Die Thesis befasst sich mit der Prüfung einer möglichen Aufnahme nichtinvasiver Pränataltests in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zur Regelversorgung Schwangerer in Deutschland.
Dabei wird insbesondere auf das Ersttrimesterscreening und die nicht-invasiven Pränataltests eingegangen.
Jedes Jahr finanzieren die Krankenkassen die ärztliche Betreuung von circa 785.000 Schwangerschaften. Den Schwangeren wird zur Abklärung eines auffälligen Ultraschallbefundes eine invasive Amniozentese angeboten. Diese geht mit einem erhöhten Fehlgeburtenrisiko einher.
Die Forschungsfrage lautet: „Sollte nicht-invasive Pränataldiagnostik in Form des Ersttrimesterscreenings sowie der nicht-invasive Pränataltest für alle Schwangeren gezahlt werden?“. Sie wird mittels einer Literaturrecherche nach dem Schneeballprinzip beantwortet. Dazu werden zunächst die aktuellen Regelungen erläutert, innerhalb Europas verglichen und anschließend eine Untersuchung der Aufnahme des Ersttrimesterscreenings und der nicht-invasiven Pränataltests mittels verschiedener Szenarien vorgenommen.
Auf dieser Grundlage sollten sowohl das Ersttrimesterscreening als auch die nichtinvasiven Pränataltests in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zur Regelversorgung Schwangerer aufgenommen werden. Die Schwangeren profitieren von einer verbesserten Detektionsrate von Fehlbildungen und einem niedrigeren Fehlgeburtenrisiko. Gleichzeitig kann eine gleichberechtigte reproduktive Autonomie hergestellt werden. Die Krankenkassen profitieren von einer maßgeblichen Kostensenkung und einer besseren Versorgung der Schwangeren. Neugeborene mit einer Fehlbildung können zudem von verbesserten Geburtsbedingungen profitieren.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemdarstellung
1.2 Forschungsfrage und Zielsetzung
2. Methode
2.1 Literaturauswahl und -bewertung
2.2 Beispielhaftes Prisma-Flow-Chart: Eine Literaturrecherche zu dieser Arbeit
3. Das Bewertungsverfahren für die Aufnahme ärztlicher Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland
3.1 Der Gemeinsame Bundesausschuss und seine Funktionen
3.2 Methodik des Bewertungsverfahrens anhand der Verfahrensordnung
3.3 Auslösung eines Bewertungsverfahrens
3.4 Bewertung einer ärztlichen Leistung im Rahmen eines Bewertungsverfahrens
3.4.1 Sektorübergreifende Bewertung des Nutzens und der medizinischen Notwendigkeit
3.4.2 Sektorspezifische Bewertung der Wirtschaftlichkeit und der Notwendigkeit
3.5 Fassung eines Beschlusses
4. Die Schwangerenversorgung in Deutschland
4.1 Aktuelle Diagnostik in der Regelversorgung Schwangerer
4.1.1 Nicht-invasive Diagnostik
4.1.2 Invasive Diagnostik
4.2 Angebotene individuelle Gesundheitsleistungen
4.3 Versorgungsunterschiede durch Satzungsleistungen der GKVn
5. Der Vergleich mit anderen ausgewählten europäischen Ländern
5.1 Bei der Aufnahme ärztlicher Leistungen in die Regelversorgung der Versicherten am Beispiel von der Schweiz und England
5.2 In der Regelversorgung Schwangerer
6. Ethische Aspekte
6.1 Aus Sicht der Schwangeren
6.2 Aus Sicht der Gesellschaft
7. Diskussion der Forschungsfrage
7.1 Untersuchung der Aufnahme des Ersttrimesterscreenings in die Regelversorgung Schwangerer in Deutschland
7.2 Untersuchung der Aufnahme von NIPTs in die Regelversorgung Schwangerer in Deutschland
8. Fazit
Literaturverzeichnis
Zusammenfassung
Jedes Jahr finanzieren die Krankenkassen die ärztliche Betreuung von circa 785.000 Schwangerschaften. Den Schwangeren wird zur Abklärung eines auffälligen Ultraschallbefundes eine invasive Amniozentese angeboten. Diese geht mit einem erhöhten Fehlgeburtenrisiko einher.
Die vorliegende Thesis befasst sich mit der Prüfung einer möglichen Aufnahme nichtinvasiver Pränataltests in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zur Regelversorgung Schwangerer in Deutschland. Dabei wird insbesondere auf das Ersttrimesterscreening und die nicht-invasiven Pränataltests eingegangen.
Die Forschungsfrage lautet: „Sollte nicht-invasive Pränataldiagnostik in Form des Ersttrimesterscreenings sowie der nicht-invasive Pränataltest für alle Schwangeren gezahlt werden?". Sie wird mittels einer Literaturrecherche nach dem Schneeballprinzip beantwortet. Dazu werden zunächst die aktuellen Regelungen erläutert, innerhalb Europas verglichen und anschließend eine Untersuchung der Aufnahme des Ersttrimesterscreenings und der nicht-invasiven Pränataltests mittels verschiedener Szenarien vorgenommen.
Auf dieser Grundlage sollten sowohl das Ersttrimesterscreening als auch die nichtinvasiven Pränataltests in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zur Regelversorgung Schwangerer aufgenommen werden.
Die Schwangeren profitieren von einer verbesserten Detektionsrate von Fehlbildungen und einem niedrigeren Fehlgeburtenrisiko. Gleichzeitig kann eine gleichberechtigte reproduktive Autonomie hergestellt werden. Die Krankenkassen profitieren von einer maßgeblichen Kostensenkung und einer besseren Versorgung der Schwangeren. Neugeborene mit einer Fehlbildung können zudem von verbesserten Geburtsbedingungen profitieren.
Abstract
Every year, the German health insurance fund the medical care of around 785,000 pregnancies. Currently, an invasive amniocentesis is being performed to clarify any abnormal ultrasound results. It is associated with an increased risk of miscarriage.
This thesis evaluates the possibility of including non-invasive prenatal tests into the catalogue of the statutory health insurance for the standard care of pregnant women in Germany. In particular, the first trimester screening and the non-invasive prenatal tests are discussed.
The central question of this research is: "Should the first trimester screening and the non-invasive prenatal tests be paid for all pregnant women?". It is answered by a literature search which is based on the snowball principle. For this purpose, the current regulations are explained and compared against other European countries. Finally, multiple scenarios are calculated to investigate possible benefits.
The results suggest that the first trimester screening and the non-invasive prenatal tests should be included in the catalogue of the statutory health insurance for the standard care of pregnant women. On the one hand, pregnant women could benefit from an increased detection rate of malformations and a decreased risk of miscarriage. On the other hand, reproductive autonomy equality could be established. Furthermore, the health insurance could benefit from significant cost reduction and improved medical care for pregnant women. Lastly, newborns with congenital anomalies could benefit from improved birth conditions.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Prisma-Flow-Chart zur Literaturrecherche der Bibliothek der Ostfalia Hochschule
Abb. 2: Ablauf Methodenbewertung
Abb. 3: Pränataldiagnostische Untersuchungen im Schwangerschaftsverlauf
Abb. 4: Management einer externen Evaluation im BAG: Prozessphasen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Invasive Verfahren der Pränataldiagnostik im Vergleich
Tabelle 2: Vergleich der Kostenübernahme zusätzlicher IGeL in der Schwangerschaft gesetzlicher Krankenkassen Deutschland
Tabelle 3: Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbrüche im nationalen Vergleich
Tabelle 4: Berechnung hypothetischer Szenarien bei der möglichen Einführung des Ersttrimesterscreenings pro 100.000 Schwangerschaften
Tabelle 5: Berechnung des hypothetischen Szenario 1 bei möglicher Einführung der NIPTs pro 100.000 Schwangerschaften
Tabelle 6: Berechnung des hypothetischen Szenario 2 bei möglicher Einführung der NIPTs pro 100.000 Schwangerschaften
Tabelle 7: Berechnung des hypothetischen Szenario 3 bei möglicher Einführung der NIPTs pro 100.000 Schwangerschaften
Tabelle 8: Berechnung des hypothetischen Szenario 4 bei möglicher Einführung der NIPTs pro 100.000 Schwangerschaften
Tabelle 9: Berechnung der hypothetischen Szenarien 5 und 6 bei möglicher Einführung der NIPTs pro 100.000 Schwangerschaften
Tabelle 10: Vergleich der Kosten der hypothetischen Szenarien (alle Angaben in Euro)
1. Einleitung
1.1 Problemdarstellung
Im Jahr 2019 gab es 778.090 Geburten in Deutschland, bei denen die Kinder lebend geboren wurden (Statistisches Bundesamt, 2020a). Dazu kommen 3180 totgeborene Kinder (ebenda) und 100.893 Schwangerschaftsabbrüche (Statistisches Bundesamt, 2020b). Das bedeutet, dass im Jahr 2019 in Deutschland 882.163 Schwangerschaften bestanden.
97.1 Schwangere haben den Abbruch vor der 12. Woche nach der Beratungsregelung und 17 Frauen aufgrund einer kriminologischen Indikation durchführen lassen (ebenda). Diese Frauen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit keine weitergehenden Untersuchungen durchführen lassen. Es verbleiben demnach 785.145 Schwangere. 99 Prozent der Schwangeren nehmen eine weiterführende Untersuchung in Anspruch (Kolip, Schäfers, & Schumann, 2015, S. 6). Allerdings nehmen lediglich 58 Prozent weiterführende Blutuntersuchungen in Anspruch (Kolip, Schäfers, & Schumann, 2015, S. 11), demnach also 455.390 Frauen. Die Kosten für ein Ersttrimesterscreening liegen im Durchschnitt bei 150 Euro (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2017a), abhängig von Bundesland und Frauenarzt. Die Ärzte haben demnach circa 68.308.500 Euro über die Durchführung eines Ersttrimesterscreenings als individuelle Gesundheitsleistung verdient.
Das Ersttrimesterscreening ist dabei nur eine von vielen individuellen Gesundheitsleistungen, die Frauen im Verlauf ihrer Schwangerschaft angeboten bekommen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2017b). Generell ist zu sagen, dass der Großteil der nicht-invasiven Pränataldiagnostiken von den Versicherten selbst zu zahlen ist.
Invasive Tests, wie zum Beispiel eine Amniozentese, sind seit Jahrzehnten anerkannte Untersuchungsmöglichkeiten und werden bei entsprechend vorliegenden Befunden von den Krankenkassen finanziert (Abschnitt B Nr. 4 d-f der MU-RL). Mit diesen Untersuchungen geht allerdings auch ein erhöhtes Fehlgeburtenrisiko einher (Stumm & Entezami, 2013, S. 1667). Bei den nicht-invasiven Pränataldiagnostiken gibt es kein Fehlgeburtenrisiko.
1.2 Forschungsfrage und Zielsetzung
Der gemeinsame Bundesausschuss hat bereits im Jahr 2019 beschlossen, dass nichtinvasive Pränataltests (nachfolgend NIPTs) für Risikoschwangere gezahlt werden sollen (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2019, S. 2). Zu einer Aufnahme in die Mutterschaftsrichtlinien kam es zurzeit noch nicht, da die Erstellung der Versicherteninformation aktuell noch aussteht (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2019, S. 3).
Es stellt sich die zentrale Frage, ob nicht-invasive Pränataldiagnostik von den gesetzlichen Krankenkassen für alle Schwangeren gezahlt werden sollten. Wenn ja, welche der angebotenen Tests sollten gezahlt werden?
Stakeholder für die Beantwortung dieser Forschungsfrage sind einerseits die Schwangeren. Sie könnten von der Einführung der NIPTs und dem Ersttrimesterscreening profitieren, da es kein Fehlgeburtenrisiko gibt und finanzielle Hürden abgebaut werden könnten. Andererseits fungieren auch die Krankenkassen als Stakeholder. Diese finanzieren seit Jahrzehnten teure invasive Pränataldiagnostiken. Sie könnten möglicherweise Kosten für die Schwangerenversorgung einsparen.
2. Methode
2.1 Literaturauswahl und -bewertung
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Literaturarbeit, da keine empirischen Daten erhoben wurden (Bortz, Döring, & Pöschl, 2016, S. 166). Es wurde eine qualitative Sekundäranalyse nach dem Schneeballprinzip durchgeführt (Bortz, Döring, & Pöschl, 2016, S. 161). Als Ausgangstexte dienten der Abschlussbericht des IQWiG „Nicht invasive Pränataldiagnostik (NIPD) zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 bei Risikoschwangerschaften“ aus dem Jahr 2018 (nachfolgend Ausgangstext IQWiG) sowie der Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß §56a der Geschäftsordnung „Technikfolgenabschätzung (TA) - Aktueller Stand und Entwicklungen der Pränataldiagnostik“ aus dem Jahr 2019 (nachfolgend Ausgangstext Technikausschuss) zu Grunde gelegt.
Die Literaturrecherche erfolgte von Juli bis Dezember 2020. Dabei wurden deutsche Publikationen und englische Publikationen einbezogen, welche nach dem Jahr 2000 erschienen sind. Ausschließlich grundlegende Fakten (aktuell noch geltende Definitionen oder Grundsatzurteile) sind aus Quellen älteren Ursprungs. Zur Recherche valider Daten der NIPTs wurden nur Daten ab 2010 zu Grunde gelegt.
Die Literaturrecherche erfolgte zunächst über Suchmaschinen im Internet, um einen allgemeinen Überblick zu erhalten. Im gleichen Zeitraum diente das Intranet der Techniker Krankenkasse für die Suche nach weiterführenden Links und Publikationssammlungen. Zudem erfolgte die Sichtung der benannten Quellen aus den Ausgangstexten. Gleichzeitig wurde die Bibliothek der Ostfalia Hochschule in Wolfsburg zu weiterführender Literatur im August und September 2020 besucht und notwendige Literatur ausgeliehen. Es erfolgte vorab eine Filterung über den Bibliothekskatalog.
Für das dritte Kapitel standen viele Informationen und Inhalte auf der Internetseite des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Verfügung. Gleichzeitig wurde über den Bibliothekskatalog der Techniker Krankenkasse herausgefunden, dass aussagekräftige Bücher über den Begriff „Market Access“ zu finden sind. In der Bibliothek der Ostfalia konnten anschließend über den Bibliothekskatalog zwei nutzbare Suchergebnisse ausfindig gemacht werden.
Angewandte Suchbegriffe bei den Internetsuchen für die Literaturfilterung des vierten Kapitels waren: Amnioskopie, Amniozentese AND Kosten, Amniozentese, AOK Bre- men/Bremerhaven, AOK Niedersachsen, AOK Nordost, atlas BKK ahlmann, Audi BKK, Bahn-BKK, Chordozentese, Chorionzottenbiopsie, CTG, Chorionzottenbiopsie AND Kosten, DAK, Diagnostik, Schwangerschaft, Ersttrimesterscreening, Fruchtwasseruntersuchung, Geburten AND Deutschland, IGEL AND Schwangerschaft, individuelle Gesundheitsleistungen, invasiv, CTG, KKH, Krankenkasse, Mutterschaftsrichtlinien, Nackenfaltenmessung, nicht-invasiv, NIPT, pränatal, Pränataldiagnostik, Pränataltest, Schwangerenversorgung, Schwangerschaft AND Vorsorge, Schwanger- schaftsabbrüche AND Deutschland, Schwangerschaftsvorsorge, SGB V, TK, Totgeburten AND Deutschland, Ultraschall.
Diese Auflistung ist nicht abschließend und es erfolgte eine alphabetische Sortierung. Gleichzeitig wurden hierfür die bereits benannten Ausgangstexte zu Rate gezogen. Im Bibliothekskatalog der Ostfalia konnten acht Bücher ausfindig gemacht werden, welche verwertbar waren. Der Rechercheprozess wird im Rahmen eines beispielhaften Prisma-Flow-Charts für die Recherche der Literaturergebnisse dieser Arbeit unter Kapitel 2.2 dargestellt.
Für das fünfte Kapitel wurde ebenfalls der Ausgangstext Technikausschuss zu Grunde gelegt. Gleichzeitig konnten Bücher aus den vorherigen Recherchen für die Erarbeitung dieses Kapitels genutzt werden. Weitere Suchbegriffe für die Recherche im Internet waren: BAG, England AND NIPT, Evaluationsgesellschaft, Evaluationsstandards, ICER, Kopfpauschale, NICE, QALY, Schweiz AND NIPT, Schwellenwert. Auch diese Auflistung wurde alphabetisch sortiert.
Zur Recherche des sechsten Kapitels konnte ein großer Anteil der für die Ausarbeitung des vierten Kapitels genutzten Bücher erneut genutzt werden, sowie Literaturergebnisse vorheriger Suchen. Es erfolgte keine weitere Grundtextrecherche, sondern eine Sekundärnutzung der bereits gefundenen Texte.
Das siebte Kapitel stützt sich ebenfalls auf die bereits ausgearbeiteten Literaturergebnisse sowie weitere Internetrecherchen mittels der folgenden Suchbegriffe: Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Ersttrimesterscreening AND Sensitivität, EUROCAT, Sen- sitivität AND Ultraschalluntersuchungen, Ultraschalluntersuchungen AND Effizienz.
2.2 Beispielhaftes Prisma-Flow-Chart: Eine Literaturrecherche zu dieser Arbeit
Die Abbildung 1 stellt mittels eines Prisma-Flow-Charts einen Prozess der Literaturrecherche für diese Arbeit am Beispiel der Recherche in der Bibliothek der Ostfalia Hochschule für Auszüge des Kapitels „Die Schwangerenversorgung in Deutschland" dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Prisma-Flow-Chart zur Literaturrecherche der Bibliothek der Ostfalia Hochschule
Eigene Darstellung
E1: trotz Eingrenzung ab 2010 angezeigte ältere Ergebnisse
E2: Themenfremde Ergebnisse (Einfluss der Pränatalzeit auf die Entwicklung des Menschen)
E3: ähnlicher Inhalt, da vom gleichen Autor
E4: ähnlicher Inhalt, da gleiche Schwerpunktsetzung
3. Das Bewertungsverfahren für die Aufnahme ärztlicher Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland
3.1 Der Gemeinsame Bundesausschuss und seine Funktionen
Der heutige Gemeinsame Bundesausschuss (nachfolgend G-BA) wurde im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes (nachfolgend GMG) als juristische Person des öffentlichen Rechts gegründet. Er hat seine Tätigkeit am 1. Januar 2004 aufgenommen (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020b, S. 37).
Der G-BA löst folgende vorhergehende Institutionen ab:
- Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
- Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen
- Koordinierungsausschuss
- Ausschuss Krankenhaus (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020a).
Das wichtigste Beschlussorgan des G-BA ist das Plenum, welches aus 13 Mitgliedern besteht (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020c). Im Plenum sitzen fünf vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung benannte Vertreter sowie fünf Vertreter der Leistungserbringer. Davon benennen sowohl die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft jeweils zwei Mitglieder. Das fünfte Mitglied wird von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung benannt (ebenda). Die Vertreter des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung sind zu jedem Leistungssektor stimmberechtigt, die Vertreter der Leistungserbringer nur in dem für sie maßgeblichen Versorgungsbereich (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020c). Drei Mitglieder sind Unparteiische, die von den oben genannten Trägerorganisationen einvernehmlich bestimmt werden. Von den drei unparteiischen Mitgliedern übernimmt eines den Vorsitz und vertritt den G-BA nach außen (ebenda).
Als Novum werden im G-BA erstmals Patientenvertreter beratend mit an den Entscheidungen beteiligt (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020b, S. 37). Aktuell sind circa 220 Patientenvertreter in den verschiedenen Ausschüssen und dem Plenum tätig. Sie haben allerdings nur ein Mitberatungsrecht (Gemeinsamer Bundesausschuss Stabsstelle Patientenbeteiligung, 2020).
In Deutschland liegt die Zuständigkeit für Bewertungen neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden beim G-BA (Tränkner, Wilke, & Worf, 2020, S. 137). Für die Entscheidungsfindung hat der G-BA neun Unterausschüsse (siehe Anhang 1) einberufen, die aus jeweils sechs Vertretern des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung und sechs Vertretern der oben bereits genannten Leistungserbringer bestehen (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020d). Die Plätze der Leistungserbringer werden hier gleichmäßig auf die drei entsendenden Stellen verteilt, es sei denn, dass das Plenum aufgrund des Aufgabenbereichs eine andere Zusammensetzung beschließt. In den Unterausschüssen können andere zur Stellungnahme berechtigte Organisationen sowie die Patientenvertreter beratend teilnehmen. Den Vorsitz eines Unterausschusses übernimmt ein unparteiisches Mitglied des Plenums (ebenda).
Zudem legt er Prüfkriterien und Abläufe zur Qualitätssicherung im ärztlichen, zahnärztlichen und stationären Bereich fest (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020e).
3.2 Methodik des Bewertungsverfahrens anhand der Verfahrensordnung
Die Methodik des Bewertungsverfahrens ist in der Verfahrensordnung des GB-A (nachfolgend G-BA VerfO) festgehalten.
Die Abbildung 2 zeigt den grundsätzlichen Ablauf eines Bewertungsverfahrens:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Ablauf Methodenbewertung (entnommen: G-BA, 2017)
3.3 Auslösung eines Bewertungsverfahrens
Zur Aufnahme eines Bewertungsverfahrens bedarf es zunächst den Antrag einer entsprechend antragsberechtigten Organisation (2. Kapitel §4 Abs. 1 G-BA VerfO). Der Antrag muss schriftlich oder elektronisch gestellt und entsprechend begründet werden (2. Kapitel §3 Abs. 3 Satz 1 G-BA VerfO).
Antragsberechtigt sind immer
- die unparteiischen Mitglieder des G-BA,
- der Spitzenverband Bund der Krankenkassen,
- nach Patientenbeteiligungsverordnung anerkannte Organisationen (2. Kapitel §4 Abs. 2 G-BA VerfO).
Zudem können innerhalb ihres Leistungssektors auch Leistungserbringer einen entsprechenden Antrag stellen (2. Kapitel §4 Abs. 2 a, b, c G-BA VerfO).
Wird ein Antrag zur Überprüfung einer neuen Behandlungsmethode gestellt, überprüft das Plenum des G-BA, ob es sich dabei um eine „neue" Behandlungsmethode handelt. Nach Urteil des BSG vom 23. Juli 1998 Az.: B 1 KR 19/96 R erlangt eine medizinische Vorgehensweise „dann die Qualität einer Behandlungsmethode, wenn ihr ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll." Der G-BA erweitert diese Definition im 2. Kapitel §2 der Verfahrensordnung, in dem er neue Behandlungsmethoden als Leistungen definiert, die „nicht als abrechnungsfähige ärztliche oder zahnärztliche Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (nachfolgend EBM) oder Bewertungsmaßstab (nachfolgend Bema) enthalten sind (2. Kapitel §2 Abs. 1 a G-BA VerfO)“ oder „als Leistungen im EBM oder im Bema enthalten sind, deren Indikation oder deren Art der Erbringung, bei zahnärztlichen Leistungen einschließlich des zahntechnischen Herstellungsverfahrens, aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren haben (2. Kapitel §2 Abs. 1 b G-BA VerfO)“.
Wird die medizinische Vorgehensweise als „neue“ Behandlungsmethode anerkannt, beschließt das Plenum ein Beratungsverfahren für diese Leistung und beauftragt den zuständigen Unterausschuss mit der Bewertung (1. Kapitel §5 Abs. 1 Satz 1 G-BA VerfO).
Das Plenum nimmt dadurch den Antrag auf Einleitung des Bewertungsverfahrens (2. Kapitel §4 Abs. 5 Satz 1 G-BA VerfO) an und veröffentlicht diese Annahme im Bundesanzeiger (2. Kapitel §6 Abs. 1 Satz 2 G-BA VerfO).
3.4 Bewertung einer ärztlichen Leistung im Rahmen eines Bewertungsverfahrens
Durch die Veröffentlichung erhalten Stellungnahmeberechtigte die Möglichkeit eine Ersteinschätzung abzugeben (2. Kapitel §6 Abs. 2 Satz 1 G-BA VerfO), die dem zuständigen Unterausschuss zur Entscheidungsfindung zur Verfügung gestellt wird. Zudem kann der Unterausschuss das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (nachfolgend IQWiG) oder eine andere fachlich unabhängige Institution mit der Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes beauftragen. Dieser Auftrag umfasst eine systematischen Literaturrecherche (2. Kapitel §9 Abs. 1a Satz 1 G-BA VerfO). Dies soll innerhalb von drei Monaten nach Annahme des Antrages erfolgen (2. Kapitel §9 Abs. 1a Satz 2 G-BA VerfO).
Nach §12 Abs. 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet Leistungen zu übernehmen, die „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich" sind. Der G-BA orientiert sich in seinem Bewertungsverfahren auf die Bewertungskriterien des Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2013, S. 1). Sie muss dem allgemein anerkannten Standard der medizinischen Kenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Zudem soll sie den besonderen Bedürfnissen chronisch kranker und behinderter Menschen Rechnung tragen (§2a SGB V).
Das Bewertungsverfahren des G-BA wird in zwei Bewertungsformen unterteilt:
- sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens und der medizinischen Notwendigkeit
- die sektorspezifische Bewertung der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit (2. Kapitel §7 Abs. 1 G-BA VerfO)
Für jede der genannten Bewertungen ist eine eigene Arbeitsgruppe zu beauftragen (2. Kapitel §7 Abs. 2 G-BA VerfO).
Die Bewertung einer neuen Behandlungsmethode erfolgt im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche nach Studien in bekannten Datenbanken wie beispielsweise:
- MEDLINE
- Embase
- Cochrane Central Register of Controlled Trials
- International Clinical Trials Registry Platform Search Portal (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, 2018, S. 27f).
Mittels einer Evidenzklassifizierung und einer Qualitätsbewertung werden die in der Literaturrecherche ermittelten Studien ausgewertet und gegebenenfalls einbezogen (2. Kapitel §11 Abs. 1 G-BA VerfO).
Evidenzklassen ermöglichen die Bewertung der neuen Behandlungsmethode anhand der Grundlagen der evidenzbasierten Medizin. 1996 wurde evidenzbasierte Medizin von Sackett, Rosenberg, Gray, Haynes und Richardson wie folgt definiert:
Evidence based medicine is the conscientious, explicit, and judicious use of current best evidence in making decisions about the care of individual patients. The practice of evidence based medicine means integrating individual clinical expertise with the best available external clinical evidence from systematic research (Sackett, Rosenberg, Gray, Haynes, & Richardson, 1996, S. 71).
Um evidenzbasierte Medizin anzuwenden, soll die persönliche klinische Expertise des Arztes mit der besten externen Evidenz in Kombination gebracht werden, um eine konkrete Entscheidung einer entsprechenden medizinischen Versorgung eines individuellen Patienten treffen zu können (Tränkner, Wilke, & Worf, 2020, S. 137).
Die Evidenzklasse I umfasst randomisierte klinische Studien (Evidenzstufe Ib) sowie Übersichtsarbeiten über diese (Evidenzstufe Ia) und andere Interventionsstudien (Evidenzstufe Ic). Da neue Behandlungsmethoden qualitativ belegt werden sollen, sind primär Studien der Evidenzklasse I zu verwenden. Lediglich bei seltenen Erkrankungen oder Methoden ohne Alternativbehandlung können auch Studien niedrigerer Evidenzklassen in die Bewertung miteinbezogen werden.
Für die Qualitätsbewertung wird der Fokus auf die Studienqualität und die Übertragbarkeit auf die Versorgungsrealität gelegt (2. Kapitel §11 Abs. 4 G-BA VerfO). Die Studienqualität wird dabei insbesondere an der Planungs-, Durchführungs- und Auswertungsqualität sowie an der Konsistenz der Ergebnisse festgemacht (2. Kapitel §11 Abs. 5 Satz 2 G-BA VerfO). Gleichzeitig sollen auch patientenrelevante Zielgrößen (z. B. Mortalität, Morbidität, Lebensqualität), Versorgungsaspekte von Alter, biologischem und sozialem Geschlecht sowie lebenslagenspezifischen Besonderheiten und besondere Belange chronisch kranker und behinderter Menschen berücksichtigt werden. Zudem soll ein Augenmerk auf die Maßnahmen zur Vermeidung von verzerrten Studienergebnissen gelegt werden (2. Kapitel §11 Abs. 6 G-BA VerfO).
Kann der Nutzen einer Leistung durch die Literaturrecherche mangels Datenlage noch nicht hinreichend belegt werden, kann der G-BA das Bewertungsverfahren aussetzen (2. Kapitel §12 Abs. 3 Satz 3 G-BA VerfO) und ein wissenschaftliches Institut mit einer Erprobungsstudie beauftragen (2. Kapitel §25 Abs. 1 Satz 1 G-BA VerfO). Dies gilt jedoch nur, wenn in der Überprüfung der Leistung das Potenzial einer Behandlungsalternative festgestellt wird (2. Kapitel §12 Abs. 3 Satz 3 G-BA VerfO).
3.4.1 Sektorübergreifende Bewertung des Nutzens und der medizinischen Notwendigkeit
Obwohl der Gesetzgeber keine explizite Definition des Begriffs „Nutzen" vorgibt, steht bei der sektorübergreifenden Nutzenbewertung eindeutig der medizinische Nutzen im Vordergrund (Tränkner, Wilke, & Worf, 2020, S. 145).
Für die Überprüfung des Nutzens einer neuen Behandlungsmethode wird der Fokus auf die folgenden Punkte gelegt:
- Wirksamkeit bei den beanspruchten Indikationen,
- therapeutische Konsequenz einer diagnostischen Methode,
- Abwägung des Nutzens gegen die Risiken,
- Bewertung der erwünschten und unerwünschten Folgen (outcomes) und
- Nutzen im Vergleich zu anderen Methoden gleicher Zielsetzung (2. Kapitel §10 Abs. 2 Nr.1 G-BA VerfO).
Bei der Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit werden die Relevanz der medizinischen Problematik, der Spontanverlauf der Erkrankung und die diagnostischen und therapeutischen Alternativen betrachtet (2. Kapitel §10 Abs. 2 Nr.2 G-BA VerfO).
Um eine einheitliche Bewertung des Nutzens im deutschen Krankenversicherungssystem möglich zu machen, werden alle Angaben sektorenübergreifend einbezogen (2. Kapitel §7 Abs. 1a G-BA VerfO).
3.4.2 Sektorspezifische Bewertung der Wirtschaftlichkeit und der Notwendigkeit
Bei der sektorspezifischen Bewertung geht es um die Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit im spezifischen Versorgungssektor (2. Kapitel §7 Abs. 1b G-BA VerfO). Die medizinische Notwendigkeit wird dabei analog zur sektorübergreifenden Bewertung geprüft, jedoch ausschließlich im entsprechenden Versorgungskontext (ebenda).
Die Wirtschaftlichkeit einer potenziellen neuen Behandlungsmethode wird anhand folgender Kriterien ermittelt:
- Kostenschätzung zur Anwendung beim einzelnen Patienten oder Versicherten,
- Kosten-Nutzen-Abwägung in Bezug auf den einzelnen Patienten oder Versicherten,
- Kosten-Nutzen-Abwägung in Bezug auf die Gesamtheit der Versicherten,
- Folgekosten-Abschätzung und
- Kosten-Nutzen-Abwägung im Vergleich zu anderen Methoden (2. Kapitel §10 Abs. 2 Nr. 3 G-BA VerfO).
3.5 Fassung eines Beschlusses
Der Unterausschuss übermittelt dem Plenum nach Abschluss des beschriebenen Verfahrens eine Beschlussempfehlung (2. Kapitel §12a Satz 1 G-BA VerfO). Diese Empfehlung wird im Bundesanzeiger und auf der Internetseite des G-BA veröffentlicht. Anschließend haben die stellungnahmeberechtigten Organisationen erneut Zeit sich schriftlich oder im Rahmen einer mündlichen Anhörung zur Beschlussempfehlung zu äußern (2. Kapitel §12b G-BA VerfO). Unter Berücksichtigung der Stellungnahmen und des Beschlussentwurfes entscheidet das Plenum dann über die Annahme des Beschlusses (2. Kapitel §15 Abs. 1 G-BA VerfO). Stimmen mindestens sieben Mitglieder für diese Beschlussempfehlung, gilt der Antrag als angenommen (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020f). Das Ergebnis wird auf der Internetseite des G-BA der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und im Bundesanzeiger veröffentlicht (1. Kapitel §7 Abs. 2 G-BA VerfO). Nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger und Aufnahme der Leistung in den EBM oder den Bema durch den Bewertungsausschuss (Bundesministerium für Gesundheit, 2020) kann die Leistung zu Lasten der Krankenkasse direkt über die Versichertenkarte von den Leistungserbringern abgerechnet werden. Diese Richtlinien sind für die Krankenkassen und Leistungserbringer bindend (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020e).
4. Die Schwangerenversorgung in Deutschland
Die Schwangerenversorgung wird in Deutschland im §24 SGB V und in den Mutterschaftsrichtlinien (nachfolgend Mu-RL) geregelt. Insbesondere §24c SGB V erläutert, welche Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft übernommen werden. Neben der ärztlichen Betreuung und Hebammenhilfe (§24d SGB V) hat die Schwangere Anspruch auf eine entsprechende Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§24e SGB V). Im §24g SGB V und im §24h SGB V werden auch die Leistungen der häuslichen Pflege und Haushaltshilfe als Kassenleistung in der Regelversorgung festgelegt, sofern diese aufgrund der Schwangerschaft oder der Entbindung notwendig sind. Auch die Entgeltersatzleistung Mutterschaftsgeld findet im §24i SGB V ihre gesetzliche Verankerung. Im §24f SGB V ist die Kostenübernahme der Entbindung für die Mutter und die Erstversorgung des Säuglings ausgewiesen.
Der Großteil der Regelungen der Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft wurde im Jahr 2012 im Rahmen des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes aus dem §195 der Reichsversicherungsordnung (nachfolgend RVO) in das Sozialgesetzbuch V überführt. Lediglich die Entgeltersatzleistung Mutterschaftsgeld wurde erst im Jahr 2018 aus der RVO in das SGB V übernommen.
Entgegen der üblichen gesetzlichen Regelung zur Zuzahlungspflicht zu den oben genannten Leistungen sind Schwangere davon befreit, wenn die Leistung lediglich aufgrund der Schwangerschaft in Anspruch genommen wird (§24e Satz 2 SGB V).
Ergänzend zu den oben genannten gesetzlichen Grundlagen wird die Versorgung in den MU-RL und dem Gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands vom 6./7. Dezember 2017 zu den Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft in der Fassung vom 4./5. Dezember 2018 (nachfolgend RdSchr.17j) konkreter definiert, differenziert und erläutert.
4.1 Aktuelle Diagnostik in der Regelversorgung Schwangerer
Der Begriff Diagnostik wird wie folgt definiert:
Medizinisches Verfahren, an dessen Endpunkt die Diagnose steht. Die Diagnostik umfasst die Erhebung der Anamnese, die körperliche Untersuchung, Labor- und mikrobiologische Diagnostik, apparative Verfahren sowie differenzialdiagnostische Überlegungen (Braun & Pschyrembel Redaktion, 2016).
Die Definition für eine Schwangerschaft lautet:
Zustand der Frau von der Konzeption bis zum Eintritt der Geburt. Die Einteilung erfolgt in 3 Trimester (Trimenon): 1.-13. SSW, 14.-26. SSW, 27.-39./40. SSW. Außerdem wird in der Schwangerschaft die Embryonalphase (bis zur 9. SSW) von der Fetalphase unterschieden (Goerke, 2020a).
Alle vorgeburtlichen Untersuchungen, die darauf zielen, Informationen über das ungeborene Kind zu erhalten, werden als Pränataldiagnostik bezeichnet (Kolleck & Sauter, 2019, S. 9). Sie umfasst alle Untersuchungen, die während der Schwangerschaft durchgeführt werden. Diese diagnostischen Maßnahmen, welche zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden, sind im §24c SGB V, §24d SGB V, §24f SGB V, den Mu-RL und im RdSchr.17f reguliert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Pränataldiagnostische Untersuchungen im Schwangerschaftsverlauf (entnommen Kolleck & Sauer, 2019, S.20)
Die Abbildung 3 zeigt auf, dass eine Frau mit einem regulären Schwangerschaftsverlauf nach den aktuell geltenden MU-RL drei Ultraschallscreenings erhält. Generell fallen die Untersuchungen der Regelbetreuung einer Schwangerschaft unter die nichtinvasive Diagnostik. Auf nicht-invasive Diagnostiken wird im Kapitel 4.1.1 eingegangen.
Nach festgelegten Kriterien kann eine Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft eingestuft werden. Als Risikoschwangerschaft bezeichnet man „Schwangerschaften, bei denen aufgrund der Vorgeschichte oder erhobener Befunde mit einem erhöhten Risiko für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind zu rechnen ist (Abschnitt B Nr. 1 der MU-RL)“. Als Einstufungsursachen werden unter Anderem benannt:
- Erstgebärende unter 18 Jahren oder über 35 Jahren (Abschnitt B Nr. 1 I.g der MU- RL)
- Mehrgebärende ab 40 Jahren (Abschnitt B Nr.1 I.h der MU-RL)
- Schwere Allgemeinerkrankungen der Mutter (Abschnitt B Nr. 1 I.a der MU-RL)
- Beckenendlage des Kindes (Abschnitt B Nr. 1 II.h der MU-RL)
- Frühere Frühgeburten der Schwangeren (Abschnitt B Nr. 1 I.b der MU-RL)
- Vorausgegangene Totgeburten (Abschnitt B Nr. 1 I.c der MU-RL)
- Mehrlingsschwangerschaften (Abschnitt B Nr. 1 II.h der MU-RL)
- Zervixinsuffizienz (Abschnitt B Nr. 1 II.g der MU-RL).
Circa 30 Prozent aller Schwangerschaften werden in Deutschland als Risikoschwangerschaft eingestuft (Goerke, Artikel "Risikoschwangerschaft", 2020b). Risikoschwangere werden in kürzeren Abständen untersucht und erhalten je nach Einstufungsgrund weitergehende Diagnostik, die in der Abbildung 3 unter „gegebenenfalls Kassenleistung“ aufgeführt werden (Abschnitt B Nr. 3 - 4 der MU-RL). Diese weitergehende Diagnostik ist in der Regel invasiv. Die weiteren Informationen zu der invasiven Diagnostik sind in Kapitel 4.1.2 enthalten.
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- Citation du texte
- Lisa Winkler (Auteur), 2021, Die Aufnahme nicht-invasiver pränataler Diagnostik in die Regelversorgung Schwangerer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1006338
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