In diesem Essay in Briefform werden die Ansichten und Meinungen zu folgender Frage geschildert: Warum sind Ikonen (und deren Verehrung), trotz des biblischen Bilderverbots, legitim?
Heute war ich nach über einem Jahr wieder in unserer wunderschönen Mariä-Geburt-Kathedrale. Du kannst dich sicherlich noch daran erinnern, als wir vor über zehn Jahren beim Anblick dieser Pracht nicht mehr aus dem Staunen herauskamen. Ich weiß noch, wie du bei dem Anblick der Ikonen ehrfürchtig auf die Knie gesunken bist. Als mir diese Situation plötzlich wieder in den Sinn kam, verspürte auch ich, für die der Anblick gewissermaßen alltäglich und bei weitem nichts Besonderes mehr ist, zum ersten Mal wieder eine tiefe Ehrfurcht. Wie viel kann ich, die sich als tiefgläubige, orthodoxe Russin bezeichnet, von einem deutschen Katholiken über meine eigene Religion lernen? Für diesen Augenblick möchte ich dir auf ewig danken!
Wie du sicherlich weißt, hat diese Frage vor vielen Jahrhunderten für einen Konflikt gewaltigen Ausmaßes gesorgt – und klingt selbst in diesen Zeiten noch leicht nach. Damals hat dieser Konflikt die orthodoxe Christenheit in zwei Lager aufgespalten: In die Ikonodulen und die Ikonoklasten. Ich, als Ikonodule, befürworte die Ikonenverehrung natürlich. Umso mehr verwundert mich die Tatsache, dass die Ikonoklasten, also die Gegenseite, sich bei ihren Argumenten gegen die Bilderverehrung, genauso wie die Ikonodulen, auch auf die Bibel stützen. Trotz alledem, was die Ikonoklasten dagegen vorbringen, verehren wir heutzutage die Ikonen in unseren Kirchen und zu Hause. Ich hoffe, dass du, mein Freund, beim Lesen dieses Briefes deine Bibel in Reichweite hast, um darin zu blättern und meine Gedankengänge nachzuverfolgen.
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