Diese Arbeit handelt von Francesca und Paolos Liebesgeschichte in "Göttliche Komödie" von Dante Alighieri. Obwohl Dantes Göttliche Komödie schon einige Jahrhunderte alt ist, hat sie unter anderem in dem fünften Gesang, der vor allem dem Liebespaar Francesca und Paolo gehört, unfassbare Aktualität.
Besonders überrascht beim Lesen, wie modern Dante die Situation um die beiden beurteilt, denn er bewertet sie gar nicht. Auch sein Stil, wie er das Schicksal Francescas erzählt, ist ihm modern gelungen. Nämlich lässt er sie, eine Frau, allein zu Wort kommen. Nicht nur, dass ihr Geliebter Paolo kein Wort spricht, sie nennt nicht einmal seinen Namen.
Die beiden führten eine Liebschaft, während Francescas Mann fort war, und wurden während eines Kusses von ihm dabei erwischt. Dieser tötete daraufhin die beiden. Der reisende Dante erkennt die beiden als Liebespaar im zweiten Höllenkreis aus all den vielen Wollüstigen. Ist Francescas Schicksal, in der Hölle verdammt zu sein, nun eine Bestrafung für ihre Untreue? Oder ist es das kleinere Übel, und in Wirklichkeit überwiegt, mit ihrem Geliebten für immer zusammen zu sein?
1. Einleitung
Obwohl Dantes Göttliche Komödie schon einige Jahrhunderte alt ist, hat sie unter anderem in dem fünften Gesang, der vor allem dem Liebespaar Francesca und Paolo gehört, unfassbare Aktualität. Ich war beim Lesen überrascht, wie modern Dante die Situation um die beiden beurteilt, nämlich er bewertet sie gar nicht. Auch sein Stil, wie er das Schicksal Francescas erzählt, ist ihm geradezu modern gelungen. Nämlich lässt er sie, eine Frau, allein zu Wort kommen. Nicht nur, dass ihr Geliebter Paolo kein Wort spricht, sie nennt nicht einmal seinen Namen. Die beiden führten eine Liebschaft, während Francescas Mann fort war, und wurden während eines Kusses von ihm dabei erwischt. Dieser tötete daraufhin die beiden. Der reisende Dante erkennt die beiden als Liebespaar im zweiten Höllenkreis aus all den vielen Wollüstigen. Ist Francescas Schicksal, in der Hölle verdammt zu sein, nun eine Bestrafung für ihre Untreue? Oder ist es das kleinere Übel, und in Wirklichkeit überwiegt, mit ihrem Geliebten für immer zusammen zu sein?
1. Hauptteil
Zunächst ist zu differenzieren, dass Dante aus zwei Perspektiven zu betrachten ist: einmal als Reisender, über dessen Jenseitsreise berichtet wird, zweitens als Erzähler der Göttlichen Komödie, der Handlungen; Schicksale und Verläufe seiner Jenseitsreise zeitlich geordnet und in dichterischer Form niederschrieb. Aus heutiger europäischer Sicht ist es schwierig, nachzuvollziehen, wie Francesca sich fühlte, da sie aus politischen Gründen verheiratet wurde und somit ihre Gefühle für eine Ehe aus Liebe überhaupt nicht in Betracht gezogen wurden. Überhaupt ist es fraglich, ihr Schuld zuzuweisen, denn sie wusste überhaupt nicht, dass sie vor dem Altar nicht mit ihrem richtigen Ehemann stand, sondern ihr lediglich sein Bruder als Vertreter das Ja-Wort gab. Hätte sie Paolo vorher nicht gekannt und keine Hochzeit mit ihm erlebt, so hätte sich zwischen den beiden eventuell nicht so schnell eine Affäre entwickelt. Sie aber ganz von Schuld freizusprechen, ist auch schwierig, da sie faktisch ihren Ehemann heimlich hintergangen hat. „ Ein paar Male ließ dies Lesen uns schon gegenseitig in die Augen blicken, und wir waren blass dabei geworden. […] Als wir lasen, wie der lächelnde, begehrte Mund von einem solchen Liebhaber geküsst wurde, da hat auch er, der nun nie mehr von mir getrennt ist, mich heftig bebend auf den Mund geküsst.“1 Sich diesem mir als Leserin des 21. Jahrhunderts klarzumachen, verlangt schon viel, aber dass sie dann auch noch wirklich den Ehevertreter alias Paolo liebt, macht das Ganze irgendwie kompliziert, um hier Gerechtigkeit und Schuldzuweisung zuzuordnen. Hätte sie, wenn sie ihren wirklichen Ehemann vor dem Altar geheiratet hätte, auch ihn sofort geliebt, weil das Aussuchen eines Mannes für sie überhaupt nicht in Frage gekommen wäre und ihr nichts anderes übrig geblieben wäre, als ihn zu lieben, oder liegt es wirklich daran, dass es Paolo ist, also der ‚Richtige‘? Wahrscheinlich würde Francescas ausgesuchter Ehemann in beiden Fällen unendlich zornig sein, unabhängig davon, ob sie Paolo bewusst küsst und liebt, getrieben von nicht steuerbaren Gefühlen, oder unbewusst und überwältigt in solch einer romantischen Situation mit der Vorerfahrung, gemeinsam eine Hochzeit zu erleben. Auch wenn er nur in Vertretung für seinen Bruder mit ihr vor dem Altar stand. Wahrscheinlich wäre das Drama in beiden Fällen so ausgegangen, wie es ausgegangen ist. Aber vermutlich wäre in dem Fall, dass Francesca Paolo ‚aus Versehen‘ lieben würde und nicht mit vollem Herzen, das Verdammen in der Hölle wesentlich unangenehmer. Und auch die Moral des fünften Gesangs, dass Liebe, die auf Erden niemals ausgelebt werden könnte, nicht einmal in der Hölle verblasst, wäre damit hinfällig gewesen. „ Liebe, die ja keinen Geliebten mit Liebe verschont, sie ergriff auch mich, und ich fand so starkes Gefallen an ihm, dass es mich – du kannst es sehen – noch immer nicht verlässt.“2 Francescas Strafe scheint somit weniger die Ermordung und auch nicht das Verdammen in der Hölle zu sein. Eventuell war ihre Ermordung mit Paolo zusammen vermutlich sogar die Befreiung aus einer Ehe ohne Liebe. Dass Francesca ihren Paolo wirklich liebt und diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruht, scheint am Ende des Gesangs bewiesen zu sein. Denn beide lasen gemeinsam einen Versroman von Lanzelot3, bei dem sie ihre Liebe erkannten.4 Francescas letzter Satz im fünften Gesang „Weiterlesen konnten wir an diesem Tage nicht mehr.“ 5 betont die Freuden der Liebe6 und lässt den reisenden Dante sogar verstummen und zusammenbrechen.
Während ich Francescas poetische Worte lese, stelle ich schnell fest, dass sie sich kaum über die Verdammnis beklagt.7 „Sie zeigt in menschlicher Form die göttlichen Qualitäten von Einsicht und Liebe.“8 Sie hat die Leidenschaft über die Einsicht siegen lassen. Der Autor Dante stellt Francesca als sympathische, sensible und nachdenkende Frau dar, die poetisch ihre Worte fasst, und der reisende Dante nimmt sie genauso wahr, wodurch er mit ihr mitfühlt und leidet. Durch die poetische Art ist ihre Bestrafung zwar plausibel gemacht, nicht aber juristisch oder theologisch.9 „Dantes Theologie beschränkt sich nicht auf die Zumessung von Schuld und Sühne; […]. Dies ist nur der Ausgangspunkt, von dem aus sie ihre Kraft anfängt zu entwickeln. Diese höhere Theologie und Dichtkunst zeichnet die Ehebrecherin als einen so liebenswerten Menschen, daß die Schuldzuweisung zwar nicht geleugnet, aber poetisch vergessen oder vielmehr individualisiert überboten und aufgehoben wird.“ 10 Auch stellt sich mir die Frage, ob es wirklich Wollust war, die Francesca und Paolo vereinte, denn sie befinden sich nun mal im zweiten Höllenkreis, der eben Menschen wegen dieser Art von Sünde verdammt. Francesca war zu Anfang schließlich unwissend um ihren künftigen Ehemann und ahnte nicht, mit wem sie vor den Altar trat. Als es zum Geständnis der Liebe und dem Kuss kam, wusste es sie zwar, aber es wirkt nicht so, als würde sie ihn aus Wollust küssen. Die Szene wirkt auf mich eher sehr romantisch und emotionsgeladen. Für mich haben beide nach Gefühl und Emotion gehandelt, was natürlich den Ehebruch nicht hinfällig macht, jedoch ich ihn anders bewerten würde.
Das offene und nicht bewertete Ende des fünften Cantos hat mich ein wenig beruhigt, denn in meiner christlichen Auffassung meine ich, dass Gott niemanden mit ewiger Verdammnis oder anderen ewigen Seelenqualen bestrafen würde. Und ich bin froh, dass Francesca trotzdem beten möchte, auch wenn sie weiß, dass ihr Gebet aufgrund der Höllengesetze nicht ankommen wird.11 Ihr Leiden darunter zeigt, dass sie besser ist, als es die Höllengesetze erlauben und unterstreicht ihre positiv einzuordnenden Charakteristika.
Francesca wurde also letzten Endes bestraft, indem sie unendlich im zweiten Höllenkreis gefangen wird, jedoch zusammen mit ihrer Liebe. Ob das die Strafe ausgleicht, ist fraglich; allerdings wäre die Liebe bzw. das Ausleben der Liebe zu Paolo irdisch niemals möglich gewesen. Unterstrichen wird dieser Diskurs auch durch Dante selbst. Denn paradoxerweise verdammt Dante als Erzähler die beiden in die Hölle; der reisende Dante aber hat unglaubliches Mitleid mit Francesca, sogar so sehr, dass er nach ihren Worten über die Liebe am Ende des fünften Gesangs zusammenbricht.12
2. Schluss
Eine richtige Antwort darauf, ob Francesca durch die Verdammnis in der Hölle bestraft wurde oder es für sie das kleine Übel ist, findet selbst Dante in seinem eigenen Werk nicht. Er löst den Canto 5 nicht auf, bewertet Francescas Schicksal weder als gerecht noch erklärt er sie für unschuldig. Dante als Reisender leidet mit Francesca und seine letzte Reaktion des Cantos ist kein Wort, sondern sein Verstummen. Festzuhalten ist, dass Dantes fünfter Gesang uns lehrt, mehr nachzudenken, weniger zu moralisieren und nicht anderen Schuld zuzuweisen.13 Mitschwingen tut auch die Kraft und Freude der Liebe und durch Francescas Poesie auch die Unaufhaltsamkeit dessen, welche uns zeigt, dass wir die Liebe immer brauchen werden um froh und zufrieden zu sein. Sie ist selbst dann zu spüren und überwiegt, wenn man sich in der Hölle befindet.
[...]
1 Dante Alighieri, La Commedia. Die Göttliche Komödie. I Inferno/Hölle. Italienisch/Deutsch, übersetzt v. H. Köhler, hg. v. L. Scherer, Stuttgart 2019, S.83
2 Dante Alighieri, La Commedia. Die Göttliche Komödie. I Inferno/Hölle. Italienisch/Deutsch, übersetzt v. H. Köhler, hg. v. L. Scherer, Stuttgart 2019, S.79
3 Vgl. Dante Alighieri, La Commedia. Die Göttliche Komödie. I Inferno/Hölle. Italienisch/Deutsch, übersetzt v. H. Köhler, hg. v. L. Scherer, Stuttgart 2019, S.81
4 Vgl. ebd., S.83
5 Dante Alighieri, La Commedia. Die Göttliche Komödie. I Inferno/Hölle. Italienisch/Deutsch, übersetzt v. H. Köhler, hg. v. L. Scherer, Stuttgart 2019, S.83
6 Vgl. Kurt Flasch, Einladung, Dante zu lesen, Frankfurt a.M.2. Auflage 2018, S.17
7 Vgl. ebd., S.20
8 Kurt Flasch, Einladung, Dante zu lesen, Frankfurt a.M.2. Auflage 2018, S.20
9 Vgl. Kurt Flasch, Einladung, Dante zu lesen, Frankfurt a.M.2. Auflage 2018, S.19
10 Kurt Flasch, Einladung, Dante zu lesen, Frankfurt a.M.2. Auflage 2018, S.20f.
11 Vgl. Kurt Flasch, Einladung, Dante zu lesen, Frankfurt a.M.2. Auflage 2018, S.15
12 Vgl. Dante Alighieri, La Commedia. Die Göttliche Komödie. I Inferno/Hölle. Italienisch/Deutsch, übersetzt v. H. Köhler, hg. v. L. Scherer, Stuttgart 2019, S.85
13 Vgl. Kurt Flasch, Einladung, Dante zu lesen, Frankfurt a.M.2. Auflage 2018, S.18
- Quote paper
- Anonymous,, 2020, Die Figuren Francesca und Paolo in "Die Göttliche Komödie" von Dante Alighieri. Sieg der Liebe in der Verdammnis?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1006257
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.