Auf der Liste der aktuellen gesundheitsbezogenen Herausforderungen der World Health Organization (WHO) wird neben Klimawandel, Ebola und HIV die Impfzögerlichkeit als eine der bedeutendsten Bedrohungen für die globale Gesundheit benannt. Besonders in Bezug auf Kinderimpfungen führen sinkende Immunisierungsraten zu vermehrten Neuinfektionen und verhindern damit die Ausrottung diesbezüglicher Krankheiten. Kinderimpfungen stellen sich im öffentlichen Diskurs, wie alle Themen der Sicherheit von Kindern, als ein emotional aufgeladenes Thema dar.
Die Analyse der Arzt-Eltern-Interaktionen, in der die Impfentscheidung ausgeführt wird, bzw. die Wechselwirkung der demografischen Merkmale der daran beteiligten Personen, bietet die Möglichkeit tieferer Einblicke in Impfentscheidungsprozesse zu erlangen. Daher setzt sich die Forschungsarbeit mit der Frage auseinander, wie Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Ärzten und Eltern einerseits die Impfentscheidung und andererseits das empfundene Sicherheitsgefühl mit der getroffenen Entscheidung beeinflussen. Die empfundene Sicherheit mit der getroffenen Entscheidung ist hierbei wichtig, um differenziertere Aussagen über die soziale Interaktion treffen zu können.
Die diskutierten Gründe für stagnierende oder rückläufige Impfquoten sind vielfältig. Bedeuten beispielsweise Kombinationsimpfstoffe höhere Effizienz für das Gesundheitssystem und die Familien deren Kinder geimpft werden, werden diese von Impfkritikern, aufgrund der höheren Wirkstoffmenge, als riskanter wahrgenommen. Neben der Meinungsbildung im Internet werden auch demografische und kulturelle Merkmale von Eltern sowie Eigenarten der Risikokommunikation im Rahmen medizinischer Forschung als Einflussfaktoren diskutiert. Impfungen werden in Deutschland alleinig von Ärzten durchgeführt, welche auch für die direkte Impfaufklärung im Patientengespräch verantwortlich sind. Dadurch spielen neben den Entscheidungsträgern selbst auch Spezifika des durchführenden medizinischen Personals und das Setting in dem die Impfaufklärung stattfindet von Fall zu Fall eine besondere Rolle bei der Impfentscheidung, was deren nähere Untersuchung, für den Blick auf Impfquoten, besonders lohnenswert macht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hintergrund
2.1 Die Arzt-Eltern-Interaktion vor dem Hintergrund der Homophilie
2.2 Homophilie und soziale Distanz in Bezug auf Bildung, Alter und Geschlecht
3. Methodik
3.1 Das Studiendesign: Faktorieller Survey/Vignettenanalyse
3.1.1 Fragebogenvorstellung und -konstruktion
3.1.2 Die Vignettenebene
3.1.3 Die Personenebene
3.1.4 Datenerhebung
3.1.5 Datenaufbereitung, Umkodierung und Deskription der Variablen
3.2 Statistische Modellierung
3.2.1 Das multinominale logistische Regressionsmodell für die AV: Impfentscheidung
3.2.2 Das lineare Regressionsmodell für die AV: Impfsicherheit
4. Ergebnisse
4.1 Deskriptive Ergebnisse auf Personenebene
4.2 Deskriptive Ergebnisse auf Vignettenebene
4.3 Induktive Ergebnisdaten für die abhängige Variable Impfentscheidung
4.4 Induktive Ergebnisdaten für die abhängige Variable Impfsicherheit
5. Diskussion
5.1 Interpretation der Ergebnisse
5.2 Limitationen der Lehrforschungsarbeit und Fehlerreflexion
5.3 Ausblick und Fazit
Literatur
Anhang
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Die Vignettendimensionen und ihre Ausprägungen
Tabelle 2: Der Prozess des Vignettendesign
Tabelle 3: Die Soziodemografischen Daten der Befragten
Tabelle 4: Die deskriptiven Ergebnisse auf Personenebene
Tabelle 5: Die deskriptiven Ergebnisse auf Vignettenebene
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Multivariate induktive Ergebnisdaten für die MMR Impfentscheidung.
Abbildung 2: Multivariate induktive Ergebnisdaten für die MMRV Impfentscheidung.
Abbildung 3: Multivariate induktive Ergebnisdaten für die Impfsicherheit.
1. Einleitung
Auf der Liste der aktuellen gesundheitsbezogenen Herausforderungen der World Health Organization (WHO) wird neben Klimawandel, Ebola und HIV die Impfzögerlichkeit als eine der bedeutendsten Bedrohungen für die globale Gesundheit benannt1. Besonders in Bezug auf Kinderimpfungen führen sinkende Immunisierungsraten zu vermehrten Neuinfektionen und verhindern damit die Ausrottung diesbezüglicher Krankheiten. Im Fokus der öffentlichen Diskussion stehen dabei oftmals die Masern stellvertretend für durch Kinderimpfungen verhinderbare Krankheiten. So wird im Bundesministerium für Gesundheit derzeit die Möglichkeit einer zukünftigen Impfpflicht gegen Masern diskutiert2 und Masernfälle sowie deren Komplikationen finden größere mediale Beachtung, als die von vergleichbaren meldepflichtigen Infektionskrankheiten3. Kinderimpfungen stellen sich im öffentlichen Diskurs, wie alle Themen der Sicherheit von Kindern, als ein emotional aufgeladenes Thema dar.
Die zur Masern-Elimination notwendige Impfquote von 95% wird in Deutschland nur für die erste Masernimpfung erreicht. Dagegen stagniert die Impfquote für die zweite Impfung zunehmend, wobei 2017 nur 92,6% der Kinder bei der Schuleingangsuntersuchung ausreichend immunisiert waren (Robert Koch-Institut 2019, 150). Besonders Menschen mit Vorerkrankungen, die eine Immunisierung verhindern sowie Neugeborene stehen bei geringen Impfquoten, aufgrund fragiler Herdenimmunität, unter erhöhtem Risiko. Da die Masernimpfung nahezu ausschließlich als Teil eines Kombinationsimpfpräparates gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) angewendet wird, gibt es keine nennenswerten Unterschiede zu den Impfquoten von Mumps und Röteln (Robert Koch-Institut 2019, 150). Seit 2009 wird von der Ständigen Impfkommission des Robert Koch-Instituts (STIKO) zusätzlich zu MMR die ebenfalls zweistufige Varizellenimpfung (MMRV) empfohlen. 2017 hatten deutschlandweit 87,3% der Kinder die erste Varizellenimpfung und 83,7% die zweite Impfung erhalten. Die Impfquoten bleiben dabei nicht nur weit unter dem 95%-Ziel, sondern sanken im Vergleich zum Jahr 2004 um 0,5, beziehungsweis 0,6 Prozentpunkte (Robert Koch-Institut 2019, 150).
Die diskutierten Gründe für stagnierende oder rückläufige Impfquoten sind vielfältig. Bedeuten beispielsweise Kombinationsimpfstoffe höhere Effizienz für das Gesundheitssystem und die Familien deren Kinder geimpft werden, werden diese von Impfkritikern/-innen, aufgrund der höheren Wirkstoffmenge, als riskanter wahrgenommen4. Neben der Meinungsbildung im Internet, werden auch demografische und kulturelle Merkmale von Eltern sowie Eigenarten der Risikokommunikation im Rahmen medizinischer Forschung als Einflussfaktoren diskutiert. Impfungen werden in Deutschland alleinig von Ärzten/-innen durchgeführt, welche auch für die direkte Impfaufklärung im Patientengespräch verantwortlich sind. Dadurch spielen neben den Entscheidungsträgern selbst auch Spezifika des durchführenden medizinischen Personals und das Setting in dem die Impfaufklärung stattfindet von Fall zu Fall eine besondere Rolle bei der Impfentscheidung (Kriwy 2007, 55ff.), was deren nähere Untersuchung, für den Blick auf Impfquoten, besonders lohnenswert macht.
Die Analyse der Arzt-Eltern-Interaktionen, in der die Impfentscheidung ausgeführt wird, beziehungsweise die Wechselwirkung der demografischen Merkmale der daran beteiligten Personen, bietet die Möglichkeit tieferer Einblicke in Impfentscheidungsprozesse zu erlangen. Daher setzt sich die Lehrforschungsarbeit mit der Frage auseinander, wie Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Ärzten/-innen und Eltern einerseits die Impfentscheidung und andererseits das empfundene Sicherheitsgefühl mit der getroffenen Entscheidung beeinflussen. Die empfundene Sicherheit mit der getroffenen Entscheidung ist hierbei wichtig, um differenziertere Aussagen über die soziale Interaktion treffen zu können.
Im Rahmen des von 2018 bis 2019 im Masterstudiengang Public Health der TU Chemnitz durchgeführten Lehrforschungsprojekts wurde daher ein faktorielles Survey als Befragungsmodus ausgewählt, geplant, ausgeführt und ausgewertet. Mit Hilfe eines Vignettendesigns sollten im Rahmen dieses Berichts Merkmalsunterschiede und -gemeinsamkeiten von Arzt/Ärztin und Elternteil in einem experimentellen Ansatz getestet werden. Beziehen andere Berichte des Projekts Verbindungen zwischen Personenmerkmalen und Vignetten ein, wurde sich für die hier bearbeitete Forschungsfrage auf die Vignettenebene bezogen. Mit Blick auf die aktuelle Forschungsliteratur waren für die Untersuchung das Verhältnis von Alter, Bildung und Geschlecht von behandelnden Ärzten/-innen und Elternteilen von besonderem Interesse. Die im nächsten Kapitel näher dargestellten sechs Hypothesen beziehen sich daher gesondert auf die genannten Merkmalsunterschiede, beziehungsweise -gemeinsamkeiten und deren Einfluss auf jeweils die Impfentscheidung selbst, sowie das Sicherheitsempfinden bei der getroffenen Entscheidung. Zu diesem Zweck wurde ein multinominales logistisches Regressionsmodell für die Einflussfaktoren auf die Impfentscheidung, sowie eine lineare Regression zur Analyse der Einflüsse auf die Sicherheit mit der Impfentscheidung gerechnet.
Im Folgenden werden die theoretischen Vorüberlegungen und Begriffsbestimmungen sowie die Methodik näher erläutert. Weiter werden die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt und diskutiert, um abschließend gesondert auf die Limitationen der Lehrforschungsarbeit einzugehen.
2. Hintergrund
In Ländern ohne gesetzlicher Regulation bezüglich des Impfens kann eine hohe Impfquote nur durch ausreichend viele freiwillige Entscheidungen von Eltern zur Impfung ihrer Kinder erreicht werden (Kriwy 2012, 333). Daraus folgt, dass Impfquoten sich als die Summe von Elternentscheidungen für oder gegen das Impfen ihrer Kinder verstehen lassen (Kriwy 2007, 16). Durch den Fokus auf Parameter des Entscheidungsprozesses ermöglicht dieser Zugang die Betrachtung des Phänomens auf der Mikroebene, ohne die Auswirkungen auf der Makroebene aus dem Blick zu verlieren. Dabei steht im Rahmen dieses Berichts die Untersuchung der Beziehung demographischer Merkmale der Teilnehmenden innerhalb der Arzt-Eltern-Interaktionen und deren Einfluss auf das Impfverhalten im Fokus.
Impfverhalten gliedert sich für die Lehrforschungsarbeit in die zu treffende Entscheidung und dem direkt damit verbundenen Sicherheitsgefühl. Die Frage nach der empfundenen Sicherheit zielt hierbei auf Risikowahrnehmung ab, da bei sinkender Inzidenz von impfpräventablen Krankheiten die Wahrnehmung für mögliche negative Auswirkungen von Impfungen selbst steigt (Chen und Hibbs 1998, 445f.). So vertreten impfkritische Eltern vergleichsweise häufig die Meinung, dass sie zum Wohle der Gesellschaft dem Druck ausgesetzt werden die Gesundheit ihrer eigenen Kinder gefährden zu müssen (Brown et al. 2010, 4235f.). Weiter sind auch bei Eltern, deren Kinder planmäßig immunisiert wurden impfbezogen risikoüberschätzende Einstellungen und Überzeugungen in nicht geringem Maß zu finden (Gust et al. 2004, 20f.). Unsicherheit kann, unabhängig vom Ergebnis der Entscheidung, etwa auf interpersoneller Ebene durch die Interaktion mit dem sozialen Umfeld und dem Gesundheitssystem entstehen (Favin et al. 2012, 230f.), oder auf intrapersoneller Ebene etwa aus religiösen Überzeugungen (Smith, Louise E. et al. 2017, 6060).
Im Rahmen des Interaktionsprozesses zwischen Arzt und Patient wird die Bedeutung des Impfens ausgehandelt (Kriwy 2007, 17). Diese Bedeutung ist sowohl handlungsleitend für die Impfentscheidung als auch Ausgangspunkt für die subjektiv wahrgenommene Sicherheit mit der Entscheidung. Die Untersuchung der Sicherheit im Entscheidungsprozess lässt Aussagen über die Arzt-Patienten-Interkation zu, welche über die individuelle Entscheidung hinaus gehen. Weiter ist besonders im Rahmen des experimentellen Designs die Untersuchung des affektiven Bestandteils des Impfverhaltens wichtig, um ein vollständiges Bild der Entscheidung zu erreichen. Da es sich im Befragungsmodus, wie in Kapitel 3 näher beleuchtet, um simulierte Entscheidungen handelt, ist die Untersuchung einer affektiven Entscheidungskomponente vor dem Hintergrund emotional geführter öffentlicher Diskurse besonders lohnend. Damit kann für die Analyse ein Informationsgewinn erzielt werden, der Interpretationen über die Entscheidungsergebnisse hinaus zulässt.
Weiter wurde, mit Blick auf den Entscheidungsprozess, in den berechneten statistischen Modellen zwischen keiner Impfung, MMR- und MMRV-Impfung unterschieden, um durch die Einführung einer dritten Entscheidungsmöglichkeit tieferreichende Aussagen zu ermöglichen. Während die Empfehlungen der STIKO seit 20095 eine zweistufige Immunisierung gegen Varizellen beinhalten6, entsteht Impfzögerlichkeit vermehrt bei Neueinführungen von Impfstoffen in den Impfplan7. Die Impfung gegen eine zusätzliche Infektionskrankheit im Rahmen von Kombinationsimpfstoffen bestärkt die Sorge von impfkritisch eingestellten Personen, dass die vergrößerte Menge des Wirkstoffes schädliche Effekte haben könnte (Smith, Louise E. et al. 2017, 6059ff.). Ist die Entscheidung für die MMR-Impfung also eine Entscheidung für das Impfen, wird hierbei nicht der volle Umfang des Impfplans umgesetzt. Bei Verzicht auf die MMRV-Impfung kann davon ausgegangen werden, dass Ressentiments, wie etwa Sicherheitsbedenken, eine Rolle im Entscheidungsprozess gespielt haben, welche nicht gegenüber dem MMR-Kombinationspräparat galten. Damit gliedert sich der Entscheidungsspielraum in der Studie auf eine Option gegen das Impfen und zwei Abstufungen der Entscheidung für eine Impfung auf. Ebenfalls wird durch die Aufteilung sichtbar, ob die untersuchten Merkmale verschiedene Effekte in Bezug auf die Entscheidung zwischen MMR und MMRV Impfung aufweisen. Wie in Bezug der Messung des Sicherheitsgefühls, ist auch hierdurch eine differenziertere Interpretation der Ergebnisse möglich.
Bei der Impfentscheidung und Sicherheit mit der Entscheidung in der direkten Arzt-Eltern-Interaktion spielen weitere Faktoren eine Rolle. So argumentiert Kriwy (2007, 57), dass gesundheitliche Aufklärung in möglichst kurzer Zeit erfolgt, da diese Gespräche meist pauschal abgerechnet werden, wodurch Ärzte/Ärztinnen keinen finanziellen Anreiz haben das Impfaufklärungsgespräch unnötig zu verlängern. Da Eltern, die sich im Vornherein für eine vollständige Immunisierung entschieden haben, nicht überzeugt werden müssen, und das Gespräch nur kurze Zeit dauert, wenn Eltern leicht zu überzeugen sind, ziehen vor allem impfkritische Eltern das Gespräch in die Länge (Kriwy 2007, 57). Die Dauer des Impfaufklärungsgespräches steht demnach im negativen Zusammenhang mit der Impfbereitschaft (Kriwy 2007, 166). In Bezug auf das Sicherheitsgefühl lässt sich, dem obigen Argument von Kriwy (2007, 57) folgend, annehmen, dass sich empfundene Sicherheit mit zunehmender Gesprächsdauer verringert, da bei längerem Gespräch größerer Dissens anzunehmen ist, welcher im Aushandlungsprozess mit Unsicherheiten verbunden ist (Santee und Maslach 1982, 690ff.).
Als Prädiktoren auf Personenebene gelten sowohl Einkommen, Alter, Bildung und Geschlecht, Einstellung zu Impfungen, als auch die dem Gespräch vorangegangene subjektive Informationssuche sowie dessen Quellen als einflussreich. So sinkt Impfbereitschaft, wenn sich vor der Entscheidung im Internet informiert wird (Kandrack, Grant und Segall 1991, 445ff.; Hornsey, Harris und Fielding 2018, 307). Demgegenüber steht größeres Einkommen als Prädiktor für hohe Impfbereitschaft (Gust et al. 2004, 18f.). Mit steigendem Alter verschlechtert sich das Impfverhalten von Eltern (Kriwy 2007, 156). Bei erster Betrachtung kontraintuitiv, führt ein höherer Bildungsabschluss eher zu verringerter Impfbereitschaft (Gust et al. 2004, 18f.; Kriwy 2007, 156, 2012, 337). Zeigen Frauen für andere Bereiche durchschnittlich besseres Gesundheitsverhalten als Männer, sind diese tendenziell impfkritischer (Schulz, Maike und Mangiapane 2013, 15). Weiter ist die grundsätzliche Einstellung der Befragten zum Thema von Bedeutung und steuert das Impfverhalten in die erwartbare Richtung (Kriwy 2007, 169ff.). Die Einstellung der Befragten wurde im Rahmen des Lehrforschungsprojektes anhand des selbsteingeschätzten Wissens zu den Empfehlungen der STIKO, der Einschätzung zur Relevanz von offiziellen Impfempfehlungen einer Bundesbehörde und der persönlichen Meinung zur Einführung einer Impfpflicht erfragt. Dabei ist davon auszugehen, dass Personen, welche eine Impfpflicht und offizielle Impfempfehlungen befürworten, ebenso wie Personen, welche die STIKO Empfehlungen kennen, eine positive Einstellung zum Impfen als medizinische Praxis haben. Da es noch wenig bis keine Forschungsliteratur zu den Auswirkungen der, hier als Kovariaten verwendeten, Merkmale in Bezug auf das Sicherheitsgefühl bei Impfentscheidungen gibt, wurden diese für die Untersuchung des Sicherheitsgefühls übernommen. Diese Annahme lässt sich durch die inhaltliche Nähe von Entscheidung und Sicherheitsgefühl mit der Entscheidung rechtfertigen. Die angeführten Personenmerkmale der Befragten wurden, ebenso wie die Gesprächsdauer auf Vignettenebene, als Kovariaten in die statistische Modellierung mit aufgenommen.
Um sich der Fragestellung zu nähern, wurde sich in den theoretischen Vorüberlegungen der, in der Netzwerkforschung beheimateten, Begriffe der Homophilie und der damit verbundenen sozialen Distanz bedient, welche im Folgenden eingeführt und näher dargestellt werden sollen.
2.1 Die Arzt-Eltern-Interaktion vor dem Hintergrund der Homophilie
Die Arzt-Eltern-Interaktion beim Impfaufklärungsgespräch spielt eine besondere Rolle bei der Erfüllung von Impfquotenzielen. Wie bei anderen medizinischen Eingriffen ist bei Impfungen die Einwilligung des/der Patienten/-in oder der gesetzlichen Vertretung erforderlich8. Da Impfungen in der Bundesrepublik Deutschland seit 1982 freiwillig sind, müssen Ärzte/-innen über die Vor- und Nachteile aufklären, damit es eine informierte Zustimmung geben kann (Wiesemann 2001, 591ff.). Aspekte von Arztpraxen und von Ärzten/-innen selbst haben also direkten Einfluss auf das Impfverhalten (Jungbauer-Gans und Kriwy 2003, 465f.). Trotz des wachsenden medizinischen Wissens des oft zitierten „informierten Patienten“ (Thielscher und Schulte-Sutrum 2016, 8), haben die wenigsten Eltern Kenntnisse aus erster Hand bezüglich impfpräventabler Kinderkrankheiten (Gust et al. 2005, 105). Als Einflussgrößen auf die Entscheidungsfindung sind eine Vielzahl von Faktoren untersucht worden, wie etwa strukturelle Unzulänglichkeiten in Gesundheitssystemen, medizinisches Grundlagenwissen der Allgemeinbevölkerung oder die Auswahl der Vorab-Informationsquellen (Smith, Louise E. et al. 2017, 6059ff.). In Bezug auf Impffragen stellt dabei die ärztliche Expertise für die meisten Eltern die wichtigste Informationsquelle dar (Kriwy 2007, 102). Dabei kann davon ausgegangen werden, dass dieses in besonderem Maße für die Impfentscheidung am eigenen Kinde gilt, da junge Eltern mit Blick auf die Gesundheit ihrer Kinder die risikoärmste Entscheidung treffen wollen (Kriwy 2007, 52).
Die direkte Arzt-Eltern-Interaktion spielt zusätzlich eine besondere Rolle im Entscheidungsprozess, da sich hier an das Aufklärungsgespräch eine direkte Entscheidung anschließt, auch wenn die Entscheidungsfindung bereits vorher begonnen haben kann. Die Arzt-Eltern-Interaktion lässt sich als Aushandlungsprozess im sozialen Raum verstehen, da spätestens zur Schuleingangsuntersuchung eine Entscheidung gegen den empfohlenen Impfplan vor dem Schularzt verteidigt werden müsste (Kriwy 2007, 47). Auch bei einer grundsätzlichen Entscheidung für das Impfen können Informationsasymmetrien in der Interaktion zur Aushandlung von Teilfragen führen (Kriwy 2007, 56), wie etwa mögliche Nebenwirkungen oder ob gegen MMR oder MMRV geimpft werden soll. Dabei ist davon auszugehen, dass durch die medizinwissenschaftliche Ausbildung von Ärzten/-innen diese eine vollständige Immunisierung befürworten, sollte keine Kontraindikation vorliegen (Jungbauer-Gans und Kriwy 2003, 467). Für die Hypothesen wurde eine Perspektive gewählt, welche Impfentscheidungen in der Wechselwirkung zwischen Elternteil und Arzt unter Berücksichtigung von Ähnlichkeit, beziehungsweise Verschiedenheit der Akteure untersucht. Im Rahmen der Arbeit wurde sich daher der Arzt-Eltern-Interaktion mit dem Begriff der Homophilie aus der Netzwerkanalyse genähert, welcher Handlungen unter Berücksichtigung der sozialen Einbettung von Individuen zu erklären versucht.
Nach dem Grundsatz „Similarity breeds connection“ (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 415) beschreibt Homophilie das Konzept, nachdem Kontakt zwischen sich ähnlichen Menschen zu einer höheren Rate auftritt, als unter sich weniger ähnlichen Personen (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 416). Nach Lazarsfeld und Merton (1954, 18ff.) teilt sich der Begriff in Status-Homophilie und Werte-Homophilie. Während sich Werte-Homophilie auf Ebene der persönlichen Einstellungen und Überzeugungen bewegt, umfasst der Begriff der Status-Homophilie jene soziodemografischen Dimensionen, welche die Gesellschaft in mehr oder weniger abgrenzbare soziale Netzwerke stratifizieren und für die Arbeit von zentraler Bedeutung sind. Genauer formuliert lässt sich die Distanz sozialer Merkmale auf die Distanz zwischen Netzwerken übertragen (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 416). Dazu gehören zugeschriebene Merkmale, wie ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Alter sowie erworbene Charakteristika wie Religion, Bildungsstand, Beruf und Verhaltensmuster (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 419).
Daraus folgt, dass soziale Netzwerke relativ homogen in Bezug auf die genannten Merkmale sind, anders formuliert also eine Tendenz zu „inbreeding“ (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 427) aufweisen. Weiter kann davon ausgegangen werden, dass sich Ansichten in den stratifizierten Netzwerken relativ häufig ähneln, da der Fluss von Informationen durch die homogene Ausrichtung beeinflusst wird (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 427). Homophilie limitiert die soziale Welt von Personen und damit auch deren Zugang zu Informationen. Dieser Aspekt kreiert soziale Distanz zwischen Personen, die sich anhand von bestimmten Merkmalen unterscheiden. Unter diesen Gesichtspunkten wird verständlich, dass Personen häufiger dem Rat anderer folgen, wenn sich diese im Sinne der Homophilie ähneln (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 415ff.). Im Rahmen der Lehrforschungsarbeit sollte daher untersucht werden, wie sich Homophilie und soziale Distanzeffekte in Bezug auf Bildung, Alter und Geschlecht in der Arzt-Eltern-Interaktion auf die Impfentscheidung und die Sicherheit mit der getroffenen Entscheidung auswirken. Daraus leiten sich die Hypothesen ab, die im Folgenden hergeleitet und vorgestellt werden.
2.2 Homophilie und soziale Distanz in Bezug auf Bildung, Alter und Geschlecht
In umgekehrter Weise wird das Homophilie Konzept besonders in Bezug auf Bildungsunterschiede sichtbar, indem sich für unterschiedliche Netzwerke Effekte der sozialen Distanz aufzeigen lassen. So konnte Louch (2000, 45ff.) nachweisen, dass Verbindungen zwischen Personen wahrscheinlicher sind, wenn sich diese in ihrem Bildungsabschluss ähneln. Neben dieser Tendenz zu ‚inbreeding‘ lässt sich für alle Bildungsgruppen nachweisen, dass Personen eher Bindungen mit Menschen eingehen, die ihrem Bildungsniveau ähneln, Verbindungen von Personen mit unterschiedlichen Bildungsniveaus werden im Umkehrschluss unwahrscheinlicher (Marsden 1988, 57ff.; McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 427). Der Bildungsstatus von Ärzten/-innen variiert weniger, als der von Elternteilen. Gibt es im Normalfall promovierte und nicht-promovierte Mediziner/-innen, ist der Bildungsstatus von Eltern wesentlich diverser, wobei sich große soziale Distanz vor allem bei weniger gebildeten Elternteilen in Kontakt mit promovierten Ärzten/-innen einstellt (Kriwy 2007, 57).
Während bildungsbezogene Effekte vor allem für enge persönliche Verbindungen nachgewiesen wurden, spielen soziale Distanzeffekte in Bezug auf weniger intime Beziehungen eine besondere Rolle (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 427). So führt höhere bildungsbezogene soziale Distanz zu Statusdifferenzen, welche sich als Machtasymmetrie in sozialen Interaktionen auswirken. Personen mit höherem Bildungsabschluss sind dabei eher in der Lage Autorität auszuüben, wenn in der Interaktion hohe soziale Distanz, beziehungsweise geringe Homophilie vorherrscht. Soziale Distanz, als antagonistisches Prinzip der Homophilie, und der daraus folgenden Machtasymmetrie hat dabei Auswirkungen auf Impfentscheidungen. So lassen sich in Bezug auf Bildung beispielsweise sprachliche Barrieren bei Menschen mit Migrationshintergrund als Faktor für eine erhöhte Impfbereitschaft heranziehen, da eben diese Barrieren zu einer höheren Bereitschaft führen, den Anweisungen von medizinischem Personal Folge zu leisten (Kriwy 2007, 62ff.). Eben aus dieser Machtasymmetrie lässt sich weiterhin die Überlegung ableiten, dass, wenn auch eher der Empfehlung Folge geleistet wird, das Sicherheitsgefühl des Elternteils mit der Entscheidung, aufgrund ebenjener sozialen Distanz, verringert wird. Aus diesen Überlegungen wurde in Bezug auf die Impfentscheidung Hypothese 1 (H1) abgeleitet: Wenn die bildungsbezogene soziale Distanz zwischen Arzt/Ärztin und Elternteil größer ist, wird sich eher für eine Impfung (MMR oder MMRV) entschieden. Für die Sicherheit mit der Impfentscheidung wurde als Hypothese 2 (H2) formuliert: Wenn die bildungsbezogene soziale Distanz zwischen Arzt/Ärztin und Elternteil größer ist, ist die empfundene Sicherheit mit der getroffenen Impfentscheidung geringer.
Ebenso wie nach Bildungsniveau stratifizieren sich soziale Netzwerke nach Altersgruppen der Akteure. Marsden (1988, 57ff.) konnte nachweisen, dass je größer der Altersunterschied zwischen Personen war, desto weniger wahrscheinlich wichtige Themen untereinander diskutiert wurden. Im Vergleich zur Bildung findet sich hierbei eine größere Varianz. Demnach weisen Personen über 60 Jahre eine größere soziale Distanz zu allen anderen Altersgruppen auf, als jüngere Altersgruppen untereinander (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 425).
In Bezug auf die Arzt-Eltern-Interaktion führt hohe altersbezogene Varianz somit zu höherer Autorität (Kriwy 2007, 57f.). Anders formuliert: je älter der Arzt / die Ärztin in Bezug auf das zu beratende Elternteil ist, desto höher ist die soziale Distanz. Sind sich Elternteil und Arzt / Ärztin in ihrem Alter ähnlicher, kann weniger Autorität ausgeübt werden. Kriwy (2007, 196) konnte in multivariaten Berechnungen zudem nachweisen, dass ein höheres Lebensalter der Eltern zu einer Verschlechterung der Impfquote führt. Auch dieses Ergebnis stützt die Überlegung, dass in der Interaktion zwischen älteren Eltern und jüngeren Ärzten/-innen eine Entscheidung gegen das Impfen wahrscheinlicher ist. Somit leitet sich Hypothese 3 (H3) ab als: Wenn die altersbezogene soziale Distanz zwischen Arzt/Ärztin und Elternteil größer ist, wird sich eher für eine Impfung (MMR oder MMRV) entschieden. Mit Blick auf die theoretischen Überlegungen zur Homophilie schließt sich, ebenso wie für Bildung, die Überlegung an, dass die empfundene Sicherheit bei der Entscheidung dagegen bei hoher sozialer Distanz sinkt. Damit lautet Hypothese 4 (H4): Wenn die altersbezogene soziale Distanz zwischen Arzt/Ärztin und Elternteil größer ist, ist die empfundene Sicherheit mit der getroffenen Impfentscheidung geringer.
Als weiteres stratifizierendes Merkmal sozialer Netzwerke wurde das Geschlecht als Untersuchungsgegenstand herangezogen. Nach Sieverding und Kendel (2012, 1118) gelten Geschlechterrollen als hauptverantwortlich für deutliche Geschlechterunterschiede im gesundheitsrelevanten Verhalten und bei der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe sowie insbesondere bei präventiven medizinischen Angeboten. McPherson, Smith-Lovin und Cook (2001, 423) zur Folge zeigt sich besonders für informelle Beziehungen eine Differenzierung nach Geschlecht. Dagegen stellen sich Arbeitsnetzwerke oftmals überdurchschnittlich geschlechtsheterogen dar (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 434f.). Flüchtige Bekanntschaften weisen stärkere Geschlechtshomogenität, beziehungsweise Homophilie auf (Mayhew et al. 1995, 15ff.). Da das Impfaufklärungsgespräch zwischen Arzt/Ärztin und Eltern im Normalfall zweckgebunden und zeitlich begrenzt ist, ist diese Interaktion eher als flüchtig zu charakterisieren. Diese Beobachtung lässt sich in Verbindung bringen mit der Überlegung, dass die Auswahl von Ärzten/-innen durch die Eltern nicht willkürlich, sondern bei ausreichender Auswahl, im Sinne der Homophilie, nach Ähnlichkeit in Merkmalen erfolgt (Kriwy 2012, 334). Eine besondere gleichgeschlechtliche Konstellation ist die Ärztin-Patientin-Dyade. Van den Brink-Muinen et al. (2002, 253ff.) stellten im europäischen Ländervergleich fest, dass Ärztinnen überdurchschnittlich häufig mit Patientinnen über medizinische oder psychosoziale Themen sprachen. Da Homophilie im Zusammenhang mit höherer Wahrscheinlichkeit des Befolgens von Ratschlägen korreliert (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 424), wird in Bezug auf Geschlecht Hypothese 5 (H5) abgeleitet: Ungleiches Geschlecht von Arzt/Ärztin und Elternteil verringert die Impfbereitschaft (MMR oder MMRV). Ebenso behindert soziale Distanz interpersonelles Vertrauen (McPherson, Smith-Lovin und Cook 2001, 424), woraus Hypothese 6 (H6) folgt: Ungleiches Geschlecht von Arzt/Ärztin und Elternteil verringert die empfundene Sicherheit mit der getroffenen Impfentscheidung 9 . Im Folgenden wird das gewählte Forschungsverfahren im ersten Schritt vorgestellt um anschließend den Forschungsprozess näher zu beleuchten.
3. Methodik
Der faktorielle Survey ist eine experimentelle Methode, bei der hypothetische Objekt- oder Situationskonstellationen (Vignetten) dargestellt werden, die sich in ihren Merkmalen (Dimensionen) und ihren Ausprägungen (levels) unterscheiden. Das Ziel ist Einstellungen und Meinungen der Befragten zu erheben (Auspurg, Hinz und Liebig 2009, 60; Beck und Opp 2001, 283; Steiner und Atzmüller 2006, 117). Das verwendete Studiendesign, die detaillierte Vignetten- und Fragebogenkonstruktion sowie die Datenerhebung werden in den folgenden Abschnitten erläutert. Anschließend werden Datenaufbereitung, Umkodierung und Deskription der Variablen sowie die statistische Modellierung vorgestellt.
3.1 Das Studiendesign: Faktorieller Survey/Vignettenanalyse
Bei der Untersuchung sensibler Themen, die insbesondere bei Fragen im Bereich der Medizin und Gesundheit anzutreffen sind, ist das faktorielle Survey als Erhebungsinstruments von besonderer Bedeutung. Die Entkopplung der möglicherweise eigenen Betroffenheit des Befragten auf eine fiktive und abstrakte Ebene einer dritten Person ermöglicht das Erforschen sonst schwer zugänglicher Themen (Auspurg, Abraham und Hinz 2009, 186; Schnell et al. 2017, 32). Im Faktoriellen Survey sind komplexe Beurteilungs- und Entscheidungsprobleme, mit in der Realität oft stark zueinander korrelierten Merkmalen, simulierbar, sodass eine exakte Einstellungsmessung möglich ist (Auspurg, Hinz und Liebig 2009, 62). Eine Fragebogenerhebung im Paper-Pencil-Format würde zum einem durch Intervieweffekte und sozialer Erwünschtheit und zum anderen durch den fehlenden Kontext zu einem verzerrten Antwortverhalten der Befragten führen (Auspurg, Hinz und Liebig 2009, 63; Schnell et al. 2017, 29). Ein weiterer Vorteil des faktoriellen Survey ist das Überprüfen entsprechender Forschungshypothesen auf der Grundlage größerer Stichproben, da die Zahl der Vignetten pro Fragebogen potenziert wird und diese mit steigender Anzahl an Faktoren und Faktorstufen exponentiell zunimmt (Auspurg, Hinz und Liebig 2009, 63; Steiner und Atzmüller 2006, 117ff.). Zuletzt wurde sich auch mit Blick auf zeitliche und finanzielle Ressourcen im Rahmen des Lehrforschungsprojektes für die Befragung mittels Vignetten entschieden.
Vignetten sind kurze, prägnante und künstliche Szenarien, die realitätsnahe Situationen abbilden. Die in den Vignetten enthaltenen Merkmalsdimensionen und ihre Ausprägungen wurden nach den in Kapitel 2 vorgestellten theoretischen Vorüberlegungen ausgewählt. Für die hiesige Analyse wurde auf ein quantitatives Vignetten-Forschungsdesign zurückgegriffen, um einzelne Vignettenfaktoren systematisch zu untersuchen (Schnell et al. 2017, 31). Die Befragten erhielten einen experimentellen Fragebogen mit einer randomisierten Variation der Vignetten und wurden gebeten anhand der Vignetten zu beurteilen, zu welcher Impfentscheidung die fiktive Person eher tendiert und wie sicher sie sich sein wird die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Das Ziel dieser Untersuchungsmethode war das Identifizieren der spezifisch zusammengesetzten Vignettenmerkmale und -ausprägungen, die zu dieser Entscheidung maßgeblich beigetragen haben. Des Weiteren wurden individuelle Unterschiede zwischen den Befragten bestimmt (Schnell et al. 2017, 31ff.). In den Auswertungen lassen sich somit die exakten Beziehungen zwischen den Merkmalen und den Urteilen der Befragten ermitteln (Auspurg, Hinz und Liebig 2009, 62).
3.1.1 Fragebogenvorstellung und -konstruktion
Der verwendete Fragebogen teilt sich in einen Vignettenteil und in einen Personenteil auf und besteht aus einem Anschreiben, einem einleitenden Hinweistext zu Impfempfehlungen von TÜV und der STIKO, zehn Vignetten mit einer Skala zur Impfsicherheit sowie Antwortfeldern zur Impfentscheidung und soziodemografischen Angaben.
Das Anschreiben stellt die untersuchende Einrichtung und das Forschungsthema vor. Des Weiteren wird das Ziel der Studie erläutert und welche Relevanz dieses Thema in der heutigen Zeit hat. Um die Zugänglichkeit des Befragten zum Fragebogen zu verbessern, wurde in dem Einleitungstext erwähnt, dass kein Fachwissen benötigt wird, um den Fragebogen ausfüllen zu können. Außerdem waren in der Instruktion die Bearbeitungszeit und die Zusicherung der Datenanonymität enthalten, um die Beantwortungswahrscheinlichkeit des Befragten zu erhöhen. Der Abschluss des Anschreibens bildet eine Danksagung an die Befragten mit einem Hinweis der möglichen Kontaktaufnahme über die Telefonnummer des Sekretariats [zensiert], falls Fragen bei der Beantwortung des Fragebogens aufgekommen währen. Die Möglichkeit der Rückfrage wurde von den Teilnehmenden nicht genutzt.
Dem Anschreiben folgt der Hinweistext. Bei diesem wird eine Empfehlung der STIKO zur 4-fach Impfung MMRV bei allen Kindern im Alter von 11 bis 14 Monaten angegeben. Daraufhin wird eine abweichende Empfehlung vom TÜV beschrieben, in der Bedenken zur Varizellenimpfung geäußert werden, da die Immunisierung hierbei nicht lebenslang haltbar wäre. Der Hinweistext wird in den Limitationen der Lehrforschungsarbeit nochmals gesondert besprochen. Unter der Annahme, dass die Befragten voraussichtlich unzureichende Informationen zu diesem Thema haben, sind diese Informationen von besonderer Bedeutung um die Vignetten zielführend beantworten zu können und um die Relevanz dieser Untersuchung zu verdeutlichen. Nach den Einleitungstexten beantworten die Befragten die zehn Vignetten und werden angehalten eine Entscheidung zur Impfung und zur Impfsicherheit zu treffen. Im Anschluss werden Fragen zur Demografie gestellt. Betreffende Fragebogenabschnitte können im Anhang betrachtet werden.
3.1.2 Die Vignettenebene
Die Vignetten werden in ihren Merkmalen und Ausprägungen variiert, um unterschiedliche Reaktionen und Beurteilungen bei den Befragten hervorzurufen. Im verwendeten Fragebogen setzten sich die Vignetten aus neun Dimensionen mit einer zwei- oder dreistufigen Ausprägung zusammen, woraus sich ein kartesisches Produkt von 171 unterschiedlichen Vignetten und ein Vignettenuniversum mit 768 Ausprägungskombinationen ergibt (siehe Anhang, Tabelle 1). Es wurden keine weiteren Ausprägungen für die Vignettendimensionen verwendet, um die empfohlene maximale Größe des Universums von circa 800 Ausprägungen nicht zu überschreiten (Auspurg, Hinz und Liebig 2009, 65f.). Aus dem Vignettenuniversum wurden im Anschluss 120 Ausprägungskombinationen zufällig gezogen. Am Ende der Randomisierung wurden 12 Vignetten-Sets mit jeweils 10 Vignetten erstellt. Die Auswahl von fünf bis sieben Dimensionen (plus/minus zwei) und die Bewertung von 10 Vignetten gilt hinsichtlich der zunehmenden Komplexität, des hohen zeitlichen Befragungsaufwands und den daraus resultierenden hohen Opportunitätskosten als optimal (Auspurg, Hinz und Liebig 2009, 63; Beck und Opp 2001, 291). Jedes einzelne Set beschreibt dabei eine andere Situation mit unterschiedlichen Namen, um eine glaubwürdigere Darstellung zu erreichen. Die Befragten erhielten jeweils zufällig aus einem Vignetten-Set 10 Vignetten, um Reihenfolgeeffekte zu vermeiden (Auspurg, Hinz und Liebig 2009, 72). Trotz der randomisierten Vignettenverteilung wies kein Fragebogen doppelte oder unplausible Vignetten auf. Eine übersichtliche Darstellung zum Prozess des Vignettendesigns befindet sich im Anhang, Tabelle 2. In der vorliegenden Studie umfasst die hypothetische Situationsbeschreibung ein Elternteil, welches sich in der ärztliche Sprechstunde für ein Impfaufklärungsgespräch, also der direkten Arzt-Eltern-Interaktion, befinde, wobei ein realistisches Auftreten der verschiedenen Vignettenkombinationen in dieser Situationsbeschreibung möglich ist. Aus Gründen der Einfachheit und da die Entscheidung über die Impfung nicht vom Kind getroffen wird, wird das entscheidungstreffende Elternteil folgend als Patient/-in bezeichnet.
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1 https://www.who.int/emergencies/ten-threats-to-global-health-in-2019 Letzter Zugriff: 09.05.2019
2 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2019/impfpflicht-masern.html Letzter Zugriff: 09.05.2019
3 https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/hildesheim-masern-infizierter-in-niedersachsen-gestorben-a-1266195.html Letzter Zugriff: 09.05.2019
4 https://www.spektrum.de/kolumne/im-zeichen-der-egozentrik/1585976, letzter Zugriff: 30.05.2019
5 Wurde ab 2004 vorerst eine Impfdosis für alle Kinder empfohlen, erweiterte die STIKO diese Empfehlung 2009 um die Immunisierung mit zwei Impfdosen im Abstand von vier Wochen (Robert Koch-Institut 2013, 1).
6 https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Varizellen/FAQ-Liste_Varizellen_Impfen.html, letzter Zugriff: 14.06.2019
7 https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Bedeutung/Schutzimpfungen_20_Einwaende.html, letzter Zugriff: 15.06.2019
8 https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_RechtlFragen/faq_impfen_RechtlFragen_ges.html, letzter Zugriff: 20.06.2019
9 H5 und H6 wurden in Anlehnung an das Konzept soziale Distanz als ungleiches statt gleiches Geschlecht formuliert, um leichter vergleichbare Wirkrichtungen zu den anderen Hypothesen abzubilden.
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