Inhaltsverzeichnis
HANS RUDOLF LEU - EINE KURZBIOGRAPHIE
DAS SUBJEKTVERSTÄNDNIS NACH LEU
DIE GENESE DES SUBJEKTES NACH LEU
DIE BIOGRAPHISCHE SITUATION
DIE PERSPEKTIVE DER KINDER
DAS KONZEPT DES INTERESSES
BILDUNG ERFORDERT EIGENAKTIVITÄT
ASPEKTE VON SELBSTBILDUNG
Die praktischen Aneignung
Die sinnliche Aneignung
Die kognitive und symbolische Aneignung
AUFBAU DES REFERATES
Bildungsdefinitionen
Kurzbiographie H. R. Leu
Genese des Subjektes
Methode ,,Stumme Diskussion" - Arbeitsphase
Auswertung der Stummen Diskussion
Ende
REFLEXION
LITERATURANGABEN
Hans Rudolf Leu - Eine Kurzbiographie
- Geburtsjahr 1946
- absolvierte ein sozialwissenschaftliches Studium in Bern, Freiburg und München mit dem Abschluß Dr. phil.
- Mitarbeiter des Deutschen Jugendinstituts e.V. in München · zur Zeit Leiter der Abteilung ,,Kinder und Kinderbetreuung"
- seine Arbeitsschwerpunkte sind Sozialisationsforschung, Kinder und Kindheit und familiäre Situationen
Das Subjektverständnis nach Leu
Leu geht davon aus, dass das Subjekt eine eigene unverkennbare Persönlichkeit ist, die sich in der Lage sieht, für das eigene Tun Verantwortung zu übernehmen. Auf äußere Vorgeben kann das Subjekt nicht nur reagieren, sondern sie auch eigenständig aufgreifen und gestalten.
,,Das Subjekt wird nicht als eine ursprüngliche ,,Ausstattung", die dem Kind einfach mitgegeben ist, betrachtet, sondern als eine Instanz, Struktur oder als ein Ensemble von Kompetenzen, das in den sozialen Interaktionen, in die das Kind von Beginn an integriert ist, erst entsteht und sich dennoch in kritische Distanz zu den Prozessen und Institutionen zu setzen vermag, in denen dieses Subjekt sich gebildet hat."1
Die Genese des Subjektes nach Leu
Leu stellt sich die Frage, wie Individuen in ihrer Alltagspraxis ihre Eigenständigkeit mit der Erfahrung sozialer Einbindung in eine sich wandelnde Umwelt vermitteln. Die sich im Wandel befindende Umwelt bringt natürlich auch eine Verschiedenheit der Lebenserfahrungen mit sich, die bei der Vermittlung von individueller Eigenständigkeit und sozialer Einbindung einen situationsspezifischen Kontext bieten. Wechselseitige Anerkennung, durch die sowohl das individuelle Selbstbewußtsein gestärkt, als auch die Offenheit für einen gleichberechtigten Umgang mit anderen gefördert wird, ist eine wesentliche Quelle eigener Identitätserfahrung und Selbstgewißheit, durch die das Selbstvertrauen, die Selbstachtung und das Selbstwertgefühl des Subjektes gefördert werden.2 Selbstvertrauen, so Leu, entsteht durch emotionaler Zuwendung, denn dies ist die erste, für Kinder erfahrbare Form von Anerkennung.
,, Die Erfahrung, sich auf die Zuwendungsbereitschaft der geliebten Person verlassen zu können, fördert das Selbstvertrauen des Kindes."3
Emotionale Anerkennung ist nicht nur eine wichtige Grundlage für Selbstvertrauen, sondern trägt auch dazu bei, die Bindungsbiographie zu reflektieren. Leu äußert, dass Feinfühligkeit, Empathie und Verläßlichkeit, von den Eltern gezeigt, zu einer Bindungssicherheit führt, die als wichtige Voraussetzung für Alleinseinkönnen und Neugierverhalten gilt. Selbstachtung ist verbunden mit dem Respekt vor dem Gegenüber als eine Person aus eigenem Recht mit eigener Urteilsfähigkeit, entsteht also durch kognitive Achtung des anderen.
Autoritative Eltern vermitteln ihren Kindern durch die Erziehung Differenzen zwischen persönlichen Angelegenheiten und konventionellen oder moralischen Problemen und stärken durch ihre Erklärungen das Verständnis der Heranwachsenden für die Mög-lichkeiten und Grenzen eigener Entscheidungen. Sie vermitteln wichtige Einsichten in Rahmenbedingungen und Voraussetzungen der Geltung der Normen.
Selbstwertgefühl entsteht durch die soziale Wertschätzung, die erlaubt, sich auf konkrete Eigenschaften und Fähigkeiten positiv beziehen zu können.
,,Die Vermittlung von Normen und Wertvorstellungen dient dementsprechend nicht in erster Linie der Integration in klar vorgegebene soziale Verhältnisse, sondern hat die Aufgabe, den Kindern zu eigenen, tragfähigen Orientierungsmustern zu verhelfen, mit denen sie sich identifizieren, die sie aber auch (in altersgemäßer Form) reflektieren bzw. hinterfragen können."4
Auch hier bietet der autoritative Erziehungsstil die besten Grundlagen, da nicht die wörtliche Übernahme von Normen diese Erziehungsrichtung ausmacht, sondern eher eine flexible situationsangemessene Umsetzung grundlegender Prinzipien zwischen Eltern und Kindern stattfindet.5
Die Biographische Situation
Die Entstehung des Subjektes ist nur innerhalb einer raumzeitlich und sozial gegliederten
,,biographischen Situation" möglich, in der das Individuum seine alltagspraktischen Interessen verfolgen kann.
In dieser Situation gibt es drei Problemstellungen, mit denen das Individuum zurechtkommen muß, bzw. deren Bewältigung als Voraussetzung von Subjektivität gelten kann:
1. Jedes Individuum befindet sich immer in einer einmaligen, besonderen Situation, welche durch seine Lebensgeschichte, seine soziale Situation und die kulturellen Rahmenbedingungen seiner Umwelt geprägt wird. Das Individuum muß zwischen individueller Besonderheit und der Bezogenheit auf andere täglich vermitteln und einen eigenen Stand vertreten.6
2. Subjektivität ist verbunden mit einem ,,Bereich innerhalb der Reichweite" eines Individuums, in dem das Individuum handeln kann, bzw. an gesellschaftlichen Ressourcen und Handlungsräumen teilnimmt.7
3. Die biographische Situation ist prinzipiell durch die Lebenszeit begrenzt. Das Subjekt muß versuchen, sich zwischen lebenszeitlich gebundener und begrenzter Alltagspraxis und den überdauernden Wertvorstellungen Bezüge herzustellen, um einer Erfahrung von Sinnlust zu begegnen.8
Die Perspektive der Kinder
Untersucht man den Zusammenhang zwischen der Eigenständigkeit des Subjektes und der Entwicklung eines Selbst im Rahmen der Selbstbildung bei Kindern, kommt es nach Leu besonders auf die Perspektive der Kinder an.
Für den Erwachsenen jedoch ist es schwierig, sich in die Perspektive der Kinder zu begeben, da er dem Lebensalter - und damit den Handlung- und Erfahrungsperspek-tiven des Kindes - schon entwachsen ist. Trotzdem wird bei Leus Untersuchungen darauf geachtet, möglichst nahe an die Erfahrungen und die Deutungen der Kinder-welt heranzukommen, das heißt Leu versucht, Kinder so weit wie möglich in seine Untersuchungen mit einzubeziehen.
Die Beobachtungen zeigen, daß Kinder über ein erstaunliches Potential an Strategien für den Umgang mit Konflikten verfügen und daß sie die Mehrzahl ihrer Konflikte selbständig lösen. Sie gehen dabei oft andere Wege als Erwachsene erwarten. [..._ Zentrales Thema, das die Konflikte von Kindern leitet, ist das Aushandeln ihrer Beziehungen und das Pro-bieren ihrer Position. In Konflikten mit Ihren Freunden überrascht, wie stark die Fähigkeit ausgeprägt ist, trotz heftiger Auseinandersetzungen dennoch den anderen wahrzuneh-men und in Beziehung zu bleiben.9
Das Konzept des Interesses
In unserer Gesellschaft gewinnt die Möglichkeit und die Fähigkeit, eigenständig mit neuen Anforderungen umzugehen, Vorgegebenes nicht einfach zu übernehmen, sondern zu prüfen und zu den eigenen Bedürfnissen und Interessen in Beziehung zu setzen, immer mehr an Bedeutung.
Kinder bilden sich über Bezüge zu irgendwelchen Gegenständen, Objekten oder Lebewesen. Mit dem Zuwenden des Interesses eines Kindes zu einem Gegenstand, Objekt oder Lebewesen, wird es Thema bzw. ,,Stoff" für ein Bildungserlebniß des Kindes. Das Kind versucht nun den Gegenstand seines Interesses zu erkennen und zu erschließen. Solche Prozesse der Selbstbildung sind Teil des Alltags der Kinder und finden in Auseinandersetzung mit konkreten Situationen statt. Wie der Prozeß abläuft, hängt dann wieder von individuellen Neigungen, Kompetenzen und Fertigkeiten des Kindes ab.
Bildung erfordert Eigenaktivität
Bildung erfordert nach Leu Eigenaktivität.
,,Gebildet wird man nicht, bilden muß man sich selbst."10
Damit meint Leu, daß Wissen nur in dem Maße bildet, in dem es dem einzelnen bedeutsam wird. Das Subjekt muß Interesse entwickeln, an sich und an seiner Umwelt, muß Eigenaktivität zeigen, um vorgegebene Inhalte angemessen bildungswirksam in ihm zu verankern.
Damit meint Leu, daß Wissen nur in dem Maße bildet, in dem es dem einzelnen bedeutsam wird. Das Subjekt muß Interesse entwickeln, an sich und an seiner Umwelt, muß Eigenaktivität zeigen, um vorgegebene Inhalte angemessen bildungswirksam in ihm zu verankern.
Damit meint Leu, daß Wissen nur in dem Maße bildet, in dem es dem einzelnen bedeutsam wird. Das Subjekt muß Interesse entwickeln, an sich und an seiner Umwelt, muß Eigenaktivität zeigen, um vorgegebene Inhalte angemessen bildungswirksam in ihm zu verankern.
Fähigkeiten wie Orientierung, Selbstorganisation, lebenslängliches Lernen und ähnliche werden maßgeblich im Kindesalter grundgelegt. Kinder haben die Möglichkeit, Bildungsprozesse selbständig und nach eigenen Bedürfnissen zu organisieren.
,,Selbst- Bildung hat neben der Eigenaktivität des Kindes immer auch die Entwicklung eines eigenen Selbst zum Gegenstand, nach dessen Eigenarten und Struktur die Alltagserfahrungen geordnet und bewertet und dementsprechend als mehr oder weniger bedeutsam erfahren werden."11
Aspekte von Selbstbildung
Prozesse der Selbstbildung geschehen aufgrund von aktiver Bezugnahme auf die Umwelt. Leu unterscheidet hierbei drei Formen von Aneignungen:
Die praktischen Aneignung
Das Subjekt wirkt bei der praktischen Aneignung auf die Umwelt ein, wobei es seine eigenen Fähig- und Fertigkeiten, sowie die Gegebenheiten der Umwelt erfährt.
Leu verweist dabei auf die Welt des Wirkens, die Schütz schon beschrieben hat und bedienst sich hierbei eines Zitates von Schütz: ,,Sie ist die Welt der physischen Dinge und schließt als solche meinen Körper mit ein; sie ist der Bereich meiner Fortbewegungen und meiner körperlichen Tätigkeiten;[...]. Durch mein Wirken schalte ich mich in die Außenwelt ein und verändere sie.[...]. Ich teile diese Welt und ihre Gegenstände mit Anderen; mit Anderen habe ich Zwecke und Mittel gemeinsam; in mannigfaltigen sozialen Handlungen und Sozialbeziehungen wirken wir aufeinander, miteinander und gegeneinander."12
Die praktische Aneignung ist an die Zeitform der Gegenwart gebunden, was Leu damit beschreibt, dass er sagt, er könne immer nur hier und jetzt, nicht aber anderswo bzw. gestern oder morgen auf seine Umwelt einwirken.13
Zum Komplex des Einwirkens auf die Umwelt gehören sowohl verfügbare technische Mittel und Werkzeuge, als auch Macht und Herrschaftsunterschiede, die ungleiche Handlungschancen zur Folge haben. Im Körper selbst beeinflussen die praktische Aneignung die physiologischen Voraussetzungen, wie z. B. Kraft, Fertigkeiten, Geschicklichkeit, Gestikulieren und Sprechen.14
Die sinnliche Aneignung
Mit der sinnlichen Aneignung sind alle Einwirkungen der Umwelt Auf das Subjekt gemeint. Sinnliche Aneignungen sind an konkrete Situationen gebunden.
,,[...], da ich immer nur das aufnehmen und erfahren kann, was mir hier und jetzt begegnet oder gegeben ist. [...] Wenn mich hier und jetzt ein fürchterliches Geräusch erschreckt, ist das eine Erfahrung, die ich möglicherweise mit anderen teile, die in dieser Situation anwesend sind. Anders als ein von mir hergestelltes Produkt ist dieses Erschrecken aber für Leute, die sich in anderen oder späteren Situationen befinden, nicht erfahrbar. Zwar kann ich die Erinnerung an dieses Erschrecken sprachlich formulieren und anderen mitteilen. Dies ist aber in jedem Fall etwas anderes, um die wesentlichen Teile der sinnlichen Qualität der aktuellen Erfahrung Reduziertes, eine ,,symbolische Aneignung" "15
Die sinnliche Aneignung ist an die Dauer der unmittelbare Einwirkung gebunden, was dem entspricht, was Schütz in einem Aufsatz zum Musizieren als Zeitstruktur des Musikhörens treffend analysiert hat:
,,Der Sinn eines musikalischen Werkes ist ... wesentlich von polythetischer Struktur. Er kann nicht monothetisch erfaßt werden. Er besteht aus gegliederten Schritt-für- Schritt-Ereignissen in der inneren Zeit, er ist selbst ein polythetischer Konstruktionsprozeß. Ich kann einem einzelnen Musikstück einen Namen geben... oder erklären, ... welche besondere Stimmung oder Emotion dieses Musikstück vielleicht in mir erwecken wird. Der musikalische Inhalt aber selbst, der eigentliche Sinn, kann nur dadurch erfaßt werden, daß man in den fließenden Verlauf eintaucht und dabei die gegliederten musikalischen Ereignisse so reproduziert, wie sie sich in polythetischen Schritten in der inneren Zeit entfalten...16
Zur sinnlichen Aneignung gehören die gegebenen Erfahrungen aus der Umwelt, die Funktionstüchtigkeit der Sinne (Bei Farbenblinden zum Beispiel eine andere als bei normal Sehenden) und die jeweils subjektiven Empfindungen.
Die kognitive und symbolische Aneignung Bei der kognitiven Aneignung geht es darum, irgendwelche Sachverhalte, die fragwürdig sind und durch Erweiterung und Umstrukturierung des vorhandenen Wissensvorrates geklärt werden sollen, zu verstehen und auszulegen. Kognitive Aneignung ist Situationsunabhängig.
,,Meine kognitive Aneignung hier und jetzt muß sich nicht auf gegenwärtige Sachverhalte beziehen, sondern kann genauso Fragen der Vergangenheit oder Zukunft betreffen."17
Kognitive Aneignung bewirkt keine Veränderung der Außenwelt, sondern in ihrem Vollzug kann das Subjekt immer wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren, seine Folgerungen widerrufen, sein Urteil für nichtig erklären, den Umfang der Fragestellung seiner Untersuchung erweitern oder einengen usw.18
Die kognitive Aneignung verhilft dem Subjekt zu einem Bild seiner Welt, und ist somit eine entscheidende Voraussetzung für die Möglichkeit intentional gerichteter Aktivität. Wichtig für die kognitive Aneignung ist die Fähigkeit, Merkmale des anzueignenden Gegenstandes erkennen zu können und diese mit schon bekannten vergleichen und verknüpfen zu können.
Die kognitive Aneignung ist nicht nur auf das Verstehen beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf das sinnliche Erfahren und praktische Tun, was es uns möglich macht, die raumzeitliche Gebundenheit vergangener und zukünftiger Situationen des Subjektes aufzuheben und sich verinnernd oder antizipirend zu vergegenwärtigen.
,,Ich kann zwar die Erinnerung an einen Urlaubstag am Strand auch als Erinnerung noch angenehm erfahren und vielleicht die Wärme der Sonne auf dem Rücken nachempfinden, obschon ich im Zimmer an meinem Schreibtisch sitze und es draußen regnet. Im Normalfall ist mir aber klar, dass meine Erinnerung etwas anderes ist, als die hier und jetzt gegebene Realität. Ich werde weder eine Sonnenbrille aufsetzen noch mich mit Öl einschmieren. Die erinnerte Situation kann sich auch jederzeit augenblicklich verflüchtigen, wenn beispielsweise das Telefon klingelt. Ähnlich werde ich mir bei der Planung des Einkaufs vorstellen, in welchem Geschäft ich welche Zutaten für die Mahlzeit am Wochenende besorgen kann. Es steht für mich aber außer Zweifel, daß ich durch die planende Vorstellung allein nichts ins Haus bekomme. Sie kostet mich andererseits aber auch ebensowenig die Anstrengung des Tragens uns was an Mühe sonst mit dem Einkauf verbunden ist."19
In solchen Situationen steht die bewußtseinsmäßige Reproduktion oder Vorwegnahme bestimmter Aneignungssituationen, sei es um Erinnerung zu pflegen oder um künftige Situationen vorzukonstruiere, im Vordergrund. Leu nennt diese bewußtseinsmäßige Aneignung symbolische Aneignung, da in ihr Vorstellungen und Begriffe als Symbole erscheinen.20
Aufbau des Referates
Bildungsdefinitionen
,,Mit Bildung ist heute meist all das gemeint, was der Mensch durch die Beschäftigung mit Sprache und Literatur, Wissenschaft und Kunst zu gewinnen vermag, durch die erarbeitende und aneignende Auseinandersetzung mit der Welt schlechthin."21,,Bildung bezeichnet einen Persönlichkeitszustand, der den einzelnen befähigt, sein Handeln auf Einsicht und Sachkompetenz zu gründen und es kritisch- prüfend unter dem Prinzip der Selbstbestimmung zu verantworten."22
Um einen Einstieg ins Thema zu finden haben Monika Jenda und ich den Weg über die Definitionen von Bildung gewählt, die wir mit Hilfe des Overhead- Projektors an die wand projiziert haben. Bildung heute, das Thema der letzten Stunden unseres Seminars sollte so nochmal kurz verdeutlicht werden. Den Kommilitonen sollte auf diesem Weg die Verknüpfung des Seminarthemas mit dem Thema unseres Referates vereinfacht werden.
Kurzbiographie H. R. Leu
Diese Kurzbiographie - siehe Anfang der Referate- Ausarbeitung - sollte einen kurzen
Überblick darüber geben, wer Hans Rudolf Leu ist und was seine Tätigkeiten sind. Leider ist es bei lebenden Personen schwierig, eine umfangreiche Biographie zu erstellen, so ist dies das einzige, was wir über sein Leben herausfinden konnten.
Genese des Subjektes
Die Entstehung des Subjektes haben Monika Jenda und ich in zwei Schritten erarbeitet. Als erstes haben wir eine Definition vom Begriff Subjekt aus dem Duden der Definition Hans Rudolf Leus auf Folien gegenübergestellt.
Als weitere Darstellung der Genese des Subjektes haben wir Folien erarbeitet, die die einzelnen Stufen der Wahrnehmung nach Leu erklären sollen.23 Diese Folien lassen sich übereinanderlegen und ergeben so ein komplettes Bild der Schritte, die zur Genese des Subjektes nach Leu nötig sind.
Folie I zeigt die Praktische Aneignung, in der das Kind/ das Individuum auf die Umwelt einwirkt. Dieses Einwirken wird durch die Pfeile dargestellt.
Folie II stellt die kognitive Aneignung dar, in der der Wissensvorrat erweitert und fragwürdige Erfahrungen geklärt werden. Hier wird deutlich, daß Bildung Eigenaktivität fordert.
Folie III Zeigt die Einwirkungen der Umwelt auf das Kind/ das Individuum. Die unterbrochenen Pfeile sollen hierbei deutlich machen, daß dem Kind durch die Umwelt auch Grenzen gesetzt werden, zum Beispiel die natürliche Grenze des Todes.
Methode ,,Stumme Diskussion" - Arbeitsphase
Monika Jenda und ich haben als aktive Arbeitsphase für unsere Kommilitonen die Methode der Stummen Diskussion gewählt. Eine Stumme Diskussion hilft einer Gruppe über bestimmte Dinge ins Gespräch zu kommen, ohne dass es nötig ist, vor dieser Gruppe zu sprechen, da man seine Gedanken auf Stichwortplakaten niederschreiben kann.
Uns schien diese Methode eine Möglichkeit, alle Personen in die Diskussion mit einzubinden und auch an diejenigen heranzukommen, die vielleicht nicht so gerne vor vielen Menschen sprechen.
Folgende Sätze sollten die Kommilitonen zum Denken und Diskutieren anregen:
a) ,,Bildung bedeutet geistige und soziale Formung der Persönlichkeit."
b) ,,Wissen bildet nur in dem Maße, in dem es dem einzelnen bedeutsam wird."
c) ,,Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstwertgefühl als Voraussetzung für Selbstbildung"
d) ,,Kinder entwickeln sich aufgrund der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, Erwachsene assistieren nur"
Auswertung der Stummen Diskussion
Nachdem die Arbeitsphase vorüber war, haben wir gemeinsam die aufgeschriebenen Sätze mit den von den Kommilitonen dazugeschriebenen Anmerkungen vorgelesen und die Gruppe aufgefordert, ihre Meinung zum Geschriebenen zu sagen.
Ende
Am Ende der Stunde haben wir mit einer Folie eine Aussage von Leu an die Wand projiziert, die seine Bildungsvorstellung nochmal auf einen Satz reduziert, um den Kommilitonen eine Art Merksatz zu Hans Rudolf Leu mit auf den Weg zu geben.
Eigenständigkeit und soziale Bezogenheit sind Grunddimensionen von Selbstbildung24
Reflexion
Ziel unseres Referates, so hatten Monika Jenda und ich überlegt, sollte nicht nur reiner Vortrag des Wissens, sondern die Auseinandersetzung der Kommilitonen mit der Bildungsdefinition von H.R. Leu sein. Darum hat unser Referat auch einen großen Teil Eigenaktivität der Kommilitonen beinhaltet
Um die Form des sonst üblichen Vortrages aufzulösen, haben wir zu Beginn der Stunde die Sitzordnung geändert und die Gruppe in einen Arbeitskreis gesetzt. Zum einen haben wir damit eine Möglichkeit geschaffen, sich in der Arbeitsphase der Stummen Diskussion freier Bewegen zu können, zum anderen aber auch den Referatvortrag von vorne in die Gruppe selbst verlegt. Die Kommilitonen waren sicherlich am Anfang ein wenig verwundert über diese Änderung, haben aber im Verlauf des Referates erkennen können, warum wir einen Stuhlkreis gestellt haben.
Die Stumme Diskussion war ein ziemlich unsicherer Punkt in unserem Referat, denn zum guten Gelingen gehört es dabei, dass die Kommilitonen sich auf diese Methode einlassen und mitarbeiten wollen. Trotz dieser an der Universität ungewöhnlichen Arbeitsweise haben die Kommilitonen gut mitgearbeitet und sich auf die Stumme Diskussion eingelassen. Sie haben nach der aktiven Arbeitsphase an der Auswertung großes Interesse gezeigt, was durch die immer wieder neu entstehende Diskussion untereinander deutlich wurde. Folgende Kommentare haben die Kommilitonen während der Stummen Diskussion zu den einzelnen Sätzen geschrieben:
,,Bildung bedeutet geistige und soziale Formung der Persönlichkeit"
- Erlernen des Lernens
- Wer formt?
- Wird man geformt, oder formt man sich selbst?
- stimmt genau, da Lernen = Pforte zur Sozialisation (unbedingt Mindestmaß an Bildung nötig)
- nicht formen, sondern entfalten _ Und wer legt die Form fest?
- Was fällt alles unter den Begriff der Bildung, wenn eine Persönlichkeit geistig und sozial geformt werden soll?
- ,,Formung" der Persönlichkeit nur durch Bildung? _ Wer und was ist Bildung? Wozu?
- Und seelische Formung?
- Wo fängt Bildung an? Wo hört Bildung auf?
,,Wissen bildet nur in dem Maße, in dem es dem einzelnen Bedeutsam wird."
- Was ist denn für den einzelnen bedeutsam? Das ist doch unterschiedlich! Da kann man nicht auf einen gemeinsamen Nenner gelangen!
- ...oder bedeutsam gemacht wird!!! _ Uninteressantes vergißt man schnell _ Motivation spielt auch eine Rolle
- Gibt es dann soetwas wie Allgemeinbildung nicht mehr?
- Wer nichts lernen will, dem kann auch nichts beigebracht werden. _ Ist dann die Schulpflicht notwendig?
,, Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstwertgefühl als Voraussetzung für Selbstbildung"
- Wenn man ständig Angst hat und sich verkriecht, kann man sich nicht wirklich mit dem Lernstoff beschäftigen!
- Selbstbildung schafft Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstwertgefühl (Kreislauf) _ Können Menschen ohne Selbstvertrauen sich nicht bilden/ gebildet werden? _ Kann Bildung nicht auch zu Selbstvertrauen führen?
- Das ist keine Voraussetzung, sondern Mitwirkung!
- Wenn ich diese Voraussetzungen nicht habe, habe ich dann kein ,,Selbst"? _ ...von Katzen lernen.
- Wer hilft mir, mein Selbstvertrauen aufzubauen?
- Und was ist mit denen, die kein Selbstvertrauen, keine Selbstachtung und keinen Selbstwert haben? Sind diese Personen im gewissen Sinn ungebildet, oder geht dann Bildung bis zu einem bestimmten Punkt (Schilbildung) und danach ist man nicht mehr lernfähig?
,,Kinder entwickeln sich aufgrund der Auseinandersetzung mit Ihrer Umwelt, Erwachsene assistieren nur."
- ja und nein: Erwachsene sind doch auch Umwelt, manchmal fordern Kinder Erwachsene auf zur Auseinandersetzung.
- Gibt es keine erziehenden? Man kann nicht neutral sein.
- Erwachsene können Situationen der Auseinandersetzung ,,schaffen"!
- Und was ist mit dem ,,Vorleben" der Erwachsenen?
- Erwachsene entwickeln sich aufgrund der Auseinandersetzung mit ihren Kindern!
- Aber werden die Kinder nicht auch erst mit ihrer Aufmerksamkeit auf etwas gelenkt?
- Man kann einem Kind so oft wie man will sagen, daß etwas heiß ist, bevor es nicht selbst die erfahrung gemacht hat, wird es darauf nicht hören!
- Leider meinen viele Erwachsenen, sie müßten dem Kind etwas aufdrücken. _ ...manchmal auch führen.
Die Eigenaktivität, die nach Leu Bildung erst hervorruft, haben wir durch die Anregung zum Nachdenken mit unseren vier Sätzen zur Stummen Diskussion erreicht. Das die Methode genau auf diesen Punkt angesetzt war, haben die Kommilitonen am Ende der Diskussion selbständig erkannt.
Ich glaube, wir haben die Thematik ,,Bildung heute- Hans Rudolf Leu" in ausreichender und verständlicher Form bearbeitet und an die Kommilitonen weitergegeben. Die Ausarbeitung des Referates zusammen mit Monika Jenda hat mir sehr gut gefallen. Wir haben uns gegenseitig ergänzt und immer wieder über neue Sachverhalte diskutiert. Wichtig war hierbei auch die gegenseitige Unterstützung, die wir uns geboten haben. Während des Vortrages sind wir den Kommilitonen gegenüber sicher aufgetreten und konnten unser Wissen über H.R. Leu ruhig und konzentriert weitergeben. Das sichere Auftreten läßt sich - so empfinde ich es bei mir - aber auch auf die Gewißheit zurückführen, daß im Falle von Fragen, die unseren Wissensvorrat übersteigen, noch jemand im Raum ist, der für uns antworten kann.
Die überwiegend positiven Rückmeldungen der Kommilitonen am Ende des Referates hat mich davon überzeugt, dass wir zumindest auf der Ebene des Vortrages die Wissensvermittlung auf interessantem und lehrreichem Weg erreicht haben.
Literaturangaben
- H.R. Leu
,,Subjektivität als Prozeß"
Deutsches Jugendinstitut (DJI), München 1985, (S. 168- 185) · H.R. Leu
,,Prozesse der Selbstbildung bei Kindern- eine Herausforderung an Forschung und Pädagogik"
In: DJI Das Forschungsjahr 1998 DJI, München 1998
- H.R. Leu
,,Zwischen Autonomie und Verbundenheit - Bedingungen und Formen der Behauptung von Subjektivität"
Suhrkamp, Frankfurt/ Main, 1999
[...]
1 Hans Rudolf Leu
2 vgl: Leu,H.R. Zwischen Autonomie und Verbundenheit. Bedingungen und Formender Behauptung von Subjektivität, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 83
3 Leu,H.R. Zwischen Autonomie und Verbundenheit. Bedingungen und Formender Behauptung von Subjektivität, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S.83
4 Leu,H.R. Zwischen Autonomie und Verbundenheit. Bedingungen und Formender Behauptung von Subjektivität, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 86
5 vgl: Leu,H.R. Zwischen Autonomie und Verbundenheit. Bedingungen und Formender Behauptung von Subjektivität, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 87
6 vgl: Leu,H.R. Zwischen Autonomie und Verbundenheit. Bedingungen und Formender Behauptung von Subjektivität, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 79
7 vgl: Leu,H.R. Zwischen Autonomie und Verbundenheit. Bedingungen und Formender Behauptung von Subjektivität, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 79f
8 vgl: Leu,H.R. Zwischen Autonomie und Verbundenheit. Bedingungen und Formender Behauptung von Subjektivität, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 80
9 Leu H.R. Prozesse der Selbstbildung bei Kindern- eine Herausforderung an Forschung und Pädagogik, In: DJI- Das Forschungsjahr 1998/ Kinder und Kinderbetreuung, DJI, München, S. 176
10 Leu H.R. Prozesse der Selbstbildung bei Kindern- eine Herausforderung an Forschung und Pädagogik, In: DJI- Das Forschungsjahr 1998/ Kinder und Kinderbetreuung, DJI, München, S. 172
11 Leu H.R. Prozesse der Selbstbildung bei Kindern- eine Herausforderung an Forschung und Pädagogik, In: DJI- Das Forschungsjahr 1998/ Kinder und Kinderbetreuung, DJI, München, S. 175
12 Schütz 1971b, S.260; zitiert nach Leu, 5.3.3.1. Bedingungen der praktischen Aneignung, In: Subjektivität als Prozeß, DJI, München, S. 259
13 vgl.: H.R.Leu, 5.3.3.1. Bedingungen der praktischen Aneignung, In: Subjektivität als Prozeß, DJI, München, S. 260
14 vgl.: H.R.Leu, 5.3.3.1. Bedingungen der praktischen Aneignung, In: Subjektivität als Prozeß, DJI, München, S..263
15 H.R.Leu, 5.3.3.1. Bedingungen der praktischen Aneignung, In: Subjektivität als Prozeß, DJI, München, S. 264
16 Schütz 1972, S.144, zitiert nach H.R.Leu, 5.3.3.1. Bedingungen der praktischen Aneignung, In: Subjektivität als Prozeß, DJI, München, S.
17 H.R.Leu, 5.3.3.1. Bedingungen der praktischen Aneignung, In: Subjektivität als Prozeß, DJI, München, S. 267
18 vgl.: H.R.Leu, 5.3.3.1. Bedingungen der praktischen Aneignung, In: Subjektivität als Prozeß, DJI, München, S. 269
19 H.R.Leu, 5.3.3.1. Bedingungen der praktischen Aneignung, In: Subjektivität als Prozeß, DJI, München, S. 273
20 vgl.: H.R.Leu, 5.3.3.1. Bedingungen der praktischen Aneignung, In: Subjektivität als Prozeß, DJI, München, S. 273
21 Lenzen, Pädagogische Grundbegriffe Band 1, 1998, S. 208
22 A.R.Kaiser, Studienbuch Pädagogik, 1998, S. 72
23 Folien I, II, und III als Anhang hinter dem Referat angeheftet
24 vgl: Leu,H.R. Zwischen Autonomie und Verbundenheit. Bedingungen und Formender Behauptung von Subjektivität, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 78
- Quote paper
- Carina Goffart (Author), 2000, Bildung heute - Hans Rudolf Leu, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100403
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