Diese Arbeit untersucht die Auswirkungen der Corona-Krise auf die deutsche Gesetzgebung in Bezug auf das Insolvenzrecht. Hierfür wird das Sondergesetz COVINsAG analysiert. Dabei wird zunächst die Aussetzung der Insolvenzpflicht betrachtet. Anschließend werden die Folgen der Aussetzungspflicht dargestellt. Im Fokus stehen hier die Milderung der Haftung von Geschäftsführern sowie die Privilegierung von Krediten und Gesellschaftsdarlehen. Abschließend werden die Einschränkungen von Gläubigerinsolvenzanträgen sowie die Risiken durch die Aussetzung der Antragspflicht behandelt.
Die aktuelle Corona-Pandemie gefährdet nicht nur die Gesundheit der Menschen, sondern auch die wirtschaftliche Stabilität von ganzen Branchen und damit einhergehend die Existenz von Unternehmen. Aufgrund der bedrohlich steigenden Fallzahlen von Covid-19 Infektionen und Todesfällen wurde zur Eindämmung der Ausbreitung ein 'Shutdown' der deutschen Wirtschaft veranlasst.
Die deutschen Behörden griffen zu drastischen Maßnahmen in Form von Ausgangssperren und der vorübergehenden Schließung von bestimmen Betrieben wie unter anderem der Gastronomie, Touristik, Luftfahrt, Friseure und mehr. Als Konsequenz aus diesen wirtschaftlichen Einschnitten brachen viele Geschäftsmodelle zusammen und Unternehmen erzielten schlagartig keine Umsatzerlöse mehr. Die Mehrheit der betroffenen Unternehmen hatte für eine derartige Krisensituation nicht ausreichend Rücklagen gebildet und leiden daher unter einer angespannten Liquiditätslage. Aus diesem Grund wurde eine massive Insolvenzwelle in Deutschland befürchtet.
Zur Vermeidung einer solchen Insolvenzwelle hat der Gesetzgeber entsprechend reagiert. Als Teil der Auffang- und Unterstützungsmaßnahmen wurde im Eilverfahren das "Gesetz zur Abmilderung der COVID-19-Pandemie im Insolvenz-, Zivil- und Strafverfahrensrecht" am 27. März verabschiedet. Hierbei handelt es sich um ein Artikelgesetz, welches mehrere Gesetze zusammenfasst.
Dessen Artikel 1 trägt den ebenfalls sperrigen Titel "Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz", abgekürzt: COVINsAG. Mithilfe dieses Sondergesetzes sollen Unternehmen die Möglichkeit bekommen, ihr rechtliches Überleben in der derzeitigen Krisensituation sicherzustellen. Es beinhaltet wesentliche Auswirkungen auf das deutsche Insolvenzrecht und die Unternehmerlandschaft.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sondergesetz: COVINsAG
2.1 Aussetzung derlnsolvenzantragspflicht
2.2 Folgen derAussetzungspflicht
2.2.1 Milderung der Haftung von Geschäftsführern
2.2.2 Priveligerung von Krediten und Gesellschafterdarlehen
2.3 Einschränkungen von Gläubigerinsolvenzanträgen
2.4 Risiken durch die Aussetzung derAntragspflicht
3. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die aktuelle Corona Pandemie gefährdet nicht nur die Gesundheit der Menschen, sondern auch die wirtschaftliche Stabilität von ganzen Branchen und damit einhergehend die Existenz von Unternehmen. Aufgrund der bedrohlich steigenden Fallzahlen von Covid-19 Infektionen und Todesfällen wurde zur Eindämmung der Ausbreitung ein „Shutdown“ der deutschen Wirtschaft veranlasst.1 Die deutschen Behörden griffen zu drastischen Maßnahmen in Form von Ausgangssperren und der vorübergehenden Schließung von bestimmen Betrieben wie u.a. die Gastronomie, Touristik, Luftfahrt, Friseure und mehr. Als Konsequenz aus diesen wirtschaftlichen Einschnitten brachen viele Geschäftsmodelle zusammen und Unternehmen erzielten schlagartig keine Umsatzerlöse mehr. Die Mehrheit der betroffenen Unternehmen hatte für eine derartige Krisensituation nicht ausreichend Rücklagen gebildet und leiden daher unter einer angespannten Liquiditätslage. Aus diesem Grund wurde eine massive Insolvenzwelle in Deutschland befürchtet.
Zur Vermeidung einer solchen Insolvenzwelle hat der Gesetzgeber entsprechend reagiert. Als Teil der Auffang- und Unterstützungsmaßnahmen wurde im Eilverfahren das „Gesetz zur Abmilderung der COVID-19 Pandemie im Insolvenz, Zivil und Strafverfahrensrecht“ am 27. März verabschiedet.2 Hierbei handelt es sich um ein Artikelgesetz, welches mehrere Gesetze zusammenfasst. Dessen Artikel 1 trägt den ebenfalls sperrigen Titel „Gesetz zurvorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“, abgekürzt: COVInsAG3. Mit Hilfe dieses Sondergesetzes sollen Unternehmen die Möglichkeit bekommen, ihr rechtliches Überleben in der derzeitigen Krisensituation sicherzustellen. Es beinhaltet wesentliche Auswirkungen auf das deutsche Insolvenzrecht und die Unternehmerlandschaft, welche nachfolgend dargelegt werden.
2. Sondergesetz: COVINsAG
2.1 Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Nach bislang geltendem Insolvenzrecht wargem.§15a InsO im Falle einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb drei Wochen nach Eintritt der Insolvenzreife einen Eröffnungsantrag zu stellen.
Als zentrale Regelung des neuen Gesetzes wurde in §1 die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September dieses Jahres festgelegt. Weil das COVInsAG rückwirkend zum 1. März 2020 verabschiedet wurde, bleiben bis zum 29. Februar gestellte Insolvenzanträge weiterhin antragspflichtig.4 Außerdem ist zu beachten, dass die Vorschrift des §1 nicht für jedes Unternehmen gilt. Denn die Aussetzung der Antragspflicht ist an zwei Voraussetzungen gekoppelt. Zum einen muss die Insolvenzreife des Unternehmens auf den Auswirkungen der Corona- Pandemie beruhen und zum anderen muss eine Aussicht darauf bestehen, die vorhandene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
In Bezug auf die Anwendung dieser Vorschrift ist es nicht einfach festzustellen, wann die eben genannten Voraussetzungen als erfüllt gelten. Der Gesetzgeber hat diese Schwierigkeit erkannt und daher eine Vermutungsregel aufgestellt.5 Falls beim Unternehmen bereits am 31.Dezember 2019 eine Zahlungsunfähigkeit vorlag, ist davon auszugehen, dass die Insolvenz nicht auf die Covid 19 - Pandemie zurückzuführen ist. Das Datum wurde aufgrund des historischen Verlaufs der Pandemie gewählt. Da die ersten Infektionen in Deutschland erst Ende Januar 2020 auftraten, betrifft der festgelegte Stichtag einen Zeitpunkt, zu dem das Corona-Virus in Deutschland noch nicht ausgebrochen war.6
Mit Hilfe von § 1 soll in erster Linie den außergewöhnlichen Umständen in der aktuellen Krisenzeit Rechnung getragen werden. Es soll vermeiden, dass von Corona betroffene Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen müssen, nur weil die Bearbeitung von Anträgen für staatliche Hilfsmittel oder Finanzierungsverhandlung nicht innerhalb der engen Drei-WochenFrist gewährleistet werden kann.7 Die Insolvenzantragspflicht wird durch diese Regelung nicht beseitigt, aber hinausgeschoben.
Der Gesetzgeber hat zudem noch eine Option zur Verlängerung bestimmt.8 Gern. §4 ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz dazu berechtigt, die Aussetzung der Antragspflicht ohne Zustimmung des Bundesrates bis zum 31. März 2021 zu verlängern. Vorausgesetzt, dass die Verlängerung aufgrund einer fortbestehenden Nachfrage nach verfügbaren öffentlichen Hilfen, andauernder Finanzierungsschwierigkeiten oder sonstiger Umstände angemessen erscheint. Damit liegt die Entscheidung allein in der Hand des Bundesministeriums derJustiz und fürVerbraucherschutz.
2.2 Folgen derAussetzungspflicht
2.2.1 Milderung der Haftung von Geschäftsführern
Um insolvenzgefährdete Unternehmen in der derzeitigen Lage zu stabilisieren, ist die Aussetzung der Antragspflicht nach §15a InsO ein wichtiger Baustein. Zusätzlich muss jedoch dafür gesorgt werden, dass Unternehmen weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Geschäftstätigkeit fortzuführen. Allerdings unterliegen Geschäftsführer im Falle einer Insolvenz Zahlungsverbote i.S.d. § 64 Satz 1 GmbHG, §§ 92 Abs. 2 Satz 1, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, § 130a Abs. 1 i.V.m. § 177a HGB, § 99 Satz 1 GenG.9
In §64 GmbH ist die Haftung bezüglich Zahlungen nach Eintritt einer Insolvenzreife festgelegt, wenn die Zahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.10 Geschäftsführer sind gegenüber der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Bestellung der Insolvenzreife vorgenommen wurden. Die Geschäftsführer müssen demzufolge aus ihrem Privatvermögen den Wert der Zahlungen an die Insolvenzmasse zahlen.11 Der Gesetzgeber hat mittels §2 für eine Erleichterung zugunsten der Geschäftsführer gesorgt, indem die Haftung abgemildert wurde. Es wurde bestimmt, dass die Geschäftsleiter während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, nur beschränkt für Zahlungen haften, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistet wurden. Zahlungen, die im ordentlichen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Demzufolge wird hierbei unwiderlegbar vermutet, dass die Zahlungen im Falle einer Insolvenzreife ordnungsgemäß sind.12
Mit der Anpassung des Haftungsprivilegs zugunsten der Geschäftsführer werden die engen Grenzen der gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbote wie u.a. durch den §64 GmbH gelockert. Geschäftsleiter müssen nicht befürchten, dass sie für geleistete Zahlungen im Insolvenzfall in die persönliche Haftung genommen werden. Damit ermöglicht der Gesetzgeber rechts- und planungssichere Freiräume, sodass erforderliche Maßnahmen zur Fortführung des Unternehmens durchgeführtwerden können.13
2.2.2 Privilegierung von Krediten und Gesellschafterdarlehen
Der aus der Corona- Krise resultierende hohe Liquiditätsbedarf führt dazu, dass Unternehmen neben den staatlichen Mitteln auf zusätzliche Bankkredite angewiesen sind. Aus Sicht der Kreditgeber ist die Bereitschaft insolvenzgefährdeten Unternehmen mit neuem Kapital zu helfen allerdings gering. Diese befürchten, dass die Rückzahlungen des Kredits gern. §§130,131, 133 InsO angefochten werden können.14 Im Falle einer gescheiterten Sanierung könnte es dann im Rahmen eines Insolvenzverfahren zu Rückzahlungen kommen. Wenn Kreditgeber zwischenzeitliche Zinsen vom Darlehensnehmer erhalten haben, ist die Befürchtung, dass diese durch den Insolvenzverwalter mittels Anfechtung zurückgeholtwerden.15
Durch §2 I Nr. 2 sollen sowohl die Besorgnisse von Kreditgebern beseitigt als auch die Aufnahme von neuen Bankkrediten für von der Corona Krise betroffene Unternehmen erleichtert werden. In §2 I Nr.2 heißt es, dass die Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits als nicht gläubigerbenachteiligend gilt. Eine Anfechtung von Rückzahlungen, die bis zum 30.September 2023 erfolgen, soll damit effektiv verhindert werden. Da §2 an §1 gekoppelt ist, setzt die privilegierte Behandlung der Kredite voraus, dass der Kredit zum einen während des Aussetzungszeitraum gewährt wurde und zum anderen, dass die Insolvenzreife des Darlehensnehmers auf der Corona- Pandemie basiert.16 Außerdem ist zu beachten, dass es sich ausschließlich um neue Kredite handelt. Deshalb ist die Prolongation, also die Verlängerung der vereinbarten Geltungsdauereines Kreditvertrags, von §2 ausgeschlossen.
Darüber hinaus gelten Kreditgewährungen im Aussetzungsraum gern. §2 I Nr.3 nicht als sittenwidriger Beitrag zu einer Insolvenzverschleppung. Durch die Befreiung von jeglichen Haftungsrisiken, insbesondere des §826 BGB, sollen Kreditgeber einen zusätzlichen Anreiz haben, Sanierungskredite zu gewähren. Im Falle einer Insolvenzverschleppung während des OI.März bis 30. September dieses Jahrs, sind die in diesem Zeitraum geleisteten Finanzierungshilfen von Kreditgebern unbedenklich. Die Rechtsfolgen nach §§138, §826 BGB fallen damit weg.
Es erfolgt nicht nur eine Privilegierung von Bankkrediten. Auch im Falle von staatlichen Krediten, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und ihren Finanzierungspartnern oder ähnlichen Institutionen im Zusammenhang mit staatlichen Fördermitteln gewährt werden, erfolgt gern. §2 Nr. 3 eine Aufhebung derAnfechtbarkeit sowie die Sittenwidrigkeitshaftung.17
[...]
1 vgl.Knauth/Krafczyk, S.677.
2 vgl Bacmeister, S.304.
3 alle Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des Gesetzes zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einerdurch die COVID-19-Pandemie bedingten lnsolvenz“( COVInsAG)
4 Vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 22.
5 Ebd.
6 Vgl. Römermann, S. 142.
7 BT-Drucks. 19/18110, S. 22.
8 Vgl. Knauth/Krafczyk,S.677
9 Vgl. Knauth/Krafczyk, S.678.
10 Vgl. Römermann S. 1110.
11 Vgl. Hölzle/Schulenberg, S.641.
12 Vgl. Bacmeister, S.306
13 Vgl. Ebd., S.307.
14 Vgl. Gehrlein, S. 722
15 Ebd.
16 Vgl. Hölzle/Schulenburg, S.643.
17 Vgl. BT-Drucks. 19/18110, S.23.
- Citation du texte
- Philipp Schreiter (Auteur), 2020, Auswirkungen der Corona-Krise auf das deutsche Insolvenzrecht. Sondergesetz COVINsAG, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1006163
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.