Diese Arbeit fokussiert sich zunächst insbesondere auf die schulische Ausbildung von Kindern mit Migrationshintergrund und wird ethnische Bildungsungleichheit vor dem theoretischen Hintergrund primärer und sekundärer Herkunftseffekte betrachten. Darüber hinaus werden benachteiligende Strukturen im Bildungssystem vor allem für Schüler mit Migrationshintergrund beleuchtet, um ungleiche Behandlung im Rahmen der schulinstitutionellen Karriere von Kindern und Jugendlichen, sowie eine mögliche Benachteiligung am Arbeitsmarkt zu beleuchten.
Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit in einem Fazit zusammengefasst und die zu Beginn der Arbeit gestellte Frage differenziert beantwortet.
Inhalt
1. Einleitung
2. Theoretische Betrachtung von Bildungsungleichheiten
2.1. Primäre und sekundäre Effekte sozialer Herkunft
2.2. Ethnische Bildungsungleichheit
3. Bildungsungleichheiten bei Schülern mit Migrationshintergrund
3.1. Institutionelle Diskriminierung von Schülern mit Migrationshintergrund
3.2. Bildungswille von Schülern mit Migrationshintergrund
4. Zusammenhang von potentiellen Bildungsungleichheiten von Schülern mit Migrationshintergrund und Chancenungleichheit am Arbeitsmarkt
5. Fazit
1. Einleitung
Im Jahr 2019 lebten 20,1 Millionen Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland; das entspricht über 24% der Gesamtbevölkerung (vgl. Statistisches Bundesamt 2020: o.S.). Während rund 1% der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund keinen Schulabschluss haben, ist der Anteil bei Personen mit Migrationshintergrund im Jahr 2019 deutlich erhöht; rund 10% der Personen mit Migrationshintergrund haben laut Statistischem Bundesamt keinen Schulabschluss (vgl. Statistisches Bundesamt 2020: o.S.). Statistiken wie diese befeuern den gesellschaftlichen und medialen Diskurs, ob vor allem Schüler mit Migrationshintergrund im Rahmen der Schulbildung in Deutschland benachteiligt werden und daher später auf dem Arbeitsmarkt nicht die gleichen Chancen erfahren (vgl. Werner 2020: o.S.). In dieser Arbeit soll die Frage beantwortet werden, welche Benachteiligung und Bildungsungleichheiten Schüler mit Migrationshintergrund erleben. Daraus abgeleitet stellt sich zudem die Frage, welcher mögliche Zusammenhang mit späterer Chancen(un)gleichheit am Arbeitsmarkt besteht.
Diese Arbeit wird sich zunächst insbesondere auf die schulische Ausbildung von Kindern mit Migrationshintergrund fokussieren und ethnische Bildungsungleichheit vor dem theoretischen Hintergrund primärer und sekundärer Herkunftseffekte betrachten. Darüber hinaus werden benachteiligende Strukturen im Bildungssystem vor allem für Schüler mit Migrationshintergrund beleuchtet, um ungleiche Behandlung im Rahmen der schulinstitutionellen Karriere von Kindern und Jugendlichen, sowie eine mögliche Benachteiligung am Arbeitsmarkt zu beleuchten. Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit in einem Fazit zusammengefasst und die zu Beginn der Arbeit gestellte Frage differenziert beantwortet.
2. Theoretische Betrachtung von Bildungsungleichheiten
2.1. Primäre und sekundäre Effekte sozialer Herkunft
„Unterschiede der ,Bildung‘ sind - man mag das noch so sehr bedauern - eine der allerstärksten rein innerlich wirkenden sozialen Schranken." (Weber 1922: 247f.) Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts war man sich der Wichtigkeit von Bildung und der dazu gehörigen Ungleichheiten bewusst. Mehr denn je spielt Bildung eine wesentliche Rolle in der heutigen Gesellschaft. Dies spiegelt sich nicht nur in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, sondern auch in der politischen Relevanz und im medialen Diskurs wieder, in dem häufig von der „Bildungsgesellschaft" im Zusam- menhang mit Bildungsungleichheit, Bildungsexpansion und Bildungsreformen in Deutschland die Rede ist (vgl. Becker /Lauterbach 2016: IX Vorwort).
Deutschland repräsentiert eines der Länder, in dem die schulische Ausbildung meist in direktem Zusammenhang mit dem sozialen Status steht. Das Beherrschen der Unterrichtssprache, das außerschulische Engagement und die Lernmotivation sind meistens eine gute Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss der Sekundarschule. Doch weisen aktuelle Schulabschlussstatistiken eine starke Erfolgsdiskrepanz zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund auf, wobei die erst-ge- nannten darunter einen überrepräsentierten Anteil darstellen (vgl. Becker/Lauterbach 2016: 5). Ein möglicher Grund dafür lässt sich durch den Einfluss des Elternhauses und die dazugehörige soziale und kulturelle Ressourcenausstattung als Voraussetzung für die schulischen Leistungen und die spätere Weiterbildung erklären. Becker erläutert, „dass soziale Ungleichheiten von Bildungschancen von der Elterngeneration auf die Generation der Kinder weitergegeben werden und dass diese Transmission über das Bildungswesen erfolgt". (Becker/Lauterbach 2016: 145) Zur Veranschaulichung dieses schichtspezifischen Zusammenhangs wurden durch Boudon bereits im Jahr 1974 zwei Mechanismen dargestellt - die primären und sekundären Effekte der sozialen Herkunft. Diese beschreiben die soziale Klasse des Elternhauses als ausschlaggebenden Faktor für die Bildungsungleichheit (vgl. Becker/Lauterbach 2016: 11). Während sich die primären Effekte auf die Sozialisation, kognitiven Fähigkeiten, sprachlichen und sozialen Kompetenzen im Elternhaus beziehen und diese sich als fördernd für die Erfolgswahrscheinlichkeit in der Schule aufweisen, sind die sekundären Effekte von den Bildungsentscheidungen der Eltern abhängig. Entscheidend hierfür sind die Erfolgserwartungen der Eltern. Des öfteren entscheiden sich die höheren Sozialschichten für eine Weiterbildung, während bei Arbeiterkindern, und auch bei Kindern mit Migrationshintergrund dies seltener der Fall ist (vgl. Becker/Lau- terbach 2016: 11f.). Insbesondere beim Übergang von der Primärschule auf die Sekundärstufe I spielt die Bildungsentscheidung der Eltern eine wichtige Rolle, während für den späteren Bildungsweg die Motivation und die Entscheidung des Kindes gefragt sind (vgl. Becker/Lauterbach 2016: 12). Vergleicht man die Relevanz von primären und sekundären Herkunftseffekten bei Kindern mit Migrationshintergrund, kann man feststellen, dass diese insbesondere bei frühen Bildungsübergängen eine vergleichbare Relevanz aufweisen. Bei genauerer Betrachtung des ersten Bildungsübergangs und beim Vergleich von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund zeigt sich ein differenziertes Bild. Während die primären Effekte (Sozialisation, Erziehung, Ausstattung, Förderung) einen größeren Einfluss bei Kindern mit Migrationshintergrund aufweisen, gewinnen sekundäre (elterliche Bildungsentscheidungen) bei Kindern ohne Migrationshintergurund mehr an Bedeutung (vgl. Becker/Lauterbach 2016: 13).
Trotzdem sollte an dieser Stelle betont werden, dass das deutsche Schulsystem eine frühe Bildungsentscheidung seitens der Eltern voraussetzt. Dies bedeutet, dass die Eltern durch die Bildungsstruktur damit konfrontiert werden, eine frühzeitige Entscheidung für den späteren Bildungsweg des Kindes zu treffen. Es lässt sich feststellen, dass primäre Herkunftseffekte beim Übergang von der Primärschule auf die Sekundärstufe I eine wichtige Voraussetzung für die Bildungschancen insbesondere von Kindern aus Migrantenfamilien sind, während bei späteren Bildungsübergängen sekundäre Effekte eine bedeutendere Rolle spielen (vgl. Becker/Lauterbach 2016: 13f.).
Nichtsdestotrotz sind empirische Beweise zum Zusammenhang zwischen primärer und sekundärer Effekte, sowie der Klassenlage und des Anspruches des Elternhauses auf höhere Bildung, noch nicht ausreichend vorhanden. Zwar existiert eine Vielzahl an Publikationen, die dafür sprechen, dass die Bildungsaspiration mit der sozialen Herkunft und der Bildungsnähe des Elternhauses zusammenhängt, jedoch fehlen signifikante Ergebnisse dafür, wie die Transmission von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Lernbereitschaft und Einstellungen der Eltern erfolgt und diese an ihre Kinder weitergegeben werden. Damit das Phänomen der sozialen Ungleichheit und die daraus resultierende Bildungsungleichheit ins Detail erforscht werden kann, bedarf es sozialer Mechanismen und Prozessen, die empirisch überprüfbar und nachvollziehbar sind. Erst dann können bildungspolitische Reformen vorgenommen und der Bildungsungleichheit entgegengewirkt werden. (vgl. Becker/Lauterbach 2016: 15).
2.2. Ethnische Bildungsungleichheit
Wie bereits in 2.1 erörtert, tragen sowohl primäre als auch sekundären Herkunftseffekte vor dem Hintergrund sozialer und ethnischer Unterschiede zu Bildungsungleichheiten bei. Aus diesem Grund stehen die teilweise gravierenden Leistungsdisparitäten und Unterschiede in den Bildungsentscheidungen verschiedener Sozialgruppen im Fokus empirischer Bildungsforschung. Ein wichtiger Ansatz beschäftigt sich mit den bildungsrelevanten Ressourcen bei Familien mit und ohne Migrationshintergrund. Im Fall von Familien mit Migrationshintergrund wird davon ausgegangen, dass diese oft aus ungünstigeren sozialen Verhältnissen stammen und aufgrund der sozialen Lage einen geringeren Zugang zu materiellen sowie immateriellen Ressourcen haben. Diese Ressourcen, seien sie in Form von Büchern oder Informationen, begünstigen den Bildungserfolg und wirken positiv auf den Erwerb von Lernkompetenzen im Rahmen des Bildungsverlaufes (vgl. Dollmann 2016: 254). Wie bereits Dollmann, erklären auch Kristen und Olczyk ethnische Bildungsungleichheit als „ethnische Unterschiede in den Bildungserfolgen“, die auf bildungsrelevanten Ressourcen basieren. Zudem werden ethnische Netzwerke von Familien mit Migrationshintergrund berücksichtigt. Diese Netzwerke werden als Quelle für bildungsrelevante Informationen, Kapitalien und Orientierungen verstanden, die in Bildungsprozessen verwendet werden können (vgl. Kristen/Olczyk 2013: 354f.). Dabei stellt sich die Frage, inwiefern die Einbettung in ethnische Netzwerke die Bildungskarriere von Schülern mit Migrationshintergrund begünstigt, oder einen negativen Einfluss auf den Bildungserfolg ausübt. Forschungs- und Studienergebnisse können dabei aktuell keinen signifikanten Einfluss ethnischer Netzwerke im Kontext des Bildungsverlaufs belegen. Zwar berichten einige Studien über einen positiven Einfluss der Herkunftsgruppe zum des Bildungserfolgs; diese sind allerdings nur dann zu beobachten, wenn in bestimmten ethnischen Gruppen hohe Bildungsaspirationen vorhanden sind sowie eine befriedigende Kapitalausstattung zur Verfügung steht. Andere Studien stellen keine eindeutige Bedeutung ethnischer Einbettung fest und belegen keinen direkten Einfluss auf Bildungserfolg, sind aber nur im Zusammenhang mit bildungsrelevanten Merkmalen der ethnischen Gruppe zu berücksichtigen (vgl. Kristen/Olczyk 2013: 394).
3. Bildungsungleichheiten bei Schülern mit Migrationshintergrund
Während in Deutschland das Recht auf Bildung mittlerweile als Selbstverständlichkeit angesehen wird und kein Privileg bestimmter sozialer Schichten darstellt, lässt sich die allgemeine gesellschaftliche Wahrnehmung, dass Kinder mit Migrationshintergrund nach wie vor Ungleichheiten in der Ausbildung erfahren, nicht leugnen. In folgenden Kapitel wird in Betracht gezogen, ob Benachteiligungen wie z.B. institutionelle Diskriminierung, oder der Bildungswille von Schülern mit Migrationshintergrund eine mögliche Erklärung für die Manifestierung von Bildungsungleichheit ist.
3.1. Institutionelle Diskriminierung von Schülern mit Migrationshintergrund
Nicht die Schulleistungen von Schülern oder ihr Verhalten selbst, sondern die Möglichkeiten, die ihnen die Institution Schule zur Verfügung stellt, sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Bildungskarriere. Sogenannte institutionelle Gatekeeping-Prozes- se dienen des Prinzips der Selektion und entscheiden über den weiteren Bildungsweg der Schüler (vgl. Solga/Wagner 2016: 221).
Eine häufig gestellte Frage im Rahmen des ersten Bildungsübergangs ist, inwieweit die Bildungsinstitution und die Bildungsempfehlungen der Lehrkräfte die Bildungskarriere der Kinder beeinflussen. Im Grunde wird angestrebt, dass eine Einigung zwischen der Lehrermeinung und der elterlichen Vorstellung für den weiteren Bildungsweg des Kindes erreicht wird (vgl. Neugebauer 2010: 204). Dennoch herrscht der Eindruck, insbesondere im persönlichen Austausch mit Familien mit Migrationshintergrund, dass Lehrkräfte teilweise nachteilige Empfehlungen an Kinder mit Migrationshintergrund vergeben, die nicht ausschließlich auf schulischen Leistungen beruhen. Da die Bildungsempfehlung der Lehrkräfte im deutschen Bildungssystem von hoher Relevanz für den Aufstieg im Bildungssystem ist, ist es fraglich, ob die Vergabe unterschiedlicher Empfehlungen bei identischen Leistungen mit dem Konzept der institutionellen Diskriminierung in Verbindung gebracht werden kann. Es gibt verschiedene Aspekte, welche die möglichen Ursachen für die Disparitäten im Empfehlungsverhalten der Lehrkräfte erklären (vgl. Dollmann 2016: 258). In diesem Kapitel wird nicht möglich sein, den extensiven Themenbereich institutioneller Diskriminierung und dessen empirische Forschung vollumfänglich zu behandeln. Dennoch sollen Studien berücksichtigt werden, um herkunftsabhängige Beurteilungen von Leistungen und deren potenzielle nachteilige Konsequenzen in der schulischen Ausbildung von Kindern mit Migrationshintergrund zu beleuchten.
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- Anónimo,, 2020, Bildungsungleichheit von Schülern mit Migrationshintergrund, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1004670
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