In dieser Arbeit geht es um Gewohnheiten (G) und darum wie viel Einfluss unser Umfeld auf unsere Gewohnheiten hat. Teile der Arbeit sind: Verständnis und Merkmale von G, Entstehung von G, Ziele und Effekte von G, Veränderungsansätze von Gewohnheiten, der Einfluss des Umfelds aus sozialpsychologischer Sicht und Studien und Berichte. Die Analyse erfolgte anhand einer Befragung mittels Fragebogen, die Auswertung mittels Excel.
Das Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung des Einflusses unseres sozialen Umfelds auf die Veränderung von Gewohnheiten. Zunächst soll ein Verständnis für das vielseitige Phänomen der Gewohnheit und darüber, wie man sie entwickeln und verändern kann geschaffen werden. Außerdem wird unter anderem ein Einblick in die sozialpsychologische Sichtweise bezüglich des Einflusses unseres sozialen Umfelds gegeben. Nach einer Recherche zu bereits erfolgten Studien zu diesem Thema folgt eine Befragung in einem Fitnessstudio. Anhand einer Umfrage wird untersucht, ob wir dazu neigen Gewohnheiten von unseren Freunden, der Familie, den Mitarbeitern oder dem Partner zu übernehmen. Yesil behauptet in ihrem Buch, dass Freunde einen größeren Einfluss auf unser Verhalten haben als unsere eigenen Eltern.
Ein Ziel ist es diese Aussage untermauern oder widerlegen zu können. Folglich soll herausgefunden werden, ob unsere Freunde tatsächlich den größten Einfluss auf uns haben und falls nicht, von welchen Personen wir uns stattdessen am meisten beeinflussen lassen. Auch wird untersucht, ob weitere Parameter wie das Alter, das Geschlecht, der erworbene Bildungsabschluss oder die Wahl der Fitnessstudioart einen Zusammenhang zur Häufigkeit des Einflusses und somit zur Stärke der Beeinflussung bei der Veränderung von Gewohnheiten aufweisen. Abschließend soll außerdem auch das sozial erwünschte Antwortverhalten als Einflussgröße untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Problemstellung
2 Zielsetzung
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
3.1 Verständnis und Merkmale von Gewohnheiten
3.1.1 Verständnis von Gewohnheit
3.1.2 Merkmale von Gewohnheiten
3.1.3 Abgrenzung von anderen Konstrukten
3.2 Entstehung von Gewohnheiten
3.3 Ziele und Effekte von Gewohnheiten
3.4 Veränderungsansätze von Gewohnheiten
3.4.1 Transtheoretisches Modell
3.4.2 Bildung neuer Intentionen und Vermeidung von Hinweisreizen
3.5 Der Einfluss des Umfelds
3.5.1 Sozialpsychologische Sicht
3.5.2 Studien und Berichte
4 Methodik
4.1 Untersuchungsdesign
4.1.1 Untersuchungsobjekt und Auswahlkriterien
4.1.2 Untersuchungsdurchführung
4.2 Fragebogenkonstruktion und Beschreibung des Fragebogens
4.3 Datenauswertung und Statistik
5 Ergebnisse
5.1 Auswertung der allgemeinen Informationen
5.2 Auswertung der Übernahme von Gewohnheiten
5.3 Unterstützung und Sabotage
5.3.1 Auswertung der Unterstützung
5.3.2 Auswertung der Sabotage
5.3.3 Überblicke
5.4 Auswertung des Antwortverhaltens
5.5 Auswertung des größten Einflusses und Kommentar
5.6 Induktive Statistik (Inferenzstatistik)
6 Diskussion
7 Zusammenfassung
8 Literaturverzeichnis
9 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
Anhang
Anhang 1: Testlauf Fragebogen
Anhang 2: Fragebogen Endfassung
Anhang 3: Auswertung Signifikanztest Excel
Anhang 4: Rohdatenmatrix
1 Einleitung und Problemstellung
Gewohnheiten. Einerseits ein Segen, andererseits ein Fluch. Gewohnheiten helfen uns im Alltag und sind wichtig um uns diesen zu erleichtern. Denn nicht jede Entscheidung wird immer wieder ganz neu getroffen. Im Gegenteil: Ungefähr die Hälfte unserer alltäglichen Handlungen beruhen nicht auf bewussten Entscheidungen, sondern sind Gewohnheiten (Duhigg, 2012; Wood, Tam & Witt, 2005). Viele Gewohnheiten beeinflussen unser Leben positiv und können ein Leben lang beibehalten werden. Jedoch gibt es auch immer wieder Gewohnheiten, die auf Dauer schädlich für unsere Gesundheit sind und somit Unzufriedenheiten oder sogar Krankheiten auslösen. Hat sich eine Gewohnheit aber erstmal entfaltet, fällt es sehr schwer diese wieder zurückzuentwickeln. Gerade bei der Änderung von Lebensstilgewohnheiten scheitert ein Großteil der Menschen öfter, als dass sie diese erfolgreich auch langfristig anpassen. Vorsätze gerade zu Jahresbeginn werden häufig schon nach kurzer Zeit verworfen. Wie eine Statistik der Umfrage über gute Vorsätze zu Jahresbeginn 2019 zeigt, brechen nur 20% der Menschen ihre guten Vorsätze nicht und nur 14% schaffen es länger als vier Monate durchzuhalten (Statista, 2019). Woran liegt das? Was genau sind denn eigentlich Gewohnheiten? Wie entwickeln und festigen sich Gewohnheiten? Sobald sie ein fester Bestandteil unseres Lebens sind, können sie uns dabei helfen unsere Ziele zu erreichen (Schnauber, 2016, S. 64). Doch was ist, wenn unsere langfristigen Ziele nicht mehr mit den aktuellen Gewohnheiten zusammenpassen? Wie können dann verhindernde, insbesondere gesundheitsschädliche Gewohnheiten wieder verändert werden? Sind wir ganz allein verantwortlich für unsere Zielerreichung? Oder lassen wir uns vielleicht von unserem Umfeld dabei beeinflussen? Es ist kein Geheimnis, dass der Mensch nach sozialer Anerkennung - „the need to belong“ (S.522) - strebt (Baumeister & Leary, 1995). Baumeister und Leary (1995, S.522) stellten fest, dass es Zusammenhänge zwischen dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und zwischenmenschlichen Verhaltensreaktionen gibt. Heißt das, dass unsere sozialen Kontakte uns bei der Umsetzung von Veränderungen in unserem Leben und unserem Durchhaltevermögen beeinflussen? Auf diese Fragestellungen soll die Arbeit unter anderem im Rahmen einer Umfrage Antworten geben.
2 Zielsetzung
Das Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung des Einflusses unseres sozialen Umfelds auf die Veränderung von Gewohnheiten. Zunächst soll ein Verständnis für das vielseitige Phänomen der Gewohnheit und darüber, wie man sie entwickeln und verändern kann geschaffen werden. Außerdem wird unter anderem ein Einblick in die sozialpsychologische Sichtweise bezüglich des Einflusses unseres sozialen Umfelds gegeben. Nach einer Recherche zu bereits erfolgten Studien zu diesem Thema folgt eine Befragung in einem Fitnessstudio. Anhand einer Umfrage wird untersucht, ob wir dazu neigen Gewohnheiten von unseren Freunden, der Familie, den Mitarbeitern oder dem Partner zu übernehmen. Yesil (2019, S. 32) behauptet in ihrem Buch, dass Freunde einen größeren Einfluss auf unser Verhalten haben als unsere eigenen Eltern. Ein Ziel ist es diese Aussage untermauern oder widerlegen zu können. Folglich soll herausgefunden werden, ob unsere Freunde tatsächlich den größten Einfluss auf uns haben und falls nicht, von welchen Personen wir uns stattdessen am meisten beeinflussen lassen. Auch wird untersucht, ob weitere Parameter wie das Alter, das Geschlecht, der erworbene Bildungsabschluss oder die Wahl der Fitnessstudioart einen Zusammenhang zur Häufigkeit des Einflusses und somit zur Stärke der Beeinflussung bei der Veränderung von Gewohnheiten aufweisen. Abschließend soll außerdem auch das sozial erwünschte Antwortverhalten als Einflussgröße untersucht werden.
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
Im nächsten Kapitel wird der aktuelle Kenntnisstand von Gewohnheiten dargestellt. Zunächst soll ein Verständnis darüber geschaffen werden, was genau man unter einer Gewohnheit versteht und welche Merkmale sie prägen. Im weiteren Verlauf wird gezeigt wie Gewohnheiten entstehen und welche Ziele und Effekte mit Gewohnheiten im ursprünglichen Sinne einhergehen. Anschließend werden verschiedene Ansätze zur Veränderung von bereits entstandenen Gewohnheiten gegeben. Um auch den gegenwärtigen Kenntnisstand des Schwerpunkts dieser Arbeit wiederzugeben, wird abschließend der Einfluss des sozialen Umfelds zunächst aus sozialpsychologischer Sicht und daraufhin in Bezug auf bereits durchgeführte Studien und Berichte abgebildet.
3.1 Verständnis und Merkmale von Gewohnheiten
In den folgenden Absätzen werden unterschiedliche wissenschaftliche Verständnisse von dem Konstrukt Gewohnheit dargestellt. Daraufhin werden zunächst die wichtigsten Merkmale aufgezählt und anschließend die Unterschiede zu anderen teilweise sehr ähnlichen Konstrukten wie zum Beispiel Ritualen oder Routinen erklärt.
3.1.1 Verständnis von Gewohnheit
Eine einheitliche Definition des Wortes „Gewohnheit“ ist in der Literatur nicht zu finden, da es viele unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt. Im ganz groben Sinne lässt sich Gewohnheit als „Häufigkeit bisherigen Verhaltens“ mit dem Zusatz „je häufiger, desto eher ist es eine Gewohnheit“ (S. 188) beschreiben (Triandis, 1980; zitiert nach Becker, 2019). Eine andere knappe Definition von Ouellette und Wood (1998) gibt Gewohnheit als „Tendenz, Verhalten zu wiederholen, wenn der Kontext stabil ist“ (S. 55) wieder. Bei dieser Definition sind bereits zwei Merkmale wiederzufinden: die Wiederholung und der stabile Kontext.
Ein anderes Verständnis von Gewohnheit geht auf die Idee zurück, dass eine Gewohnheit eine erlernte automatische Reaktion sei, die immer von einem bestimmten Reiz ausgelöst wird (Thurn, 2014, S. 19). So lassen sich Gewohnheiten auch als „zielungebundene Reiz-Reaktions-Muster, die sich durch die häufige Koaktivierung von Verhalten und externen situativen Gegebenheiten bilden“ definieren (Schnauber, 2016, S. 61). Oder als „eine gelernte Disposition, ein Verhalten aufgrund von bestimmten Reizen des situativen Kontextes zu wiederholen. Diese Reize lösen das Verhalten automatisch aus“ (Thurn 2014, S. 20).
Eine weitere Art und Weise habituelles Verhalten zu interpretieren ist es als Skript oder auch „Verhaltensschablone“ zu sehen (Busch-Geertsema, 2017, S. 41). Im wissenschaftlichen Sinne ist Gewohnheit „das Ergebnis von langsam angehäuften Assoziationen, die akkumuliert und im langsam lernenden prozedualen [ sic ] Gedächtnissystem kodiert werden“ (Daw, Niv & Dayan, 2005; zitiert nach Thurn, 2014, S. 25) (Mehr dazu siehe 3.2 Entstehung von Gewohnheiten). Also eine „in Form eines Skriptes gespeicherte Wissensstruktur, die aufgrund ihrer hohen Verfügbarkeit in regelmäßig auftretenden, alltäglichen Situationen automatisch ausgelöst werden kann“ (Schnauber, 2016, S. 62). Demnach kann man Gewohnheiten auch als „mentale Abkürzungen in einem Entscheidungsprozess“ sehen, was bedeutet, man handelt genauso wie man zuvor in derselben Situation bereits erfolgreich gehandelt hat (Schnauber, 2016, S. 62). Ein Skript wirkt „nicht nur genau in einer bestimmten Situation, sondern ist dahingehend übertragbar, dass wenn ein gewisser situativer Auslöser (situational cue) auftritt, diese Verhaltensregel in Kraft tritt (Abelson 1981; Verplanken und Aarts 1999; Verplanken et al. 2008)“ (Busch-Geertsema, 2017, S. 41).
Da diese Arbeit den Fokus auf die Veränderung von schlechten Gewohnheiten legt, ist folgende Definition von Gewohnheit interessant: „Unter Gewohnheit wird ... die Tendenz verstanden, ein oft in einer bestimmten Situation gezeigtes Verhalten auch dann noch in dieser Situation zu zeigen, wenn inzwischen ein anderes Verhalten bevorzugt wird“ (Tobias, 2007, S. 113). Diese Verhaltensweisen werden also „von einer bestimmten Situation spontan ausgelöst ... und dann vom Bewusstsein weitgehend unkontrolliert“ ausgeführt (Becker, 2019, S. 188).
3.1.2 Merkmale von Gewohnheiten
Das erste und mit Sicherheit eines der offensichtlichsten und wichtigsten Merkmale ist die Wiederholung bzw. die Häufigkeit eines Verhaltens. Auch wenn die Definition von Gewohnheit schwierig und vielseitig ist, findet man bezüglich dieses Merkmals in der Literatur keinen Widerspruch: Gewohnheiten brauchen viele Wiederholungen in stabilem Kontext (Becker, 2019, S. 188; Schnauber, 2016, S. 61; Thurn, 2014, S. 21). Wie viele Wiederholungen genau nötig sind um eine Handlung oder ein Verhalten als Gewohnheit anzusehen ist jedoch nicht bekannt (Thurn, 2014, S. 21). Im Gegenteil, verschiedene Studien haben jeweils eine unterschiedlich hohe Anzahl an Tagen erforscht, die nötig sind um eine Gewohnheit zu entwickeln und diese zu festigen (Schnauber, 2016, S. 70).
Außerdem ist die Häufigkeit ein wichtiger Aspekt bei der Messung der Stärke einer Gewohnheit, wie zum Beispiel beim Self-Report Habit Index von Verplanken und Orbell (Schnauber, 2016, S. 125). Jedoch erklärt Fuchs (2007, S. 7), dass ein Anstieg der Häufigkeit eines Verhaltens nicht zwingend eine Zunahme der Gewohnheitsstärke bedeuten muss. Denn wenn jemand zehn Zigaretten am Tag raucht ist die Stärke dieser Gewohnheit nicht zwingend geringer als bei einer Person, die täglich fünfzehn Zigaretten konsumiert.
Auch reichen Wiederholungen allein nicht aus um eine Gewohnheit zu entwickeln - sie sind notwendig, aber nicht hinreichend (Fuchs, 2007, S. 7). Wenn ein Trainer also zum Beispiel bei einer Trainingsplanerstellung häufig die Beinpresse benutzt, ist es noch keine Gewohnheit, da er sich aufgrund des Krankheitsverlaufs und der Ziele des Kunden bei jedem Termin erneut bewusst für oder gegen die Übung entscheidet.
Beim nächsten Merkmal, der Automatizität, ist das Gegenteil der Fall. Diese wird durch eine sogenannte Reiz-Reaktions-Verbindung erklärt, bei der das gewohnte Verhalten automatisch durch einen oder mehrere spezifische Reize ausgelöst wird (Thurn, 2014, S. 23). Diese Verhaltensreaktion wird durch Wiederholungen gefestigt und zu einer Art Automatizität (Thurn, 2014, S. 30). Begründet wird diese hauptsächlich durch geringe oder gar fehlende Aufmerksamkeit in der Phase der Verhaltensauslösung, wodurch eine schnelle Entscheidung getroffen werden kann (Bargh & Gollwitzer, 1994; zitiert nach Becker, 2019, S. 188). Bei bereits fehlender Kontrollierbarkeit in der auslösenden Phase findet folglich kein Entscheidungsprozess mehr statt. Das Verhalten wird somit automatisch initiiert (Thurn, 2014, S. 20). Hierin besteht der naturgemäße Vorteil von Gewohnheiten. Sie sind kognitiv hoch effizient, da sie leicht verfügbar sind, und entlasten das Gehirn (Schnauber, 2016, S. 63–66), da sie „ohne großen gedanklichen Aufwand“ ablaufen (James, 1890; zitiert nach Becker, 2019, S. 188) (mehrere Aspekte zu diesem Thema siehe 3.3 Ziele und Effekte von Gewohnheiten). Es scheint, als wäre die Möglichkeit, das besagte Verhalten gar nicht erst auszulösen, nicht vorhanden. Doch „auch bei starken Gewohnheiten [sind] durchaus noch sorgfältig durchdachte Verhaltensentscheidungen möglich“ (Tobias, 2007, S. 91). Gewohnheiten sind demnach nicht vollkommen automatisch, weisen aber durchaus Merkmale von Automatismen auf (Tobias, 2007, S. 90).
Eine weitere Eigenschaft von Gewohnheiten, die Reizkonfiguration, soll eine Antwort auf die Frage geben, was diese Automatismen auslöst. Aarts, Paulussen und Schaalma (1997, S. 366) sind der Meinung, dass eine gebildete Gewohnheit durch spezifische, situative Hinweise oder auch situationale Charakteristika (Tobias, 2007, S. 90) ausgelöst wird. Becker (2019, S. 188) beschreibt dieses als ein „bestimmter bekannter Kontext (Reizkonfiguration)“, der vorhanden sein muss um eine Gewohnheit zu initiieren. Dieser wirkende Kontext kann die verschiedensten Reize beinhalten wie sensorische Reize (auditive, visuelle, taktile, gustatorische, olfaktorische), bereits geschehenes Verhalten oder inneren Zuständen wie zum Beispiel Erinnerungen oder Emotionen (Becker, 2019, S. 188). Wenn man zum Beispiel in einen Raum gehen möchte (Reiz: verschlossene Tür), öffnet man automatisch die Tür, indem man die Türklinke betätigt.
Die geringe Kontrollierbarkeit, die aus der Automatizität folgt, ist erst dann problematisch, wenn das ausgelöste Verhalten negativ bewertet wird. Das kann der Fall sein, wenn es zum Beispiel nicht mehr den subjektiven Normen gerecht wird. Diesbezüglich spricht man von schlechten Gewohnheiten (Schnauber, 2016, S. 63), welche auch mit dem nächsten Merkmal im Zwiespalt stehen.
Die Zielgerichtetheit – ein umstrittenes Merkmal. Ursprünglicherweise dienen die meisten Gewohnheiten, die sich teilweise über Jahre hinweg entwickelt haben, einem bestimmten Ziel. Diese Gewohnheiten haben sich aus einer Intention heraus, also aus bewusstem, „planvollem, auf Entscheidungen basierendem Verhalten“ entwickelt (Bargh & Gollwitzer, 1994, S. 73). Das tägliche Zähneputzen zum Beispiel bringt uns dem Ziel, im späteren Leben gesunde Zähne zu haben, näher. Die Zielgerichtetheit bleibt fortlaufend erhalten. Das ist allerdings nicht immer der Fall. Klare Ausnahmen hierfür sind schlechte Angewohnheiten, deren Auslösung nicht – oder zumindest nicht mehr – im Einklang mit dem gewünschten Ziel steht. Unter diesen Umständen ist die Gewohnheit weder funktional noch zielgerichtet (Schnauber, 2016, S. 64). Dementsprechend ist Zielgerichtetheit eine Eigenschaft, die auf eine Gewohnheit zutreffen kann, aber nicht muss.
3.1.3 Abgrenzung von anderen Konstrukten
Der Begriff „Gewohnheit“ wird im alltäglichen Sprachgebrauch häufig mit regelmäßigem Verhalten gleichgesetzt und ist des Öfteren eher negativ besetzt (Schnauber, 2016, S. 65–66). Im Folgenden soll die Abgrenzung von verschiedenen Konstrukten betrachtet werden.
Rituale haben mit Gewohnheiten gemein, dass sie regelmäßig ausgeführt werden. Doch die Bedeutung von Ritualen ist im subjektiven Sinn viel größer als die von Gewohnheiten: Diese sind von hoher Wichtigkeit und „dienen der symbolischen Verarbeitung sozialer und zeitlicher Ordnung und Kontinuität“ (Schnauber, 2016, S. 68). Ein Ritual wird zum Teil aufwendig organisiert und von weiteren Handlungen begleitet, wie zum Beispiel eine Hochzeit. Ein weiterer Unterschied (Stefan Strobel, 2020) zur Gewohnheit ist „ein achtsames und verantwortungsvolles Bewusstsein in der Auswahl und Ausführung“ eines Rituals. Solch eine Art von Bewusstsein ist durch die Automatizität (siehe 3.1.2 Merkmale von Gewohnheiten) bei Gewohnheiten nicht gegeben.
Die Abgrenzung zum Begriff Routine ist etwas schwieriger, da er verschieden definiert wird und in der Literatur auch teilweise als Synonym zum Begriff Gewohnheit verwendet wird (Schnauber, 2016, S. 68). Sie werden oft als ein „allgemeineres Konzept“ verstanden wie zum Beispiel das Kaffee trinken und Zeitung lesen einer Morgenroutine angehören (Busch-Geertsema, 2017, S. 40). Was ganz im Sinne der Definition von Limayem, Hirt und Cheung (2007) läge; sie schreiben über Routinen: „They describe a certain behavioral pattern, (fixed and regular), but - in contrast to habit - do not determine it“ (Limayem et al., 2007, S. 717). Das würde bedeuten, dass Gewohnheiten lediglich Sonderfälle von Routinen sind, eben solche, die das Verhalten automatisch auslösen. Außerdem geben die Autoren Zufriedenheit als wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Gewohnheiten an, welche bei der Durchführung von Routinen nicht gegeben sein muss. Als Beispiel zeigen sie die Situation, in der ein Mitarbeiter von seinem Vorgesetzten angehalten wird bei der Bearbeitung einer Aufgabe eine bestimmte Routine einzuhalten. Findet der Arbeitnehmer diese nicht sinnvoll, wird er sie trotzdem durchführen, aber unwahrscheinlich zu seiner eigenen Gewohnheit machen - da sie ihn nicht zufrieden stellt. Somit können auch Vorteile ausbleiben, die ein gewohnheitsmäßiges Handeln mit sich bringen würde, wie zum Beispiel die Effizienz (mehr zu Effizienz von Gewohnheiten siehe 3.3 Ziele und Effekte von Gewohnheiten) (Limayem et al., 2007, S. 717).
Betsch, Haberstroh und Höhle (2002, S. 456; zitiert nach Schnauber, 2016, S. 68) sehen Routinen als eine „typische Verhaltensweise, die im Entscheidungsprozess dominiert“. Auch diesem Verständnis nach wären Gewohnheiten ein Sonderfall von Routinen, eben solche, die automatisch ausgelöst werden. Demnach folgert Schnauber (2016), dass „jede Gewohnheit auch eine Routine [ist], aber nicht umgekehrt“ (S. 68).
Ähnlich ist es bei der Sucht. Auch hier wird die Abgrenzung zum Konstrukt Gewohnheit diskutiert. Marlatt, Baer, Donovan und Kivlahan (1988) definieren Sucht als „a repetitive habit pattern that increases the risk of disease and/or associated personal and social problems. Addictive behaviors are often experienced subjectively as ‚loss of control‘– the behavior continues to occur despite volitional attempts to abstain or moderate use“ (S. 224). Eine Sucht wird also als negativ assoziiert, unter anderem auch, da sie oft nicht nur dem Individuum selbst schadet, sondern auch dessen soziales Umfeld in Mitleidenschaft zieht (Berger, 2003, S. 12). Das Bewusstsein für das entsprechende Verhalten ist bei einer Sucht oft gegeben, doch kann es aufgrund von mangelnder oder gar fehlender Kontrolle nicht gestoppt werden (Schnauber, 2016, S. 69). Eine Sucht ist also ein Spezialfall von Gewohnheit, der besonders ausgeprägt ist (Berger, 2003, S. 12) und keine kognitive Entlastung mit sich bringt, sondern eher zu psychischen und/oder sozialen Problemen führt. Sie kann sich aus einer Gewohnheit entwickeln, muss aber nicht. (Schnauber, 2016, S. 69)
Ein weiteres ähnliches Konstrukt stellen die Implementation Intentions dar. Schnauber (2016) beschreibt sie als „Pläne zur Umsetzung eines Verhaltens, die explizit an das Auftreten von bestimmten externen Faktoren geknüpft sind und bei deren Auftreten automatisch ausgelöst werden ... (Gollwitzer 1999; Gollwitzer & Brandstätter 1997, S. 187)“ (S.67). Zum Beispiel „Ich werde jeden Tag ein Stück Obst essen, wenn ich meinen Nachmittagstee trinke“. Die Ähnlichkeit zu Gewohnheiten liegt in der ebenfalls automatischen Auslösung durch Hinweisreize. Doch im Gegensatz zu Gewohnheiten entstehen Implementation Intentions durch bewusstes Planen; ebenso sind keine vorhergehenden Wiederholungen im entsprechenden Kontext nötig (Gollwitzer & Brandstätter, 1997, S. 187). Des Weiteren müssen bei den Implementation Intentions die Umgebung und Hinweisreize bewusst beachtet werden, während bei Gewohnheiten der Kontext und das entsprechende Verhalten eine Art Einheit bilden (Bargh & Gollwitzer 1994, S. 72-73; zitiert nach Schnauber, 2016, S. 67). Jedoch scheint es sehr plausibel, dass sich aus einer Implementation Intention eine Gewohnheit entwickeln kann, beziehungsweise können Implementation Intentions eine Hilfe bei der Veränderung von Gewohnheiten sein (mehr zu diesem Thema siehe 3.4 Veränderungsansätze von Gewohnheiten) (Hartmann T., 2009, S. 38).
3.2 Entstehung von Gewohnheiten
Über die Entstehung von Gewohnheiten ist man sich in der Literatur noch nicht ganz einig (Busch-Geertsema, 2017, S. 41). Bezüglich der groben Beschreibung von Schnauber (2016, S. 69) scheinen sich Gewohnheitsforscher relativ einig zu sein: „Gewohnheiten entstehen aus Verhaltenswiederholungen in stabilen Kontexten, also durch das wiederholt gemeinsame Auftreten von bestimmten Kontextfaktoren und dem entsprechenden Verhalten (z. B. Gardner 2015a, S. 285; Koch 2010, S. 71; Lally et al. 2010, S. 998; LaRose 2010, S. 212; Limayem, Hirt & Cheung 2007, S. 714 f.; Naab 2013, S. 31; Neal et al. 2011, S. 1428; Triandis 1980, S. 204; Ouellette & Wood 1998, S. 55; Verplanken & Aarts 1999, S. 105 f.; Vishwanath 2015, S. 5)“. Bei dieser „Koaktivierung entsteht eine neuronale Verknüpfung zwischen Kontext und Verhalten“, die als Skript (siehe 3.1.1 Verständnis von Gewohnheiten) gespeichert wird. Bezüglich der Wiederholungszahl sind sich die Forscher nicht ganz einig (Schnauber, 2016, S. 70). Yesil (2019, S. 167) geht aufgrund von einer Studie von Lally, van Jaarsveld, Potts und Wardle (2010, S. 1002) bei einer Range von 18 bis 254 Tagen von durchschnittlich 66 Tagen aus. Ausschlaggebend scheint dabei unter anderem die Komplexität der Gewohnheit zu sein: Je komplexer das Verhalten, desto länger dauert es, bis es zu einer Gewohnheit wird (Lally et al., 2010, S. 1007).
Becker (2019) beschreibt die Entstehung von Gewohnheiten in seinem Buch in Form von „drei Phasen der Gewohnheitsbildung“ (S. 191). Hierbei handelt es sich um die bewusste Entwicklung von Gewohnheiten. Am Anfang steht die „Initiierung“, das heißt, das gewollte Verhalten braucht eine Art „Starthilfe“, um ausgeführt zu werden (Becker, 2019, S. 192). Rationale Argumente oder direkte Appelle, die gute Absichten hervorrufen sollen, reichen dabei oft nicht aus (Becker, 2019, S. 192). Zusätzliche Methoden wie zum Beispiel „sozialer Druck“ sind dabei effektiver - wenn sich zum Beispiel viele Freunde im Fitnessstudio anmelden und man nicht ausgelassen werden möchte (Becker, 2019, S. 192).
An nächster Stelle steht die Stabilisierung des Verhaltens (Becker, 2019, S. 192). Um das gewollte Verhalten auch wirklich beibehalten zu können sind viele Wiederholungen nötig. Pausen sollten dabei so gut wie möglich weggelassen werden, da sie „tödlich“ sein können (Becker, 2019, S. 192). Hilfreich dabei kann es auch sein, wenn man alte Abläufe quasi unmöglich oder sehr aufwendig gestaltet (Becker, 2019, S. 192): Wenn man zum Beispiel weniger Süßigkeiten essen möchte, kann man alle Süßigkeiten wegsperren und den Schlüssel einem Freund geben.
Ebenso wichtig für die Stabilisierung ist dabei das erfolgreiche Umsetzen des Verhaltens und damit auch das Setzen von realistischen Zielen (Becker, 2019, S. 192). Denn durch gelungenes Verhalten baut man „wachsende Fähigkeiten, wachsendes Wissen und Selbstwirksamkeit“ auf (Becker, 2019, S. 192). Durch Versagen oder enttäuschendes Verhalten hingegen wird das Selbstvertrauen reduziert und damit auch die Wahrscheinlichkeit das Verhalten zu wiederholen (Abramson, Seligman & Teasdale, 1978).
Je standardisierter der Ablauf des neuen Verhaltens abläuft, umso besser. Denn auf Veränderungen oder gar Probleme folgt bewusstes Nachdenken und damit gefährdet man die Umsetzung (Becker, 2019, S. 192). Soll die Gewohnheit entstehen nach der Arbeit laufen zu gehen, ist es also sinnvoll, immer direkt nach dem nach Hause kommen die Sportklamotten anzuziehen und „loszulegen“. Wartet man ab und setzt sich erst mal auf die Couch, weil man sich müde fühlt, oder erledigt vorab andere Dinge, kommt man aus dem stabilen Kontext heraus und gefährdet somit die Fortsetzung (Becker, 2019, S. 192). Außerdem unterstützen „Lob und soziale Anerkennung (Zugehörigkeit)“ ebenso das neue Verhalten (Becker, 2019, S. 192).
Der letzte Schritt zur Gewohnheit ist nun die Automatisierung (Becker, 2019, S. 192). Durch das Wiederholen und Einüben des Verhaltens „wird die Entscheidung dazu zunehmend weniger bewusst und findet ganz automatisch und schnell statt“ (Becker, 2019, S. 192). Sie findet nur noch nebenbei mit geringster Aufmerksamkeit statt. Zur automatischen Ausführung des neuen Verhaltens ist „ein spezifischer auslösender Kontext wichtig“, welcher dann das zugehörige Reiz-Reaktions-Muster ausführt. (siehe 3.1.1 Verständnis von Gewohnheiten). (Becker, 2019, S. 192)
Anderson (1982; zitiert nach Thurn, 2014, S. 25) beschreibt ebenso drei Phasen der Gewohnheitsbildung, bei denen am Ende durch die „wiederholte gekoppelte Aktivierung zwischen einer Verhaltensreaktion und dem Kontext (z.B. Ort, Zeit, Person) eine mentale Repräsentation und direkte Assoziation gebildet und gespeichert (Neal, Wood & Quinn, 2006)“ ist (Thurn, 2014, S. 25). In der ersten Phase, auch „declarative stage“ genannt, findet die reine Kodierung von Informationen statt. Hier wird noch kein direkter Einfluss auf das Verhalten genommen, es werden lediglich Informationen „bewusst und aktiv interpretiert und verarbeitet“ – vergleichbar mit der Phase der Initiierung von Becker (Thurn, 2014, S. 25). Durch Üben und Wiederholung findet eine Umwandlung „von der deklarativen in eine prozeduale [ sic ] Form (2. Phase)“ statt, in der die Informationen nun direkte Wirkung auf das Verhalten haben (Thurn, 2014, S. 25). In dieser zweiten Phase, auch „knowledge compilation“ genannt, werden die Informationen wie bei Becker „immer weniger bewusst und aufmerksam wahrgenommen“ (Becker, 2019, S. 192; Thurn, 2014, S. 25). Anderson beschreibt diese Phase als „die eigentliche Gewohnheitsbildung“ (Thurn, 2014, S. 25). In der dritten und letzten Phase, der „procedural stage“, ist die Gewohnheitsbildung bereits abgeschlossen (Thurn, 2014, S. 25). Diese Art der Gewohnheitsbildung wird auch „Direct-context-cuing“ genannt (Daw, Niv & Dayan, 2005), das heißt, immer wenn ein bestimmter auslösender Reiz im Kontext wahrgenommen wird, wird die damit verbundene Reaktion automatisch aktiviert (Neal & Wood, 2007, S. 844).
Nicht zu vergessen ist bei der Entstehung von Gewohnheiten die Tatsache, dass eine jede Gewohnheit auch eine Art Belohnung mit sich bringt und dadurch der Wille zur Wiederholung verstärkt wird (Schutkin, 2015, S. 47) (mehr dazu bei 3.3 Ziele und Effekte von Gewohnheiten). Aus diesem Grund beschreibt Schnauber (2016, S.98), dass sich Gewohnheiten „ (in den meisten Fällen) aus auf Entscheidungen beruhendem Verhalten, das erfolgreich war und belohnt wurde, entwickelt haben“.
3.3 Ziele und Effekte von Gewohnheiten
Den wohl größten Effekt, den Gewohnheiten mit sich bringen, ist die Entlastung des Gehirns. Denn dadurch, dass sie „ohne großen gedanklichen Aufwand und mit wenig Bewusstsein“ ablaufen, reduzieren alltägliche Gewohnheiten die Ermüdung (Becker, 2019, S. 188). Sie sind weitgehend funktional und auch die oft negativ bewertete automatische Auslösung einer Handlung bringt einen großen Vorteil im Alltag und ist sehr effizient (Schnauber, 2016, S. 64). Damit nämlich nicht jede Entscheidung neu getroffen werden muss, wird in wiederkehrenden Situationen ein Verhalten ausgeführt, das mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit zur Bedürfnisbefriedigung führt (Schnauber, 2016, S. 66). Gewohnheiten sind „quasi kognitive Abkürzungen, um mentale Ressourcen einzusparen“ (Busch-Geertsema, 2017, S. 41).
Betrachtet man Gewohnheiten wie Aarts und Custers (2009, S. 315) als „well-structured patterns of behavior that are supposed to result from the interaction between society and individuals“, so tragen Gewohnheiten „zur Stabilität von Tradition, sozialen Normen und Werten bei“ (Thurn, 2014, S. 19). Sie helfen uns nicht nur dabei unser Leben und Wohlbefinden zu regulieren, sondern schützen uns auch vor Krankheit oder Schädigung (Schweisheimer, 1970, S. 82). Sie haben einen „erheblichen Einfluss auf unsere Lebensqualität“ (Yesil, 2019, S. 167).
Eine Gewohnheit kann ebenso sehr ein Fluch sein wie ein Segen (Schutkin, 2015, S. 46). So kann ein und dieselbe Gewohnheit in einem Fall zu unseren Gunsten sein und in einem anderen Fall jedoch negative Folgen haben. Dieses Phänomen lässt sich anhand des Autofahrens erklären. In den ersten Fahrstunden wirkt es unmöglich gleichzeitig zu fahren, zu schalten und den Straßenverkehr mit all den verschiedenen Schildern und Gefahren im Blick zu behalten. Nach vielen Übungsstunden ändert sich diese Ansicht, denn das Gehirn hat sich an das Autofahren gewöhnt und kann nun verschiedene Dinge unterschiedlicher Denkgrundlagen gleichzeitig machen. Das Radio während des Autofahrens zu verstellen ist jetzt nicht mehr unmöglich – die erlernte Gewohnheit scheint ein Segen zu sein. Doch später fährt man irgendwann so abwesend, dass man sich teilweise gar nicht mehr an den Weg erinnern kann (Schweisheimer, 1970, S. 83). Würde in einer abwesenden Phase ein Kind vor das Auto rennen, könnte das dramatische Folgen haben. Somit wird ein und dieselbe Gewohnheit sowohl zum Fluch als auch zum Segen.
Diese Betrachtung lässt sich ebenso auf die Erreichung von Zielen übertragen. Wie bei den Eigenschaften (Kapitel 3.1.2 Merkmale von Gewohnheiten) bereits erwähnt wurde, stehen die meisten Gewohnheiten im Dienste eines Zieles – zumindest in der Entwicklungsphase. Daher kann auf jeden Fall behauptet werden, dass „hilfreiche und praktische Gewohnheiten“ dazu beitragen können unsere Ziele zu erreichen und wir somit unsere Zeit und Energie zielorientiert nutzen. Andere Gewohnheiten hingegen lassen uns ineffektiv arbeiten und bringen uns von unserem Ziel ab, denn nicht immer kann man vorankommen und Fortschritte machen, wenn man immer und immer wieder dasselbe macht (Yesil, 2019, S. 166).
Ein weiterer Effekt einer Gewohnheit und wahrscheinlich auch einer der Hauptgründe, warum wir sie immer und immer wieder ausführen, ist, dass „das Verlangen nach einem Belohnungsgefühl zunimmt“ (Schutkin, 2015, S. 47). Betrachtet man Gewohnheiten wie Duhigg (2012) als Schleife – also zuerst den Auslösereiz, danach die Reaktion und zuletzt die Belohnung – erkennt man, dass wir jede Gewohnheit in Hoffnung auf eine Belohnung ausführen. Je nachdem wie stark das Gefühl dabei ist, kann es uns quasi süchtig machen, wodurch die Gewohnheit verstärkt wird und die Wiederholung nur eine Frage der Zeit ist (Schutkin, 2015, S. 47).
3.4 Veränderungsansätze von Gewohnheiten
Eine bereits entstandene Gewohnheit wieder abzulegen beziehungsweise dahingehend zu verändern, dass sie wieder zu den eigenen Werten und Wünschen passt, ist nicht unmöglich. Im Folgenden werden verschiedene Methoden vorgestellt, die sich in der Literatur bisher am stärksten durchgesetzt haben.
3.4.1 Transtheoretisches Modell
Das Transtheoretische Modell (TTM) ist ein Modell für absichtsvolles Verhalten und wurde 1982 von Prochaska und DiClemente explizit entwickelt, um gesundheitsrelevante Gewohnheiten zu verändern (Schlicht & Zinsmeister, 2015, S. 75) - ursprünglich für Interventionen zur Raucherentwöhnung (Prochaska & Velicer, 1997). Das TTM ist ein Stufenmodell und beinhaltet fünf aufeinanderfolgende und abgrenzbare Phasen, die sogenannten „Stages of Change“ (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39) (siehe Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Transtheoretisches Modell – Übersicht der Stages of Change (modifiziert nach Knoll, Scholz, Rieckmann & Schwarzer, 2011, S. 53–54)
In der ersten Phase der Absichtslosigkeit („precontemplation“) ist keine Verhaltensveränderung in den nächsten sechs Monaten absehbar (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). Menschen in dieser Phase, haben eventuell schon öfter erfolglos versucht sich zu ändern und schätzen ihre Fähigkeiten dahingehend als ungenügend ein. Oft mangelt es ihnen an Wissen über ihr Handeln und die Konsequenzen, die es haben könnte; meist vermeiden sie sogar, über das riskante Verhalten nachzudenken, darüber zu reden oder zu lesen (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). Das ändert sich in der zweiten Phase, in der die Menschen die Absicht gebildet haben innerhalb der nächsten sechs Monate eine Veränderung vorzunehmen (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). In dieser Phase der Absichtsbildung („contemplation“) ist man sich sowohl den Vorteilen des Wechsels als auch den Nachteilen der aktuellen Situation bewusst (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). Bei Überlegungen zu den für die Veränderung notwendigen Kosten und Leistungen kann sich eine tiefgreifende Ambivalenz entwickeln und dazu führen, dass man für eine lange Zeit in dieser Phase „stecken bleibt“ (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). Dieses Verhalten wird auch als „behavioral procrastination“, also als Verhaltensaufschub beschrieben (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). In der nächsten Phase, der Vorbereitung („preparation“), existiert die Absicht in der unmittelbaren Zukunft – meist im nächsten Monat – Taten umzusetzen; auch erste Schritte wurden innerhalb des letzten Jahres bereits vorgenommen (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). Nun werden Pläne zur Umsetzung aufgestellt, wie zum Beispiel die Intention einen Kurs über gesunde Ernährung zu besuchen. In der vierten Phase, der Handlungsphase („action“), wurden bereits spezifische Änderungen innerhalb der letzten sechs Monate vorgenommen (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). Hierbei ist wichtig, dass das neue Verhalten auch das Risiko, welchem man sich durch das vorherige Verhalten ausgesetzt hat, senkt (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). In der letzten Phase, der Aufrechterhaltung („maintenance“), soll, wie der Name schon sagt, das neue Verhalten aufrechterhalten werden. Das Hauptziel besteht darin durchzuhalten und Rückfälle zu vermeiden, wobei die Versuchung auf dieser Ebene nicht mehr so groß ist wie in den Vorherigen (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). Diese Phase kann von sechs Monaten bis hin zu fünf Jahren dauern; jedoch wird die Rückfallquote je länger man durchhält immer geringer (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). So liegt die Rückfallgefahr für erneuten regelmäßigen Konsum bei Ex-Rauchern nach fünf Jahren lediglich bei 7%, wohingegen sie nach einem Jahr noch bei 43% liegt. (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39)
Das Fortschreiten von einer Stufe zur nächsten ist von verschiedenen Konstrukten abhängig. Zum einen gibt es zum Beispiel verschiedene Strategien der Verhaltensänderung („processes of change“) und zum anderen ist die Gewichtung der wahrgenommenen Vor- und Nachteile der Verhaltensänderung, also die Entscheidungsbalance („decisional balance“) von Bedeutung (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39–40). Ebenso darf die Selbstwirksamkeitserwartung („self-efficacy“) einer Person nicht vergessen werden, die „den Grad der Zuversicht, das Verhalten in beabsichtigter Weise durchführen zu können“, beschreibt (Prochaska & Velicer, 1997, S. 40; Titze & Stronegger, 2002, S. 252).
Hat man eine höhere Stufe im Modell erreicht, bedeutet das aber nicht, dass eine Rückbewegung ausgeschlossen ist. Im Gegenteil, das TTM berücksichtigt die Möglichkeit eines oder mehrerer Rückfälle als festen Bestandteil (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). Die Autoren beschreiben es sogar als eine Art Regel: „relapse tends to be the rule when action is taken for most health behavior problems“ (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39). Eine Umstellung ohne jegliche Rückfälle scheint fast unmöglich, jedoch fallen nur 15% wieder in die erste Stufe zurück. Die große Mehrheit steigt nur ein oder zwei Stufen zurück mit der Intention eines weiteren Veränderungsversuchs (Prochaska & Velicer, 1997, S. 39).
3.4.2 Bildung neuer Intentionen und Vermeidung von Hinweisreizen
Laut Schnauber (2016, S. 110) werden in der Literatur vor allem die folgenden zwei Strategien zur Veränderung von Gewohnheiten – beziehungsweise vor allem zur Beendigung von schlechten Angewohnheiten – diskutiert: Bei der ersten Strategie konzentriert man sich auf die „Bildung und Umsetzung neuer Intentionen“. Bei der zweiten Strategie wird das Augenmerk auf die „Vermeidung von Hinweisreizen“ gelegt, von welchen die Auslösung von Gewohnheiten bekannt ist (S.110).
Stehen die eigenen Intentionen mit den gefestigten Gewohnheiten im Konflikt, so können diese nur mit stark ausgeprägter Motivation und entsprechender Fähigkeit, die zur Umsetzung nötig ist, die Verhaltensausführung positiv beeinflussen (Schnauber, 2016, S. 110). Denn „apparently, in […] everyday settings […], people typically do not have sufficient self-regulatory resources to carry out intentions that conflict with established habits” (Wood & Quinn 2005, S. 60; zitiert nach Schnauber, 2016, S. 109). Diese Aussage steht im Einklang mit verschiedenen empirischen Ergebnissen (Limayem et al., 2007, 717-719), die den abnehmenden „Einfluss von Intentionen auf das Verhalten bei starken Gewohnheiten“ vorweisen (Schnauber, 2016, S. 109). Daher ist es nur logisch, dass viele Forscher es für ungeeignet halten Interventionsmaßnahmen zur Veränderung von Gewohnheiten zu verwenden, die auf die reine Beeinflussung von Intentionen ausgelegt sind (Holland, Aarts & Langendam, 2006, S. 778; Verplanken & Wood, 2006, S. 91–92). Hierzu scheinen Implementation Intentions eine funktionierende Alternative zu sein. Darunter werden „Pläne zur Umsetzung eines Verhaltens verstanden, die explizit an bestimmte situative Faktoren geknüpft sind“ (Schnauber, 2016, S. 111), allgemein formuliert „Ich werde die Handlung X ausführen, wenn die Situation Y auftritt“ (Gollwitzer & Brandstätter, 1997, S. 187). Dadurch dass diese Intentionen bewusst mit Hinweisreizen verknüpft werden und somit nach und nach den Weg in das impulsive System finden, ist deren konsequente Umsetzung wahrscheinlicher als die „einfacher“ Intentionen (Gollwitzer & Sheeran, 2996; zitiert nach Schnauber, 2016, S. 111). Doch empirische Ergebnisse über den Erfolg dieser Interventionsmaßnahmen gibt es kaum. Betsch, Haberstroh, Molter und Glöckner (2004) konnten in einem Laborsetting zeigen, dass Implementation Intentions für die Änderung von Routinen von Nutzen sein können. Diese Ergebnisse beschränken sich allerdings auf das Vorhandensein von entsprechenden Fähigkeiten des Individuums, die von den Forschern durch Zeitdruck auf die Probe gestellt wurden.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Erfolg von Implementation Intentions im Alltag letztendlich doch wieder von Motivation und Fähigkeit abhängen. Daher sind Zweifel an deren Eignung zur Überwindung von starken schlechten Gewohnheiten berechtigt (Schnauber, 2016, S. 111).
Aus diesem Grund gilt die zweite Strategie – die bewusste Vermeidung von auslösenden Hinweisreizen - als erfolgsversprechender (Verplanken, Walker, Davis & Jurasek, 2008, S. 122). Denn wie unterschiedliche Studien zeigen führt eine Veränderung des stabilen Kontextes, wenn sich zum Beispiel das externe Umfeld bei einem Umzug verändert, auch dazu, dass Gewohnheiten nicht mehr im gleichen Ausmaß beibehalten werden (Bamberg, Ajzen & Schmidt, 2003, S. 179–180; Bamberg, Rölle & Weber, 2003, S. 105; Verplanken et al., 2008, S. 124–125). Daher gilt ein Kontextwechsel bei schlechten Gewohnheiten als effiziente Interventionsmaßnahme (Verplanken & Wood, 2006, S. 97). Doch auch dieser Theorie gibt es etwas entgegenzusetzen: Quinn, Pascoe, Wood und Neal (2010) erforschten, dass wesentliche Veränderungen im Tagesablauf nötig sind und die Meidung von Hinweisreizen im Alltag allein nicht ausreicht. Sie sind der Meinung, dass die auslösenden Stimuli für Menschen zu schwer zu erkennen sind, dass sie sämtliche Elemente beinhalten können wie vorangegangene Aktionen oder Orte (S. 500). Schnauber (2016) argumentiert außerdem, dass die Wissensstruktur einer Gewohnheit auch bei einem Kontextwechsel noch vorhanden ist und in einer Entscheidungssituation wesentlich sein kann. Ebenso ist die Umgehung der Hinweisreize vor allem bei externen Faktoren sinnvoll, nicht aber bei jenen Gewohnheiten, die durch interne Faktoren wie etwa Befindlichkeit ausgelöst werden (S. 112).
Die gerade beschriebenen zwei Strategien verbindet Charles Duhigg in seinem Buch „die Macht der Gewohnheit: Warum wir tun, was wir tun“ und fasst sie in einem Leitfaden zur Änderung von Gewohnheiten zusammen.
Duhigg (2012) ist der Meinung, dass sich Gewohnheiten besser verändern lassen, wenn man versteht, wie sie funktionieren. So stellt er Gewohnheiten als eine Art Schleife dar, die aus drei Teilen besteht: einem Auslösereiz, einer Routine und einer Belohnung (Duhigg, 2012). Von einer Gewohnheit kann man dann sprechen, wenn sich ein Verlangen nach dieser Belohnung entwickelt hat und somit jenes Verhalten automatisch ausgeführt wird, welches die entsprechende Belohnung zur Folge hat (Brych & Heineke, 2015). Allein das Verstehen der Gewohnheitsschleife soll die Kontrolle darüber erleichtern (Brych & Heineke, 2015). So gibt Duhigg (2012) einen Leitfaden zur Einführung von neuen Verhaltensweisen: Zu Beginn müssen die verschiedenen Bestandteile der Gewohnheit erkannt und in diese zerlegt werden. Im nächsten Schritt soll mit der Belohnung experimentiert werden um herauszufinden, wonach man sich tatsächlich sehnt (Brych & Heineke, 2015). Der dritte Schritt gleicht dem Prinzip der Meidung von Hinweisreizen, denn auch hier sollen die Auslöser isoliert werden (Brych & Heineke, 2015). Experimente haben gezeigt, dass die meisten Gewohnheiten einem Auslösereiz aus folgenden Kategorien zugeordnet werden können: Standort, Uhrzeit, andere Menschen (mehr zu diesem Bereich siehe 3.5 Der Einfluss des Umfelds), emotionaler Zustand oder unmittelbar vorangehende Handlung (Brych & Heineke, 2015). Um nun eine neue Gewohnheit zu entwickeln, soll zuletzt ein Plan aufgestellt werden – vergleichbar mit den Implementation Intentions –, bei dem ein Verhalten gewählt wird, durch das die gewünschte Belohnung erfolgt, sollte der Auslöser auftreten (Brych & Heineke, 2015; Duhigg, 2012).
Zusammenfassend wird deutlich, dass sich die Veränderung von Gewohnheiten im Alltag als schwierig gestaltet, aber nicht unmöglich ist. Wenn genug Motivation und Fähigkeit vorhanden ist, kann das „reflektive System das impulsive System ‚überstimmen‘ und die Auslösung der Gewohnheit unterbinden“ (Schnauber, 2016, S. 112). Dies ist vor allem notwendig, wenn die Gewohnheit als unpassend angesehen wird und es dadurch zu einem Konflikt zwischen den Systemen kommt (Schnauber, 2016, S. 112). Ein kombiniertes Vorgehen, bei dem der Abbau von schlechten Gewohnheiten mit dem gleichzeitigen Aufbau von neuen Gewohnheiten erfolgt, zeigt sich als besonders effektiv (Becker, 2019, S. 197). Auch Schutkin (2015, S. 47) schreibt resümierend: „Ein probates Mittel zur Änderung von (schlechten) Gewohnheiten ist es demnach, den Auslösereiz zu erkennen, die ungewünschte Routine durch eine gewünschte Routine zu ersetzen und durch ein Belohnungssystem zu festigen.“ Wobei auch er betont, dass es in der Praxis leichter scheint „ein Belohnungssystem zu installieren, als den Auslösereiz zu identifizieren“ (Schutkin, 2015, S. 47).
Da eine der Hauptkategorien der Auslösereize „andere Menschen“ sind, spielt gerade bei der Identifizierung und Auseinandersetzung mit diesen Reizen auch unser soziales Umfeld eine große Rolle. Wie abhängig sind wir eigentlich von anderen Menschen? Und wie sehr lassen wir uns beeinflussen? Diese und weitere Fragen werden nun im folgenden Unterkapitel genauer betrachtet.
3.5 Der Einfluss des Umfelds
„Motivation wird überbewertet. Das Umfeld ist oft wichtiger.“ (Sören Bechtel, 2019)
Dieses Zitat ist die Überschrift eines Artikels auf der Internetseite von Sören Bechtel, einem Experten für Erfolgsgewohnheiten. Er betont, wie signifikant die Umgebung eines Menschen für dessen Erfolg ist und wie erheblich sie den Menschen auf lange Zeit beeinflusst (Sören Bechtel, 2019). Im Folgenden wird zunächst die sozialpsychologische Sicht bezüglich des Einflusses unseres Umfelds dargestellt. Im Anschluss werden verschiedene Studien und Berichte vorgestellt, die sich mit dem Einfluss des sozialen Umfelds in Bezug auf die Veränderung von bestimmten Gewohnheiten beschäftigen.
3.5.1 Sozialpsychologische Sicht
Der Mensch ist ein soziales Wesen (Lersch, 1964, S. 27). „Es sind ... die Widerspiegelungen und Handlungen, die sich unmittelbar auf andere Menschen beziehen, die als sozial einzustufen sind.“ (Scheu & Autrata, 2013, S. 227–228), also die Art und Weise wie wir miteinander agieren. Lersch (1964, S. 155) erklärt, „dass das menschliche Zusammenleben in einer sehr allgemeinen und durchgehenden Weise vom sozialen Umfeld bestimmt wird und zwar insofern, als es gewisse überindividuelle Gültigkeiten in der Weise des Denkens, Wertens und Handelns gibt, von denen der Einzelne in der persönlichen Art seines Erlebens und Verhaltens entscheidend mitgeprägt wird“. Auch Niederbacher und Zimmermann (2011) sind der Meinung, dass die Entwicklung eines bestimmten Lebensstils – bis hin zur Entwicklung des eigenen Geschmacks - durch den Kontakt mit verschiedenen sozialen Gruppen, in denen wir aufwachsen, stattfindet. Egal, ob unser Verhalten, die Kleidungswahl oder der angestrebte Bildungsabschluss - „wir übernehmen Normen, Werte und kulturelle Muster einer sozialen Gruppe“ (S. 52).
Der Einfluss unseres sozialen Umfelds auf unser Leben darf also generell nicht unterschätzt werden und sollte daher auch bei der Veränderung von Gewohnheiten berücksichtigt werden.
Menschen streben danach, „differenzierte und objektive Einschätzungen hinsichtlich ihrer Einstellungen und Fähigkeiten“ zu erfahren, und tendieren dazu, diese anhand einer Selbstbewertung durch einen Vergleich mit anderen Menschen zu erlangen (Behnke, 2016, S. 93). Diese Selbstevaluation ist ein Teil der Theorie des sozialen Vergleichs („Social Comparison Theory“) (Yesil, 2019, S. 29). Sie unterscheidet zwei Arten von Vergleich: Auf der einen Seite steht der Aufwärtsvergleich („upward comparison“), bei dem man sich mit einer Person vergleicht, die bezüglich einer gewählten Eigenschaft besser abschneidet als man selbst (Behnke, 2016, S. 93). Dieser „kann Neidgefühle verursachen, dem Selbstbewusstsein schaden und sogar psychischen Schaden wie Depressionen und Angstgefühle hervorrufen (Ding et al. 2018; Lee et al. 2014)“ (Yesil, 2019, S. 30). Auf der anderen Seite gibt es den Abwärtsvergleich („downward comparison“), bei dem man sich mit einer Person vergleicht, die bezüglich der gewählten Eigenschaft schlechter abschneidet als man selbst (Behnke, 2016, S. 93). Man erkennt, dass es einem in dieser Hinsicht besser geht und fühlt sich dadurch auch besser (Yesil, 2019, S. 35). Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich die meisten Personen eher den Abwärtsvergleich wünschen, „um ihr Selbstbewusstsein nicht zu gefährden (Grogan, 2008)“ (Behnke, 2016, S. 93).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Die Wichtigkeit der Anerkennung und Wertschätzung durch das soziale Umfeld modifiziert nach (IMAS International, 2019)
In der Umfrage der IMAS International über Wertschätzung und Anerkennung als Kernelement in menschlichen Beziehungen (siehe Abb. 2) ist deutlich zu sehen, dass knapp die Hälfte aller Befragten die Anerkennung und Wertschätzung durch das soziale Umfeld als sehr wichtig (Note 1) empfinden und weitere 25% als wichtig (Note 2). Menschen haben also ein großes Bedürfnis, von anderen gemocht zu werden, und wollen nicht ausgeschlossen werden (Yesil, 2019, S. 30). Studien zufolge tut soziale Ausgrenzung tatsächlich weh, denn im Gehirn werden dieselben Areale aktiviert wie bei körperlichen Schmerzen (Eisenberger, Lieberman & Williams, 2003, S. 292). Man versucht also, den Erwartungen anderer gerecht zu werden und sagt daher des Öfteren „Ja, okay“ anstatt „Nein“ oder „Ich will nicht“. Dadurch können eventuell persönliche Pläne nicht weiter verfolgt werden und die eigenen Bedürfnisse bleiben zurück (Yesil, 2019, S. 30).
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- Quote paper
- Franzisca Meierbeck (Author), 2020, Gewohnheiten als Treiber und Verhinderer im Gesundheitsverhalten. Eine empirische Analyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1005577
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