Die CoCom
1. Erste Anzeichen für ein amerikanisches Embargo. Entstehung der CoCom
Exportkontrollen gab es in den Vereinigten Staaten schon während des Zweiten Weltkriegs, wobei man noch nicht von einem Embargo sprechen kann. Bis 1947 dominierte die Sorge um die Versorgung der eigenen Wirtschaft, weshalb knappe Güter zurückgehalten wurden. Die Hilfszusagen an das Ausland nach dem Weltkrieg erweiterten im Wesentlichen nur den Geltungsbereich dieser Kontrollen, denn es handelte sich hierbei um eine reine „Containment- Politik“ auf wirtschaftlichem Sektor. Der Umschwung hin zu einem Embargo erfolgte erst, als bewußt versucht wurde, die Ostblockstaaten vom internationalen Handel auszuschließen. Dies zeichnete sich Ende 1947 ab, als im November das „Select Committee on Foreign Aid“ des „House of Representatives“ der Sowjetunion den Vorwurf machte, sie blockiere den Ost- West-Handel. Ebenfalls im November verschärfte das „Office of International Trade“ (OIT) im US-Handelsministerium die Lizenzierungspraktiken für Stahlexporte in kommunistisch regierte Länder. Um die Jahreswende 1947/48 wurde der Export militärischer Güter nach Osteuropa gänzlich gestoppt1. Damals waren aber andere wirtschaftliche Güter noch nicht betroffen.
Mit „Order No. 434“, dem „Country R(ecovery)- Plan“2 vom 15. Januar 1948, wurde die Absicht eines Embargos jedoch offensichtlich. Darin wurde festgelegt, daß für alle3 Exporte nach Europa und die Sowjetunion eine Einzellizenz (validated licence) beantragt werden mußte. Der Zeitpunkt dieser Order ließ erkennen, daß weder die kommunistische Machtübernahme in der Tschechoslowakei am 25. Februar 1948, noch der Druck der Sowjetunion auf Finnland die auslösenden Faktoren für die Exportkontrollen der Amerikaner waren4. Diese Ereignisse hatten allerdings Einfluß auf die weitere Embargopolitik der USA und deren Ausweitung auf die Marshall-Plan-Länder. Die USA erkannten, daß die Embargopolitik gegen den Ostblock nur dann den erwünschten Effekt haben würde, wenn auch die westeuropäischen Staaten daran teilnehmen würden. 1949 verabschiedeten die Vereinigten Staaten ein völlig neues Exportkontrollgesetz, den Export Control Act (ECA). Darin erklärten sie ausdrücklich den Außenhandel zu einem Element der US Außen- und Sicherheitspolitik.
„... es [ist] die Politik der Vereinigten Staaten, ihre wirtschaftlichen Ressourcen und Vorteile im Handel mit kommunistisch beherrschten Staaten zu nutzen, um die Nationale Sicherheit und die außenpolitischen Ziele der Vereinigten Staaten zu fördern.“5
Dieses Gesetz enthielt auch schon die Absicht einer Koordinierung der Embargopolitik mit Westeuropa. Die USA nutzten die Beratungsorgane der OEEC (gegründet am 16. April 1948) um die Koordinierung schnell zu erreichen. Die OEEC bot sich aber aus verschiedenen Gründen nicht für den Aufbau eines Ostembargos auf internationaler Ebene an. Zum einen waren in ihr auch neutrale Staaten vertreten, zum anderen wurde sie als zu wichtig erachtet, um sie mit handelsfeindlichen Aufgaben zu betrauen. Daher wurde 19506 das „Coordinating Committee on East-West Trade Policy“ (CoCom) gegründet.
Den Höhepunkt erreichte die amerikanische Embargopolitik 1951, als am 26. Oktober der „Mutual Defense Assistance Control Act“ (Battle Act7 ) von Präsident Truman unterzeichnet wurde. Darin wurde beschlossen, daß die Vereinigten Staaten die Wirtschaftshilfe an diejenigen Staaten einstellen, die sich nicht an die Exportbeschränkungen halten. Dieser „Battle Act“ wurde erst im Jahr 1979 vom „Export Administration Act of 1979“ aufgehoben.
2. Gründung der CoCom
Bereits am 22. November 1949 hatte man sich auf die Gründung zentraler Koordinierungsorgane und gemeinsame Embargolisten geeinigt, die am 1. Januar 1950 in Kraft treten sollten. Die Koordinierungsorgane waren die „Coordinating Group“ (CG) und das „Coordinating Committee“ (CoCom), welche ihren Sitz in Paris hatten. Zu den sieben Gründungsstaaten - Belgien, Großbritannien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande und die USA - kamen noch im selben Jahr fünf weitere Staaten - Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Kanada, Norwegen und Portugal - hinzu. In den darauffolgenden Jahren traten dann auch Japan, Griechenland, Türkei und Spanien der CoCom bei, so daß alle NATO- Staaten (außer Island) Mitglieder der CoCom waren8. Über bilaterale Verträge gelang es den Vereinigten Staaten sogar Entwicklungsländer und neutrale Staaten wie die Schweiz in das Embargo einzubeziehen, so daß sich zeitweise 58 Staaten daran beteiligten9.
2.1 Aufbau der CoCom
Dem Coordinating Committee on East-West Trade Policy lag kein völkerrechtlicher Vertrag zugrunde, sondern es handelte sich vielmehr um ein gentlemen`s agreement zwischen den beteiligten Staaten. Diese verpflichteten sich allerdings, die in der CoCom vereinbarten Handelsbeschränkungen in nationales Recht umzuwandeln, um so eine Kontrolle zu ermöglichen. Wie dies im einzelnen ausgesehen hat, ist leider nicht geklärt. Wie der Name schon sagt, handelte es sich um ein Komitee Delegierter, welche aus den Außenministerien der jeweiligen Mitgliedstaaten kamen. Im allgemeinen waren die Delegierten Teil der OECD Delegation ihres Landes, oder sie gehörten zum Personal der Botschaft in Paris10.
Institutionell setzte sich die CoCom aus der Coordinating Group (CG) und dem Coordinating Committee for Multilateral Export Controls zusammen.
Die Coordinating Group war das politische Organ und setzte sich aus Vertretern im Ministerrang oder deren Stellvertreter zusammen. Jedes teilnehmende Land war Mitglied der CG. Es tagte „unregelmäßig und selten“11 und legte die Richtlinien der Embargopolitik fest. Das Coordinating Committee war das Ausführungsorgan, welches sich aus Diplomaten aller Teilnehmerländer sowie technischen Experten zusammensetzte. Seine Aufgaben waren es, die Güterlisten zu erstellen und zu ändern, sowie die Kontrollsysteme zu koordinieren und zu überwachen.
Der rechtliche Status dieser Institutionen ist nicht eindeutig geklärt. Offiziell wurden sie als informelle, beratende Organe definiert, in denen aber strikt das Einstimmigkeitsprinzip galt. Die rechtliche Bindung an die Entscheidungen der CoCom erfolgte über bilaterale Verträge innerhalb des Marshall-Plans zwischen den Vereinigten Staaten und den hilfeempfangenden Ländern12. Dies änderte sich aber zu Gunsten der CG, welche immer mehr Entscheidungsgewalt bekam. Dies ist daran zu erkennen, daß die Embargolisten auf Beschlüsse der Coordinating Group zurückgingen. Die CoCom-Listen waren nicht unverbindlich, sondern stellten das Minimum an Handelskontrolle der Teilnehmerländer dar.
Jede Erweiterung mußte übernommen werden. Es fehlten jedoch nationale Verfahren für eine Umsetzung dieser internationalen Beschlüsse, woran man auch die Entscheidungsgewalt der CG erkennen kann.
3. Entwicklung der CoCom
Die Entwicklung der CoCom lässt sich wohl am besten anhand des Umfangs der CoCom- Listen aufzeigen. Dazu ist es nötig, zuerst etwas Allgemeines zu diesen Listen zu sagen. Die Amerikaner hatten bereits 1948 zwei Kontrollisten13. Diese unterschieden in Güter primärer strategischer Bedeutung (1A) und in Güter sekundärer strategischer Bedeutung (1B). In der CoCom gab es hingegen drei Listen: Liste I, für die ein totales Exportverbot galt, Liste II für Güter die quantitativ beschränkt waren und Liste III deren Ausfuhr lediglich überwacht wurde. Auf Liste I fanden sich beispielsweise Waffen, Munition und Atomenergietechnik. Die Liste I der CoCom entsprach weitgehend der amerikanischen Liste 1A, war jedoch nicht so umfangreich (Liste II entsprach der Liste 1B)14.
Schwierigkeiten bereitet es noch heute, den Umfang der Listen festzustellen. Zwei grundlegende Probleme sind hierbei zu beobachten: erstens waren die Listen geheim, zweitens wurden auf diesen Listen nicht einzelne Güter aufgelistet, sondern ganze Gütergruppen.
Die CoCom- „Geschichte“ kann in sechs Abschnitte eingeteilt werden15.
3.1 1950 - 1954: Phase der Entstehung
In dieser Zeit existierten die umfangreichsten CoCom-Listen. Die Zahl der Güter, die mit einem Exportverbot belegt waren, stieg von ca. 100 auf über 450 im Jahr 1954. Als Hauptgrund hierfür wird der Ausbruch des Koreakrieges im Juni 1950 und die damit verbundene Angst möglicher aggressiver Handlungen des Ostblocks gegen Westeuropa gesehen. In dieser Situation waren die Westeuropäer durchaus gewillt, den von den USA vorgeschlagenen Erweiterungen der CoCom-Listen, bzw. deren Anpassung an die amerikanischen Listen zuzustimmen. Die Verabschiedung des Battle-Act 1951 und die damit verbundene Drohung, die Wirtschaftshilfen im Rahmen des Marshall-Plans zu stoppen, wird die amerikanische Position in der CoCom zusätzlich gestärkt haben.
3.2 1954 - 1969: Reduzierung der Listen
Das Ende des Koreakrieges16 und der Tod Stalins am 5. März 1953 veranlaßten den Westen, die sehr strengen Handelsrestriktionen zu überdenken. Vor allem lag es im Interesse der europäischen CoCom-Mitglieder, die Listen zu kürzen. Die amerikanische Position wurde dann auch noch weiter geschwächt, als Dänemark, Frankreich und andere Länder Güter, welche auf den CoCom-Listen standen, an den Ostblock lieferten und die von den USA angedrohten Folgen ausblieben. Der Druck der Westeuropäer, die Listen zu ändern, wurde immer größer, und so trafen sich im April 1954 Außenminister der USA, Englands und Frankreichs zu Verhandlungen. Dieses Verhandlungsergebnis wurde zur Grundlage der Arbeit in der CoCom17. Die Verhandlungen in der CoCom dauerten vom 27. April bis zum 17. Juni 195418. Am 16. August 1954 traten die neuen Listen in Kraft, welche radikal von 450 Gütern19 auf 250 gekürzt waren. In der Folgezeit gab es erneut Verhandlungen über Kürzungen der Embargolisten. Hierbei kam es vermutlich zu heftigen Diskussionen zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten, vor allem wohl zwischen europäischen Staaten und den USA. Die Listen wurden aber bis 1969 weiter auf etwas über 160 Güter reduziert.
3.3 1969 - 1979: Phase der Entspannung
In dieser Zeit behielten die Embargolisten der CoCom einen stabilen Umfang auf niedrigen Niveau. Es gab aber einen starken Anstieg an Ausnahmegenehmigungen zu beobachten. Das Bemerkenswerteste in diesem Zeitraum ist, daß der amerikanische Export Control Act von 1949 durch den Export Administration Act of 1969 ersetzt wurde. In diesem wurden zwar die Grundsätze des Embargos nicht aufgegeben, er beinhaltete aber als Ziel eine Ausdehnung des Handels. Der Unterschied liegt also im Wesentlichen darin, daß ein Ausfuhrverbot im Export Administration Act of 1969 zur Ausnahme wurde, während es im Export Control Act of 1949 noch die Regel war20. Außerdem glichen die Vereinigten Staaten ihre nationalen Kontrollisten denen der CoCom an. Insgesamt war eine Entspannung der Ost-West- Beziehungen nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene zu beobachten.
3.4 1980 - 1985: Die Rückkehr zum Kalten Krieg
Die politische und wirtschaftliche Entspannung, die zwischen Ost und West zwischen 1969 und 1979 zu erkennen war, fand ein jähes Ende mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan 1979, was den ersten Einsatz sowjetischer Truppen außerhalb des Gebietes des Warschauer Pakts seit 1945 darstellte. Auch die Unterdrückung der „Solidarität“- Bewegung in Polen 1980 zeigte dem Westen, daß aus der Sowjetunion kein freundlicher „Partner“ geworden war. Zusätzlich wurde das Fortschreiten der Konfrontation mit dem Osten durch die Wahl konservativer Regierungen in den USA, Großbritannien und Deutschland21 noch begünstigt.
Die CoCom-Mitglieder sahen daher die Notwendigkeit, die Exportbestimmungen wieder zu verschärfen. Es gab jedoch Unterschiede in den Vorstellungen, wie die Beschränkungen verschärft werden sollten. Die „Alliierten“, (allen voran Westdeutschland) vertraten eine Politik der „higher fences around smaller lists“22, während die Amerikaner „higher fences around longer lists“23 anstrebten. Nach Beenden einer drei Jahre langen Überprüfung der CoCom- Listen kam es 1984 endlich zu einem Kompromiss. Dabei wurden zugunsten der Vertreter der „short lists“ zum Beispiel Homecomputer von den Listen genommen und für die „long lists“- Vertreter wurde ein zeitweiliges Exportverbot für Telekommunikationstechnik verhängt.
3.5 1986- 1990: Zeit der Annäherung
Mit dem Auftreten von Michail Gorbatschow in der sowjetischen Regierung 1985, entstand erneut eine Annäherung des Ostens an den Westen, und eine Zeit der Entspannung. Die zwei Stichwörter, die in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielten, waren „Perestroika“ und „Glasnost“. So kam es in dieser Zeit zu Abrüstungsgesprächen zwischen der UdSSR und den USA, wobei die Sowjetunion sogar auf Vorschläge der Amerikaner einging und sie nicht - wie bisher - kategorisch ablehnte. Die UdSSR lockerte auch ihre Gesetzgebung um ausländische Investitionen zu erleichtern, was hauptsächlich die europäischen Konzerne mit Interesse beobachteten.
Wieder kam es zu Spannungen zwischen den westeuropäischen Mitgliedsstaaten und den Vereinigten Staaten um die Länge der CoCom-Listen. Die Europäer wollten ihren Handel mit dem Ostblock ausbauen, wurden von den Amerikanern durch deren Veto in der CoCom aber daran gehindert24. Während der späten 80er Jahre wurden die Alliierten unzufrieden mit den Exportkontrollen der USA. Die Westdeutschen zum Beispiel wollten, daß die einzelnen Staaten die Exporte aus ihrem Land selbst kontrollieren können; Großbritannien widersetzte sich dem Versuch der Vereinigten Staaten, die CoCom-Listen um Verarbeitungs-„know- how“ zu erweitern25. Das hieß jedoch nicht, daß die Notwendigkeit des Embargos in Frage gestellt wurde. Selbst die Industrie stand offensichtlich hinter den Exportkontrollen. So schrieb zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Industrie noch 1988 an seine Mitglieder: „Die deutsche Industrie hat seit jeher den sicherheitspolitischen Primat bejaht.“26
3.6 1990 - 1994: Ende des Kalten Kriegs und Auflösung der CoCom
Der andauernde Reformationsprozess in den Ostblockstaaten bestärkte die Westeuropäer in ihrem Bestreben die CoCom-Listen zu kürzen. 1989 gab es eine französisch-deutsche Initiative mit dem Ziel, die Liste für Maschinenteile zu modernisieren. Die Amerikaner jedoch zogen sich plötzlich aus dieser Initiative zurück und behinderten diese sogar27. Präsident Bush persönlich besuchte die Regierungen der Mitgliedsstaaten im Frühjahr 1989, um für eine strengere Exportkontrolle zu „werben“. Die Alliierten drohten jedoch damit, die CoCom zu verlassen, wenn die USA nicht aufhören, sich der Reduzierung der Listen in den Weg zu stellen28. Die Vereinigen Staaten reagierten darauf, indem sie eine gewisse Kompromissbereitschaft zeigten. So schlugen sie im Februar 1990 vor, daß die Listen für Polen und Ungarn reduziert werden könnten. Eine Reduzierung für andere Ostblockstaaten sowie die UdSSR selbst, sahen sie aber noch nicht vor. Die europäischen CoCom-Mitglieder sahen diese Politik mit gemischten Gefühlen. Während Westdeutschland den Amerikanern zustimmte, standen andere Mitgliedsstaaten der Sache eher skeptisch gegenüber. Vor allem die Umsetzung dieser „Unterscheidungspolitik“ in die Praxis war ein Grund für diese Skepsis.
Ein weiteres Entgegenkommen der USA war die Streichung von medizinischen Geräten und manchen Computern von den Listen. Gleichzeitig versuchten sie jedoch, die Kontrollen für hoch entwickelte Technologien ( z.B. Supercomputer) zu verschärfen. Die USA näherten sich der europäischen „high fences / short lists“ Position an29.
Mit dem Zusammenbruch der DDR und den Unabhängigkeitserklärungen verschiedener Staaten der Sowjetunion brach das Feindbild im Osten langsam aber sicher in sich zusammen. Für die Westmächte wurde es nun interessant, den Handel mit diesen Staaten anzukurbeln bzw. zu beginnen, anstatt ihn zu unterdrücken. Die USA und die Alliierten sahen ein, daß die Listen reduziert werden mußten, um eine stabile Wirtschaft in den neu entstandenen und entstehenden Staaten zu etablieren.
Nach der Invasion des Iraks in Kuwait im August 1990 und dem daraus resultierenden Golfkrieg wurde von der Bush Administration vorgeschlagen, die CoCom Kontrollen auf „terroristische“ Staaten wie Irak, Libyen oder Syrien auszudehnen. Die CoCom mußte sich an die neue Situation in der Welt anpassen. Die Entwicklung in den ehemaligen Ostblockstaaten und die Gefahr militärischer Technologie in der Hand von Dritte Welt Ländern wie dem Irak machte deutlich, daß effektive Kontrollen nur in Zusammenarbeit mit den Ländern des ehemaligen Ostblocks möglich sind. Der damalige deutsche Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann sagte im Mai 1991, daß die Aussichten der CoCom überholt seien30. Im April 1994 schließlich wurde die CoCom aufgelöst. Am 30 März 1994 gab das Weiße Haus bekannt:
„The members of COCOM have agreed to end the Cold War regime effective tomorrow. The end of the Cold War and the desintegration of the Soviet Union and the Warsaw Pact led us and our allies to the view that COCOM`s strategic rationale was no longer tenable.“31
Auch der „Export Administration Annual Report for 1994“ gibt das Ende der CoCom bekannt: „As a result of [the] end of the Cold War, it was agreed by all COCOM-members that COCOM should cease to exist after March 31, 1994“32.
Eric H. Noehrenberg schreibt: „While COCOM was officially dissolved on April 1, 1994, nothing took its place“33. Diese Behauptung war zu der Zeit, als sein Buch erschien, vermutlich noch richtig, doch ist heute bekannt, daß es durchaus eine Nachfolgeorganisation der CoCom gibt. Das sogenannte „Wassenaar-Arrangement on Export Controls for Conventional Arms and Dual Use Goods and Technologies“ (Wassenaar-Arrangement) trat im September 1996 unter der Beteiligung von 33 Staaten in Kraft34. Dieses Abkommen hat zum Hauptgegenstand die Koordinierung von Embargos gegen „terroristische“ Länder (z.B. Irak). Welche Staaten am Wassenaar - Arrangement beteiligt sind, ist nicht sicher festzulegen. Als gesichert gilt nur, daß sich auch Staaten des ehemaligen Ostblocks daran beteiligen. Wie weit diesem Arrangement ein völkerrechtlicher Vertrag zugrunde liegt, und ob auch weitere Staaten über bilaterale Abkommen darin eingebunden sind, muß an dieser Stelle offen bleiben. Vermutlich unterliegen die Entscheidungen hier derselben Geheimhaltung, wie jene Beschlüsse, die in der CoCom gefasst wurden35
4. Schluss
Betrachtet man die Gründungsgeschichte und die Entwicklung der CoCom, läßt sich der amerikanische Einfluss nicht verbergen. Die Länge der Listen hing eng mit dem amerikanisch-sowjetischen Verhältnis zusammen, und die Gründung der CoCom selbst wäre ohne die amerikanische „Vorarbeit“ nicht zustande gekommen. Aber auch die europäischen Mitglieder setzten ihre Vorstellungen durch. Während zum Beispiel die Amerikaner auch einen offenen Handelskrieg geführt hätten, waren die Europäer sehr an der Geheimhaltung der CoCom- Beschlüsse aus Sorge vor innenpolitischen Problemen interessiert. Die Tatsache, daß der CoCom kein Vertrag zugrunde lag und ihre Beschlüsse trotzdem von allen akzeptiert wurden, läßt darauf schließen, daß die Notwendigkeit einer solchen Organisation von keinem der Mitgliedsstaaten in Frage gestellt wurde. Die Meinungsverschiedenheiten um die Länge der Listen sind durch wirtschaftliche Interessen der einzelnen Länder zu erklären und auch als solche zu verstehen. Sie sind kein Ausdruck einer generellen Ablehnung der Exportkontrollen oder einer Abneigung gegenüber der CoCom.
Wie effektiv die CoCom wirklich war und welches Ausmaß das Boykott auf die westliche Wirtschaft bzw. die Entwicklung der Sowjetunion und ihrer Verbündeten hatte, bleibt weiter ungewiß. Im allgemeinen kann die CoCom als die Ausweitung des Kalten Krieges auf den wirtschaftlichen Sektor gesehen werden.
Literaturverzeichnis:
Efinger, Manfred. Rittberger, Volker. Zürn Michael. Internationale Regime in den Ost-West- Beziehungen (Frankfurt a. M.: Haag + Herchen Verlag, 1988).
Hasse, Rolf. Theorie und Politik des Embargos (Köln: 1973).
Jacobsen, Hanns-Dieter. Die Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen als deutsch-amerikanisches Problem (Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1986).
Kreile, Michael. Osthandel und Ostpolitik (Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1978). Mastanduno, Michael. „The Management of Alliance Export Control Policy: American Leadership and the Politics of COCOM“, in: Bertsch, Gary K., ed., Controlling East-West Trade and Technology Transfer. Power, Politics and Policies (Durham: Duke University Press, 1988).
Mastanduno, Michael. Economic Containment. CoCom and the Politics of East-West Trade (Ithaca: Cornell University Press,1992).
Noehrenberg, Eric H. Multilateral Export Controls and International Regime Theory: The Effectiveness of COCOM (Sinzheim: Pro Universitate Verlag, 1995). Stent, Angela. From Embargo to Ostpolitik. The Political Economy of West German-Soviet Relations, 1955 - 1980 (London: Cambridge University Press, 1981)
http://www.reformparty.org/cox/export.html
http://www.nsi.org/Library/Export/exb.txt
http://www.time.com/time/daily/special/newschina/cox/export/pg2.html http://dosfan.lib.uic.edu/ERC/arms/defense_news/DTNv5n02.html
[...]
1 Rolf Hasse, Theorie und Politik des Embargos (Köln, 1973), 153.
2 Zitiert nach Hasse, Theorie und Politik des Embargos, 154.
3 Ausgenommen Güter mit einem Wert unter $100, oder Waren welche schon auf der Reise waren.
4 Hanns-Dieter Jacobsen, Die Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen als deutsch-amerikanisches Problem (BadenBaden: Nomos,1986),60.
5 Michael Zürn, Geschäft und Sicherheit. Das CoCom-Regime und Theorien über Kooperation in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen, in: Tübinger Arbeitspapiere zur internationalen Friedensforschung Nr. 9 (Tübingen: 1989), 4.
6 Hanns-Dieter Jacobsen datiert die Gründung auf den 22. November 1949 (Die Ost- West-Wirtschaftsbeziehungen, 62). Ich halte mich in dieser Arbeit an Rolf Hasse und Michael Zürn, welche 1950 als Gründungsdatum nehmen. z.B. Rolf Hasse Theorie und Politik des Embargos, 201.
7 Nach dem Kongreßabgeordneten Laurie C. Battle aus Alabama, der ihn eingebracht hat. Rolf Hasse , Theorie und Politik des Embargos, 177.
8 Rolf Hasse, Theorie und Politik des Embargos, 201.
9 Michael Zürn, Geschäft und Sicherheit.
10 Eric H. Noehrenberg, Multilateral Export Controls and International Regime Theorie: The Effectiveness of COCOM, (Sinzheim: Pro Universitate Verlag, 1995), 48.
11 Rolf Hasse, Theorie und Politik des Embargos, 236.
12 ebd., 238.
13 Michael Zürn, Geschäft und Sicherheit.
14 Rolf Hasse, Theorie und Politik des Embargos, 239.
15 Andere Einteilungen sind durchaus möglich. So sind es bei Eric H. Noehrenberg, Multilateral Export Controls, 64 ff. zehn verschieden Abschnitte.
16 Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens von Panmunjon am 26. März 1953. Vgl. Michael Kreile, Osthandel und Ostpolitik, (Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1978), 42.
17 Vgl. Rolf Hasse, Theorie und Politik des Embargos, 263 f.
18 ebd. 264.
19 450 Güter bei Rolf Hasse, 474 bei Michael Zürn.
20 Rolf Hasse, Theorie und Politik des Embargos, 274.
21 Reagan, Thatcher, Kohl.
22 Eric H. Noehrenberg, Multilateral Export Controls, 73.
23 Ebd., 73.
24 Eric H. Noehrenberg, Multilateral Export Controls, 76.
25 Ebd., 76f.
26 Michael Zürn, Geschäft und Sicherheit, 5.
27 Eric H. Noehrenberg, Multilateral Export Controls,77.
28 Eric H. Noehrenberg, Multilateral Export Controls, 77.
29 Ebd. 78 f.
30 vgl. ebd., 83.
31 US Department of State Defense Trade News Volume 5, Number 2, April 1994. http://dosfan.lib.uic.edu/ERC/arms/defense_news/DTNv5n02.html.
32 http://www.time.com/time/daily/special/newschina/cox/export/pg2.html
33 Eric H. Noehrenberg, Multilateral Export Controls, 90.
34 http://www.time.com/time/daily/special/newschina/cox/export/pg2.html
35 vgl. Eric H. Noehrenberg, Multilateral Export Controls, 49.
- Arbeit zitieren
- Dirk Ruff (Autor:in), 2000, Die CoCom (coordinating committee on East-West Trade Policy), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100752
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