Diese Arbeit handelt von den Auswirkungen einer Drogensucht von Eltern auf die Entwicklung ihrer Kinder. Es wird primär auf die Auswirkungen in Bezug auf die Bindung und die Mentalisierungsfähigkeit eingegangen.
In Deutschland leben etwa 3 Millionen Kinder, die mit mindestens einem abhängigen Elternteil aufwachsen, das bedeutet, dass etwa jedes vierte bis fünfte Kind davon betroffen ist. Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass es insgesamt um keine gesellschaftliche Randgruppe geht, sondern um eine Gruppe von Kindern, die ein erhöhtes Risiko in ihrer Entwicklung aufzeigen
Die genauen Zahlen von Kindern, die in Familien leben, in denen eine Abhängigkeit von illegalen Drogen existiert und/oder diese substituiert werden, sind nicht bekannt. Laut Schätzungen haben etwa 40 000 bis 60 000 Kinder ein Elternpaar, das illegale Drogen konsumiert. Nicht jedes Kind, das mit drogenabhängigen Eltern aufwächst, wird zwangsläufig selbst als erwachsene Person abhängig. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass hierfür ein sechsfach erhöhtes Risiko im Vergleich zu gesunden Eltern besteht.
Des Weiteren wird vermutet, dass eine unsichere Bindung ein Risikofaktor für eine Abhängigkeit ist. Das heißt nicht, dass der Drogenmissbrauch immer auf eine instabile Beziehung in der Kindheit zurückzuführen ist oder dass Kinder mit einer sicheren Bindung in keine Drogenabhängigkeit verfallen können. Jedoch wurde festgestellt, dass eine intakte Beziehung zu etwa einem Drittel eine niedrigere Gefährdung für eine Abhängigkeit darstellt.
Hieran zeigt sich, dass ein Großteil der Schülerinnen und Schüler (SuS) mit Förderbedarf ein desorganisiertes Bindungsmuster aufweist. Dies führt möglicherweise zu Bindungsstörungen. Basierend auf diesen Daten kann versucht werden, Bindungsstörungen der SuS bspw. durch eine entsprechende Unterstützung zu vermeiden. Anhand der Vielzahl von Kindern mit drogenabhängigen Eltern wird die Relevanz der Thematik deutlich.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
I EINLEITUNG
1. PROBLEMSTELLUNG
2. ZIEL DER ARBEIT
3. AUFBAU DER ARBEIT
II theoretischer TEIL
1. DROGEN UND ABHÄNGIGKEIT
1.1 Illegale Drogen
1.1.1 Betäubungsmittelgesetz
1.1.2 Substitution
1.2 Sucht und Abhängigkeit
1.2.1 Sucht
1.2.2 Abhängigkeit
1.3 Ursachen einer Drogenabhängigkeit
2. Familienbeziehungen
2.1 Definition von Familie
2.2 Rechtliche Aspekte
2.2.1 UN-Kinderrechtskonvention
2.2.2 Grundgesetz
2.2.3 Bürgerliches Gesetzbuch
2.2.4 Achtes Buch Sozialgesetzbuch
3. Bindungsentwicklung
3.1 Grundannahmen des bindungstheoretischen Konzepts
3.2 Definition von Bindung
3.3 Feinfühligkeit und Qualität von Bindung
3.4 Primäre Bezugsperson
3.5 Innere Arbeitsmodelle
3.6 Sichere Bindung als Schutzfaktor
3.7 Bindungstypen
3.7.1 Unsicher-vermeidender Bindungstyp
3.7.2 Sichere Bindung
3.7.3 Unsicher-ambivalenter Bindungstyp
3.7.4 Unsicher-desorganisierter Bindungstyp
3.8 Bindung und Drogenabhängigkeit
3.9 Mentalisierung
3.9.1 Entwicklung der Mentalisierungsfähigkeit
3.9.2 Mentalisierungsfähigkeit bei Drogenabhängigen
4. SCHWANGERSCHAFT UND DROGEN
4.1 Pränatale Bindung zwischen drogenabhängiger Mutter und Kind
4.2 Geburt
4.3 Postnatale Situation der Neugeborenen
5. AUSWIRKUNGEN AUF KINDER VON DROGENABHÄNGIGEN
5.1 Bindungsstörungen
5.1.1 Bindungsstörung nach Klassifikationssystemen
5.1.2 Bindungsstörung nach Brisch
5.2 Auswirkungen des elterlichen Drogenkonsums auf das Lernen
6. RESILIENZ UND SCHUTZFAKTOREN
6.1 Definition von Resilienz
6.2 Risiko- und Schutzfaktoren
6.2.1 Risikokonzept
6.2.1.1 Vulnerabilität
6.2.1.2 Risikofaktoren
6.2.2 Schutzfaktorenkonzept
6.2.3 Zusammenspiel von Risiko- und Schutzfaktoren
6.2.4 Challenge-Modell nach Wolin und Wolin
7. PRÄVENTION
7.1 Definition von Prävention
7.2 PRÄVENTIONSMAßNAHMEN IN DER SCHULE
7.2.1 Präventive Maßnahmen in Schulen in Rheinland-Pfalz
7.2.2 Lehrkraft als Bindungsperson
7.2.3 Förderung von Rollenbildern durch die Lehrkraft
7.2.4 Sprechen über die elterliche Drogenabhängigkeit
7.3 Präventionsprogramm für die Eltern - SAFE-Programm
8. INTERVENTION
8.1 Definition von Intervention
8.2 Aufgaben der Hilfesysteme
8.2.1 Hilfen für drogenabhängige Familien
8.2.1.1 Kinderschutzorganisationen
8.2.1.2 Jugendhilfe
8.2.1.3 Inobhutnahme und Fremdplatzierung
8.2.2 Verfahren zum Verbleib bei den Eltern
III SCHLUSSTEIL
1. ZUSAMMENFASSUNG
2. AUSBLICK
IV LITERATURVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I Einleitung
l. Problemstellung
„Sucht im Elternhaus bedeutet für viele Kinder eine extreme Belastung: Dauerstress, Verunsicherung und Scham bestimmen ihren Alltag. All das bleibt nicht ohne Folgen“ (Ludwig 2020, zit. n. Horn u. a. 2020, 34). In Deutschland leben etwa 3 Millionen Kinder, die mit mindestens einem abhängigen Elternteil aufwachsen, das bedeutet, dass etwa jedes vierte bis fünfte Kind davon betroffen ist. Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass es insgesamt um keine gesellschaftliche Randgruppe geht, sondern um eine Gruppe von Kindern, die ein erhöhtes Risiko in ihrer Entwicklung aufzeigen (vgl. Horn u. a. 2020, 34). „Besonders gefährdet, später eine eigene Suchterkrankung oder andere psychische Erkrankungen zu entwickeln, sind die Kinder suchtkranker Eltern: Schätzungen zufolge entwickelt jedes dritte von ihnen später eine eigene Suchterkrankung, ein weiteres Drittel eine andere psychische Erkrankung“ (Horn u. a. 2020, 34). Die genauen Zahlen von Kindern, die in Familien leben, in denen eine Abhängigkeit von illegalen Drogen existiert und/oder diese substituiert werden, sind nicht bekannt. Laut Schätzungen haben etwa 40 000 bis 60 000 Kinder ein Elternpaar, das illegale Drogen konsumiert (vgl. ebd.). Nicht jedes Kind, das mit drogenabhängigen Eltern aufwächst, wird zwangsläufig selbst als erwachsene Person abhängig. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass hierfür ein sechsfach erhöhtes Risiko im Vergleich zu gesunden Eltern besteht (vgl. Mielke/Gutknecht 2018, 1). Des Weiteren wird vermutet, dass eine unsichere Bindung ein Risikofaktor für eine Abhängigkeit ist. Das heißt nicht, dass der Drogenmissbrauch immer auf eine instabile Beziehung in der Kindheit zurückzuführen ist oder dass Kinder mit einer sicheren Bindung in keine Drogenabhängigkeit verfallen können. Jedoch wurde festgestellt, dass eine intakte Beziehung zu etwa einem Drittel eine niedrigere Gefährdung für eine Abhängigkeit darstellt (vgl. Flores 2013, 14-17). „In Sonderschulen für Kinder mit Förderbedürfnissen im emotionalen und sozialen Bereich sowie im Lernen liegt der Prozentsatz der Desorganisation bei bis zu 85 %“ (Julius 2014, 7). Hieran zeigt sich, dass ein Großteil der Schülerinnen und Schüler (SuS) mit Förderbedarf ein desorganisiertes Bindungsmuster aufweist. Dies führt möglicherweise zu Bindungsstörungen. Basierend auf diesen Daten kann versucht werden, Bindungsstörungen der SuS bspw. durch eine entsprechende Unterstützung zu vermeiden (vgl. ebd., 8). Anhand der Vielzahl von Kindern mit drogenabhängigen Eltern wird die Relevanz der Thematik deutlich.
2. Ziel der Arbeit
Die vorliegende Masterarbeit umfasst die Auswirkungen des illegalen Drogenkonsums von Eltern auf die Entwicklung ihrer Kinder. Dabei werden die illegalen Drogen spezialisiert und den Fokus auf die Bindung gelegt. Im Speziellen soll untersucht werden, ob der Drogenkonsum der Eltern einen Einfluss auf die Bindung zwischen diesen und dem Kind hat. Ziel dieser Arbeit ist es, die folgende Frage zu beantworten: Wirkt sich der elterliche Drogenkonsum auf die Entwicklung der Kinder aus, insbesondere auf die Bindung? Die aufgestellte Forschungsfrage soll mithilfe von unterschiedlichen Literaturrecherchen so detailliert wie möglich belegt werden. Die Thesis ist eine Literaturarbeit, diese Art der Arbeit wurde genau deshalb gewählt, da aufgrund der aktuellen Lage (COVID-19) bspw. keine, bzw. nur unter bestimmten Maßnahmen, Interviews geführt werden können. Außerdem ist es schwierig für dieses Thema empirisch zu forschen, da man zuerst Kinder, die aus drogenabhängigen Familien stammen, identifizieren muss und dann auf deren Mitarbeit angewiesen ist.
3. Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Masterarbeit ist wie folgt aufgebaut: Das erste Kapitel umfasst insbesondere Begriffserklärungen. Hierbei soll primär auf illegale Drogen Bezug genommen werden. Auch soll auf das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eingegangen werden, unter das die illegalen Drogen fallen. Daraufhin soll der Begriff ,Substitution definiert werden, weil diese Therapiemaßnahme bei vielen Drogenabhängigen durchgeführt wird, um den unkontrollierten Substanzmissbrauch zu reduzieren. Im Anschluss werden die Begriffe ,Sucht‘ und ,Abhängigkeit sowie die Ursachen einer Sucht betrachtet.
Das zweite Kapitel bezieht sich auf die Familie. Dafür werden zuerst alle rechtlichen Aspekte aufgegriffen, die diese betreffen. Vor diesem Hintergrund sind v. a. die United-Nations- Kinderrechtskonvention (UN-KRK), das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sowie insbesondere die Kindeswohlgefährdung (KWG) und ihre Formen bedeutsam.
Danach folgen im dritten Kapitel die Grundlagen der Bindungstheorie nach Bowlby. Hier wird auch auf die Feinfühligkeit gemäß Ainsworth sowie insgesamt auf die vier verschiedenen Bindungstypen Bezug genommen. Des Weiteren wird auf die Entwicklung der Mentalisierungsfähigkeit eingegangen und wie sich diese bei Drogenabhängigen verhält. Ein zentraler Teil dieses Kapitels ist der Zusammenhang zwischen einer unsicheren Bindung und einer Drogenabhängigkeit, der beschrieben werden soll.
Das vierte Kapitel beinhaltet allgemein eine Beschäftigung mit Schwangerschaft und Drogenkonsum. Hierbei werden die Auswirkungen von Drogen in der Schwangerschaft betrachtet, insbesondere auf die pränatale Bindung und die postnatale Situation der Neugeborenen.
Das anschließende fünfte Kapitel umfasst die Auswirkungen des elterlichen Drogenkonsums auf die Kindesentwicklung. An dieser Stelle wird primär auf Bindungsstörungen eingegangen, da in der vorliegenden Masterarbeit eine bindungstheoretische Untersuchung erfolgt. Jedoch werden auch die Effekte auf das Lernen beleuchtet.
Das nächste Kapitel bezieht sich auf die Resilienz und Schutzfaktoren. Hierfür soll zuerst der Begriff ,Resilienz‘ geklärt werden und ein Bezug zur Kauai-Längsschnittstudie hergestellt werden. Danach wird auf Risiko- sowie Schutzfaktoren eingegangen, weil für die Entwicklung von Resilienzen angemessene Belastungssituationen benötigt werden, um passende Bewältigungsstrategien zu erlernen. Abschließend liegt der Fokus auf den Schutzfaktoren nach Wolin und Wolin.
Das siebte Kapitel umfasst präventive Maßnahmen in der Schule, wobei zuerst der Begriff ,Prävention‘ sowie dessen drei Formen definiert werden. Daraufhin werden die präventiven Maßnahmen in der Schule erklärt. Essenziell ist hierbei, dass die SuS eine Bindung zur Lehrkraft aufbauen; wie dies funktioniert, wird mithilfe des CARE-Programms nach Julius beschrieben. Auch wird die Förderung verschiedener Rollenmuster der Kinder beleuchtet und wie die Lehrkraft die Eltern auf eine Abhängigkeit ansprechen kann. Des Weiteren wird das SAFE-Programm nach Brisch erläutert.
Im letzten Kapitel des Theorieteils wird zunächst der Begriff der Intervention definiert. Danach wird auf die Aufgaben im Rahmen von Hilfesystemen eingegangen. Im weiteren Verlauf werden Unterstützungen für drogenabhängige Familien und Verfahren zur Unterstützung von Kindern mit drogensüchtigen Eltern dargestellt.
Zuletzt erfolgt eine Diskussion der bedeutsamsten Ergebnisse unter Bezugnahme auf die Fragestellung. Abschließend wird ein Ausblick für angehende Lehrkräfte sowie auf den Ausbau der Hilfen für Kinder gegeben.
II Theoretischer Teil
1. Drogen und Abhängigkeit
In diesem Kapitel erfolgt eine Auseinandersetzung mit den Begriffen illegale Drogen, BtMG, Substitution sowie Sucht und Abhängigkeit. Diese werden definiert und genauer beschrieben.
1.1 Illegale Drogen
Mit dem Begriff ,Drogen‘ wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jede Substanz definiert, die einen direkten Einfluss auf das Zentralnervensystem (ZNS) hat und bei Einnahme einen als negativ erlebten Zustand mindert oder diesen verschwinden lässt. Auch kann sie ein individuell als positiv bewertetes Empfinden herbeiführen. In dieser Definition ist eine Bandbreite illegaler und legaler Substanzen eingeschlossen, z. B. Kokain, Heroin, Alkohol und Tabak. Diese verändern das Bewusstsein durch ihre Wirkung im ZNS auf anregende, entspannende, dämpfende und stimmungsaufhellende Weise (vgl. Wilms 2005, 19). Es wird demnach zwischen zwei verschiedenen Arten von Drogen unterschieden: den legalen und den illegalen. Erstere wie Alkohol, Nikotin und verschreibungspflichtige Medikamente können auch eine Abhängigkeit hervorrufen. Bei den legalen Suchtmitteln ist zu beachten, dass eine gesetzlich vorgeschriebene Einschränkung aufgrund des Jugendschutz- sowie des Arzneimittelgesetzes und des BtMG besteht. Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind jedoch nur illegale Drogen, insbesondere Opiate, Heroin und Methamphetamin.
Die sog. illegalen psychotropen Substanzen, die auch als Drogen bezeichnet werden, sind Substanzen, die in Deutschland verboten sind. Erwerb, Weitergabe, Verkauf und Herstellung dieser wird nach dem BtMG bestraft. Ausschließlich der Konsum ist legal. Wegen der fehlenden Herstellungskontrolle, aber auch wegen des Kontakts zur illegalen ,Szene‘, sind für Drogenabhängige nicht nur die Gesetzeswidrigkeit, sondern auch die damit schwerwiegenden Folgen verbunden. Insgesamt werden unter illegalen Drogen Substanzen verstanden, die kaum kontrollierbar sind und dauerhaft auf die Persönlichkeitsstruktur von Menschen einwirken (vgl. Behrend u. a. 2015, 14f). Die am häufigsten konsumierte Droge ist Crystal Meth, die überwiegend von Jugendlichen sowie Erwachsenen eingenommen wird. Jedoch konsumieren auch immer mehr junge Schwangere diese Substanz (vgl. Brisch 2015, 7).
Die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen ist durch politische, ökonomische sowie ideologische Interessen begründet. Im Allgemeinen kann festgehalten werden, dass illegale und legale Drogen keinen Rückschluss auf die Gefährlichkeit bzw. die Gesundheitsschädlichkeit für Menschen erlauben. Denn auch legale Drogen können für die Konsumierenden riskant sein (vgl. Behrendt u. a. 2015, 15).
1.1.1 Betäubungsmittelgesetz
Im BtMG sind die rechtlichen Regelungen für den Besitz, den Erwerb, die Herstellung und den Umgang mit Betäubungsmitteln definiert. Auch die daraus folgenden möglichen Strafen sind erläutert. Dieses Gesetz ist v. a. für Kinder drogenabhängiger Eltern notwendig, da Letztere wegen der Abhängigkeit von illegalen Drogen gegen das BtMG verstoßen. Deswegen ist es essenziell, die Konsequenzen dieser Straftaten darzulegen, die sich z. B. aus dem Besitz von Rauschmitteln ergeben. Denn sie werden nicht nur von den Eltern getragen, sondern auch von den Kindern, weil bspw. ein Gefängnisaufenthalt und damit eine Abwesenheit der Eltern nicht auszuschließen sind. Laut § 30a. Abs. 1 BtMG muss eine Person mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren rechnen, wenn sie „Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben [sic!] einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder in sonstiger Weise verschafft“ (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1). Ein Strafmaß in derselben Höhe ist zu erwarten, wenn eine minderjährige Person dazu veranlasst wird, in § 30a Abs. 1 Nr. 1 definierte Straftaten zu begehen. Hierbei wird deutlich, dass nicht nur die Einnahme, sondern auch die Herstellung sowie die Weitergabe von Betäubungsmitteln strafbar sind. Konsumiert also ein Elternteil Drogen und handelt es mit diesen, ist immer das Kind das Opfer. Denn Letzteres wird im Extremfall den Eltern entzogen und kann dadurch keine geregelte Eltern-Kind-Bindung erfahren (vgl. Mielke/Gutknecht 2012, 3).
1.1.2 Substitution
Allgemein ist mit der Substitution von Drogenabhängigen, insbesondere von Opiatabhängigen, eine medizinische Therapie gemeint. Bei dieser wird ihnen ein Substitut, also ein Ersatzmedikament, ärztlich verabreicht. Opiate sind psychotrope Substanzen, die aus dem Milchsaft des Schlafmohns gewonnen werden. Nach dem BtMG führt die Substitution dazu, dass die Risiken einer Opiatabhängigkeit während und nach der Schwangerschaft verringert werden. Aufgrund dessen ist sie auch schon ab dem ersten Trimenon sinnvoll. Ziel der Substitution ist es, dass der unkontrollierte Substanzmissbrauch reduziert sowie das Ersatzmedikament ärztlich überwacht wird. Deshalb soll die physische, die psychische und die soziale Stabilisierung der Patientin durch den Wegfall von Beschaffungskriminalität sowie Drogenmissbrauch und durch die Verringerung einer Infektionsgefahr erreicht werden. Während der Schwangerschaft können folgende Substitutionsmittel zur Anwendung kommen:
Methadon-Razemat, Levomethadon und Buprenorphin (vgl. Huber/Seelbach-Göbel 2014, 89). Substitute wie Methadon sind synthetische Opiate, mit denen sich Entzugserscheinungen und das sog. Craving, ein intensives Verlangen nach der Substanz, umgehen lassen, wenn sie oral eingenommen werden. Hierbei kommt es zu keinen Rauscherscheinungen und die betroffene Person bleibt sowohl ansprechbar als auch arbeitsfähig. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sie nicht rückfällig wird oder zusätzlich keine andere Substanz konsumiert. Gelingt es ihr jedoch, langfristig nur das Substitut einzunehmen, wird die Dosierung schrittweise reduziert, sodass auch das Substitut abgesetzt werden kann. Diese Zeitspanne erstreckt sich aber über mehrere Jahre (vgl. Bühringer u. a. 1995, 6f).
1.2 Sucht und Abhängigkeit
Die Wörter ,Sucht‘ und ,Abhängigkeit‘ werden im allgemeinsprachlichen Gebrauch synonym verwendet. Dies ist jedoch nicht sinnvoll - sie werden wissenschaftlich voneinander abgegrenzt. Hurrelmann definiert den Unterschied folgendermaßen: Unter dem Begriff ,Sucht‘ wird ein Prozess verstanden, der von der Gewöhnung bis zum unkontrollierten Zwang führt; der Begriff ,Abhängigkeit‘ wird als Bezeichnung für den krankhaften Endzustand dieses Prozesses verwendet (vgl. Hurrelmann 1997, 16). Nachfolgend sollen beide Begriffe differenziert dargestellt werden.
1.2.1 Sucht
Unter dem Begriff ,Sucht‘ wird nach der WHO der exzessive Wunsch verstanden, auf die Psyche einwirkende Substanzen zu konsumieren, gepaart mit der reduzierten Fertigkeit, die Einnahme zu kontrollieren (vgl. Cierpka2012, 326). Hurrelmann definiert Sucht als ein Streben nach einem bestimmten Gefühlszustand, der nicht auf ein bestimmtes Mittel begrenzt ist. Hierbei kann es auch zu Beschaffungskriminalität kommen, da der Suchtstoff zum zentralen Lebenspunkt wird und die betroffene Person auf jede erdenkliche Weise versucht, an die Droge zu gelangen (vgl. Hurrelmann 1997, 16ff.).
Es gibt zwei verschiedene Arten von Sucht: die stoffgebundene und die stoffungebundene. Erstere bezieht sich auf eine bestimmte Substanz, die entweder legal oder illegal ist, z. B. Heroin oder Kokain. Hierbei hat die drogenabhängige Person keinerlei Kontrolle über das eigene Handeln. Bei der stoffungebundenen Sucht entstehen bestimmte Verhaltensweisen, ohne den Drang zu haben, eine Substanz zu konsumieren, bspw. bei der Kaufsucht, der Glücksspielsucht oder bei Essstörungen (vgl. Barth 2011, 36). Sucht ist eine chronische Krankheit, die von einem Arzt diagnostiziert und behandelt bzw. therapiert werden muss (vgl. Behrend u. a. 2015, 16). Der Begriff ,Sucht‘ wird nicht im Sinne der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) sowie dem Diagnostischen und statistischen Manual psychischer Störungen (DSM-IV) verwendet, da sich die Klassifikationsschemata auf eine Abhängigkeit beziehen.
1.2.2 Abhängigkeit
Abhängigkeit bezieht sich immer auf eine bestimmte Substanz wie Heroin. Sie zeigt sich, wenn beim Absetzen oder beim Vermindern der Substanzmenge Entzugserscheinungen auftreten. Letztere können für eine Person ein solches Ausmaß annehmen, dass diese alle Möglichkeiten in Betracht zieht, um diesen Zustand zu verändern bzw. zu beenden (vgl. Behrend u. a. 2015, 17).
Es kann zwischen zwei Arten von Abhängigkeit unterschieden werden: der physischen sowie der psychischen. Bei ersterer hat sich der Körper an die Droge gewöhnt, wodurch eine physische Toleranz gegenüber dieser entstanden ist. Aufgrund dieser Gewöhnung wird die Dosis der Droge gesteigert, da die abhängige Person nach einer gewissen Zeit nicht mehr dazu in der Lage ist, mit der ursprünglichen Menge den gewünschten bzw. denselben Effekt zu erreichen wie zu Beginn des Konsums. Es kommt daher, sofern die Zufuhr der Droge gestoppt oder verringert wird, zu körperlichen Entzugserscheinungen. Diese können sich unterschiedlich äußern und werden von Betroffenen als schmerzhaft oder quälend erlebt, bspw. in Form von Durchfallerkrankungen, Schweißausbrüchen oder Muskelschmerzen.
Daneben kann der eigene Wille bei der psychischen Abhängigkeit nicht mehr kontrolliert werden, weil das Verlangen nach der Droge größer sind. Der Lebensinhalt der abhängigen Person ist demnach auf den Konsum der illegalen psychotropen Substanz ausgelegt, deren Einnahme ein Wohlgefühl hervorruft. Die Substanz erzeugt einen Rauschzustand, wirkt aufputschend und die Konsumierenden verlieren die Fähigkeit, sich realistisch und bewusst zu entscheiden. Die psychische Abhängigkeit ist schwer zu überwinden. Hierbei kann es auch zu Entzugserscheinungen wie depressiven Verstimmungen, Nervosität und Angstzuständen kommen. Diese werden von der abhängigen Person durch eine weitere Zufuhr der Droge bekämpft (vgl. Hurrelmann 1997, 16t'.).
Da die WHO den Begriff ,Sucht‘ aufgrund stoffgebundener Süchte durch den Begriff , Abhängigkeit ersetzt hat, wird in der vorliegenden Masterarbeit letzterer verwendet. Denn das Wort ,Sucht‘ wird nur noch in der Umgangssprache gebraucht (vgl. Barth 2001, 34).
1.3 Ursachen einer Drogenabhängigkeit
Eine Abhängigkeit lässt sich nicht auf eine Ursache zurückführen, sondern ihr liegt ein komplexes Gefüge individuell unterschiedlicher Faktoren zugrunde. Der Drogenkonsum kann als Bewältigungsversuch von Lebensumständen beschrieben werden, bspw. um die Anforderungen des Alltags zu bewerkstelligen oder diese zu umgehen, um Gefühle zu verdrängen bzw. psychische Störungen erträglicher zu machen oder um Leere und Monotonie zu erdulden. Ein denkbarer Grund ist auch, dass negative Erlebnisse und Krisen nicht oder nicht angemessen verarbeitet werden können. Die Ursachen des Drogenkonsums liegen in einem multikausalen Geflecht von Persönlichkeit, Umwelt und Droge. Auf die Ursachen einer Drogenabhängigkeit wird in Kap. 3.8 genauer eingegangen (vgl. Behrend u. a. 2015, 8).
2. Familienbeziehungen
Dieses Kapitel bezieht sich auf die Familie sowie rechtliche Aspekte, die für Kinder drogenabhängiger Eltern relevant sind.
2.1 Definition von Familie
Für den Begriff ,Familie‘ gibt es keine einheitliche Definition. Mit diesem ist im Allgemeinen die sog. Klein- oder Kernfamilie gemeint. Hierbei wird insbesondere ein soziales System umschrieben, das sich über eine Lebensspanne hinweg verändert. Die Familie steht immer mit ihrer Umwelt in einem sozialen Zusammenhang. Auch haben die Familienmitglieder Kontakt zu anderen Systemen und zu gesellschaftlichen Institutionen, die der Familie Unterstützung bieten, z.B. das Jugendamt. Es gibt verschiedene Definitionen, bei denen der Begriff von unterschiedlichen Seiten beleuchtet wird. Bei den meisten spielen die Partnerschaft sowie die Elternschaft eine zentrale Rolle (vgl. Langmeyer 2015, 5f.).
In Bezug auf die Auffassung von Familie als intimes Beziehungssystem lassen sich vier Merkmale differenzieren: Abgrenzung, Privatheit, Dauerhaftigkeit sowie Nähe. Mithilfe dieser lässt sich die Familie als inniges beziehungsloses Gefüge von anderen, speziell sozialen Beziehungssystemen unterscheiden. Sofern sie als intimes Beziehungssystem definiert wird, entsteht das Problem, dass hierunter auch nicht familiäre Beziehungsformen fallen können, da die Definition breit gefasst ist. Schneewind stellt die Familie als ein System dar, das aus Subsystemen besteht und dynamisch ist, weil dieses sein Gleichgewicht nach Veränderungen wiederherstellen kann. Dessen Mitglieder beeinflussen sich wechselseitig und sind in andere Systeme eingebettet, die Einfluss aufeinander ausüben. Eine Abgrenzung ist notwendig, damit die eigene Identität erhalten bleibt und die Förderung einer angemessenen Binnenkommunikation möglich ist. So kann sich bspw. die Beziehungsebene der Eltern auf die Kindesentwicklung auswirken, da die Qualität der Eltembeziehung sowie jene der Eltern-Kind- Beziehung eng zusammenhängen (vgl. ebd., 17t'.).
2.2 Rechtliche Aspekte
In diesem Kapitel werden die rechtlichen Grundlagen beschrieben, die für Kinder aus drogenabhängigen Familien relevant sind. Es wird zuerst auf die UN-KRK, danach auf das GG und zuletzt auf das BGB eingegangen, dabei insbesondere auf die KWG sowie deren Formen. Am Schluss wird ein Blick auf das Achte Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) geworfen.
2.2.1 UN-Kinderrechtskonvention
In der UN-KRK sind die Rechte eines Kindes in der Theorie gesichert. Sie wurde am 20.11.1989 in der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und trat in Deutschland am 05.04.1992 in Kraft. Die Grundsätze machen über die vorrangige Elternverantwortung hinaus die Verpflichtung der Vertragsstaaten deutlich, positive Rahmenbedingungen für die Kinder- und Jugendentwicklung zu schaffen (vgl. Deutsches Komitee für UNICEF e. V. o.J., 5ff.). In Bezug auf die Rechte von Kindern drogenabhängiger Eltern bzw. auf jene, die für die betroffenen Kinder oft nicht gesichert erscheinen, sind Art. 9, 19, 27, 28 und 33 der Konvention zu berücksichtigen. Die entsprechenden Rechte sind in diesen Artikeln verständlich festgelegt, in der Realität bei drogenabhängigen Eltern jedoch nur teilweise zu gewährleisten.
Es ist gesetzlich festgeschrieben, dass ein Kind nicht gegen seinen Willen von seinen Eltern getrennt werden kann, sofern dies nicht für das Kindeswohl erforderlich ist und nicht richterlich beschlossen wurde (vgl. Art. 9 Abs. 1 UN-KRK). Mögliche Gründe für eine Trennung sind z. B. Misshandlung oder Vernachlässigung des Kindes durch die Eltern (vgl. ebd.). Darauf aufbauend sind in Art. 19 die Kinderrechte zum „Schutz vor Gewaltanwendungen, Misshandlung, Verwahrlosung“ (Art. 19 UN-KRK) dargelegt:
Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gefühlszuwendung, Schadenszuführung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Missbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut. (Art. 19 Abs. 1 UN- RKR)
Insbesondere der Schutz vor Verwahrlosung und Vernachlässigung sowie vor körperlicher und geistiger Misshandlung bei Kindern von Drogenabhängigen ist oft nicht sicherzustellen. Kinder und Jugendliche aus drogenabhängigen Familien erleben mehr psychische Gewalt als jene aus Familien, die keine Drogen konsumieren. Sie berichten drei- bis achtmal häufiger von einem gewalttätigen Elternteil (vgl. Zobel 2017, 43).
Des Weiteren sind die Artikel der UN-KRK in der Realität drogenabhängiger Eltern kaum haltbar, da ein Kind ein „Recht auf einen angemessenen Lebensstandard“ (Art. 27 UN-KRK) und ein „Recht auf Bildung“ (Art. 28 UN-KRK) hat. Aufgrund des Umstands, dass es den meisten Drogenabhängigen selbst kaum gelingt, ihr Leben eigenständig zu führen, z. B. im Rahmen eines strukturierten Tagesablaufs und geregelter Arbeitszeiten, ist es nicht vorstellbar, dass diese ihren Kindern Strukturen bieten können. In einer von Arnold und Steier durchgeführten Studie konnte festgestellt werden, dass ein hoher Prozentsatz von Kindern mit heroinabhängigen Eltern einen unorganisierten Alltag erleben (vgl. Scheib/Steier 1998, 14). Auch ist die Anzahl von Drogenabhängigen, die eine abgeschlossene Ausbildung nachweisen können, im Vergleich zur Normalbevölkerung gering. Aufgrund dessen können diese ihren Kindern oftmals nicht die Relevanz einer abgeschlossenen Ausbildung vermitteln (vgl. Klein 2003, 62).
2.2.2 Grundgesetz
Bei der Auseinandersetzung mit drogenabhängigen Eltern und deren Kindern sollten die rechtlichen Grundlagen des GG beachtet werden. In Deutschland herrscht ein elternlastiges Familienverhältnis, weshalb nur die Rechte der Eltern im GG rechtlich abgesichert sind. Jedoch finden sich vereinzelte Rechtsansprüche der Kinder im SGB VIII wieder, auf die in Kap. 2.2.4 eingegangen wird.
Primär sind Art. 2, 6, 20 und 28 für Kinder drogenabhängiger Eltern relevant, denn Art. 2 und 6 GG umfassen die Grundrechte jedes Menschen. Artikel 2 Abs. 2 GG bezieht sich auf die persönlichen Freiheitsrechte, wonach der Einzelne ein Recht auf körperliche Unversehrtheit hat und die Freiheit der Person unverletzlich ist. Das heißt, dass jedem Kind die Gewaltfreiheit gesetzlich zugesichert ist (vgl. Art. 2 Abs. 2 GG). Für drogenabhängige Eltern ist Art. 6 GG von Bedeutung, da sowohl die Ehe als auch die Familie unter dem Schutz der staatlichen Ordnung stehen (vgl. Art. 6 Abs. 1 GG) und jede Mutter einen Anspruch auf Schutz sowie Fürsorge hat (vgl. Art. 6 Abs. 4 GG). „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Bestätigung wacht die staatliche Gemeinschaft“ (Art. 6 Abs. 2 GG) - dieser Artikel bietet die rechtliche Grundlage für das sog. staatliche Wächteramt. Dieses beaufsichtigt in erster Linie durch die Jugendämter die Tätigkeit der Eltern (vgl. Klein, 2008, 364). Kommen die Eltern ihren Aufgaben nicht nach oder ist das Kindeswohl gefährdet bzw. wird das Kind vernachlässigt, kann dieses von den Eltern getrennt werden. Dies ist nur durch ein Gesetz möglich (vgl. Art. 6 Abs. 3 GG). Im Allgemeinen bedeutet dies, dass die Eltern zunächst die Pflicht haben, für ihre Kinder zu sorgen. Dies ist jedoch in Familien, in denen eine Abhängigkeit besteht, kaum möglich, da die Betroffenen v. a. mit sich selbst beschäftigt sind und oft nicht die Kompetenz besitzen, ihr Leben gewissenhaft zu führen (vgl. Stachowske 2009, 208).
2.2.3 Bürgerliches Gesetzbuch
In diesem Kapitel sollen die Paragrafen des BGB benannt werden, die für die Thematik elementar sind. Der Schwerpunkt liegt hier auf den Pflichten der Eltern, deren Verhalten und den rechtlichen Grundlagen bei einer KWG.
„Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig“ (§ 1618a BGB). Erstere haben dabei „die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge)“ (§ 1626 BGB). Zur Förderung des Kindeswohles gehört der Umgang mit beiden Eltern (vgl. § 1626 Abs. 3 BGB). Bei Kindern von Drogenabhängigen ist dies aufgrund wechselnder Partnerschaften, Inhaftierung, Entzug etc. oft nicht gegeben (vgl. Klein 2003, 362ff.).
Auch der „Inhalt und Grenzen der Personensorge“ (§ 1631 BGB) sind zu beachten: „Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen“ (§ 1631 Abs. 1 BGB). „Kinder [haben] ein Recht aufeine gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig“ (§ 1631 Abs. 2 BGB).
Der bedeutendste Paragraf des BGB für Kinder mit drogenabhängigen Eltern ist das Wohl des Kindes, das in § 1666 f. BGB niedergeschrieben ist. Dieser wird genauer betrachtet. Unter KWG wird jedes Verhalten verstanden, das sich negativ auf die Entwicklung eines Kindes bzw. eines Jugendlichen auswirkt. Hierbei ist ein solches gemeint, das sowohl psychisch als auch physisch die Gesundheit des Kindes bzw. des Jugendlichen gefährdet. Eine KWG ist eine nicht zufällige, gewaltsame psychische Beeinträchtigung oder Vernachlässigung eines Kindes durch die Eltern oder Dritte. Diese Personen stören, verletzen bzw. hemmen die Entwicklung oder bringen diese zu Tode. Unterschieden wird zwischen Vernachlässigung, körperlicher Misshandlung, seelischer Gewalt, sexuellem Missbrauch, häuslicher Gewalt sowie Erwachsenen- und Autonomiekonflikten, auf die im weiteren Verlauf eingegangen wird (vgl. Bathke/Bücken 2019, 5ff.).
Eine KWG i. S. v. § 1666 Abs. 1 BGB liegt dann vor, wenn eine Gefahr besteht, die die Entwicklung des Kindes einschränkt, und wenn eine Schädigung sowohl des geistigen als auch des körperlichen Wohls des Kindes mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dann kommt als gesetzliche Maßnahme der staatliche Schutzauftrag bei einer KWG zur Anwendung. Die Eltern sind dann dazu verpflichtet, die Gefahren von ihrem Kind abzuwenden. Es kommen in diesem Fall ebenfalls unterstützende Maßnahmen der Jugendhilfe in Betracht. Lehnen die Eltern diese jedoch ab oder sind sie nicht dazu in der Lage, auch mit Unterstützung der Jugendhilfe die Gefahr von ihrem Kind abzuwenden, hat das Familiengericht eine erforderliche Schutzmaßnahme zu treffen. Vor allem drogenabhängige Eltern haben oft Schwierigkeiten, die Leistungen der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen, obwohl ihre Kinder diese benötigen. Dieser Umstand basiert auf der Sorge, dass die Drogenabhängigkeit von Jugendamt als Indiz für eine KWG gewertet wird. Die verantwortungsbewusste Zusammenarbeit der Eltern mit dem Jugendamt und die freiwillige Inanspruchnahme von Erziehungshilfen sind eine optimale Voraussetzung, damit das Jugendamt einschätzen kann, ob in das Elternrecht eingreifende Maßnahmen erforderlich sind. Bei diesem Verfahren ist relevant, ob und wie sich die Eltern engagieren, um die Gefahren vom Kind abzuwenden, und ab welchem Punkt die Jugendhilfe es für notwendig hält, gegen deren Willen einzugreifen. Für alle Beteiligten ist es bedeutsam, dass die Jugendhilfe ihr Vorgehen und ihre fachlichen Einschätzungen so transparent wie möglich gestaltet (vgl. Mielke/Gutknecht 2012, 3).
Es gibt sieben verschiedene Erscheinungsformen der KWG:
- Körperliche Misshandlung: Der Begriff ,körperliche Misshandlung‘ bedeutet eine physische Gewalteinwirkung vonseiten der Eltern oder anderer Erwachsener auf ein Kind bzw. eine jugendliche Person. Darunter fallen alle gewaltsamen Handlungen wie Prügeln, Verbrühen und Verbrennen, die dem Kind physische Verletzungen zufügen. Auch Schläge mit der Hand, Festhalten, Würgen etc. sind körperliche Misshandlungen. Diese Erlebnisse sind oft mit psychischen Schäden verbunden. Häufig sind die Betroffenen Säuglinge. Als Extremfall der Kindesmisshandlung wird die Kindestötung bezeichnet, die meist nicht beabsichtigt, sondern im Zusammenhang mit einer Misshandlung geschieht (vgl. Cierpka 2012, 313). An diesen Ausführungen wird klar, dass die verschiedenen Formen der KWG nicht direkt voneinander zu trennen sind und in der Realität zusammen auftreten können (vgl. Bathke/Bücken 2019, 9f.).
- Psychische Misshandlung: Alle Handlungen, die zur Beeinträchtigung einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Bindungsperson und Kind führen sowie die geistig-seelische Entwicklung im hohen Maße behindern, werden psychische oder auch seelische bzw. psycho- emotionale Misshandlung genannt. Dem Kind wird vermittelt, dass es wertlos, fehlerhaft, ungeliebt, ungewollt etc. sei. Die psychische Misshandlung ist in der Praxis als eigenständige Form der KWG schwer festzustellen, da die Auswirkungen erst oft nach Jahren erkennbar sind. Zu diesen zählen Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten, aber auch somatische Erkrankungen wie Bauchschmerzen. Unter psychischer Kindesmisshandlung wird ebenfalls das wiederholte Erleben gravierender Formen von Partnergewalt in Familien verstanden (vgl. ebd., 10f.).
- Vernachlässigung: Mit Vernachlässigung wird eine andauernde oder wiederholte Unterlassung von Fürsorge durch die Eltern bzw. durch Betreuungspersonen beschrieben, die sicherstellen, dass das Kind psychisch sowie physisch versorgt ist. Aufgrund der Nichtberücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes wird dessen körperliche, geistige und seelische Entwicklung geschädigt oder beeinträchtigt. Dies kann zu bleibenden Schäden oder überdies zum Tod des Kindes führen. Vor allem für Säuglinge und Kleinkinder sind die Folgen der Vernachlässigung gravierender als für ältere Kinder. Es gibt verschiedene Arten der Vernachlässigung: Nichtbeachtung körperlicher Bedürfnisse, z. B. in Form von Unterernährung, eine mangelnde medizinische Versorgung, eine unzureichende oder unterlassene Beaufsichtigung sowie eine Vernachlässigung der emotionalen und der kognitiven Grundbedürfnisse (z. B. fehlt es an Wärme und Nähe oder kindliche Signale werden nicht wahrgenommen). Im schulischen Kontext kann bspw. auch der erzieherische Einfluss der Eltern auf einen unregelmäßigen Schulbesuch, ein Substanzgebrauch des Kindes oder ein umfassender Erziehungs- bzw. Förderbedarf auf eine Kindesvernachlässigung hinweisen. Es ist anzumerken, dass eine solche erst dann vorliegt, wenn über längere Zeit explizite Versorgungsleistungen materieller, emotionaler sowie kognitiver Art ausbleiben und die vernachlässigenden Personen die Eltern bzw. die Erziehungsberechtigten sind (vgl. ebd., 11ff.).
- Sexuelle Gewalt: Als sexuelle Gewalt wird jede sexuelle Handlung definiert, die an Kindern gegen deren Willen vorgenommen wird oder der wegen körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Schwächen nicht wissentlich zugestimmt werden kann. Dabei nutzen die Tatbegehenden ihre Macht- bzw. Autoritätsposition aus, um die eigenen Bedürfnisse zum Nachteil des Kindes zu befriedigen. Dies bezieht sich auf Minderjährige; bei Kindern unter 14 Jahren ist davon auszugehen, dass sie sexuellen Handlungen nicht zustimmen können. Bei Jugendlichen, die 14 Jahre oder älter sind, muss im Hinblick auf den individuellen Entwicklungsstand bewertet werden, ob die betroffene Person einer sexuellen Handlung zustimmen konnte und ob das Vertrauen, die Machtposition oder die Abhängigkeit ausgenutzt wurde (vgl. ebd., 13t'.).
- Häusliche Gewalt: Die häusliche Gewalt ist eine Form der körperlichen, der sexuellen sowie der psychischen Auseinandersetzung zwischen Erwachsenen, die in einer Partnerschaft sind oder waren. Bei der häuslichen Gewalt muss es sich jedoch nicht nur um körperliche Auseinandersetzungen handeln, sondern auch psychische Faktoren spielen eine Rolle, z. B. Drohungen und Verbote von Sozialkontakten. Diese Ausprägungen treten oft in Kombination auf. Das Kind wird wiederholt Zeuge gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen den Eltern. Folglich führt dies zu Gefühlen der Ohnmacht und der Hilflosigkeit. Zusätzlich kann das Kind wegen der Hilflosigkeit Schuldgefühle entwickeln sowie Angst und Überforderung erleben. Daraus folgen Symptome wie Unruhe, Aggressionen und sozialer Rückzug (vgl. ebd., 15f.).
- Erwachsenenkonflikte um das Kind: Das Kind ist einem andauernden Konflikt zwischen getrenntlebenden bzw. geschiedenen Eltern ausgesetzt, indem es z. B. als verbündete Person zu gewinnen versucht wird. Die gestörte Dialogfähigkeit der Eltern führt dazu, dass es in den Konflikt hineingezogen wird. Das Kind wünscht sich beide Elternteile zu lieben und zu beiden den Kontakt zu halten, wird jedoch unter Druck gesetzt, sich gegen einen Elternteil zu positionieren. Infolgedessen kann das Kind in seiner Entwicklung beeinträchtigt werden. Eine KWG wird dann angenommen, wenn ein Kind zum Streitobjekt gemacht und manipuliert wird, dabei die Interessen der Erwachsenen über dessen Wohl gestellt werden und die Beziehung zum Kind unbeachtet bleibt (vgl. ebd., 16).
- Autonomiekonflikte: Bei einem Autonomiekonflikt geht es darum, dass sich die Eltern nicht von dem heranwachsenden Kind lösen können. Dies resultiert aus unterschiedlichen Normvorstellungen auf beiden Seiten. Aufgrund der Adoleszenz trennen sich die meisten Jugendlichen von den Eltern, da sie eine eigene Identität entwickeln wollen, wenn dieser Ablösungskonflikt nicht gelingt, dann kommt es zu dem Autonomiekonflikt, der auch manchmal zu einem völligen familiären Bruch führen kann. Oft, aber nicht ausschließlich, stammen die Betroffenen aus Familien mit Migrationshintergrund, wobei unterschiedliche Auffassungen von Geschlechterrollen und damit verbundene Lebensentwürfe essenziell sind (vgl. ebd., 17).
2.2.4 Achtes Buch Sozialgesetzbuch
Im SGB VIII sind die rechtlichen Regelungen bezüglich der Kinder von Drogenabhängigen nicht verständlich formuliert, sie beziehen sich primär auf die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe.
Es ist in zehn Kapitel gegliedert, wobei die ersten fünf für das Thema bedeutsam sind. Das erste Kapitel umfasst „[allgemeine Vorschriften“ (§§1-10 SGB VIII), das zweite „Leistungen der Jugendhilfe“ (§§11-41 SGB VIII), das dritte „[a]ndere Aufgaben der Jugendhilfe“ (§§42-60 SGB VIII), das vierte den „Schutz von Sozialdaten“ (§§61-68 SGB VIII) und das fünfte „Träger der Jugendhilfe, Zusammenarbeit, Gesamtverantwortung“ (§§69-81 SGB VIII).
Im Hinblick auf die Leistungen und die Aufgaben sowie die rechtlichen Grundlagen der Jugendhilfe erfolgt eine Orientierung am Kindeswohl gemäß § 1 SGB VIII. In diesem Paragraf werden das Recht auf Erziehung der Kinder und die Verantwortung der Eltern hierbei bestimmt und beinhaltet die Jugendhilfe. „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ (§ 1 Abs. 1 SGB VIII).
Auch der „Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung“ (§ 8a SGB VIII) ist von Relevanz. Es ist rechtlich festgelegt, dass das Jugendamt, wenn eine KWG angenommen wird, das Risiko einer Gefährdung zusammen mit Fachkräften abschätzt. Dabei muss es die Sorgeberechtigten, die Kinder sowie die Jugendlichen einbeziehen und passende Hilfsmaßnahmen einführen bzw. auf deren Inanspruchnahme hinwirken. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, das Familiengericht anzurufen, wenn dies vom Jugendamt für notwendig gehalten wird (vgl. § 8a SGB). Sofern eine akute situationsabhängige Gefahr für das Kind besteht, ist das Jugendamt dazu verpflichtet, dieses in Obhut zu nehmen. In diesem Fall ist die Polizei zu benachrichtigen, wenn die Personensorgeberechtigten nicht mitwirken und ein sofortiges Eingriffen essenziell ist (vgl. § 8a SGB VIII). Darüber hinaus hat das betroffene Kinder den Rechtsanspruch, sich selbst an das Jugendamt zu wenden, auch ohne Wissen der Personensorgeberechtigen (vgl. § 8 SGB VIII).
Das Jugendamt ist nur dann dazu berechtigt, ein Kind in Obhut zu nehmen, wenn eine KWG besteht (vgl. § 42 SGB VIII). Ebenfalls hat es sich beim Eingriff in die elterliche Sorge zusätzlich nach § 1666 BGB zu richten. Das heißt im Zusammenhang mit dem SGB VIII Folgendes: Wenn „die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden (BGB) bzw. Hilfen zu Gewährleistung des Kindeswohls anzunehmen (SGB VIII), so hat das Familiengericht zur Abwendung der Gefahr die erforderlichen Maßnahmen zu treffen“ (§ 1666 Abs. 1 BGB).
Im zweiten Kapitel „Leistungen der Jugendhilfe“ werden alle Leistungen erläutert, die v. a. die Personensorgeberechtigten in Anspruch nehmen können. Diese umfassen außerdem Maßnahmen zum erzieherischen „Kinder- und Jugendschutz“ (§ 14 SGB VIII), zur „Förderung der Erziehung in der Familie“ (§ 16 SGB VIII), zur „Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung oder Scheidung“ (§ 17 SGB VIII) sowie zur „Betreuung und Versorgung von Kindern in Notsituationen“ (§ 20 SGB VIII). Hierbei sind Mütter und Väter leistungsberechtigt.
3. Bindungsentwicklung
Da das Thema der vorliegenden Masterarbeit v. a. bindungstheoretisch beleuchtet werden soll, erfolgt in diesem Kapitel eine Auseinandersetzung mit der Bindung sowie der Mentalisierung. Erstere ist für die kindliche Entwicklung bedeutsam, weshalb auf die Bindungstheorie nach Bowlby genauer eingegangen werden soll. Der Begriff der Bindung wird definiert und es wird die Feinfühligkeit der Mutter in Relation mit der Beziehung zum Kind betrachtet. Auch werden vier verschiedene Bindungstypen beschrieben. Danach soll der Zusammenhang zwischen einer unsicheren Bindung und einer Abhängigkeit beschrieben werden. Zuletzt wird die Mentalisierung definiert, die mit den Erkenntnissen zur Bindungstheorie verbunden ist. Insbesondere wird die Entwicklung der Mentalisierungsfähigkeit erläutert und wie sich diese im Falle von Drogenabhängigen verhält.
3.1 Grundannahmen des bindungstheoretischen Konzepts
Laut der Bindungstheorie des Kinderpsychiaters Bowlby und der Psychologin Ainsworth hat ein Säugling das angeborene Bedürfnis, in bindungsrelevanten Situationen die Nähe, die Zuwendung und den Schutz einer vertrauten Person zu suchen (vgl. Brisch 2008, 90). Nach Brisch ist die Bindungstheorie die am umfassendsten begründete Theorie über die psychische Entwicklung des Menschen (vgl. Brisch 2009, 35).
3.2 Definition von Bindung
Bindung bedeutet ein emotionales Band zu bestimmten Personen, die nicht ohne Weiteres auszutauschen sind und deren Nähe in Stresssituationen aufgesucht wird. Dies sind im Normalfall die Eltern. Das emotionale Band ergibt sich erst mit Verzögerung, da die Entstehung von Bindung an kognitive Voraussetzungen geknüpft ist, hierzu gehören bspw. Empathie, soziale Fähigkeiten etc. In der Bindungstheorie erfolgt eine Beschäftigung mit den existenziellen frühen Einflüssen und Erfahrungen, die sich auf die Entwicklung eines Kindes und dessen emotionale Erlebnisse beziehen. Somit werden die Entstehung sowie die Veränderung von Beziehungen und Empfindungen zwischen unterschiedlichen Individuen im Verlauf des Lebens erklärt. Bowlby versteht darunter die Bindungsqualität, die sich in den ersten Lebensmonaten zwischen dem Säugling und dessen Mutter als primäre Bindungsperson herausbildet und sich sowohl durch weitere Bindungsangebote als auch Erfahrungen in verschiedenen Beziehungen während des Lebens stetig wandeln kann. Die Bindung erstreckt sich nicht nur auf die frühe Mutter-Kind-Interaktion, sondern auf alle anderen Lebensabschnitte. Sie stellt somit während des kompletten Lebens die primäre emotionale Basis dar (vgl. Brisch 2009, 34).
3.3 Feinfühligkeit und Qualität von Bindung
Das Konzept der Feinfühligkeit, nach Mary Ainsworth, definiert Feinfühligkeit als das direkte, angemessene und zuverlässige Reagieren einer Bezugsperson auf die Signale eines Kindes verstanden. Ainsworth fand heraus, dass sich Säuglinge an diejenigen Personen binden, die ihre Bedürfnisse in einer feinfühligen Weise beantwortet haben. Das heißt, die Signale des Kindes müssen wahrgenommen und ohne Verzerrung durch eigene Bedürfnisse oder Wünsche richtig interpretiert werden. Auch sind die Bedürfnisse adäquat und unmittelbar sowie angepasst an das Alter des Kindes zu erwidern. Die Feinfühligkeit der Eltern bedingt die allgemeine ElternKind-Beziehung und die Qualität der Beziehung zu diesen. Reagiert die Bindungsperson feinfühlig auf das Kind, kann dieses Vertrauen in sie gewinnen und dadurch ein steigendes Sicherheitsgefühl beim Explorieren entwickeln. Auch kann auf diese Weise eine sichere Bindung aufgebaut werden. Sofern nicht oder nur unzureichend auf die Bedürfnisse in der Interaktion mit der Bindungsperson eingegangen wird, entsteht öfter eine unsichere Bindung (vgl. ebd., 43ff.).
Feinfühligkeit drogenabhängiger Mütter
Es finden sich vergleichsweise wenige Informationen über die Feinfühligkeit drogenabhängiger Mütter, da diese möglicherweise selten an Forschungen teilnehmen und so keine Erkenntnisse gewonnen werden können. In der Mannheimer Risikokinderstudie wird berichtet, dass organische und psychosoziale frühe Belastungen möglicherweise ungünstige Langzeitwirkungen auf Kinder in unterschiedlichen Zusammenhängen haben (vgl. Eickhorst u. a. 2010, 1127). Ist die Feinfühligkeit der Bindungsperson durch den Drogenkonsum beeinträchtigt, kann dies widersprüchliche Signale dieser bedingen. Somit wird der Aufbau einer stabilen emotionalen Bindung zwischen Kindern und Eltern bzw. Bindungspersonen erschwert. Dies führt zu einem Mangel an Zärtlichkeit und zu verzögerten Reaktionen auf kindliche Interaktionsversuche, z. B. beim Weinen. Die oftmals belastenden Erfahrungen aus der eigenen Kindheit drogenabhängiger Eltern haben deren Urvertrauen beeinträchtigt; auch deren Selbstwertgefühl und -wahrnehmungsfähigkeiten sind gestört. Neben Abwehrstrategien wie dem Drogenkonsum ist dies ein Grund, weshalb das Einfühlungsvermögen, aber auch die Fähigkeit, feinfühlig zu reagieren sowie emotionale Nähe und Geborgenheit herzustellen, eingeschränkt sind (vgl. Stachowske 2009, 232).
3.4 Primäre Bezugsperson
Ein Säugling bildet in den ersten Lebensjahren eine Hierarchie aus unterschiedlichen Bezugspersonen mit einer primären Bezugsperson. Das Bindungsverhalten wird nach Bowlby als angeborenes Instinktmuster definiert, das fundierte Reaktionssysteme wie Weinen, Lächeln und Anklammern beinhaltet (vgl. von Klitzing 2009, 7). Es wird durch Trennung von der Bindungsperson, aber auch durch das Erleben von Angst aktiviert. Dies zeigt sich v. a. darin, dass der Säugling nach der Bindungsperson sucht, weint, sich an dieser festklammert oder dieser hinterherläuft. Das Bindungsbedürfnis des Kindes wird durch die körperliche Nähe der Bindungsperson beruhigt. Ist die Hauptbindungsperson, meistens die Mutter, nicht erreichbar, werden sekundäre Bindungspersonen aufgesucht, bspw. der Vater und die Großmutter. Im Laufe der ersten Lebensjahre entwickelt der Säugling eine Reihenfolge von i. d. R. nicht mehr als drei bis vier Bindungspersonen, die wie eine Pyramide angeordnet sind. An der Spitze steht die Hauptbindungsperson, an die sich das Kind bei Angst und Gefahr als erstes wendet. Diese muss nicht unbedingt ein biologischer Elternteil sein, denn die Bindung zwischen Säugling und Bindungsperson entsteht durch feinfühlige Interaktionserfahrungen (vgl. Brisch 2008, 90).
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- Anonymous,, 2021, Elterliche Drogensucht und die Entwicklung der Kinder. Eine Darstellung der Auswirkungen und Konsequenzen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1007271
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