Gliederung
1. Einleitung
1.1 Gegenstand der Untersuchung
1.2 Der Forschungsstand
1.3 Die Methode
2. Die Entstehung der CDU in Baden-Württemberg
2.1 Die Situation nach dem Krieg
2.2 Die Entwicklung der CDU in Baden 1945-51
2.3 Die Entwicklung der CDU in Württemberg-Hohenzollern 1945-51
2.4 Die Entwicklung der CDU in Württemberg-Baden 1945-51
2.4.1 Die CDU im Landesbezirk Nordbaden
2.4.2 Die CDU im Landesbezirk Nordwürttemberg
2.5 Von den vier Landesverbänden zum Landesverband 11 Baden-Württemberg ab
3. Schwerpunktthemen
3.1 Die CDU und die Verfassungsdiskussion
3.2 Wahlergebnisse und Regierungsbildung nach den Landtagswahlen 16 1946/47 in den drei Ländern
3.2.1 Baden
3.2.2 Württemberg-Baden
3.2.3 Württemberg-Hohenzollern
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Gegenstand der Untersuchung
Der Prozeß der Parteiengründung nach dem 2. Weltkrieg war eine interessante und spannende Entwicklung. Am Beispiel der CDU auf dem Gebiet des späteren Baden- Württemberg will ich diese Entwicklung einmal aufzeigen. Diese Entwicklung ist insofern interessant, weil sich nicht etwa nur eine Partei in einem Bundesland formierte, sondern sich vier christlich-demokratische Parteien in den drei Nachkriegsländern bildeten. Die Entwicklung dieser einzelnen Parteien bis hin zur Bildung der CDU im Südweststaat von 1945-1952 ist Hauptbestandteil dieser Hausarbeit.
1.2 Der Forschungsstand
Die Frage der Parteiengründungen war nicht das zentrale Thema der Nachkriegszeit. So standen z. B. die Beseitigung der Folgen des Krieges, die Entnazifizierung, die Schuldfrage und die Lage der Kriegsgefangenen im Vordergrund. Die Quellenlage in Bezug auf Parteiengründungen ist daher mehr als dürftig. Auch die CDU bildet hier keine Ausnahme. In der hektischen Anfangsphase bei dem Aufbau der Strukturen der Partei wurde das Archivieren von Dokumenten und die Archivarbeit im Allgemeinen sehr vernachlässigt. Auch von kirchlicher Seite her gibt es nur spärliche
Überlieferungen.
Auch in der Folgezeit gibt es nur wenige Autoren, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben und somit ist die zur Verfügung stehende Literatur sehr spärlich. Als wichtigste Literatur sei hier folgende erwähnt: Das Werk von Paul- Ludwig Weinacht ist das wohl umfangreichste und zugleich einzige, das sich voll und ganz auf die Geschichte der CDU in Baden-Württemberg konzentriert und sie ausführlich behandelt. Desweiteren noch die politische Landeskunde von Hermann Bausinger, in der man einen guten Überblick speziell über die Regierungen in den einzelnen Teilländern erhält. Als drittes sei noch „Der Weg zum Südweststaat“ erwähnt. Dieses Werk ist wie die anderen beiden auch bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg erschienen und zeigt einen gelungenen Überblick der einzelnen Teilstaaten auch in der Parteienentwicklung und bei den einzelnen Wahlergebnissen.
1.3 Die Methode
Diese Hausarbeit ist im ersten Teil chronologisch aufgebaut und beschreibt die Entwicklung der CDU auf dem Gebiet des späteren Baden-Württembergs von 1945- 1952. Im zweiten Teil werde ich auf spezielle Schwerpunktthemen der CDU eingehen wie z.B. die CDU in der Verfassungsdiskussion und die Diskussion um die Schulform. Es werden auch die einzelnen Regierungen und Wahlergebnisse betrachtet, die die CDU speziell auf Landesebene erreichte.
2. Die Entstehung der CDU in Baden-Württemberg
2.1 Die Situation nach dem Krieg
Um die Entstehung der CDU in den einzelnen Ländern besser verstehen zu können, muß man sich zuerst die etwas komplizierte Zoneneinteilung genauer anschauen:
1) Im Süden des späteren Baden-Württemberg entstand das Land Baden (auch: Südbaden). Die Landeshauptstadt war Freiburg und Baden war von den Franzosen besetzt.
2) In der Mitte des späteren Ba.-Wü. entstand das Land Württemberg- Hohenzollern (auch: Südwürttemberg). Die Hauptstadt war Tübingen und war ebenfalls von den Franzosen besetzt.
3) Im Norden des späteren Ba.-Wü. befand sich das Land Württemberg-Baden (auch: Nordwürttemberg und Nordbaden). Die Hauptstadt war Stuttgart und dieses Land war von den Amerikanern besetzt.1
Die Länder Württemberg und Baden wurden deshalb jeweils in Nord und Süd aufgeteilt, weil die Franzosen aus Teilen der amerikanischen Besatzungszone eine eigene Zone bekamen und kein Land sich über zwei Besatzungszonen erstrecken durfte. Nordwürttemberg und Nordbaden gehörte demnach zur amerikanischen, Südwürttemberg und Südbaden zur französischen Zone.
2.2 Die Entwicklung der CDU in Baden 1945-1951
Die Gründung der Partei gestaltete sich hier schwieriger als in den anderen Landesteilen. Das Land Baden (Südbaden) stand unter französischen Besatzung. Die französische Besatzungsmacht erlaubte erst Ende 1945 die Bildung von politischen Parteien. Die Umstände, die zur Bildung der Partei führten, waren vollkommen von Frankreich diktiert. Frankreich führte eine rigorose Besatzungspolitik durch. Sämtliche Aktivitäten wurden überwacht, etwaige entstehende Parteien und Regierungen sollten am kurzen Zügel gehalten werden. Gespräche für die Bildung von christlichen Parteien setzten ab Sommer ´45 in verschiedenen Städten und Regionen ein.
Im Gebiet um Oberbaden fanden als erstes solche Gespräche statt. In Konstanz wurde der Programmentwurf für eine „Christlich soziale Union“ auf den Grundsätzen einer „deutschen, christlichen und demokratischen“ Partei vorgestellt. Die Partei wurde als „CSU“ Ende Dezember ´45 bei der Militärregierung von Konstanz angemeldet, bei der dieser Vorgang zunächst liegenbleibt. Ein weiterer Gründungsort war Neustadt im Schwarzwald. Die „Christlich-soziale Volkspartei“ sah in ihren Grundsätzen den Kampf gegen den Kommunismus und ein Eintreten für die demokratisch-freiheitliche Ordnung. Für diese Parteigruppe wurde im Januar ´46 die erste öffentliche Kundgebung genehmigt.
Weitere Gruppen bildeten sich am Hochrhein zwischen Waldshut und Lörrach sowie im Emmendinger Land. Alle diese Gruppen warteten Ende des Jahres ´46 auf ihre Anerkennung, hatte das französische Oberkommando doch die Zulassung von demokratischen Parteien erlaubt.2 Das Hauptaugenmerk richtete sich nun nach Freiburg, weil dieser Stadt aufgrund ihrer Größe eine Art Führungsrolle zufiel. Die Signale aus Freiburg waren aber nicht ermutigend, die politische Entwicklung verlief sehr kompliziert. Widersprüchliche Meldungen waren im Umlauf, die den Aufbau und Lizensierung der Partei betrafen. Langsam kamen Zweifel daran auf, ob die Freiburger die Legitimation hatten, für alle christlichen Parteigruppen in Südbaden zu sprechen. Tatsächlich gestaltete sich die Gründung einer Partei in Freiburg besonders schwierig.3
Eine wichtige Person war hier Dr. Ernst Föhr, ehemaliger badischer Zentrumsführer, der die Wiedergründung der Zentrumspartei für den besten Weg hielt. Gleichzeitig wurde um den badische Erzbischof Gröber die „Christliche Arbeitsgemeinschaft“ (C.A.G.) gegründet, die sich selbst aber nur als Wegbereiterin für eine gesamtchristliche Partei sah. Nach anfänglichen Unstimmigkeiten stand am Ende schließlich ein Arrangement beider Gruppen an, die eine Parteigründung auf christlich-sozialem Boden zum Ziel hatte. Am 16. Dezember 1945 kam es schließlich zur Bildung der „Badisch Christlich-sozialen Volkspartei“ BCSV unter der vorläufigen Führung von Leo Wohleb.4 Anfang Februar 1946 wurde von der Militärregierung in Freiburg die Zulassung der Partei erteilt. Das Konzept des BCS schien sich gegenüber den anderen Gruppen (CSU) durchzusetzen. In der Folgezeit wurden zahlreiche Kreis- und Ortsgruppen gebildet und auch genehmigt (1947: 700 Ortsgruppen). Bei dieser Größenordnung war es auch nicht weiter verwunderlich, das die Kommunalwahlen Ende ´46 mit absoluter Mehrheit gewonnen wurden.
Anfang 1947 sah sich der Landesvorstand allerdings mit einigen Problemen konfrontiert. Die dringlichste Frage war nach wie vor das ungeklärte Verhältnis zwischen BCSV und CDU (Namensfrage). Auf dem Landesdelegiertentag im April ´47 wurde nach heftiger Diskussion der neue Parteiname „CDU Baden“ beschlossen, der allerdings erst im November ´47 von der Militärregierung autorisiert wurde.5 Im Hinblick auf die kommenden badischen Landtagswahlen im Mai ´47 wurde auch die heikle Führungsfrage entschieden. Wohleb wurde als Vorsitzender wiedergewählt, gleichzeitig wurde aber die Trennung von Regierungs- und Parteiamt beschlossen. Ein neues Parteiprogramm wurde verabschiedet, das auch die Möglichkeit zu Bündnissen mit der SPD enthielt. Die Partei wollte als Volkspartei und nicht als bürgerliche Partei verstanden werden.
Im Sommer 1948 gehörte neben dem Betriebsrätegesetz und der anstehenden Währungsreform die Frage nach der Bildung des Südweststaates zum wichtigsten politischen Thema. Gerade für die badisch geprägte CDU wurde diese Frage zur starken Belastung und Bewährungsfrage. In der Partei zeichnete sich eine Haltung gegen den Südweststaat ab, nur einzelne Kreise wie der Konstanzer Kreis befürworten offen die Bildung des Südweststaates. Notdürftig wurde schließlich ein Neutralitätsbeschluß verabschiedet, der die Uneinigkeit nur unzureichend verdeckte. Vor allem von der Seite der Oppositionsparteien wurde heftige Kritik laut. Inzwischen war die Neutralität einer konfessionellen Spaltung innerhalb der CDU Badens gewichen: Die protestantische Seite stand überwiegend hinter dem Südweststaat, die katholische Seite, insbesondere der Klerus, wünschte sich das Land Baden. Der Landesausschuß beschloß, dass sich die Partei für eine Wiederherstellung Gesamtbadens einsetzt und setzte sich somit über den Neutralitätsbeschluß hinweg. Bei der Volksabstimmung im Dezember 1951 wurde eine Mehrheit für den Südweststaat erreicht, was die CDU Badens, die sich ja formal für die unterlegene Lösung einsetzte, in ihre schwerste Belastungsprobe brachte.6
2.3 Die Entwicklung der CDU in Württemberg-Hohenzollern 1945-1951
Die amerikanischen Besatzungsmacht erlaubte erst am 13. August ´45 die Bildung von Parteien und nur auf Kreisebene. Ab dem 10. November durften in der amerikanischen Zone Parteien auch auf Landesebene zugelassen werden. Einzig der Zusammenschluß von Parteien auf Zonenebene war noch nicht möglich. So entstanden zahlreiche unterschiedliche Gruppierungen, die sich stark in ihrer Programmatik und sozial differierenden Mitgliedschaft unterschieden. Das schlug sich besonders bei der Neugründung der CDU nieder, die sich bis zum Jahresende 1945 unter verschiedenen Benennungen konstituierte. Bei einem Treffen im Dezember 1945 einigte man sich auf den Namen „Christlich-Demokratische-Union“. Langsam bahnte sich jedoch eine politische Diskussion an, ob man dem Vorbild der anderen Länder folgen sollte und eine gemeinsame christliche Partei gründen sollte. Nachdem jedoch in Stuttgart im Oktober ´45 eine christlich soziale Volkspartei gegründet wurde, war das ein deutliches Signal für den südlichen Landesteil. War bei der Gründung der CDU in Baden Leo Wohleb die wichtigste Person, spielte in Württemberg-Hohenzollern der Oberlandwirtschaftsrat Franz Weiß die wichtigste Rolle. Er war von 1933 Mitglied der Zentrumspartei, und ihm fiel nun die Aufgabe zu, Mitglieder für die zu gründende christliche Partei zu gewinnen. Ende 1945 reiste er durch alle Kreise des Landes, führte Gespräche mit ehemaligen Zentrumsmitgliedern und auch mit Vertretern der Kirche. Als er sich der Unterstützung der politischen Öffentlichkeit sicher sein konnte, lud er im Januar 1946 zu einer Tagung nach Aulendorf. Dort sollte über die Gründung einer Partei auf christlicher Grundlage beraten werden. Man einigte sich schließlich auf ein Zusammengehen beider Konfessionen und gab der Partei den Namen „Christlich- Demokratische-Union“. Es wurde ein vorläufiger Landesvorstand konstituiert und es wurde ein „ Aufruf“ erlassen, der die politischen Ziele der neuen Partei umriß. In dem Aufruf wurde schon der Anspruch der Partei, Volkspartei zu sein, deutlich. Es wurden speziell die Arbeiter, die Bauern, Industrie, Handel und Gewerbe angesprochen. Auch auf den Ausgleich zwischen beiden Konfessionen wurde großen Wert gelegt. Katholiken und Protestanten waren im Vorstand ungefähr gleich stark vertreten. Im März 1946 wurde die CDU in Württemberg-Hohenzollern offiziell zugelassen. Der organisatorische Aufbau der CDU erfolgte nun mit überraschender Schnelligkeit. Auf einer Landeskonferenz im Juni ´46 gab sich die CDU eine Satzung und verabschiedete ein vorläufiges Programm. Franz Weiß wurde als Vorsitzender bestätigt. Der organisatorische Aufbau machte weiter Fortschritte. Ende 1946 verfügte die CDU über 17 Kreisverbände, sie war also in jedem Kreis des Landes vertreten. Die Kreisverbände gliederten sich ausschließlich in 109 Ortsgruppen. Im Frühjahr 1947 war sie mit ihren 264 Ortsgruppen zahlenmäßig so stark wie alle anderen Parteien zusammen. In den Aufrufen und Programmen der Partei läßt sich die Form eines „christlichen Sozialismus“ erkennen. Es wurde eine Hinwendung zu den Prinzipien des Christentums erkennbar. Die soziale Komponente wurde stark hervorgehoben. Im vorläufigen Programm von 1946 wurde unter anderem das Recht auf Arbeit, die Verpflichtung der Wirtschaft zum Gemeinwohl, das Eigentumsrecht und die Mitbestimmung der Arbeiter deutlich betont. Die CDU in Württemberg-Hohenzollern war stärker als in den anderen Landesteilen bemüht, christliche und soziale Elemente zusammenzufügen. Es war schnell erkennbar, das sie zwar keine einseitig konfessionell gebundene Partei war, aber über einen starken konfessionellen und einen starken sozialen Flügel verfügte. Die im September 1946 angeordneten Gemeindewahlen brachten der CDU erste Erfolge. Man erzielte fast 40% der Stimmen und ließ die anderen Parteien deutlich hinter sich zurück. Dieser Trend setzt sich auch bei der im Oktober angesetzten Wahl der Kreisversammlungen fort. Da bei dieser Wahl auch eine „beratende Landesversammlung“ gebildet wurde, die sich aus den Mitgliedern der zu wählenden Kreisversammlung sowie der Gemeinderäte und Bürgermeister zusammensetzte, fiel ihr eine besonders wichtige Rolle zu. Die CDU sprach deshalb dieser Wahl die Bedeutung einer Landtagswahl zu. Die CDU errang schließlich überwältigende 62,8% der abgegebenen Stimmen. Die übrigen Parteien degenerierten beinahe zu Splittergruppen. In der Landesversammlung, die im November ´46 zu ihrer ersten Sitzung zusammentrat, verfügte die CDU mit 40 von 65 Sitzen über eine deutliche Mehrheit. Die wichtigste Frage, die zunächst anstand, war die einer Verfassung für Württemberg- Hohenzollern. Im Dezember ´46 konstituierte sich der Verfassungsausschuß, in dem die CDU mit 11 von 18 Mitgliedern wiederum die Mehrheit besaß. Die CDU war auch deutlich stärker in der „Provisorischen Regierung“ des Landes vertreten. Die Verfassungsfrage drehte sich ausschließlich um die Frage, ob die Verfassung von Nordwürttemberg als Beratungsgrundlage für eine Südwürttembergische Verfassung dienen sollte. Diese wurde von der CDU mit ihrer Mehrheit im Verfassungsausschuß stets abgelehnt. Am 8. März 1947 lag der Entwurf dem Verfassungsausschuß endlich vor. Es sah unter anderem einen vom Volk gewählten Staatspräsidenten vor, der Minister ernannte und entließ. Es sollte als zweite Kammer der Senat existieren und als einzige Schulform sollte die Konfessionsschule gelten. Der Entwurf unterschied sich schließlich in wichtigen Punkten von der Verfassung Nordwürttembergs. Die CDU stimmte im Alleingang über diesen Entwurf ab, nachdem sich die übrigen Parteien aus dem Verfassungsausschuß zurückgezogen hatten, weil man ihren Bedenken kein Gehör geschenkt hatte. Der Entwurf wurde der Militärregierung vorgelegt, diese versagte aber ihre Zustimmung. Es wurden unter anderem die Einrichtung des Senates und die Stellung des Staatspräsidenten stark kritisiert. Nach harten Diskussionen wurde in beiderseitigem Kompromiß eine Verfassung geschaffen, die sowohl christlich als auch sozial geprägt war. Der Druck der Militärregierung, endlich zu einer Einigung zu gelangen, tat sein übriges. Da die Militärregierung das Inkrafttreten der Verfassung von einer Volksabstimmung abhängig machte, konnte die Bevölkerung am 18. Mai 1947 gleichzeitig in einer Volksabstimmung über die Annahme der Verfassung entscheiden und einen ersten Landtag wählen. Die Landtagswahlen brachten einen deutlich Sieg der CDU und die Verfassung wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen. Die CDU kam auf 54% und lag damit mehr als 30% vor der SPD. Die CDU erreichte 32 von 60 Sitzen. CDU, SDP und DVP bildeten wiederum die Regierung und am 8. Juli wählte man Lorenz Bock von der CDU zum Staatspräsidenten. In der Folgezeit kam es immer wieder zu Spannungen mit der französischen Besatzungsmacht. Im August 1948 verstarb plötzlich Staatspräsident Bock und Gebhard Müller wurde sein Nachfolger.
Müller verhandelte wesentlich härter mit den Franzosen, wenn es um die Frage der französischen Demontagen ging. In diese Zeit begann auch in Württemberg- Hohenzollern die Frage nach dem Zusammenschluß der Länder in einem Südweststaat. Erwähnt sei hier nur das Dilemma der CDU in Württemberg- Hohenzollern: Wie Gebhard Müller trat auch sie für einen vorbehaltlosen Zusammenschluß der drei Länder ein, nicht aber gegen den Willen der südbadischen CDU. Diese aber sah Müller als Vollstrecker dieser Lösung an, weshalb sie ihn auch nicht zum Vorsitzenden des Ministerrates wählte, sondern Reinhold Maier. Das löste in Südwürttemberg Empörung aus, weshalb das Verhältnis beider Landesparteien zueinander von gegenseitiger Abneigung und Zurückhaltung bestimmt war.7
2.4 Die Entwicklung der CDU in Württemberg-Baden 1945-51
In diesem Land entstanden, anders als in den zwei anderen Ländern, zwei Parteien, die CDU in Nordbaden und die CDU im Landesbezirk Nordwürttemberg.
2.4.1 Die CDU im Landesbezirk Nordbaden
Anders als im französisch besetzten Südbaden erfolgte die Zulassung von politischen Parteien schon früh und auch auf Kreisebene. Schon im August ´45 war von der amerikanischen Militärbesatzung die Richtlinie für die Bildung von Parteien erlassen worden. In Nordbaden war die Gründung der CDU jedoch nicht das Werk eines einzigen Kreises, sondern dreier verschiedener Gruppen in Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe. Als erstes erfolgte die Gründung in Karlsruhe, im August ´45 erfolgte die Gründung der Christlich-demokratischen Partei (CDP). Adolf Kühn wurde ihr erster Vorsitzender und es sei zu erwähnen, dass sämtliche Gründungsmitglieder Katholiken und ehemalige Mitglieder der Zentrumspartei waren. Ein großer Vorteil für die Gründer war ihr sehr gutes politischen Verhältnis zu den amerikanischen Besatzungsbehörden, das eine rasche Ausbreitung der Partei begünstigte. Sehr schnell bildeten sich Ortsgruppen, bis zum Jahresende insgesamt 32. Das erste Aktionsprogramm der CDP beinhaltete schon wirtschafts- und sozialpolitische Forderungen wie z.B. das Privateigentum und private Initiative, aber auch Planwirtschaft und Verstaatlichungen.
Später als in Karlsruhe, nämlich im Oktober ´45 erfolgte die Gründung der CDP in Mannheim. Anders als in Karlsruhe war es den Mannheimern gelungen, den Vorstand gleichermaßen mit Katholiken und Protestanten zu besetzten. Das Programm der Mannheimer CDP unterschied sich im Wesentlichen nicht vom Programm der Karlsruher, nur in der Frage der Schulen forderte das Mannheimer Programm die Einrichtung von Bekenntnisschulen, während sich die Karlsruher mit christlichen Gemeinschaftsschulen begnügten. Im Mannheim war die Partei auch für Liberale attraktiv, weil auf die Wiedergründung einer liberalen Partei verzichtet wurde.
Am spätesten erfolgte die Gründung in Heidelberg. Im November ´45 gründete sich die Christlich-soziale Union. Der überkonfessionelle Charakter der Partei ist dabei besonders zu betonen. Das erste Parteiprogramm enthielt darüber hinaus ausgesprochen liberale Elemente. Der Wirkungsbereich der Heidelberger Partei blieb allerdings genauso beschränkt wie der der Mannheimer. Im Gegensatz dazu die Karlsruher, die in ganz Mittelbaden Fuß faßten und damit ihren Führungsanspruch dokumentierten. So wurde im Februar ´46 der Landesverband Nordbaden gegründet und die Partei gab sich den Namen „Christlich Demokratische Union“. Es wurden einheitliche Satzungen für die Ortsgruppen, die 13 Kreisverbände und den Landesverband verabschiedet. Sitz des Landesverbandes wurde Karlsruhe. Schwierigkeiten gab es für die Christdemokraten, weil sie es in der Folgezeit nicht schafften, in der protestantischen Bevölkerung Fuß zu fassen. Wie auch in den anderen Landesteilen mußte der organisatorischen Aufbau von Grund auf neu geleistet werden. Die Partei konnte nicht wie andere Parteien an frühere Organisationsformen anknüpfen. Auf programmatischer Ebene gab es in der nordbadischen CDU in den ersten Nachkriegsjahren wenig neue und eigenständige Impulse, die inhaltlich über die ersten Programme der drei Gründungskreise hinausgegangen wären.
Das wirklich interessante bei der nordbadischen CDU war die leidenschaftliche Auseinandersetzung um den Südweststaat. Das spiegelt sich in den Konflikten wieder, die die CDU Nordbaden mit der CDU Nordwürttemberg, deren Entwicklung ich später noch betrachte, austrug. Gerade in diesem Land Württemberg-Baden brach der Konflikt, der mit der Einteilung der Länder seinen Anfang genommen hatte, voll aus. Die sog. „Zwangsehe“, die die CDU Nordbadens mit der CDU Nordwürttembergs aufgrund der Ländereinteilung eingehen mußte, blieb bei der CDU in Nordbaden immer ein ungeliebtes Kind. Sie sah damit die Wiedervereinigung mit ihrem südlichen Landesteil und deren Partei in weite Ferne gerückt. Der Konflikt kam 1947 endgültig zum Ausbruch, als der SPD-Innenminister von Württemberg-Baden einen Gesetzentwurf vorlegte, der die bisherigen Landesbezirke in Regierungsbezirke umwandeln sollte und damit Nordbaden seiner Verwaltungsautonomie berauben wollte. Die CDU in Nordbaden war zutiefst empört, war doch Württemberg damit eindeutig bevorzugt.
Damit kam auch die Diskussion um den Südweststaat auf den Tisch. Das Modell, das die nordbadische CDU diskutierte, sah allerdings zuerst die Vereinigung von Nord- und Südbaden vor und das so vereinigte Land Baden sollte dann über den Südweststaat abstimmen. Auf dem Landesparteitag im Juni ´48 wurde allerdings eine andere Marschrichtung beschlossen. Nach dem Motto, lieber in den ungeliebten Südweststaat als unter ein französisches Besatzungsregime in einem wiedervereinigten Baden, wurde auf die südweststaatliche Schiene eingeschwenkt. Endgültige Klärung über diese wichtige Frage konnte nur eine Volksabstimmung geben. Die Volksabstimmung (Badenfrage), die im Jahr 1951 durchgeführt wurde, brachte schließlich die Zustimmung für den Südweststaat. Um aber die letzten nordbadischen Zweifler zu beruhigen, die Spaltung der Partei und die Gründung einer „Badenpartei“ zu verhindern, wurden einige Forderungen erhoben, die sich direkt an die 1952 zu wählende Verfassungsgebende Landesversammlung richteten: In einem vereinigten Südweststaat sollten die Landesverbände der nord- und südbadischen CDU zusammengeschlossen werden und deren Abgeordnete Sonderrechte im neuen Landtag erhalten. Die historischen Länder Württemberg und Baden sollten darüber hinaus finanziell selbständige Verwaltungsbezirke werden.8
2.4.2 Die CDU im Landesbezirk Nordwürttemberg
Bei der Gründung der CDU in Nordwürttemberg war die Diskussion um den Namen, den die Partei tragen sollte, der Konfliktpunkt in ihrer Anfangsphase. Wollten einige den Begriff „christlich“ im Parteinamen nicht akzeptieren, war er für andere unverzichtbar. Nach langen Diskussionen wurde schließlich im September 1945 die „Christlich-soziale Volkspartei“ gegründet. Erwähnenswert ist auch noch, dass in Nordwürttemberg die Katholiken in der Minderheit waren (von 22 Kreisen waren nur 4 mit vorwiegend katholischer Mehrheit), was sich später vor allem bei den Wahlen auswirkte. Im Januar 1946 wurde auf dem 1. Landesparteitag der Name „Christlich- soziale Volkspartei“ durch „Christlich-demokratische Union“ ersetzt. Die bestehenden Kreisgruppen schlossen sich zum Landesverband Nordwürttemberg zusammen. In einer ersten programmatischen Entschließung stellte sich die CDU als politischer Zusammenschluß evangelischer und katholischer Christen vor. Als Schwerpunkte wurden die Verwirklichung der Religionsfreiheit, die Zusammenarbeit von Staat und Kirche und das Elternrecht genannt. Trotz alledem ging der Aufbau des zentralen Parteiapparates in Stuttgart wie auch auf Kreis- und Gemeindeebene nur langsam voran. Die CDU konnte auch nur in den wenigen katholischen Gebieten eine nennenswerte Mitgliedschaft sammeln. Das war z. B. in Aalen (heute Ostalbkreis) der Fall, der noch vor Stuttgart den mitgliederstärksten Kreisverband der CDU besaß. Die zumeist katholische Minderheit in den Landkreisen schlug sich auch in den Wahlen des Jahres 1946 nieder. Bei der Wahl zur Verfassungsgebenden Landesversammlung wurde sie zwar auf Anhieb stärkste Partei, blieb jedoch mit 38,8% weit hinter den Ergebnissen in den anderen Ländern zurück. Auch bei den Landtagswahlen erreichte sie nur 38,4% und bei den Landtagswahlen 1950 sogar nur noch 26,3%.
Hinzu kam noch ein weiteres Problem: Die anfängliche starke Unterstützung durch die katholische Kirche war am Anfang noch nützlich und im Hinblick auf die Wählerstimmen sogar lebensnotwendig für die Partei. Auf lange Sicht war sie jedoch problematisch. Diese starke Bindung war für evangelische Wähler eine Abschreckung und stellte damit eine Begrenzung des politischen Potentials der CDU dar. Die CDU begann deshalb verstärkt auf ein politische Programm zu setzen.9
2.5 Von den vier Landesverbänden zum Landesverband Baden-Württemberg ab 1952
Nach der positiven Volksabstimmung über den Südweststaat im Dezember 1951 und der Wahl der Verfassungsgebenden Versammlung von Baden-Württemberg 1952, die schließlich die Aufhebung der Landtage und Regierungen der drei Länder verursachte und in die Entstehung der Landesregierung von Baden-Württemberg mündete, war es auch für die vier Landesverbände der CDU an der Zeit, zu einer gemeinsamen Organisation zu kommen. Anders als die SPD und FDP/DVP, die gleich nach der Gründung des Bundeslandes Landesverbände für Baden Württemberg bildeten und in Stuttgart Parteizentralen einrichteten, blieb diese Frage noch eine Zeit lang strittig und zog einen langwierigen Prozeß mit sich. Gründe dafür waren unter anderem Spannungen zwischen badischen und württembergischen Persönlichkeiten, die schon in der Südweststaatsfrage unterschiedlicher Meinungen waren.
Erste Versuche unternahmen die beiden badischen Landesverbände, die bis Ende 1952 einen gesamtbadischen Landesverband der CDU bilden wollten. Als man sich auf württembergischer Seite aber weigert, mit den beiden Landesverbänden ebenso zu verfahren, werden die hochgesteckten Ziele zunächst aufgegeben. An den organisatorisch selbständigen Landesverbänden sollte zunächst nichts verändert werden. In der Folgezeit kamen höchstens einmal gesamtbadische Parteitage zustande. Auf württembergischer Seite kam man ebenfalls zu keinem Entschluß. Vorschläge, eine Vereinigung der Landesverbände Nord- und Südwürttemberg in die Wege zu leiten, fanden wenig Unterstützung. So war dieses Thema auf beiden Seiten erstmal vom Tisch. Und obwohl es in den kommenden Jahren immer wieder zu Forderungen nach einem einheitlichen Landesverband kam, dauerte es schließlich bis zum Jahr 1971 bis dieses Vorhaben realisiert wurde.10
Diese fast 20 Jahre, die die CDU brauchte, um sich in einem Landesverband zu arrangieren, läßt sich nun genauer in 3 Phasen einteilen:
Die erste Phase, die zugleich die längst ist, war noch von der Selbständigkeit der vier Landesverbände gekennzeichnet. Die Landesverbände hielten sog. Viererkonferenzen ab. Sie waren nötig, um eine inhaltliche Koordination auf der Landesebene zu erreichen. Sie waren eine politische Notwendigkeit, die das neugegründete Land mit sich brachte. Die Regierungsbeteiligung der CDU auf Landesebene war ein weiterer Grund, der diese Konferenzen notwendig machte. Die vier Landesverbände sollten auf eine einheitlichen Linie getrimmt werden. Ebenso wollte man einheitlich gegenüber der Bundespartei auftreten. In den 50er Jahren und bis Anfang der 60er Jahre nahmen an den Konferenzen die Landesvorsitzenden, die Landesgeschäftsführer und einige Vertreter der Landesverbände teil. Ab Mitte der 60er wurden zusätzlich Viererkommissionen aus den Konferenzen gebildet. Sie setzten sich aus dem Ministerpräsidenten, dem geschäftsführenden Landesvorsitzenden, dem Fraktionsvorsitzenden und einem Fraktionsgeschäftsführer zusammen. Sie wurden das bestimmende Gremium, es wurde z.B. die Konzeption der Wahlkämpfe besprochen und festgelegt. Diese Kommissionen waren auch Ausdruck der gestiegenen Verantwortung der CDU im Land, die nunmehr den Ministerpräsidenten stellte und die federführende Partei in der Landesregierung war.
Die zweite Phase, die eine Übergangsphase hin zum Landesverband war, dauerte vom März ´70 bis zum Januar ´71. Im März 1970 auf dem gemeinsamen Parteitag der vier Verbände wurde ein gemeinsamer Dachverband errichtet. An die Spitze wurde ein Landesvorsitzender gewählt. Es ging der CDU in dieser Zeit darum, Voraussetzungen für den künftigen Einheitsverband zu schaffen, und dessen Satzung vorzubereiten.
Am 15. Januar 1971 war es endlich soweit. Auf dem Landesparteitag in BadenBaden wurde die Bildung des neuen CDU Landesverbandes Baden-Württemberg vollzogen. Die Satzung wurde einstimmig angenommen und Ministerpräsident Filbinger zum Landesvorsitzenden gewählt.11
Somit wurde nach 25 Jahren eine Entwicklung abgeschlossen, die mit der Bildung von vier Landesverbänden 1946 in den Besatzungszonen begann und mit dem Zusammenschluß zum drittgrößten Landesverband der Bundespartei 1971 beendet wurde.
Nach diesem doch sehr langen chronologischen Teil, der zumeist den organisatorischen Aufbau der vier Landesverbände zeigt, werden ich nun einige Schwerpunktthemen näher betrachte. Zuerst die CDU in der Verfassungsdiskussion und speziell die Frage nach der Schulform und danach die Wahlergebnisse und Regierungen in den drei Ländern (Landtagswahlen 1946/47).
3. Schwerpunktthemen
3.1 Die CDU und die Verfassungsdiskussion
Die Verfassung, die das neue Bundesland Baden-Württemberg bekommen sollte, war innerhalb der Parteien stark umstritten. Die CDU war zwar bei der Wahl zur Verfassungsgebenden Landesversammlung im März ´52 mit 36% in den drei Landesteilen und 50 Abgeordneten stärkste Fraktion geworden, mußte aber in die Opposition gehen, nachdem die SPD mit der FDP und dem BHE12 die Regierung stellte und Reinhold Maier (FDP) zum Ministerpräsidenten des neuen Landes wählten.13 In der Frage der neuen Verfassung wurde ein Verfassungsausschuß eingesetzt, dem 11 Mitglieder der CDU, 8 Mitglieder der SPD, 5 Mitglieder der FDP und 1 Mitglied des BHE angehörten. Die Atmosphäre im Verfassungsausschuß war teilweise sehr erregt. Der Grund dafür lag in der Enttäuschung der CDU über die Regierungsbildung, aber auch in der Gegensätzlichkeit der vorgelegten Verfassungsentwürfe. Die Entwürfe unterschieden sich vor allem im unterschiedlichen Staatsverständnis. Die CDU wollte den Landesteilen weitgehende Autonomie belassen, die Verfassung sollte eine zentralistische Bündelung von Verwaltungsaufgaben vermeiden. Das neue Bundesland sollte ohne Spannungen und gegenseitige Hemmungen langsam zusammenwachsen. Die Regierungskoalition betonte dem gegenüber die Einheit den neuen Bundeslandes und dessen Bindung an den Bund. Weitere Forderungen der CDU wie die der Aufbau eines Zwei-Kammer- Systems, die Institution eines Staatspräsidenten als Chef der Regierung, wurden ebenso mit den Stimmen der Koalition (14:11) abgelehnt, wie der Verfassungsvorschlag, wonach sich der Landtag mit 2/3 der Stimmen seiner Mitglieder selbst auflösen konnte. Aufgrund der sich häufenden 14:11 Stimmenentscheidungen gegen die CDU wurde die Atmosphäre im Verfassungsausschuß immer gespannter.14
Die größten Auseinandersetzungen im Verfassungsausschuß betrafen allerdings die umstrittene Schulfrage. Während die Koalition die christlichen Gemeinschaftsschulen in der Verfassung verankern wollte, bestand die CDU auf die Einführung von Konfessionsschulen im gesamten neuen Bundesland. Ein weiterer strittiger Punkt in dieser Diskussion war die Bewertung des „Elternrechts“. Die CDU sah darin eine Abkehr vom obrigkeitsstaatlichen Denken und eine Ausprägung der Glaubens und Gewissensfreiheit. Die SPD wiederum führte an, dass der starke Flüchtlingsstrom zu einer völligen Umwandlung in der religiösen Struktur der Gemeinden geführt habe und jede weitere Vertiefung konfessioneller Gegensätze vermieden werden müsse. Auch hier zog die CDU bei der Abstimmung mit 14:11 Stimmen den kürzeren. Nachdem auch weitere Zusatzanträge der CDU mit dem gleichen Ergebnis abgelehnt wurden, stellte diese fest, dass der christliche Charakter der Gemeinschaftsschulen nun nicht mehr gewährleistet wäre. Sie erklärte sich allerdings auch dazu bereit, an weiteren Bestimmungen des Schulgesetzes konstruktiv mitzuarbeiten.15 Nach der Erledigung der umstrittenen Schulartikel wurde die Stimmung im Verfassungsausschuß sichtlich gelöster. Nachdem die CDU mit einer erneuten Abstimmung über die Bestimmung der Schulform scheiterte, wurde der Entwurf der Verfassung im Juli ´53 der Verfassungsgebenden Landesversammlung zur Beratung überbracht. Es folgten teils hitzige und strittige Debatten, bei denen beide Seiten nicht von ihren festgefahrenen Ansichten abwichen. Die CDU scheiterte in den Debatten mit einer Vielzahl von Anträgen und Verbesserungswünschen. Die Sommerpause unterbrach den Fortgang der Arbeiten.
Gleichzeitig kam aber eine lang schwelende Regierungskrise zum Ausbruch.
Reinhold Maier hatte im Bundesrat die EVG-Verträge unter Druck seiner Bundespartei passieren lassen, worauf sein Justizminister Renner (SPD) zurücktrat. Es wurde sichtbar, dass die Koalition nur noch durch die Ablehnung der Schulartikel der CDU zusammengehalten wurde. Am 30. September 1953 trat die erste vorläufige Regierung Maier zurück und Gebhard Müller (CDU) wurde zum neuen Ministerpräsidenten einer Allparteienregierung gewählt. Die weitere Verfassungsdiskussion verlief nun unproblematischer, obwohl vor allem die CDU nicht von ihren Positionen abwich. Bei der Wahl zum Namen des Landes setzte sich „Baden-Württemberg“ endgültig durch, unter anderem gegen den Namen „Schwaben“, den ein großer Teil der SPD bevorzugte.
Die einzige Bestimmung, mit der sich die CDU in den Verfassungsberatungen durchsetzen konnte, betraf die Regelung, dass die in den einzelnen Landesteilen unterschiedlichen Schulformen nach dem Stand vom 17. November 1951 unverändert fortbestehen sollten. Ein Schulgesetz, das diese Verhältnisse ändern sollte, bedurfte der Zustimmung von 2/3 der Abgeordneten. Dieser „Schulkompromiß“ war keiner Fraktion leichtgefallen, zeigte aber den Willen der Parteien, wichtige Entscheidungen nicht kontrovers sondern kompromißhaft auszutragen.
Im November ´53 wurde schließlich die Verfassung des Landes verabschiedet. Sie ist ausschließlich ein Produkt der Koalition aus SPD und FDP, da die CDU mit der Mehrheit ihrer Anträge scheiterte. Andererseits ist es erstaunlich, das sie CDU in den folgenden Jahren als stärkste Fraktion nie den Versuch unternahm, die Verfassung in ihrem Sinn zu verändern oder zu ergänzen.16
3.2 Wahlergebnisse und Regierungsbildung nach den Landtagswahlen 1946/47 in den drei Ländern
3.2.1 Baden
Aus den Landtagswahlen vom 18.Mai 1947 ging die BCSV (CDU) mit der absoluten Mehrheit von 55,9% als Sieger hervor. Die SPB erreichte 22,4%, die DP 14,3% und sonstige Parteien 7,4%. Die Regierungsbildung erwies sich aber als sehr schwierig: Die französische Militärregierung hielt viele gesetzgebende und Exekutivrechte auf wichtigen Gebieten für sich zurück. Leo Wohleb (CDU), jetzt Minister- und Staatspräsident, bemühte sich um die Bildung einer Allparteienregierung. Sie scheiterte aber, da BCSV und DP die Kommunisten ablehnen, die SPD ihrerseits die Kommunisten in die Regierungsverantwortung einbinden wollen. Als Notlösung wurde daher eine schwarz-rote Koalition geschlossen. Zwei wichtige Gesetzesvorhaben lagen vor der Regierung, das Agrarreformgesetz und das Betriebsrätegesetz. Schon am ersten scheiterte die Regierungskoalition Ende 1947. Eine Regierungskrise begann, die sich noch bis zum Sommer 1948 hinzog und mit dem Rücktritt des Landwirtschaftsministers ihren Höhepunkt fand. Die CDU regierte daher bis zum Aufgehen des Landes Baden im neuen Bundesland Baden- Württemberg im Frühjahr 1952 alleine weiter.
3.2.2 Württemberg-Baden
Bei den Landtagswahlen am 24. November 1946 erreichte die CDU 38,4%, die SPD 31,9%, die DVP 19,5% und die KPD 10%. Obwohl die CDU die stärkste Fraktion war, wurde Reinhold Maier (DVP) zum Ministerpräsidenten gewählt. Er bildete ein Allparteienkabinett und im Gegensatz zum Land Baden, wo dieser Versuch scheiterte, wurden auch die Kommunisten beteiligt. Bei der zweiten Landtagswahl vom 19.11.50 erlitt die CDU eine schwere Niederlage. Bei der Wahl, die erheblich durch die Bundespolitik beeinflußt wurde und bei der der BHE erstmals antrat, fiel die CDU hinter der SPD auf den zweiten Platz zurück. Sie erreichte gerade noch 26,3% während die SPD mit 33% die Wahl gewann. Die DVP erzielte 21,1% und der BHE 14,7%. Die KPD blieb unter der 5% Hürde. Reinhold Maier wurde wieder mit der Regierungsbildung beauftragt. Sein Versuch, eine Große Koalition zu bilden, scheiterte. Die CDU und der BHE verweigerten die Zusammenarbeit und Maier bildete ein kleine Koalition aus SPD und DVP, die bis zum Ende der Legislaturperiode regierte.
3.2.3 Württemberg-Hohenzollern
Die Landtagswahl, die am gleichen Tag stattfand wie in Baden, brachte auch ein ähnliches Ergebnis. Die CDU erzielte mit 54,2% die absolute Mehrheit. Die SPD erreichte 20,8%, die FDP/DVP 17,7% und die KPD 7,7%. Lorenz Bock (CDU) bildete eine Koalitionsregierung aus CDU, SPD und DVP. Nach dem Tod Bocks im August 1948 übernahm Gebhard Müller (CDU) die Regierungsgeschäfte. Und trotz des Ausscheidens der FDP/DVP aus der Regierung im August 1949 regierte die Koalition bis zur Bildung des neuen Bundeslandes stabil weiter.17
Zu erwähnen sei noch eine Besonderheit bei den Wahlperioden der Landtage:
Diese Besonderheit gab es bei den Landtagen von Baden und Württemberg- Hohenzollern. In Württemberg-Baden lief alles „normal“. Der erste Landtag wurde 1946 gewählt und entsprechend der Wahlperiode von vier Jahren 1950 der zweite. Da aber in den zwei anderen Ländern erst 1947 das erste Mal gewählt wurde und somit 1951 hätte wieder gewählt werden müssen, wurde vom Bundestag in Bonn im März 1951 das sog. Überleitungsgesetz beschlossen. Es verlängerte die Wahlperiode der Landtage von Württemberg-Hohenzollern und Baden, weil man im Hinblick der bevorstehenden Volksabstimmung über der Südweststaat „unnötigen“ Wahlen, Unruhen und vielleicht komplizierte Regierungsbildungen vermeiden wollte.18
4. Fazit: Ist die so entstandene CDU ein parteipolitischer Erfolg?
Die Erfolge der CDU in Baden-Württemberg lassen sich wohl nur mit der Dominanz der CSU in Bayern vergleichen: Aus allen elf Landtagswahlen ging die CDU als stärkste Partei hervor, fünfmal sogar mit Mehrheiten, die ihr die Alleinregierung erlaubten. Seit Oktober 1953 stellt sie die Ministerpräsidenten des Landes, angefangen mit Gebhard Müller bis hin zu Erwin Teufel, dem amtierenden Ministerpräsidenten. Die CDU ist fast so etwas wie eine „geborene Regierungspartei“.
Wo aber liegen die Wurzeln dieses Erfolges? Sind es die zum Teil chaotischen Zustände, die nach dem Krieg herrschten und wie es die CDU schaffte, aus vier Landesverbänden in den drei Nachkriegsländern wenn auch mit viel Mühe einen starken Landesverband Baden-Württemberg zu erschaffen?
Viele Faktoren spielen sicherlich eine Rolle. Mit den unterschiedlichen Gründungsorten von Mannheim bis Freiburg verfügten die Landesverbände über starke regionale Hochburgen. Die Vielschichtigkeit der Gründungsmitglieder und auch ihre politische Herkunft und Geschichte, die vielen unterschiedlichen Strömungen, Ideen und Ansichten trugen sicherlich auch zum Erfolg der Partei bei. Die CDU verstand sich immer als bürgerliche Volkspartei, in ländlichen Gebieten spielte sie immer eine starke Rolle. Ihre Verbindung zur katholischen Kirche sollte dabei nicht außer Acht gelassen werden. An der Spitze der einzelnen Landesverbände standen stets erfahrene Politiker, die mit viel Weitblick und politischem Verständnis die Geschickte der Partei lenkten und im Falle von Baden und Württemberg-Hohenzollern als Staatspräsidenten die Regierungsverantwortung trugen.
All diese Beispiele sind der Grund für die führende Rolle, die die CDU bei der Gründung des Landes Baden-Württemberg spielte.
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Bausinger Hermann/Eschenburg Theodor u.a.: Baden-Württemberg. Eine politische Landeskunde.
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart 1996
(= Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs, Band1, 4. Auflage),
Fäßler, Peter: Badisch, Christlich und Sozial. Zur Geschichte der BCSV/CDU im französisch besetzten Land Baden (1945-1952),
Frankfurt am Main 1995
Gönner, Eberhard/Haselier Günther: Baden-Württemberg. Geschichte seiner Länder und Territorien. 2. ergänzte Auflage,
Freiburg 1980
Lächele, Rainer/Thierfelder, Jörg (Hg.): Das evangelische Württemberg zwischen Weltkrieg und Wiederaufbau,
Stuttgart 1995
(= Quellen und Forschungen zur württembergischen Kirchengeschichte, Band 13)
Sauer, Paul: 25 Jahre Baden-Württemberg. Rückblick auf die Entstehung des Bundeslandes,
Stuttgart 1977
Thierfelder, Jörg/Uffelmannn, Uwe: Der Weg zum Südweststaat. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Karlsruhe 1991
Weinacht, Paul-Ludwig: Die CDU in Baden-Württemberg und ihre Geschichte. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg,
Stuttgart 1978
(= Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs, Band 2),
Der Präsident des Landtags von Baden-Württemberg: Landtag von BadenWürttemberg. Ein Leitfaden zu Aufgaben und Geschichte des Landtags. 11. aktualisierte und erweiterte Auflage -Stand April 1998-
[...]
1 Bausinger, S. 45f
2 Weinacht, S. 86f
3 Fäßler, S. 56f
4 Fäßler, S. 71
5 Weinacht, S. 96f
6 Weinacht, S. 102
7 Weinacht, S. 163ff
8 Weinacht, S. 113ff
9 Weinacht, S. 137
10 Weinacht, S. 200
11 Weinacht, S. 247ff
12 BHE= Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten
13 Bausinger, S. 46
14 Weinacht, S. 259f
15 Bausinger, S. 79
16 Weinacht, S. 265f
17 Thierfelder, S. 171ff
18 Sauer, Paul, S. 50
- Arbeit zitieren
- Torsten Böhm (Autor:in), 2000, Die Entstehung der CDU auf dem Gebiet des späteren Baden-Württemberg von 1945-1952, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100449
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