich in jeweils eigenen Abschnitten vorstellen und deren Ergebnisse darstellen. Im Anschluß werde ich die Auswirkungen der Methadon-Diskussion in der BRD wieder aufgreifen und über die neuesten Strömungen berichten. Den Abschluß wird ein Ausblick bilden.
2. Was ist Methadon?
Methadon ist ein vollsynthetisches Opiat mit der chemischen Bezeichnung Diphenyl-6-dimethylamino-3-heptanon. Opiate sind Substanzen, die in ihrer Wirkung dem Hauptalkaloid des Opium, dem Morphin, dessen stärkstem Bestandteil, ähnlich sind und außerdem alle suchtbildend sind. Alle Opiate haben die gleichen chemischen Strukturmerkmale und unterscheiden sich nur in ihren Eigenschaften wie Wirkungsdauer, Verweildauer im Körper und Verfügbarkeit bei der oralen Aufnahme. In bezug auf die Potenz entspricht 1 mg Methadon 2 mg Heroin, 4 mg Morphin oder 30 mg Codein. Da alle Opiate im Prinzip gleichartig wirken, besitzen sie Kreuztoleranz. Das heißt, sie sind gegeneinander austauschbar. Diesen Tatbestand macht man sich zunutze, wenn man Heroin gegen Methadon austauscht, das wesentlich länger im Körper verweilt (ca. 24-36 Stunden). Weitere Vorteile, die Methadon zu einem geeigneten Ersatzmittel zur Behandlung der Opiatabhängigkeit macht, sind dessen gute Absorption und die Blockade der Heroinwirkung sowie das Ausbleiben euphorischer Gefühle bei oraler Einnahme. Die langfristige Abgabe einer legalen Droge fördert außerdem die körperliche und soziale Stabilisierung. Der Nachteil ist, daß auch Methadon suchtbildend ist, diverse Nebenwirkungen hat, bei intravenöser Verabreichung auch euphorisierend wirkt und bei gleichzeitiger Einnahme von anderen Drogen zum Teil zu lebensgefährlichen Vergiftungen führen kann (vgl. V.BÜLOW et al. 1991, S. 39).
In Deutschland ist L-Polamidon (siehe auch Kapitel 3.1.) im Handel, welches ca. doppelt so stark wirkt wie Methadon (vgl. ebd., S. 29 ff.).
3. Zur biochemischen Wirkungsweise von Opiaten
Die Wirkungsweise von Opiaten im menschlichen Körper ist erst seit kurzem, seit ca. Mitte der siebziger Jahre bekannt. In folgendem Abschnitt schildere ich stark vereinfacht die wichtigsten Fakten.
Im Gegensatz zu anderen Analgetika (Schmerzmittel) lindern Opiate nicht die Schmerzen, indem sie die Zellmembran direkt beeinflussen, sondern sie entfalten ihren Effekt schon in winzigen Mengen über das Andocken an speziellen Rezeptoren, an die sie wie der Schlüssel zum Türschloß passen. Diese Rezeptoren finden sich überwiegend im „Limbischen System“ des Gehirns, welches auch „Belohnungsystem genannt wird, weil es eine wichtige Rolle für den Gefühlshaushalt des Menschen spielt und im Rückenmark welches für die Schmerzwahrnehmung und -weiterleitung zuständig ist.
In Streß-, Gefahr- oder anderen Extremsituationen produziert der Mensch körpereigene Opiate, Neurotransmitter wie Enkephaline und Endorphine ( von: endogene, d.h. innere Morphine), die diese Rezeptoren besetzen und so die Weiterleitung von Schmerzimpulsen über die Nerven blockieren. Der Schmerz ist zwar da, aber man spürt ihn nicht, weil die Opiate, körpereigene wie externe, verhindern, daß sich das Gehirn über ihn informieren kann.
Die Opiate boykottieren den Ausstoß von Übertragersubstanzen wie Noradrenalin und Dopamin, die den Körper wach und aufmerksam machen. Werden dem Körper über längere Zeit kontinuierlich Opiate zugeführt, das die Übertragersubstanzen stoppt, nehmen die Zellen gegen den Widerstand der Opiate die Produktion und Synthese der Übertragerstoffe wieder auf. Um die blockierende Wirkung weiterzuerzielen muß jetzt die Opiatdosis erhöht werden. Diesen Effekt nennt man „Toleranz“.
Wird die Opiat-Zufuhr plötzlich eingestellt, bricht ein inneres Chaos aus. Es kommt zum „Noradrenalinsturm“, was bedeutet, daß der Körper sich durch die vorherige ständige Opiatzufuhr nicht sofort auf das Normalniveau umstellen kann. Es werden zuviel der zuvor gehemmten Stoffe produziert, das Nervensystem reagiert übersteigert und hyperaktiv. Diese Phase ist der bei Opiatabhängigen gefürchtete Entzug.
Opiate wirken sehr komplex auf Körper und Geist. Die natürliche Wirkung des Endorphins ist dazu da, in Extremsituationen den Menschen durch Schmerz- und Angstfreiheit überlebensfähig zu halten. Extern zugeführte Opiate suggerieren dem Körper, daß diese Situation permanent besteht. Da alle wichtigen menschlichen Regungen vom emotionalen Gleichgewicht bis zum Schlaf- und Wachzustand beteiligt sind, läßt sich erahnen wie tiefgreifend die Opiatsucht verläuft und wie schwer es ist davon loszukommen.
Außerdem ist zu bedenken, daß bei einem zuvor Opiatabhängigen die Endorphin-Produktion zurückgebildet ist, wodurch er für längere Zeit keine stärkeren Lustgefühle mehr empfinden kann. (vgl. SCHRÖDER 1993, S. 52- 63).
4. Geschichte des Methadons und seines Einsatzes als Substitutionsmittel
Im folgenden wird zunächst die Entdeckung und Entwicklung der Substanz „Methadon“ dargestellt. In einem weiteren Abschnitt beschreibe ich kurz die erste Behandlung, die mit Methadon an Opiatabhängigen vorgenommen wurde.
4.1. Die pharmakologische Entwicklung von Methadon
Bereits in den frühen 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts forschten die Farbwerke Hoechst (den IG Farben zugehörig) unter anderem auf dem Sektor synthetischer Analgetika. Im Jahre 1937 wurde als erstes synthetisches Opioid Dolantin entwickelt. Ein paar Jahre später wurde ein in bezug auf seine analgetische Wirkung weit überlegenes Mittel entwickelt. Nach Beendigung der pharmakologischen Prüfungsphase im Jahre 1942 wurde dieses Mittel als „Amidon Hoechst 10820“ der klinischen Erprobung unterzogen. Gegenüber dem Opiat Morphium hatte es den Vorteil oraler Applikationsmöglichkeiten in Form von Tabletten oder Tropfen. Noch zu Kriegszeiten bekam es den Handelsname Dolophin, wurde aber trotz Morphinverknappung weder auf den Arzneimarkt gebracht, noch in den Lazaretten zur Schmerzbekämpfung eingesetzt (vgl. GERLACH/SCHNEIDER 1994, S. 9 f.).
Nach dem Krieg gelangten die Patente des Mittels als ein Teil der Kriegsbeute in die USA. Dort erhielt es 1947 den internationalen Freinamen Methadon.
Bis Ende der 50er Jahre existierte nur eine Methadonform, das racemische Gemisch d,l-Methadon (links und rechts drehend). Dann gelang es Hoechst- Wissenschaftlern das pharmakologisch aktive linksdrehende (l-Methadon, auch Levomethadon genannt) vom inaktiven rechtsdrehenden (d-Methadon) zu trennen und so das gegenüber dem üblichen (d,l-) Methadon in seiner Wirkung etwa doppelt so starke Präparat L-Polamidon zu entwickeln. Die Firma Hoechst besitzt hierfür das Monopol in Deutschland (vgl. ebd., S. 11). Wenn im folgenden von sogenannten „Methadonprogrammen“ in der BRD die Rede ist, findet die Behandlung selbstverständlich mit L-Polamidon statt.
Inzwischen soll sogar eine langfristiger wirksame methadonartige Droge mit dem Namen Acethylmethadol entwickelt worden sein, die zwei bis drei Tage wirksam sei (vgl. VÖLGER/V.WELCK 1982, S. 1425).
4.2. Erste Behandlungen von Opiatabhängigen mit Methadon
1948 führten Isbell u.a. in den USA die erste Untersuchung über die Wirksamkeit Methadons für den menschlichen Organismus an 15 zuvor morphinabhängigen Häftlingen durch. Sie sahen in Methadon jedoch kein Mittel zur Behandlung Morphinabhängiger, sondern betonten vor allem die Gefahren des Methadons als süchtig machende Droge (vgl. HEIDHAUS in V. BÜLOW et al. 1991, S.44)
Erste Untersuchungen zur therapeutischen Wirksamkeit und Verwendbarkeit von Methadon wurden in Deutschland im Jahre 1948 von Becker und Wulff eingeleitet und die Ergebnisse 1949 erstmals veröffentlicht2 (vgl. GERLACH/SCHNEIDER a.a.O:, S. 28). Das Abhängigkeitspotential wurde hier, im Gegensatz zu ausländischen Forschungserkenntnissen, zunächst als sehr gering eingestuft, ein Jahr später jedoch ernster genommen.
Zu diesem Zeitpunkt wurde das links drehende Levomethadon (L-Polamidon) auch bereits als mögliches Substitutionsmittel beim Morphinentzug erprobt. In der Nervenklinik der Universität München wurden bei 13 Patienten mit L- Polamidon gestützte Detoxifikationsbehandlungen durchgeführt. Dort gelang man „zu der Erkenntnis, daß es sich als Substitutionsmittel zur Beseitigung oder Dämpfung von Abstinenzerscheinungen bei Morphinabhängigen zufriedenstellend bewährte“ (ebd., S. 29).
Am New Yorker Rockefeller University Hospital begannen im November 1963 Dr. Vincent Dole und Dr. Marie Nyswander ein Methadonerhaltungsprojekt, das bis 1968 annähernd 900 langjährige Heroinabhängige durchliefen. Ziel war deren soziale Reintegrierung. Die Ergebnisse bescheinigten zunächst einen großen Erfolg:
„59% der Patienten waren wieder berufstätig3.
29% führten ein „sozial akzeptiertes“ Leben.
12% scheiterten im Programm.“
(HEIDHAUS in: V.BÜLOW et al. a.a.O., S. 45)
Der Erfolg war auch finanziell zu messen: So kostete die Methadonbehandlung den Staat 2500$ pro Jahr (nach AMENDT/STIEHLER 1972, S.57 gar nur 1500$ pro Jahr) gegenüber 35.000-50.000$ Schaden, die ein Heroinsüchtiger angeblich jährlich die Gesellschaft kostete (vgl. TRUSSEL 1970, zit. n HEIDHAUS in: V.BÜLOW et al., a.a.O., S.45). 1970-73 war die Zahl der Behandelten auf 35.000 angestiegen, ein Viertel der Opiatabhängigen New Yorks wurde zu diesem Zeitpunkt behandelt. Es gab jedoch inzwischen mehr, die auf den Straßen illegal Methadon nahmen, als in der Klinik behandelt wurden. Das Projekt war damit im Sinne der einstigen Ziele ein Fehlschlag (vgl. MARX 1991, S. 26 f und S. 253 ff.).
4.2.1. Behandlungsarten mit Methadon
Im Prinzip werden drei Arten von Substitutionsprogrammen entsprechend den amerikanischen Vorbildern unterschieden (vgl. HELLEBRAND 1989, S. 5 f.):
a) Kurzfristige Entgiftungsprogramme mit ständiger Reduzierung des Methadon bis auf Null zwecks milder Opiatentwöhnung (Methadone- detoxification-program)4.
b) Längerfristige Methadonbehandlung mit dem Ziel der Abstinenz nach Erreichen der gesundheitlichen Stabilisierung, sozialen Reintegration und beruflichen Rehabilitation (maintenance to abstinence programs).
c) Langfristige Suchterhaltungsprogramme mit der Umstellung der Abhängigen von Heroin auf Methadon (methadone-maintenance-program). Das Methadon wird in allen Programmen gleichermaßen den Substituierten einmal täglich oral in einem Getränk wie Fruchtsaft verabreicht. Die Teilnahme an den Programmen ist grundsätzlich freiwillig.
Die weltweit am häufigsten angewandten Programmarten sind die zeitlich unbefristeten Erhaltungsprogramme (vgl. GERLACH/SCHNEIDER a.a.O., S. 18).
5. Zur Methadondiskussion in der BRD
In Deutschland gibt es bis heute keine breitangelegten Substitutionsprogramme für die Behandlung Heroinabhängiger wie z.B. in den USA oder Holland5. Grund hierfür ist eine besonders strikte Haltung der Deutschen gegenüber Drogensucht, die schon früh beschlossen und über die Jahrzehnte gefestigt wurde.
Schon 1928 legte die organisierte deutsche Ärzteschaft auf dem 47. Deutschen Ärztetag in Dresden6 die wesentlichen Grundsätze zur Behandlung von Drogensucht fest, die danach von den Gremien der deutschen Ärzteschaft immer wieder bekräftigt wurden und bis in die jüngste Vergangenheit im Kern unverändert gültig blieben: Das Ziel der Behandlung von Drogensüchtigen solle deren völlige Drogenabstinenz sein, Methode der Wahl bei der Behandlung solle stets die stationäre Langzeitbehandlung in geschlossenen Einrichtungen sein7 (vgl. BSCHOR 1984, S. 173. Zit. nach BOSSONG/STÖVER 1992, S. 17).
1955 wurde dies vom Präsidium der deutschen Ärzteschaft bestätigt und Opiatabhängigkeit als „schwere physische und psychische, durch Persönlichkeitsstörungen verursachte Krankheit definiert“ (GERLACH/SCHNEIDER a.a.O., S. 36). Substitution mit Morphin oder Polamidon als „Aufrechterhaltung der Abhängigkeit durch Ärzte(,) stehe dem medizinisch-ethischen Grundsatz der Heilung diametral entgegen“ (ebd., S. 36) und wurde daher als Verstoß gegen die ärztliche Berufspflicht gewertet.
Auf Ärztegremien wurde bis in die 80er Jahre immer wieder im Grundtenor bestätigt, daß Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen abzulehnen sei, jedoch wurde im Juni 1974 in einem „blauen Papier“ des 77. Deutschen Ärztetag neben den üblichen Vorbehalten auch geäußert, daß „Erhaltungsprogramme mit Methadon nur unter ganz bestimmten Vorbehalten zu erwägen“ (BOSSONG/STÖVER a.a.O., S. 18) seien.
Anfang der 70er Jahre wurden in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich verschiedene Versuche planvoller Substitutionsbehandlungen von Opiatabhängigen (nach GERLACH und SCHNEIDER 1994: Göttingen, Bremer Vorort Suhl, Hannover und Freiburg) durchgeführt, die alle als Mißerfolge bewertet wurden. Den wichtigsten -weil er auf exemplarische Weise die oben genannte Haltung der deutschen Ärzteschaft widerspiegelt- den Hannoverschen Modellversuch, werde ich im folgenden Abschnitt beschreiben.
5.1. Der Hannovers che Modellversuch
Von Oktober 1971 bis Dezember 1975 führte die Jugend- und Drogenberatungsstelle Hannover ein behördlich genehmigtes aber rigide strukturiertes Ambulantes Therapieprogramm unter Verwendung von Methadon durch, kurz ATM genannt. Es handelte sich um ein maintenance to abstinence -Programm mit L-Polamidon für 20 im Durchschnitt unter 22 Jahre alte Teilnehmer, die entweder über noch intakte Sozialstrukturen (feste Partnerschaft, Ausbildung etc.) verfügten, welche mit der Drogenfreiheit erhalten werden sollten. Oder um Drogenabhängige, die eine längere Heimsozialisation bzw. Haftzeit hinter sich hatten und massive Ängste vor dem Zusammenleben mit anderen vorwiesen (vgl. V. BÜLOW et al. a.a.O., S. 76). Diese waren im Durchschnitt drei Jahre abhängig, hatten im Schnitt 1,4 Behandlungsversuche hinter sich und galten als nicht motivierbar für eine drogenfreie Therapie. Es wurde von ihnen jedoch „eine eindeutige Motivation zur Drogenfreiheit vorausgesetzt“ (ebd., S. 76). Außerdem sollten sie nachgewiesenerweise monotoxikoman (heroinabhängig) sein und über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen vor Beginn des Programms täglich bei der DROBS erscheinen (vgl. GERLACH/SCHNEIDER a.a.O., S. 31).
5.1.1. Ziele und Durchführung des ATM
Primäres Programmziel war das Erreichen völliger Opiatabstinenz. Die Substitution diente vor allem als Grundlage zur Ermöglichung einer Sozio- und Psychotherapie, der Aufarbeitung der angeblich der Abhängigkeit zugrunde liegenden Gründe (vgl. ebd., S. 30f.).
Im Verlauf des Programmes sollten folgende Ziele erreicht werden:
1. Lösung aus dem Drogenmilieu
2. Abbau von Kriminalität
3. Erlernen von sozialem Verhalten
4. Reintegration in das Arbeits- und Berufsleben (Ausbildung, Schulabschlüsse)
5. Erlernen von Kontaktfähigkeit, Durchsetzungs- und Leistungsvermögen
6. Erhöhung der Frustrationstoleranz, realistische Einschätzung eigener Möglichkeiten und Grenzen
7. Völlige Opiatfreiheit nach Erreichen der Punkte 1-6 (KRACH/PESCHKE 1987 S. 1 f. Zit. n V.BÜLOW et al., a.a.O., S. 76)
Das Programm wurde in drei Phasen untergliedert:
1. Einstellung auf die individuell notwendige Erhaltungsdosis durch langsam steigende Methadondosen in 4-6 Wochen (25-65 mg L-Polamidon)
2. Beginn der Psycho- und Soziotherapie nach gelungener Einstellung der Erhaltungsdosis. Obligatorische Teilnahme an zweimal wöchentlich stattfindenden Einzel-, Paar- und Gruppentherapien.
3. Nach ca. 20 Monaten sollten die Teilnehmer ausreichend psychisch und sozial stabilisiert sein, um mit der Methadon-Detoxifikation zu beginnen (Reduktion um täglich höchstens 5 mg L-Polamidon)
(vgl. V.BÜLOW et al., a.a.O., S. 77).
5.1.2. Resultate und Folgen des ATM
Der Modellversuch wurde nach 20 Monaten abgebrochen. Die 11 von 20 verbliebenen Teilnehmern (9 schieden zuvor aus verschiedenen Gründen aus) hatten nach Ansicht der Mitarbeiter die o.g. therapeutischen Zielpunkte 5 und 6 nicht ausreichend erfüllt.
In sozialer und beruflicher Hinsicht (o.g. Zielpunkte 1.-4.) wurde dem Programm zwar „eine Erfolgsquote von nahezu 100%“ (BOSSONG/STÖVER 1992, S. 19) bescheinigt, aber die psychotherapeutische Aufarbeitung der Suchtgründe sei laut Mitarbeiter mit den Teilnehmern nicht möglich gewesen. Sie hatten den Eindruck gewonnen, daß sich durch das Substitutionsprogramm eine bei den Teilnehmern vorhandene Versorgungshaltung verstärkt habe (vgl. V.BÜLOW et al., a.a.O., S. 77).
Das „Scheitern“ des Hannoverschen Modellversuchs diente den Substitionsgegnern jahrelang als Kronzeuge für die Ineffektivität der Methadonprogramme und als Beweis dafür, daß diese keine Alternative zu stationären Abstinenztherapien bieten (GERLACH/SCHNEIDER, a.a.O., S. 33).
Ungefähr 10 Jahre nach Veröffentlichung der Ergbnisse des ATM führten zwei ehemalige Mitarbeiter (KRACH UND PESCHKE 1987) eine Nachuntersuchung bei den 11 ehemaligen Teilnehmern durch und revidierten ihre vorherige negative Beurteilung8.
Für die vorzeitige Beendigung bzw. das Scheitern des Versuchs machten sie jetzt nicht mehr so sehr die Teilnehmer, sondern vielmehr äußere Umstände wie den „massiven Druck der niedersächsischen Ärztekammer“ und eine „chaotische Betreuungssituation“ (GERLACH/SCHNEIDER, a.a.O., S. 32) verantwortlich. Die Personalsituation sei problematisch gewesen, da eine hohe Fluktuation bei den Mitarbeitern (17 in 20 Monaten) geherrscht habe und so die „Methadonvergabe das einzige Kontinuum“ (V.BÜLOW et al., a.a.O., S. 77) für die Versuchspersonen gewesen sei. Außerdem sei die Psychotherapie zu restriktiv gewesen, da für sie wichtige Themen wie Wirkung und Schwierigkeiten mit Methadon nicht behandelt oder sogar tabuisiert wurden. Das für eine Therapie so wichtige Vertrauensverhältnis konnte nicht entwickelt werden. Die ausschließliche Konzentration auf Probleme, die zur Abhängigkeit geführt haben sollen, wurde von den Teilnehmern als Zwang empfunden und dem entsprechend wurde von ihnen mit Ausweichen und Trotz reagiert9 (vgl. ebd., S. 79).
Im Gegensatz zur ersten Untersuchung des ATM maßen Krach und Peschke inzwischen der sozialen und gesundheitlichen Stabilisierung der Teilnehmer während des Programmes eine entscheidende Bedeutung zu.
Sie stellten in der Nachuntersuchung fest, daß die mittlerweile 32 bis 36 Jahre alten ehemaligen Versuchspersonen inzwischen alle mehrjährig opiatfrei waren und ein beruflich und sozial integriertes Leben führen. Auch wenn verschiedene andere Umstände und Faktoren wie das Herausreifen (maturing-out-Prozesse) für diesen Erfolg verantwortlich sein mochten wurde von den Ex-Teilnehmern einhellig das ATM „als subjektiv bedeutsam für ihren weiteren Lebensweg“ (GERLACH/SCHNEIDER, a.a.O., S. 33) beurteilt.
Bemerkenswert finde ich hierbei, daß es möglich war, die objektiv positiven Ergebnisse des ATM jahrelang umgedreht als Beweis für ein Scheitern von Methadonprogrammen auszulegen. Eine über 50%ige Erfolgsquote (11 von 20 Teilnehmern) in Bezug auf gesundheitliche Stabilisierung und soziale Reintegration kann eigentlich nur als Erfolg gewertet werden. Ein starres Festhalten an den hochgesteckten Zielen der Therapie als Aufarbeitung der Suchtgründe und der Opiatfreiheit als einzigem Erfolgskriterium dokumentiert eher die Realitätsferne der Durchführer des Versuchs.
Zu vermuten ist, daß zu dieser Zeit ein Scheitern von Methadonprogrammen drogenpolitisch und therapeutisch gewünscht war.
5.2. Zur Methadondiskussion in der BRD in den 70er und 80er Jahren
Nach dem „Scheitern“ des ATM wurde neben den Ärztekammern auch seitens der Politiker, Drogentherapeuten und in der Drogenforschung tätigen Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen überwiegend am Abstinenzparadigma festgehalten und so blieben die offiziellen Substitutionsprogramme mit Methadon (L-Polamidon) bis Mitte der 80er Jahre aus den Suchtbehandlungen ausgegrenzt. Erst die Ausbreitung von AIDS hat neben der steigenden Begleitkriminalität die Diskussion zugunsten von Methadonprogrammen beeinflußt (vgl. BOSSONG/STÖVER a.a.O., S. 20) Die „heimliche“ Substitution mit L-Polamidon oder Codein (Remedacen) war ein gutes Jahrzehnt lang den niedergelassenen Ärzten überlassen10, allerdings auf deren eigenes Risiko. So kam es auch zu dem Fall des Arztes Hannes Kapuste, der 1979 nach dem Tode eines Substituierten zu 5 Jahren Berufsverbot verurteilt wurde (vgl. SCHWENDTER a.a.O., S. 210 oder auch SCHMIDTBAUER/VOM SCHEIDT 1994, S. 344).
Die Dunkelziffer der Substitution im unkontrollierten Bereich ist vermutlich hoch.
Zwischen den Befürwortern und Gegnern der Substitution fand (und findet auch noch) eine Art Glaubenskrieg statt. Die Hauptargumente der Befürworter sind: a. Substitution diene der Reduzierung der Kriminalität und Prostitution, b. der Stabilisierung und beruflichen Rehabilitation der Substituierten, c. Verminderung der AIDS-Gefahr und d. die Veränderung der Lebenssituation (viel Zeit).
Die Gegner vor allen aus den Reihen der Suchttherapeuten und Drogenberater behaupten, a. die Substitution verstärke die Suchtstruktur, b. erweitere den illegalen Drogenmarkt und c. habe negative Auswirkungen auf Abstinenzprogramme11 (vgl. SCHWENDTER a.a.O., S. 212)
In diesem Sinne war es ein besonders „heißes Eisen“, was der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) des Landes Nordrhein-Westfalen Hermann Heinemann anpackte, als er 1986 die Einführung eines Methadonprogramms in seinem Bundesland erwog und 1987 dann verabschiedete.
Zu vermuten ist, daß AIDS und die Infizierung einer breiteren Bevölkerung durch drogenbedingte Prostitution ein Umdenken bezüglich dem Abstinenzparadigma unterstützt hat.
Bevor ich das Nordrhein-Westfälischen Erprobungsvorhaben darstelle, werde ich die rechtlichen Vorschriften, die den Substitutionsprogrammen zugrundeliegen, erörtern.
5.2.1. Der gesetzliche Rahmen zur Durchführung von Substitutionsprogrammen in der BRD (Stand: Mitte der 80er Jahre)
Die rechtlichen Grundlagen zur Verschreibung von Ersatzdrogen liefern die §§ 1, 5, 13 und 29 des „Gesetzes zur Neuordnung des Betäubungsrechts“ vom 28.7.1981 (BtmG) und die Detailfragen die Bestimmungen der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtmVV) vom 16.12.198112.
In § 1 Abs. 1 werden die Betäubungsmittel im Sinne des Gesetzes in den Anlagen I bis III auffgeführt. Anlage I betrifft die nicht verkehrsfähigen Betäubungsmittel wie Haschisch, LSD und Heroin; Anlage II betrifft verschreibungsfähige, aber nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel zu denen racemisches Methadon13 zählt und Anlage III betrifft verkehrs- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel worunter Morphium und Levomethadon (L-Polamidon) fallen.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 6 BtmG ist der Zweck des Gesetzes, „die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, daneben aber den Mißbrauch von Betäubungsmitteln oder die mißbräuchliche Herstellung ausgenommener Zubereitungen sowie das Entstehen oder Erhalten einer Betäubungsmittelabhängigkeit soweit wie möglich auszuschließen...“
Betäubungsmittel (wie z.B. L-Polamidon) dürfen nach § 13 Abs.1 BtmG nur „verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Behandlung14 verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden, wenn ihre Anwendung an oder im menschlichen Körper begründet ist. Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.“
In § 29 Abs. 1 Satz 6 BtmG befindet sich die Strafvorschrift für ärztlich unbegründete Betäubungsmittel bzw.Polamidonverschreibungen:“Mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer (...) entgegen § 13 Abs. 1 Betäubugsmittel a) verschreibt, b) verabreicht oder zum unmittelbaren Gebrauch überläßt“.
Die Möglichkeiten für eine Polamidonvergabe an Opiatabhängige sind damit sehr eng gesteckt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Grundsatzfrage, ob die Heilung eines Opiatabhängigen durch die Behandlung mit einem Suchtmittel wie L-Polamidon überhaupt in Betracht kommt, in seiner Entscheidung vom 12.9.1979 ausdrücklich offengelassen (vgl. HELLEBRAND a.a.O., S. 28 f.). Die Frage, ob der Einsatz von L-Polamidon nach §13 BtmG begründet ist bzw. ob der „beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann“ (z.B. durch abstinenzorientierte Langzeittherapien), wird von Befürwortern und Gegnern im betäubungsmittelrechtlichen wie im nichtjuristischen Schrifttum verschieden interpretiert, wodurch bei den Ersatzmittel verschreibenden Ärzten eine weit verbreitete Rechtsunsicherheit besteht. Diese haben die Möglichkeiten einer Substitution unter Berücksichtigung der medizinischen Standardwerke, ggf. unter Konsultierung der zuständigen Ärztekammern oder des Bundesgesundheitsamtes im Einzelfall zu klären. Polamidonbehandlungen können unter den eng gefaßten Bedingungen des Bundesgesundheitsamtes und der Bundesärztekammer15 in der BRD rechtlich zulässig sein, wenn eine medizinische Indikation vorliegt16 ; zeitlich unbegrenzte Methadonerhaltungsprogramme sind in der BRD nach geltendem Betäubungsmittelrecht allerdings zur Zeit nicht zulässig (vgl. V.BÜLOW et al., a.a.O., S. 90-95).
Die Substitution mit Codein wie Remedacen ist rechtlich im Vergleich weitaus unkomplizierter, da Codein nicht dem BtmG unterfällt17. Daher gibt es hier nicht den Tatbestand des „ärztlich unbegründeten Verschreibens“ sondern höchstens den allgemeinen Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 StGB) wegen möglicher Aufrechterhaltung einer Sucht, welche als Gesundheitsschädigung gewertet wird, nach dem die behandelnden Ärzte belangt werden können (vgl. EWIG 1993, S. 103).
5.3. Der Nordrhein-Westfälische Modellversuch
Genaugenommen handelte es sich um zwei von einander getrennte nordrheinwestfälische Modellversuche (vgl. HELLEBRAND a.a.O., S. 7-25):
5.3.1. Die Polamidon-Verordnung bei schwer erkrankten, insbesondere AIDS-kranken Opiatabhängigen
18 Diese Behandlung war eine rein medizinische bzw. AIDS-Maßnahme. Im Gegensatz zum Modellversuch einer polamidongestützten Rehabilitation Drogenabhängiger war hier eine psychosoziale Begleittherapie nicht vorgesehen.
5.3.2. Das wissenschaftliche Erprobungsvorhaben zur medikamentengestützten Rehabilitation intravenös Drogenabhängiger
Bei dem eigentlichen Modellversuch19 handelte es sich um ein maintenance to abstinence - Programm, genauer gesagt um zunächst eine Erhaltenstherapie und später eine Detoxifikationstherapie. Sie war im Gegensatz zur vorhergenannten Polamidonverordnung eine Form der Drogenhilfe, um die der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister die bisherige Angebotspalette erweitern wollte. Ihn haben folgende Gründe dazu bewogen:
- Vom bisherigen Drogenhilfesystem werden zu wenige Drogenabhängige erreicht. Gerade die älteren, über zehn Jahre Opiatabhängigen benötigen ein neues Hilfsangebot in Form eines medikamentengestützten Rehabilitationsprogramms.
- Die Ausbreitung von HIV-Infektionen ist unter intravenös Opiatabhängigen besonders groß. Die gesundheitliche Bedrohung dieser (Spritzentausch) und die von ihnen ausgehende Gefahr für die Allgemeinbevölkerung (Beschaffungsprostitution) sind Grund für gesundheitspolitische Maßnahmen.
- Durch die Zunahme langfristig Drogenabhängiger, der schlechten Arbeitsmarktsituation und der unbefriedigenden Therapiequote ist die Beschaffungskriminalität (PKW-Aufbrüche, Ladendiebstähle usw.) ständig gestiegen, der volkswirtschaftliche Schaden ist unabsehbar (vgl. HELLEBRAND a.a.O., S. 14 f.).
Die soziale Integration und die Schaffung eines drogenfreien Kontextes wurden nach den Ergebnissen einer von dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebenen Studie (Hammer Modell) als Voraussetzung für die Drogenfreiheit betrachtet.
Dem Erprobungsvorhaben lagen Erfahrungen aus dem Ausland, vor allem der Schweiz, zugrunde, die von der bundesdeutschen Drogenhilfe bisher nur wenig zur Kenntnis genommen wurden. Außerdem wurden die neueren Erkenntnisse der Nachuntersuchung des ATM Hannover berücksichtigt (vgl. V.BÜLOW et al., a.a.O., S. 80).
Angesichts der breiten Front der Kritiker und der unsicheren Rechtslage war eine hochgradig strukturierte, engmaschige und staatlich abgesicherte Programmform nötig, um überhaupt den Einstieg in die medikamentöse Therapie mit Polamidon in der BRD zu finden (vgl. RASCHKE 1994, S.346).
5.3.2.1. Die Ziele und Rahmenbedingungen für das wissenschaftliche Erprobungsvorhaben zur medikamentengestützten Rehabilitation intravenös Drogenabhängiger
Die Landesregierung von NRW erprobte seit Beginn des Jahres 1988 als „Bestandteil der Fortentwicklung der Landes-Drogenpolitik“ für 5 Jahre zunächst in den Städten Bochum, Düsseldorf und Essen ( ab April 1988), später in Bielefeld und Köln (ab September 1989) und zuletzt noch in Dortmund, Ahlen und Unna (ab März 1991) eine medikamentengestützte Rehabilitation mit Levomethadon.
Ziel war es, 200 Opiatabhängige mit mehrfach fehlgeschlagenen Versuch einer drogenfreien Therapie, durch medizinische und sozialtherapeutische Behandlung und Betreuung zunächst gesundheitlich zu stabilisieren, dann sozial zu integrieren und schließlich beruflich zu rehabilitieren sowie letztendlich möglichst der Opiatfreiheit (einschl. Levomethadon) zuzuführen. Es „sollte geprüft werden, ob es möglich ist,
- die drogenfreien Therapieangebote sinnvoll für bisher nicht erreichte Abhängige zu ergänzen,
- die positiven Ergebnisse von Studien, insbesondere der Schweiz (ausgehend vom Methadonbericht 198420 ), auch unter den spezifischen Bedingungen in Nordrhein Westfalen zu erzielen“ (MAGS 1993, S. 1).
Die behandelnden Ärzte in verschiedenen Kliniken o.g. Städte sind dem Bundesgesundheitsamt und den Ärztekammern in NRW bekannt gemacht worden.
Die Rahmenbedingungen waren:
- qualifizierte ärztliche Indikation der Patienten,
- Bewilligung der Aufnahme durch eine Landeskommission unter Mitwirkung der örtlichen Gesundheitsämter,
- tägliche orale Verabreichung des Levomethadon unter ärztlicher Kontrolle,
- regelmäßige, therapeutisch begründete Urinanalyse21,
- psychosoziales Betreuungsprogramm,
- zentrale Registrierung der teilnehmenden Patienten.
Als Zugangsvoraussetzungen werden genannt (in der Regel):
- mindestens zwei gescheiterte, mehrmonatige Abstinenztherapien,
- mehrjährige Opiatabhängigkeit, keine bestehende Mehrfachabhängigkeit,
- Mindestalter 22 Jahre,
- keine bestehende, unbehandelte Alkoholabhängigkeit,
- Verpflichtung zur Teilnahme am psychosozialen Betreuungsprogramm.
Bei HIV-infizierten Drogenabhängigen galten etwas geringere Anforderungen (unter AIDS-prophylaktischen Gesichtspunkten) in Bezug auf das Mindestalter (18 Jahre) und die Anzahl der gescheiterten Abstinenztherapien (mindestens eine gescheiterte Abstinenztherapie oder mehrere gescheiterte Entzugsverfahren), zusätzlich wurde der Ausstieg aus der Beschaffungsprostitution verlangt (vgl. MAGS 1993, S. 1 f.).
Die Aufnahme ins Erprobungsvorhaben beantragte der Opiatabhängige beim MAGS über die Drogenberatungsstelle22 oder die medizinische Einrichtung (Antragsformular, siehe bei HELLEBRAND a.a.O., S. 76 f.). Diese stellten die soziale bzw. die medizinische Indikation und nahmen zur Aufnahme Stellung. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales entschied auf Vorschlag einer aus vier Mitgliedern bestehenden Bewilligungskommission über die Aufnahme in das Erprobungsvorhaben. Der Patient bekam einen schriftlichen Bescheid (siehe ebd., S. 78-82) und das jeweilige Gesundheitsamt wurde informiert.
Die zur Durchführung der Erprobung zusätzlich erforderlichen Stellen an Kliniken, Gesundheitsämtern und Drogenberatungsstellen sowie die Kosten für das Medikament, Laboruntersuchungen, apparative Ausstattung etc. wurden ausschließlich vom Land NRW finanziert (vgl. MAGS a.a.O., S. 5).
5.3.2.2. Die wissenschaftliche Begleitung des Erprobungsvorhabens
Die sozialwissenschaftliche Begleituntersuchung führte als unabhängige Institution die PROGNOS AG, Köln durch. Es wurden halbjährliche und jährliche Berichte einer 12-köpfigen Begleitkommission des Landesfachbeirates „Sucht und Drogen“, die schon die Rahmenbedingungen des Erprobungsvorhabens erarbeitet hatten, mit Mitgliedern aus den Bereichen Pharmazie, Psychiatrie, Psychotherapie, öffentlicher Gesundheitsdienst, Drogenhilfe, Justiz, Krankenkassen, Verbände, Sozialarbeit/-pädagogik und Sozialforschung vorgelegt (vgl. ebd., S. 4).
Die Patienten wurden in einem Informationsblatt (siehe HELLEBRAND a.a.O., S. 72-75) über alle für sie relevanten Details des Methadonprogramms aufgeklärt und hatten bei Teilnahme am Erprobungsvorhaben in die wissenschaftliche Auswertung ihrer Daten einzuwilligen (siehe ebd., S. 83) Die wissenschaftliche Studie sollte herausfinden, „ob die im Ausland bewährte, bereits etablierte medikamentengestützte Rehabilitation von intravenös Opiatabhängigen trotz unterschiedlicher Strukturen des Gesundheitswesens und der geltenden Rechtsgrundlagen auch in der Bundesrepublik erfolgreich durchgeführt werden kann und ob die Erfolge der Methadonbehandlung bei bestimmten Patientengruppen denen der traditionellen Abstinenztherapie vergleichbar sind.“ (V.BÜLOW a.a.O., S. 83)
Neben der sozialwissenschaftlichen gab es noch eine wissenschaftliche allgemeinmedizinische und psychiatrische Untersuchung, die zwei Professoren der beteiligten medizinischen Einrichtungen (siehe PROGNOS 1997, S. 5) übernommen haben. Hierbei sollten insbesondere die Auswirkungen des Polamidon auf das Immunsystem beobachtet werden (vgl. HELLEBRAND a.a.O., S. 22).
5.3.2.3. Das psychosoziale Betreuungsprogramm des Erprobungsvorhabens
Die psychosoziale Begleitung, an deren Teilnahme alle Methadon-Klienten gebunden waren, wurde durch Drogenhilfeeinrichtungen wie die Drogenberatungsstelle vorgenommen .
Aufgrund der bei der Nachuntersuchung des ATM dokumentierten schlechten Erfahrungen wurde bei dieser Begleitbetreuung Wert auf ein Höchstmaß an psychosozialer Betreuung und ein Mindestmaß an auferlegter Verpflichtung gelegt. Der Schwerpunkt lag diesmal im sozialtherapeutischen Bereich im Sinne von sozialer Stablisierung und Integration, körperlicher und psychischer Gesundung sowie berufliche Rehabilitation. Und nicht mehr so sehr auf der Bearbeitung der Opiatabhängigkeit selbst und der psychotherapeutischen Aufarbeitung ihrer Ursachen.
Die Opiatfreiheit wurde erst im Laufe des Programms als weiteres Ziel ins Auge gefaßt und war nicht das Hauptmaß des Erfolgs des Programms.
Als Grundlage zur Erreichung der angestrebten Ziele wurde der Aufbau einer langjährigen, tragfähigen Beziehung zwischen Probant und zuständigen Sozialarbeiter genannt (vgl. V.BÜLOW a.a.O., S. 82).
5.3.2.4. Ergebnisse des nordrhein-westfälischen Erprobungsvorhabens
1993 kam der Abschlußbericht des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Firma PROGNOS heraus und 1997 wurde eine Katamnese (Endbericht) der Firma PROGNOS und der angeschlossenen Kliniken veröffentlicht. Ich dokumentiere die (meines Erachtens) wichtigsten Punkte des letzgenannten Berichtes.
Am Erprobungsvorhaben haben insgesamt 244 Personen teilgenommen.
Die Ergebnisse des Erprobungsvorhabens sind überwiegend erfolgreich zu werten.
Die Probanten des Erprobungsvorhabens haben inzwischen ein Durchschnittsalter von 40 Jahren und sind im Durchschnitt 15 Jahre lang opiatabhängig.
Die Haltequote23 betrug nach 1 Jahr 87%, nach 3 Jahren 66%, nach 5 Jahren 53% und nach 7 Jahren 48% (vgl. PROGNOS 1997, S. 159 f.).
88% der in einer Querschnittsanalyse angetroffenen Teilnehmer wiesen einen guten körperlichen Allgemeinzustand auf (vgl. ebd., S. 149/165/167).
Ca zwei Drittel aller Teilnehmer haben sich erfolgreich von der Drogenszene distanziert, gleichzeitig ist es über der Hälfte der Teilnehmer (57%) gelungen, sich Sozialkontakte im drogenfreien Kontext zu schaffen. Der Beikonsum anderer illegaler (z.B. Kokain) und legaler Drogen (Alkohol, Medikamente) war zwar stark zu verzeichnen, nahm aber im Verlauf der Behandlung stetig ab (vgl. ebd., S. 164).
Die Delinquenz ist gegenüber der Situation vor Beginn der Substitution drastisch zurückgegangen. BtmG-Delikte sind nur in 7% und Eigentumsdelikte in 16% aller Fälle bekannt geworden.
Eine leicht negative Bilanz zeigt sich in der Entwicklung der Einkommensverhältnisse der Teilnehmer als Folge der ebenfalls wenig erfolgreichen Entwicklung in der beruflichen Rehabilitation. (vgl. ebd., S. 165) Eine psychiatrische Zusatzerkrankung, die in 70% der Fälle vorlag, behinderte bei schwerer Ausprägung den Behandlungserfolg teils erheblich (vgl. ebd., S. 168).
In der Querschnittsanalyse des Jahres 1996 zeigte sich, daß nach ca. 9 Jahren Studienlaufzeit ungefähr ein Drittel aller Teilnehmer weitgehend drogenfrei waren. 18% mußten zu den harten Konsumenten gerechnet werden, 8% sind verstorben (Drogentod/Suizid), so daß insgesamt ein Viertel einen schlechten Verlauf genommen haben. 12% fallen in eine mittlere Gruppe (vgl. ebd., S. 106/164).
Organbezogene Schädigungen oder Funktionsstörungen als Folge der Polamidon-Substitution sowie eine immunschädigende Wirkung der Polamidon-Medikation ließen sich nicht feststellen (vgl. ebd., S. 149).
Hier hat sich nun bestätigt, was in der Nachuntersuchung des ATM Hannover im Nachhinein als positiv beschrieben wurde: Die meisten Teilnehmer des Erprobungsvorhaben haben sich gesundheitlich und sozial stabilisiert. Sie sind zwar nicht völlig opiatfrei bzw. methadonfrei (immerhin 12% sind dies dennoch nach siebenjähriger Laufzeit). Das Merkmal der völligen Opiatabstinenz der üblichen Langzeit-Abstinenz-Therapien ist ja auch nicht der völligen Methadonfreiheit gleichzusetzen, da ja trotzdem oder gerade deswegen die o.g. Rehabilitationsziele erreicht werden (vgl. PROGNOS 1997, S. 160 f.).
Das Erprobungsvorhaben Nordrhein-Westfalens hat wegen des eindeutig nachgewiesenen Erfolges, wie auch das im folgenden beschriebene Einzelfallkonzept Hamburgs, die Grundlagen für Methadonprogramme in der gesamten BRD geliefert (vgl. BOSSONG/STÖVER a.a.O., S. 48).
5.4. Das Hamburger Einzelfallkonzept
Die Hansestadt Hamburg führte nach Nordrhein-Westfalen als zweites Bundesland eine strukturierte und programmatisch abgesicherte Substitutionstherapie durch.
Im Gegensatz zum hochschwelligen Erprobungsvorhaben in NRW war das Hamburger Einzelfallkonzept mittelschwellig in Bezug auf die Zulassungs und Ausschlußkriterien und unterschied sich von diesem durch Verzicht auf eine zahlenmäßige Limitierung des Teilnehmerkreises. Es war nicht begrenzt auf einen bestimmten Erprobungs-Zeitraum und auch nicht eingegrenzt hinsichtlich fester Kriterien nach Alter, Dauer der Opiatabhängigkeit und Zahl der gescheiterten Therapieversuche der Teilnehmer.
Die Teilnahme an einer psychosozialen Begleitbehandlung und die kontrollierte Einnahme des Substituts waren jedoch auch hier obligatorisch (vgl. RASCHKE a.a.O., S. 347)
Hamburg gelang es auch als erstes, die Substitutionstherapie teilweise in das gegliederte System der gesundheitlichen Regelversorgung zu integrieren, da der medizinische Teil der Behandlungskosten und die Substitutionsmittel von den Krankenkassen getragen wurden. Die Kosten für die psychosozialen Betreuungsmaßnahmen übernahm die Sozialbehörde (vgl. ebd., S. 348).
5.4.1. Die Ziele und Rahmenbedingungen des Hamburger Einzelfallkonzeptes
Für die Richtlinien und die Durchführung einer langfristigen Polamidon- Substitution wurde eine Sachverständigenkommission24 (SVK) gegründet, die sich aus Vertretern der Hamburger Ärzteschaft, dem zuständigen Oberstaatsanwalt, dem Drogenbeauftragten des Hamburger Senats und Experten der Behörde für Arbeit, Jugend und Soziales zusammensetzte.
Basierend auf den konzeptuellen Empfehlungen der SVK wurde Anfang Juli 1988 der Weg für eine einzelfallbezogene Substitutionsbehandlung durch die Hamburger Ärztekammer freigemacht (vgl. V.BÜLOW a.a.O:, S. 85).
Der Hamburger Senat reagierte mit einem Drogenhilfeplan (1988) und der Erhebung der Drogenbekämpfung zu einem Schwerpunkt seiner Politik (vgl. MARX a.a.O., S. 149)
Die Methadonbehandlung soll neben den zwei Säulen „stationäre Langzeittherapie“ und ambulante „abstinenzorientierte Therapie“ nur ein weiteres Angebot sein. Ziele der Methadonbehandlung sind hier zunächst die Verbesserung des gesundheitlichen Zustands der Drogenabhängigen, dann erst die Reduzierung der Kriminalität, soziale Integration usw. Erst langfristig wird die Drogenabstinenz angestrebt (vgl. ebd., S. 151)
Nach der SVK wurde kein Methadonprogramm durchgeführt, sondern die Möglichkeit eröffnet, „nach kritischer Nutzen-, Risikoabwägung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelne Falles“ (SVK 1988, S. 2. Zit. nach V.Bülow a.a.O., S. 86), Polamidon an in Frage kommende Opiatabhängige zu vergeben.
Für die SVK gilt die Polamidon-Substitution bis heute als medizinisch gerechtfertigt und u.U. sogar geboten, bei intravenös Opiatabhängigen
- mit schweren chronischen somatischen Erkrankungen
- in der Spätschwangerschaft
- mit erheblichen Persönlichkeitsstörungen25
- mit ausgesprochen destruktiven Tendenzen26
- die mit einem anderen Medikament (wie Codein) mindestens 6 Monate lang erfolgreich, d.h. ohne Nebenkonsum von Heroin und eine psychosoziale Stabilisierung herbeiführend, substituiert worden sind sowie iv. Opiatabhängigkeit
- mit ungewöhnlich malignem Verlauf
(vgl. SVK 1988, S. 4. Zit. n. V.BÜLOW a.a.O. S. 86)
5.4.2. Die Durchführung des Hamburger Einzelfallkonzeptes
Der Drogenabhängige mußte eine Drogenberatungsstelle aufsuchen, die bereit war, die psychosoziale Betreuung zu übernehmen, und einen Arzt finden, der bereit war, die ärztliche Behandlung durchzuführen.
Einem Antrag, den der Arzt an die SVK stellte, mußte der Drogenabhängige Nachweise über vergangene Therapieversuche, um die er sich zuvor selbst bemüht hatte, ebenso wie eine Anamnese seiner Drogenkrankheit beifügen, außerdem mußte er den Arzt von seiner Schweigepflicht gegenüber dem SVK entbinden. War der Antrag auf Polamidon-Substitution genehmigt worden, mußte der Drogenpatient, genau wie in Nordrhein-Westfalen, das Medikament unter Aufsicht einnehmen, regelmäßig Urinkontrollen abgeben und sich der psychosozialen Betreuung unterziehen (vgl. V.BÜLOW a.a.O., S. 87)
Das Hamburger Substitutionsmodell ist dezentral und arbeitsteilig organisiert. Neben den Arztpraxen und Drogenberatungsstellen wurde (und wird) die Methadonbehandlung auch in Drogenambulanzen durchgeführt, die eigens dazu eingerichtet wurden. Das Polamidon wurde außer in den Arztpraxen und der Drogenambulanz auch in Apotheken abgegeben. Die Aufgaben der multifunktionalen Drogenambulanzen sind die Motivierung und Beratung der niedergelassenen Ärzte, die Dokumentation der Substitutionsbehandlung in Hamburg und die eigene Behandlung von Drogenabhängigen u.a., um für die Beratung der Ärzte eigene Praxiserfahrung mit der Behandlung von Drogenabhängigen vorzuweisen (vgl. MARX a.a.O., S. 150).
Halbjährlich mußten Behandlungsberichte vom zuständigen Drogenberater geschrieben und dem SVK zugeleitet werden. Diese dienten der Kommission zur Überprüfung der Indikation zur Langzeitbehandlung mit Polamidon. Die SVK sah einen Behandlungszeitraum von 2-3 Jahren vor. Die Behandlung wurde auch hier abgebrochen, wenn der Drogenpatient wiederholt gegen die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen verstieß. Verstöße sind der fortgesetzte Nebenkonsum von legalen (Medikamente und Alkohol) und illegalen Drogen. Über den Abbruch der Behandlung entschied der behandelnde Arzt oder die Drogenambulanz im Einvernehmen mit dem SVK. Der Drogenabhängige wurde dann zu einer Abstinenzbehandlung überführt (vgl. V.BÜLOW a.a.O., S. 87 f.).
5.4.3. Die bisherigen Erfahrungen des Hamburger Einzelfallkonzeptes
Da hier kein abgegrenzter Modellversuch wie in Nordrhein-Westfalen vorliegt, sondern „nur“ ein neuer Weg in der Methadonbehandlung, liegen auch keine konkreten Ergebnisse, wie beim Erprobungsvorhaben vor, sondern Erfahrungen.
Die Verwirklichung der Einzelfallösung gestaltete sich in der Anfangsphase (die ersten 15 Monate) zunächst schwierig. Die Finanzierung und die Arbeit der SVK war nicht gesichert und es war auch nicht klar, wo das Polamidon ausgegeben werden sollte. Die SVK, deren wichtiges Anliegen die Schaffung der Drogenambulanz war, stellte zunächst 1989 ihre Arbeit ein, als keine Erfolge diesbezüglich in Sicht waren. Es gab einen Streit über Zuständigkeiten. Die Krankenkassen lehnten zunächst die Finanzierung der Polamidonbehandlung und des Medikaments ab, weil sie der Meinung waren, das Substitutionskonzept verfolge in erster Linie sozialtherapeutische Ziele und nicht medizinische. Der Sozialhilfeträger sah dagegen die Zuständigkeit bei den Krankenkassen (vgl. ebd., S. 88). Die psychosoziale Betreuung konnte mangels Plätzen in den Drogenberatungsstellen nicht gewährleistet werden und die kontrollierte Ausgabe des Polamidons wurde nur durch wenige Apotheken ausgegeben, die sich hierzu bereiterklärten.
Hierdurch konnten viele Anträge auf die Polamidonbehandlung nicht bearbeitet oder gar nicht erst gestellt werden.
Seit 1990 hat sich die Situation jedoch gebessert. Die Krankenkassen erklärten sich zur Übernahme der medizinischen Behandlungskosten bereit und die von der SVK verlangten Drogenambulanzen konnten eröffnet werden und die SVK nahm ihre Arbeit wieder auf (vgl. ebd., S. 89) .
Etwa 2500 Drogenabhängige werden zur Zeit im Rahmen des Hamburger Einzelfallkonzeptes substituiert. Es wird inzwischen von den beteiligten Berufsgruppen (Ärzte, Betreuer, Apotheker) und den Drogenpatienten im wesentlichen akzeptiert. Die medizinische Versorgung bei niedergelassenen Ärzten, die psychosoziale Betreuung durch eine spezielle Drogenhilfestruktur, die Vergabe des Medikamentes über Apotheken und die multifunktionalen Drogenambulanzen werden als die „Eckpfeiler“ des Hamburger Polamidonprogrammes von der großen Mehrheit der Berufsgruppen positiv bewertet (RASCHKE a.a.O., S. 408 ff.).
Kritik wird von den Berufsgruppen gegenüber den Aufnahmemodalitäten geäußert, insbesondere die Auflage, daß sich der Drogenabhängige Arzt und Betreuungseinrichtung selber suchen muß, anstatt diese vom SVK vermittelt zu bekommen. Außerdem werden von den Ärzten und Betreuern die SVKIndikationen als zu eingeschränkt erlebt und für ein Abrücken von den starren Terminsequenzen (wöchentliche Betreuung) der psychosozialen Betreuung plädiert. Es mangele zudem an speziellen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Wohnprojekten für Substituierte. Die Mitnahmemöglichkeit einer „Take- home-Dosis“ sollte ausgeweitet werden und die Urinkontrollen sollten flexiblisiert werden (vgl. ebd., S. 409 ff.).
Es sind sich alle drei Berufsgruppen einig, daß die Apotheken als Vergabestellen und die multifunktionalen Drogenambulanzen zu unverzichtbaren Institutionen des Hamburger Substitutionssystem geworden sind ( vgl. ebd., S. 411).
Obwohl alle Seiten das Hamburger Einzelfallkonzept so erfolgreich bewerten (gesundheitliche und psychosoziale Verfassung der Substituierten besserte sich, Beschaffungskriminalität nahm deutlich ab), besteht zur Zeit die Gefahr, daß der Hamburger Vertrag ausläuft. Ohne Verlängerung des Hamburger Vertrages würde die Substitution auf der Basis der NUB-Richtlinien (siehe 4.5.1.) weiterlaufen. Das würde im Prinzip bedeuten, daß nur noch die Schwerstkranken substituiert werden können, ein Großteil der jetzigen Substituierten würde höchstwahrscheinlich wieder in die Drogenszene mit allen lebensbedrohlichen Risiken zurückfallen. (vgl. ÖTV 1997, S. 3).
5.5. Der augenblickliche Stand der Substitutionsdiskussion in der BRD
Der heftigen Diskussion um das generelle Für und Wider der Methadonbehandlung ist inzwischen die Frage nach dem Wie gefolgt.
Nach den beiden Methadonbehandlungsprojekten in Nordrhein-Westfalen und Hamburg wird auch in den meisten anderen Bundesländern die Substitutionstherapie angeboten. Die Länder unterscheiden sich aber in ihrer programmatisch strukturellen Ausgestaltung und ihrer konkreten Substitutionspraxis erheblich. Die Aufnahmemodalitäten, Indikationskriterien, psychosoziale Betreuungsauflagen und Vergabesysteme sind in jedem Bundesland mehr oder weniger unterschiedlich organisiert.
Die Indikationskriterien und Aufnahmemodalitäten sind innerhalb eines für den Drogenbereich typischen Nord-Süd-Gefälle mittel- bis hochschwellig angeordnet. Die Vergabe des Substitutionsmittels wird in den verschiedenen Bundesländern entweder über Apotheken oder Drogenambulanzen (wie in Hamburg), örtliche Gesundheitsämter (NW), Substitutionsambulanzen der Drogenhilfe (Hessen) oder sogar Methadonbusse (Bremen) vorgenommen (vgl. RASCHKE a.a.O. S. 415).
Es gibt außer den Hauptrichtlinien inzwischen eine Reihe von Auslegungshilfen und Leitfäden (z.B. EWIG 1993) für die substituierenden Ärzte, wodurch sie das Risiko eines „Kunstfehlers“ vermeiden können.
Konsens besteht in den Bundesländern hinsichtlich des Stellenwertes der Substitutionsbehandlung als Behandlungsmethode zweiter Wahl hinter den klassischen Langzeit- und Abstinenztherapien. Als unabdingbares therapeutisches Ziel jeder Suchtbehandlung wird nach wie vor die Abstinenz festgeschrieben (vgl. BOSSONG/STÖVER a.a.O., S. 49-58).
5.5.1. Die NUB-Richtlinien
Auf die von der Bundesärztekammer entwickelten Indikationsbeispielen von 1988 aufbauend (siehe Fußnote 12) wurden 1991 vom Bundesauschuß für Ärzte und Krankenkassen Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) eingeführt, die 1992 erweitert wurden. Dadurch wurde die Substitution mit Polamidon bei bestimmter Indikation unter bestimmten Bedingungen zu einer Behandlungsmethode, die für alle Krankenkassenversicherten Bestandteil der ambulanten kassenärztlichen Versorgung27 ist. Diese NUB-Richtlinien sehen vor, daß eine Substitutionstherapie mit Polamidon möglich ist:
- bei Drogenabhängigkeit mit lebensbedrohlichem Zustand im Entzug.
- bei schweren konsumierenden Erkrankungen,
- opioidpflichtigen Schmerzzuständen,
- AIDS-Erkrankung,
- bei Schwangerschaft und unter der Geburt,
- in Überbrückungssituationen bei stationären Behandlungen.
Darüberhinaus kann eine Polamidonbehandlung durchgeführt werden, wenn die Indikation „vergleichbar schwere Krankheit“ vorliegt. In diesem Fall muß jedoch eine Beratungskommission des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen entscheiden (vgl. RASCHKE a.a.O., S. 345/348; auch SCHRÖDER 1993, S. 186)
Kritiker meinen, daß die NUB-Richtlinien die Therapiefreiheit des Arztes massiv einschränken, da er die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Therapie an eine Sonderkommission abgeben müsse. Auch sei der Indikationskatalog viel zu eng und „weltfremd“, da Drogenabhängige vor dem Stadium einer gesundheitlichen und sozialen Verelendung von dem Zugang zur Substitutionstherapie ausgeschlossen würden.
Die NUB-Richtlinien in der jetzigen Form mögen zwar den Ärzten eine fachlich-rechtliche Sicherheit geben, wo bislang keine Infrastrukturen für eine Substitutionsbehandlung vorhanden waren, für die Regionen (wie Hamburg s.o.), in denen Vereinbarungen zwischen Ärztekammer, Kassenärztlicher Vereinigung und Gesundheits- bzw. Sozialbehörde bereits bestanden, bedeuten sie einen Rückschritt (vgl. BOSSONG/STÖVER a.a.O., S. 52 f.).
5.5.2. Die heutige Substitutionspraxis mit Polamidon in der BRD
Neben dem Betäubungsmittelgesetz und der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung stützen sich die rechtlichen Grundlagen der Polamidon-Substitutionsbehandlung heute auf den Runderlaß des MAGS NW, den BGA-Beschluß vom 15.7.1990, den BGH-Beschluß vom 17.5.1991 und die NUB-Richtlinien vom 31.10.1992 (vgl. EWIG a.a.O., S. 112).
Diese Standards nötigen den Arzt zu äußerster Sorgfalt, penibler Dokumentation und restriktiven Einsatz des Substitutionsmittel. So darf das Mittel oder Rezept laut Auflagenbescheid des Bundesgesundheitsamtes, der gemäß § 9 BtmG an jeden substituierdenden Arzt geht, weder an den Drogenabhängigen oder dessen Angehörigen abgegeben werden. Nur der Arzt oder ein legitimierter Vertreter (in entsprechenden Instituten, wie z.B. Sozialstationen) darf das Mittel täglich verabreichen. Außerdem ist die Durchführung von unregelmäßigen Urinkontrollen zur Kontrolle des möglichen Beikonsums anderer Drogen vorgeschrieben (vgl. BOSSONG/STÖVER a.a.O., S. 53).
Die Folge dieser Vorschriften sind zum Einen für den Substituierten sehr hinderlich im Alltag, da eine doch andererseits so gewünschte Normalisierung des Lebens verhindert wird. Der Süchtige ist abhängig vom täglichen Arztbesuch (auch am Wochenende), was ein normales Arbeitsleben fast schon unmöglich macht (welcher Chef läßt sich schon darauf ein, daß der Arbeitnehmer jeden Tag den Arbeitsplatz verläßt, um ein Medikament einzunehmen?) und die Urlaubsmöglichkeit auf die Anwesenheit eines substituierenden Arztes vor Ort einengt.
Zum Anderen ist der ganze Aufwand des täglichen Rezeptausstellens für den Arzt eine „unsinnige Verwaltungstätigkeit“ (ebd., S. 55), die natürlich eher den Mangel zur Substitution gewillter Ärzte unterstützt.
Gerade hier ist noch viel an den Vorschriften hinsichtlich einer Lockerung vorzunehmen.
5.5.3. Zur heutigen psychosozialen Betreuung von Substituierten
Es werden zwei konzeptionelle Ansätze bei der psychosozialen Betreuung unterschieden: Einmal gibt es die Teilnahmepflicht im Sinne einer obligatorischen psychosozialen Begleitung wie in den beschriebenen Programmen von Nordrhein-Westfalen und Hamburg und zum anderen die meist freiwillige Bereitstellung des psychosozialen Angebots im Rahmen des bestehenden Drogenhilfesystems wie in Bremen (vgl. RASCHKE a.a.O., S. 416).
Auch inhaltlich unterscheidet sich die psychosoziale Betreuung ganz erheblich. Während zum Beispiel Hamburg in der Regel eine psycho- und/oder sozialtherapeutische Behandlung im engeren Sinne hat, wird z.B. in Bremen das ganze Spektrum an lebenspraktischen, gesundheitlichen und therapeutischen Hilfen im Rahmen der psychosozialen Betreuung angeboten (vgl. ebd., S. 416; auch BOSSONG/STÖVER a.a.O., S. 57).
Auf Kritik stößt bei der psychosozialen Betreuung, daß die Betreuungskapazität (Betreuungsschlüssel) oft nicht ausreiche und außerdem daß „ein Junktim vom medizinischen Teil der Substitution und psychosozialer Betreuung einer Form der Zwangsberatung (wie im Bereich des § 218 StGB) gleichkomme“ (BOSSONG/STÖVER a.a.O., S. 57). Als sinnvollste Variante der psychosozialen Betreuung wird die Hamburger genannt, die eine Palette methodisch unterschiedlicher Angebote bereithält, aus der der Substituierte das für ihn geeignetste und bedürfnisgerechteste Angebot auswählen kann (vgl. ebd., S. 57).
6. Ausblick
In Anbetracht der beschriebenen Ergebnisse der Methadonproblematik in Deutschland bin ich zu der Erkenntnis gelangt, daß Methadonprogramme grundsätzlich sinnvoll sind, da hier bewiesenermaßen das Elend vieler Heroinsüchtiger gelindert werden kann.
Die Methadonprogramme setzen sich inzwischen durch die HIV und AIDS- Bedrohung durch die intravenös-Drogenabhängigen als eine der Hauptbetroffenengruppen zögernd gegen das Abstinenzgebot unserer Regierung als ein wichtiger Bestandteil der deutschen Drogenhilfe durch. Die positiven Ergebnisse der Modellversuche sprechen eigentlich für sich. Die Erfolge der Methadonbehandlung sind mit Zahlen zu belegen. Jedoch gibt es noch immer sowohl in Fachkreisen als auch im politischen Bereich und bei Polizei und Justiz eine breite Front von Kritiker gegenüber der Methadonvergabe.
Selbstverständlich ist keine bestimmte Suchttherapie für alle Drogenabhängige gleichermaßen sinnvoll. Das ist bei Suchttherapien das gleiche wie bei anderen Dingen, der Mensch ist eben verschieden. Aus diesem Grund und aufgrund der unterschiedlichen Krankheitsverläufe der Drogensucht ist eine entsprechend breite Palette an Therapieangeboten angemessen. Das konsequente Aufrechterhalten des Abstinenzparadigmas verschließt für viele den Zugang zur therapeutischen Behandlung. Methadonmodelle sind in vielen Fällen ein Ausstieg aus der Abhängigkeit Innerhalb eines Therapiebereichs sollten verschiedene Wege ausprobiert werden, nur die Erfahrung zeigt, was richtig oder falsch, machbar oder nicht machbar ist.
Was in dieser Hinsicht die Methadonprogramme betrifft, ist Deutschland immer noch in einem Anfangsstadium, weil sich zusehr an die einmal festgelegten Richtlinien gehalten wird. Von vielen Seiten wird eine Lockerung der Indikationskriterien der NUB-Richtlinien gefordert. Es geschieht aber nur wenig, wenn nicht gar das Gegenteil, indem Errungenschaften wieder rückgängig gemacht werden (wie in Hamburg).
Die restriktive Eingrenzung, daß intravenös-Drogenabhängige nicht in erster Linie wegen ihrer Sucht behandelt werden dürfen, sondern krank sein müssen, ist zu hochschwellig.
Viele Süchtige, die möglicherweise gut in einem Substitutionsprogramm aufgehoben wären, wird der Weg versperrt.
Auf der anderen Seite ist eine Methadonbehandlung für bestimmte Drogensüchtige nicht so sehr geeignet. Der hohe Beikonsum bei den Substituierten in allen Programmen beweist, daß die Sehnsucht nach dem „Drogenfeeling“ noch sehr groß sein kann. Bei einem Teil dieser Süchtigen könnte eine kontrollierte Heroinabgabe, wie sie nach verschiedenen Zeitungsberichten zufolge in der Schweiz erfolgreich probiert wurde, auch bei uns in der BRD erfolgreich angewendet werden.
Nach den Methadonmodellversuchen sollten in Zukunft weitere wissenschaftliche Modellversuche durchgeführt werden. Ein weiterer Baustein der akzeptierenden Drogenhilfe wäre jetzt die kontrollierte Freigabe von Heroin.
Die zögernde Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen von inländischen und ausländischen Erfahrungen zeigt, daß die ideologischen Barrieren bezüglich einer humaneren akzeptierenden Linie noch sehr hoch sind. Die Drogenpolitik der Bundesregierung setzt eben in erster Linie auf Abschreckung durch das Strafrecht und ein unrealistisches Abstinenzgebot und erst in zweiter Linie auf Hilfen. Mit ihrer harten Haltung behindert sie eher Aufklärung, Überlebenshilfe und alternative Formen der Therapie. Sie begünstigt dafür eher organisierte Drogenbanden und gefährdet die öffentliche Sicherheit der Menschen dieses Landes. So führt die gegenwärtige Politik gegenüber Drogen zu ähnlichen Ergebnissen wie die Alkoholprohibition in den USA der Zwanziger Jahre: Kriminalität, Korruption und Macht der maßgeblich Beteiligten wachsen, ohne daß die Nachfrage und damit das Angebot des Suchtmittels abnimmt. Das Drogenproblem oder aber die Tatsache daß sich Menschen berauschen wollen ist eben nicht abzuschaffen. Die Opposition bestehend aus SPD und Grünen und sogar die FDP fordern ein Abrücken vom Abstinenzgebot zugunsten akzeptierender Drogenpolitik wie die kontrollierte Abgabe von Heroin. Die CDU/CSU (im besonderen die „Null-Toleranz-Fraktion um den Drogenbeauftragten Eduard Lintner) beharrt stur auf die einmal eingeschlagene Richtung (siehe STERN Nr. 47, S. 30).
Entscheidende Änderungen werden daher wohl erst nach einem politischen Machtwechsel möglich werden.
Literaturverzeichnis:
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AMENDT, Günter: Die Droge, der Staat, der Tod. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, August 1996 (Copyright 1992)
BÖLLINGER, Lorenz: Drogenrecht, Drogentherapie. Ein Leitfaden für Drogenberater, Drogenbenutzer, Ärzte, Juristen. Materialien zur Sozialarbeit und Sozialpädagogik Band 12. 2. neu bearbeitete Auflage. FH Frankfurt am Main FB Sozialarbeit FB Sozialpädagogik. Frankfurt/M.1987.
BOSSONG, Horst/ STÖVER, Heinz (Hg.): Methadonbehandlung. Ein Leitfaden. Campus Verlag. Frankfurt/M., New York 1992.
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http://www.aerztekammer-berlin.de/gr-clr.htm
http://www.gruenebt.de/
http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/37/16b.htm
Erklärung:
Ich versichere, daß die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe angefertigt wurde und daß ich keine Literatur außer der von mir angegebenen benutzt habe. Die wörtlich übernommenen Stellen sind als solche gekennzeichnet.
Unterschrift:
[...]
1 Dabei wurde Heroin vor allem hergestellt, um die Morphinisten von ihrer Abhängigkeit zu heilen (Vgl.: SCHMIDTBAUER/VOM SCHEIDT, 1994: S.: 313). Es war also selbst ursprünglich eine Ersatzdroge.
2 BECKER, J./WULFF, K.J.: Klinische Erfahrungen mit dem Analgetikum Amidon „Hoechst“. In: Medizinische Klinik 1949.
3 Aus der Quelle geht nicht hervor ob die beruflische Integration mitberücksichtigt wurde.
4 Schon im alten China wurde zum Entzug von Opium die „Majun-Methode“ angewandt, indem dem Süchtigen täglich ein limonadenähnliches opiumhaltiges Getränk verabreicht wurde, dessen Opiumgehalt von Tag zu Tag reduziert wurde, um so die Entzugsleiden zu mildern (SAHIHI 1990, S. 103).
5 In Holland gibt es in mehreren Städten über regelmäßig operierende Methadonbusse nach einer gründlichen Eingangsuntersuchung und Registrierung für jeden einheimischen Opiatgebraucher die Möglichkeit ohne weitere Zugangsvoraussetzungen Methadon zu bekommen. Außerdem bieten die Busse allerdings noch eine umfangreiche medizinische Versorgung und Safer Use Beratung (AIDS-Vorbeugung + Spritzen und Kondomabgabe) an.(vgl. GERLACH/SCHNEIDER 1994, S. 18)
6 GELACH und SCHNEIDER (1994, S.28) geben jedoch als Ort des 47. Deutschen Ärztetages Danzig an und sprechen nachfolgend von den „Danziger Leitsätzen“. Aufgrund der historischen Verhältnisse jener Zeit erscheint mir Dresden als Ort desselben wahrscheinlicher, weshalb ich mich hier auf die Angaben BOSSONGs und STÖVERs (1992, S. 17) beziehe
7 Diese Grundsätze vertreten selbstverständlich nicht nur die Ärzte. Besonders die Sozialarbeiter und Psychologen lehnten Methadonprogramme strikt ab.
8 Rolf SCHWENDTER zitiert in seinem Buch Drogenabhängigkeit und Drogenkultur (S. 211 f.) zudem die Arbeit der beiden Kasseler Studenten Dieter Klemm und Heiner Schroeter, die 1990 positive Ergebnisse in Bezug auf soziale und berufliche Integration der ehemaligen ATM-Teilnehmer beschreiben.
9 Dieser therapeutische Widerstand kommt genauso in den Abstinenztherapien vor.
10 Die „graue“, halblegale Verschreibungspraxis von Ersatzopiaten an Süchtige bestand laut BOSSONG und STÖVER (1992, S. 19) schon seit den 20er Jahren.
11 Eine ausführliche Gegenüberstellung der Argumente der Befürworter und Gegner sind bei BÖLLINGER (1987, S. 57-60) zu finden.
12 Die BtmVV wurde zunächst am 23.7.1986 geändert und am 23.12.1992 durch die vierte Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung (4.BtmÄndV) geändert (vgl. EWIG 1993, S. 95-98).
13 Seit 1.2.1994 findet sich auch racemisches Methadon in Anlage III des BtmG und wird seit dem von der Firma Hoechst für Substitutionszwecke hergestellt und vertrieben (vgl. http://www.vrp.de/4640-ms3.htm, S. 2). Das Racemat ist billiger in der Herstellung als L- Polamidon.
14 In der Gesetzese änderung vom 2.8.1993 an dieser Stelle eingefügt: „einschließlich der ärztlichen Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit“ (StGB 1994, S. 216).
15 Die Bundesärztekammer legte 1988 folgende Indikationsbeispiele für Substitutionsbehandlungen vor:
„-Drogenabhängige mit lebensbedrohlichen Zuständen,
-Drogenabhängige am Ende einer Schwangerschaft bzw. unter der Geburt,
-Drogenabhängige AIDS-Kranke mit fortgeschrittener AIDS-Erkrankung, Drogenentzug bei schweren konsumierenden Erkrankungen,
-Drogenentzug bei opioidpflichtigen Schmerzzuständen“.(vgl.Deutsches Ärzteblatt Nr.5 S. 244 ff. Zit. n. BOSSONG/STÖVER a.a.O., S. 49)
16 Das Amtsgericht Hildesheim z.B. erlaubte in einem Urteil vom 19.12.1979 „die zeitlich begrenzte Polamidonverschreibung an Opiatabhängige mit dem Ziel der Entwöhnung, da dem angeklagten Arzt andere Mittel und Möglichkeiten (Abstinenztherapie in Langzeittherapieeinrichtungen oder Drogenberatungsstellen) nicht zur Verfügung gestanden hatten.“ (V.BÜLOW et al., a.a.O., S. 93)
17 Laut Information auf der Internet-Seite http://www.bundestag.de/wib96/1596158.htm vom 18.9.1996 „solle das Verschreiben von Codein und Dihydrocodein den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unterstellt werden, um der mißbräuchlichen Verwendung dieser Stoffe als Substitutionsmittel entgegenzuwirken.“
18 Der Gesundheitsminister Nordrhein-Westfalens hat in einem Erlaß vom 28.12.1987 Kriterien zur Indizierung der Polamidonbehandlung mit diesem Personenkreis aufgestellt und dargelegt in welcher Form und unter welchen Vorbehalten diese stattfinden kann (vgl. Erlaß des MAGS NRW vom 28.12.1987, zit.n. HELLEBRAND a.a.O., S. 67 f.).
19 In der mir vorliegenden Literatur handelt es sich bei dem nordrhein-westfälischen Modellversuch in erster Linie um das „wissenschaftliche Erprobungsvorhaben zur medikamentengestützten Rehabilitation intravenös Drogenabhängiger“.
20 Schweizer Methadonbericht der eidgenössischen Betäubungsmittelkommission, Arbeitsgruppe „Methadon“ der Subkommission Drogenfragen aus dem Jahre 1984 (Beilage des Bundesamtes für Gesundheitswesen, Bern).
21 Anmerkung des Verfassers: zur Überprüfung des unerlaubten Beikonsums anderer Drogen wie z.B. Alkohol oder Kokain.
22 Die Drogenberatungsstelle mußte seit Jahren über die Daten des Antragstellers verfügen um die mehrjährige Abhängigkeit und die die mehrfachen Bemühungen um Abstinenz dokumentieren zu können (vgl. V.BÜLOW et al., a.a.O., S. 81 f.).
23 Die Haltequote bezeichnet das kontinuierliche Bleiben der Teilnehmer im Programm über den Erprobungszeitraum.
24 Das SVK gründete sich aus dem bereits zuvor im Rahmen der Ärztekammer bestehenden Arbeitskreis „Ausweichdrogen“, der versuchte, die ungeregelte Verschreibungspraxis von Medikamenten durch niedergelassene Ärzte in den Griff zu bekommen, den Ärzten Richtlinien an die Hand zu geben, Kontrollen einzuführen und auf die Einhaltung der Höchstmengenverordnung zu drängen (vgl. MARX a.a.O., S. 148).
25 Was damit gemeint ist, wird nicht näher ausgeführt.
26 Was damit gemeint ist, wird nicht näher ausgeführt.
27 Nach Information auf der Internet-Seite http://www.cdu- saar.org/aktuell/pressein/schae/schae0586.htm vom 13.3.1996 hat das Bundessozialgericht in Kassel entschieden, „daß Krankenkassen nicht für die Versorgung von Rauschgiftsüchtigen mit der Ersatzdroge aufkommen müssen“ (Unterstreichung durch mich, HJL.). Grund hierfür sei der weitaus schwierigere und schmerzvollere Entzug von Methadon, weshalb das Medikament höchstens in besonderen Notfällen geeignet sei.
- Citar trabajo
- Hans-Jürgen Lötzerich (Autor), 1997, Zur Entwicklung von Methadonprogrammen in der BRD, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100799
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