Agilität ist in Unternehmen immer mehr verbreitet, viele betrachten das Konzept als die herausragende Lösung für all ihre Probleme und Herausforderungen. Die Zufriedenheit und die Erreichung des erwarteten Nutzens sind jedoch rückläufig. Michael Sturzenegger untersucht die Ursache für dieses Paradoxon und geht der Frage nach, warum immer mehr Organisationen auf agile Methoden setzen, obwohl diese für sie nicht erfolgversprechend sind.
In seiner Publikation erklärt er außerdem, wie Unternehmen ihre Zielerreichung mit Agilität steigern können und leitet konkrete Handlungsempfehlungen aus seinen Ergebnissen ab. Diese sollen Organisationen helfen, das volle Potenzial agiler Methoden für sich abzurufen und Implementationen erfolgreich abzuschließen.
Aus dem Inhalt:
- Scrum;
- Change Management;
- Agiles Unternehmen;
- Kanban;
- Taylorismus;
- SMART
1.1 Ausgangslage, Forschungsproblem und -frage
Verbreitung von Agilität in Organisationen
Erwarteter Nutzen von Agilität
Erreichung des erwarteten Nutzens von Agilität
Herausforderungen bei der Einführung von Agilität
1.2 Zielsetzungen, inhaltliche Abgrenzung
1.3 Methodik und Aufbau der Master Thesis
2.2.3 Scrum
2.2.4 SAFe (Scaled Agile Framework)
2.3 Was ist eine agile Organisation?
2.3.1 Enterprise Agility – Enterprise Business Agility
2.3.2 Grundpfeiler einer agilen Organisation
«Customer Seat at the Table»
«Lean Portfolio Management»
«Org Structure & Design»
«Agile Framework & Mindset»
«Leadership & Culture»
«Make It Stick/Sustain»
«Technology Agility»
«Enterprise Agility Metrics»
2.4 Agiles Mindset, Kultur
Agile Werte
Fehlerkultur
2.5 Thesen
3 Methodische Vorgehensweise
3.1 Untersuchungsstrategie und Methodik
3.2 Auswahl der interviewten Personen
3.3 Forschungsdesign und Fragebogen
3.4 Datenerhebung
3.5 Datenanalyse
3.6 Gütekriterien
4 Praktischer Teil
4.1 Auswertung These 1
4.2 Auswertung These 2
4.3 Auswertung These 3
4.4 Auswertung These 4
4.5 Ergänzende Betrachtung
5 Schlussfolgerungen
5.1 Plausibilisieren der Thesen
5.1.1 These 1
5.1.2 These 2
5.1.3 These 3
5.1.4 These 4
5.2 Beantwortung der Forschungsfrage
5.2.1 Auswahl von Agilität
5.2.2 Einführung von Agilität
5.2.3 Zusammenfassung
5.3 Empfehlungen
5.3.1 Fokus auf Verständnis im Kontext der Unternehmung
5.3.2 Fokus auf Mindset und Werte
5.3.3 Fokus auf Begleitung durch Transformationsprogramm und Change Management
5.3.4 Agile Manifesto 2.0
Mindset & Werte mehr als Methoden, Frameworks & Tools
Konkrete Aktionen mehr als detaillierte Pläne
Menschen mehr als Prozesse
Vision mehr als Ziele und Nutzen von Agilität
5.4 Fazit
5.5 Reflexion
5.6 Ausblick
Anhang
Quellenverzeichnis
Interview Leitfaden
Code-Buch
Auswertungen aus atlas.ti
Beziehungen Codes zu Interviews (Sankey-Diagramm)
Code-Interviews Tabelle
Management Summary
Immer mehr Organisationen führen agile Methoden und Prozesse ein. Dieser Trend kann seit einigen Jahren beobachtet werden und wird auch von diversen Studien und Umfragen bestätigt. Die Gründe hierfür sind vielseitig. Einer der häufigsten Gründe ist die schnelle Anpassungsfähigkeit in einer sich immer schneller verändernden Welt. Rahmenbedingungen und externe Einflussfakturen ändern sich in einem solch schnellen Tempo, dass herkömmliche Managementsysteme und Entscheidungsstrukturen dem nicht mehr gewachsen sind. Diese neue Welt in der sich die Organisationen bewegen und behaupten müssen, wird auch als «VUCA World» bezeichnet. Denn volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig, abgekürzt VUCA, beschreibt das Umfeld für die heutigen Organisationen. Für diese Herausforderung wird «Agilität» als die herausragende Lösung aller dadurch entstehenden Probleme und Herausforderungen angesehen.
Aus denselbigen Studien kann auch entnommen werden, dass die Einführung von Agilität in Organisationen kein leichtes Unterfangen ist. Dies beginnt mit der Definition von Agilität für das eigene Unternehmen. Der Begriff «Agilität» wird seit einiger Zeit sehr breit ausgelegt und für viele unterschiedliche Themen, Methoden und Verhaltensweisen verwendet. Dies macht es unmöglich eine bestehende Definition von Agilität einfach eins zu eins für die eigene Organisation zu übernehmen. Jede Organisation muss Agilität für sich selber definieren, dies basierend auf ihrer Vision und den Zielen welche erreicht werden sollen. Dabei kann es vorkommen, dass man feststellt, dass Agilität nicht das richtige Werkzeug ist um dies zu erreichen. Denn Agilität ist ein Werkzeug, nicht die Vision oder das Ziel.
Ein anderes Bild welches die Studie von SwissQ (SwissQ Consulting AG, 2019) aufzeigt, ist dass die Mehrheit der Organisationen, welche Agilität eingeführt haben oder deren Einführung begonnen haben, mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind. Lediglich 26.7% haben angegeben, dass alles super läuft oder der erwartete Nutzen erfüllt wird. Dies bedeutet, dass 73.3% nicht zufrieden sind, da die Erwartungen nicht erfüllt werden, es zu lange dauert oder kompliziert ist. Und trotz dieses Bildes und den Erfahrungen dahinter, führen immer mehr Organisationen agile Methoden und Prozesse ein. Warum ist dies so?
Obwohl Agilität nicht nur als Methoden und entsprechende Prozesse betrachtet wird, sondern auch als Mindset, setzen viele Organisationen den Fokus auf ersteres. Die Wichtigkeit des Mindsets und der agilen Werte dahinter wird zwar erkannt, in der Praxis jedoch vernachlässigt oder ausgeblendet. Noch immer stehen bei vielen Einführungen Prozess- und Methodentrainings an erster Stelle und nicht die Vermittlung der Werte und somit des agilen Mindsets. Dies hat zur Folge, dass Agilität als etwas technisches betrachtet wird, was es nicht ist. Um Agilität in der Organisation einzuführen und nachhaltig zu verankern, benötigt es zudem ein Transformationsprogramm, welches sich um das zwingend notwendige Change Management kümmert. Denn Agilität ist immer Mindset mit Werten und erst danach entsprechende Methoden und Prozesse. Agilität ist nie nur Methoden und Prozesse.
Ein weiterer Punkt neben dem Mindset und den Werten ist die notwendige Veränderung in der Organisationstruktur welche stattfinden muss, damit die Methoden und Prozesse funktionieren. Auch dies ist ein Punkt, um welchen sich das Transformationsprogramm kümmern muss. Es wird nicht möglich sein, das Potenzial von Agilität auszuschöpfen ohne eine entsprechende Anpassung in der Organisation vorzunehmen. Eines der Grundprinzipen der Agilität sind autonome und selbstentscheidende Teams. Dies hat einen direkten Einfluss auf das bestehende Management. Ihre Rolle wird sich ändern! Entscheidungskompetenzen müssen ins Team abgegeben werden. Sie werden vom Entscheider zum Coach und zum «Hindernisentferner» für das Team. Damit die Einführung von Agilität gelingt, muss dies möglichst früh thematisiert werden. Sonst ist mit Widerstand seitens des Managements zu rechnen. Es ist klar aufzuzeigen, was sich ändern wird und welche neuen Funktionen und Positionen die Einführung von Agilität schaffen wird. «Product-Owner», «Scrum Master» und weitere Positionen sind innerhalb der neuen Organisation zu besetzen und können eine Option für das bestehende Management sein. Denn bei einer Implementierung von Agilität müssen sich nicht nur die Mitarbeitenden verändern, sondern auch das Management.
Umgangssprachlich sprechen wir in einer Organisation meistens von den Mitarbeitenden und dem Management. Das Management welches Entscheidungen trifft, welche dann von den Mitarbeitenden ausgeführt werden. Doch was ist mit Führung, sprich Leadership, in den Organisationen? Von wem wird die Führung wahrgenommen? In einer agilen Organisation ist dies sehr wichtig und eine der Hauptaufgaben des verbleibenden Management im klassischen Sinn. Neben dem bereits erwähnten Coaching und dem Beseitigen von Hindernissen ist die Vermittlung der Vision und der Ziele der Organisation einer der wichtigsten Aufgaben. Denn nur durch eine permanente Kommunikation der Vision und der Ziele kann sichergestellt werden, dass alle Bereiche mit ihren autonom agierenden Teams in dieselbe Richtung gehen und arbeiten.
Das erste agile Manifest wurde 2001 erstellt und auf die Softwareentwicklung ausgelegt. In den vergangenen knapp zwei Jahrzenten hat das Mindset und die Werte der Agilität jedoch die Softwareentwicklung verlassen und sich als einen Ansatz für alle Bereiche einer Organisation weiterentwickelt. Dies bedeutet auch, dass sich das erste agile Manifest zu einer neuen Version weiterentwickeln muss, welches für die ganze Organisation gilt. Es soll die Eckpfeiler einer agilen Organisation und ihrer Werte darstellen. Diese Eckpfeiler des «Agile Manifesto 2.0» lauten wie folgt:
· Mindset & Werte mehr als Methoden, Frameworks & Tools
· Konkrete Aktionen mehr als detaillierte Pläne
· Menschen mehr als Prozesse
· Vision mehr als Ziele und Nutzen von Agilität
Mit dem richtigen Fokus und Vorgehensweise wird es möglich sein, Agilität in der Organisation erfolgreich einzuführen, sodass der erwartete Nutzen erreicht wird und man näher an die Ziele und die Vision kommt.
Vorwort
Vor mehr als 2 Jahren, im Herbst 2018, hat sich bei mir eine berufliche Veränderung angekündet. Der Bereich welchen ich bei meinem Arbeitgeber verantwortete und leitete sollte bis Ende 2019 aufgelöst werden. Dies löste bei mir natürlich viele Fragen aus. Was ist zu tun, welche Abhängigkeiten gibt es, wie informieren wir die betroffenen Kunden sowie die Mitarbeitenden und wie sieht deren Zukunft aus? Neben diesen Fragen im Zusammenhang mit der Auflösung sind natürlich auch persönliche Fragen aufgekommen: Wie sieht meine berufliche Zukunft aus? Wo liegen meine zukünftigen Interessen? In welche Richtung möchte ich mich entwickeln?
Schnell war für mich in dieser Situation klar, dass ich meine beruflichen Chancen durch eine Weiterbildung verbessern möchte. Auch wenn nicht klar war, als was und für wen ich in Zukunft arbeiten werde. Doch in welche Richtung soll ich mich weiterbilden? Aus der IT kommend und immer im technischen Umfeld tätig entschied ich mich für eine Weiterbildung im Bereich «Digital» und «Digitalisierung». Nach ein paar Stunden Recherche im Internet hatte ich die für mich passenden Angebote ausfindig gemacht und auf ein paar wenige eingegrenzt. Der Rest ging dann ziemlich schnell. Im Dezember 2018 ein Beratungsgespräch und dann der Start der Ausbildung im Februar 2019. Diese an der HWZ (Hochschule für Wirtschaft Zürich) mit dem Ziel eines Masters in Digital Business.
Den Entscheid habe ich zu keiner Zeit bereut. Durch diese Ausbildung und die von mir durch die CAS gewählten Schwerpunkte habe ich ein besseres und tieferes Verständnis von Digitalisierung und den damit verwandten Themenbereichen gewonnen. Auch die Themen meiner Zertifikatsarbeiten haben dies entsprechend wiedergegeben. «Für Innovation sind Alle verantwortlich! - Warum dies ein Irrglaube ist und wer wirklich verantwortlich ist» im Rahmen des CAS Digital Leadership. «Enterprise Agility - Bedeutung sowie Herausforderungen und Stolpersteine einer Umsetzung» im CAS Mobilebusiness & Ecosystems. «Social Media & Social Engineering - Social Media als Quelle für OSINT/SOCMINT und mögliche Gegenmassnahmen» im CAS Digital Risk Management.
Aus meiner zweiten Zertifikatsarbeit im CAS Mobilebusiness & Ecosystems hat sich dann auch das Thema dieser Master Thesis ergeben. Ich bin davon überzeugt, dass die Methoden und Modelle den neuen Gegebenheiten und der neuen Zeit angepasst werden müssen. Muss es jedoch immer gleich Agilität sein und was bedeutet Agilität wirklich? Dies sind Fragestellungen welche mich sehr interessieren und beschäftigen.
Die Zeit ist schnell vergangen. Bereits haben wird Januar 2021 und ich darf auf eine spannende, interessante und lehrreiche Zeit zurückblicken. Die drei absolvierten CAS sind wie im Flug vergangen und auch der Abgabetermin meiner Master Thesis rückt immer näher.
In diesen knapp 2 Jahren durfte ich viele neue Kontakte mit Mitstudentinnen und Mitstudenten und auch Dozentinnen und Dozenten knüpfen. Ich hatte einen regen und teils kontroversen Austausch zu diversen Themen. Im speziellen möchte ich mich bei folgenden Personen bedanken: Bei Manuel Nappo als Leiter des Institutes für Digital Business an der HWZ, dass er ein solches Umfeld mit den diversen CAS zu aktuellen Themen aufgebaut hat. Bei Ralph Hutter als Studiengangsleiter zweier meiner CAS welche ich absolviert habe. Dies für den roten Faden, welcher sich von Anfang bis Ende durch die beiden CAS gezogen hat und auch für die Auswahl der erstklassigen Dozentinnen und Dozenten. Dasselbe gilt für Patrick Comboeuf dem Studiengangleiter des CAS Digital Leadership. Zudem darf ich sagen, dass er mich persönlich mit seiner Art und Weise gefördert und gefordert hat. Nicht zu vergessen, auch die einmalige Studienwoche im Silicon Valley. Hier auch meinen Dank an Gert Christen für die Organisation.
Mein Dank gilt auch meiner Frau Ruth Sturzenegger, für Ihre Unterstützung. Dies für die Bereitschaft mit mir zusammen diesen Weg zu gehen sowie für all Ihre Inputs bei meinen Arbeiten wie auch dieser Master Thesis.
Und ja, meine berufliche Zukunft hat sich dank meiner Ausbildung auch ergeben.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Verankerung der Agilität im Unternehmen
Abbildung 2: Auf welchen Ebenen wurde Agilität eingeführt
Abbildung 3: Verwendete agile Elemente
Abbildung 4: Vorwiegendes Vorgehen im Projekt
Abbildung 5: Ziele von Agilität - Digital.ai
Abbildung 6: Ziele von Agilität - SwissQ
Abbildung 7: Zufriedenheit mit «Agile»
Abbildung 8: Auswertung bisheriger Projekterfolg von agilen Projekten
Abbildung 9: Auswertung bisheriger Projekterfolg von Projekten nach Wasserfall
Abbildung 10: Messkriterien für Agilität
Abbildung 11: Die grössten Hemmnisse für Agilität
Abbildung 12: Herausforderungen bei der Einführung von Agilität
Abbildung 13: Darstellung Wasserfallmodell
Abbildung 14: Agile Manifesto Grundsätze
Abbildung 16: Agile Prinzipen bei SAFe
Abbildung 17: Darstellung Full SAFe
Abbildung 18: Elemente von Anpassungsfähigkeit, Agilität
Abbildung 19: Definitionen Business Agility und Agile Business
Abbildung 20: Enterprise Business Agility Model
Abbildung 21: The EBA Transformation Journey
Abbildung 22: Grundpfeiler einer agilen Unternehmung
Abbildung 23: Die vier Dimensionen des agilen Mindsets
Abbildung 24: Unterscheidung von "doing agile" und "being agile"
Abbildung 27: Grobdarstellung von Sankey-Diagramm und Code-Interview Tabelle
Abbildung 28: Erwartungen an Agilität
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Erfolgs- und Misserfolgsfakturen bei der Einführung von Agilität
Tabelle 2: Übersicht der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner
Tabelle 3: Übersicht der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner in der Referenzgruppe
Tabelle 4: Übersicht Thesen und dazugehörige Fragen im Interviewleitfaden
Tabelle 5: Deduktive Codes aus dem Code-Buch
Tabelle 6: Induktive Codes aus dem Code-Buch
Tabelle 7: Fragen für Leitfadenvalidierung
Tabelle 8: Zeitpunkt und Dauer der Interviews
Tabelle 9: Haupt- und Untercodes für These 1
Tabelle 10: Haupt- und Untercodes für These 2
Tabelle 11: Haupt- und Untercodes für These 3
Tabelle 12: Haupt- und Untercodes für These 4
Tabelle 13: Zusätzliche induktive Codes ohne Bezug auf Fragen aus Interviewleitfaden..
Tabelle 14: Top zehn der verwendeten Codes mit Anzahl Verwendungen
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage, Forschungsproblem und -frage
1.1.1 Ausgangslage
Verbreitung von Agilität in Organisationen
Immer mehr Firmen führen agile Methoden und Techniken ein. Dies in einzelnen Teams, Bereichen oder sogar in der ganzen Organisation. Eine entsprechende Umfrage von SwissQ aus dem Jahre 2019, (SwissQ Consulting AG, 2019) weist die Verankerung der Agilität in den Unternehmungen wie in
Abbildung 1 aus.
Abbildung 1: Verankerung der Agilität im Unternehmen
Quelle: SwissQ Consulting AG (2019)
Ein ähnliches Bild zeigt eine Studie von Digital.ai auf (Digital.ai, 2020). Hier wird an erster Stelle die Softwareentwicklung mit 37% angegeben. Zu bemerken ist, dass die Studie von SwissQ auf die Schweiz, während die von Digital.ai weltweit ausgelegt ist.
Da agile Methoden ursprünglich aus der Softwareentwicklung kommen, (Scrum.org, o. J.) ist es nicht überraschend, dass die Verankerung in der Entwicklung am grössten und in der Führung am kleinsten ist. Die Umfragen zeigen zudem auf, je höher man in der Organisation kommt, bezogen auf die Hierarchie, desto mehr nimmt die entsprechende Verankerung ab, siehe Abbildung 2. Dieses Muster wird auch durch Digital.ai (Digital.ai, 2020) bestätigt.
Abbildung 2: Auf welchen Ebenen wurde Agilität eingeführt
Quelle: SwissQ Consulting AG (2019)
Während auf Ebene der Teams bereits die Mehrheit agil arbeitet, nämlich 54%, ist es auf Ebene der Firma 15.4%, beziehungsweise auf der Ebene der Strategie 15.3% (SwissQ Consulting AG, 2019).
Wird Agilität in einer Organisation eingeführt, bedeutet dies nicht automatisch, dass jeweils auf ganze Frameworks wie Scrum oder SAFe gesetzt wird. Es können auch einzelne Elemente eingeführt werden (Digital.ai, 2020).
Dabei sind die drei beliebtesten agilen Elemente Daily Standups’s, Retrospektiven und das Planen von Sprints oder Iterationen, siehe Abbildung 3.
Abbildung 3: Verwendete agile Elemente
Quelle: Digital.ai (2020)
Betrachtet man daneben die Art und Weise wie die Einführung stattfindet, ist der Fokus an erster Stelle auf Prozesse und Methoden, dies mit 29.2%, gefolgt von Kultur und Leadership an zweiter Stelle mit 24.2% (SwissQ Consulting AG, 2019). Auch ist ein starker dezentraler Ansatz bei der Einführung mit 44.1% gefolgt von einem Top-Down Vorgehen mit 24.2% ersichtlich (SwissQ Consulting AG, 2019).
Geht es um die angewandte Methodik in den Projekten, ist ersichtlich, dass die agilen Methoden in den Projekten von Jahr zu Jahr zunehmen, wobei die klassischen Methoden wie Wasserfall, sprich Iterativ, rückläufig sind, siehe Abbildung 4.
Abbildung 4: Vorwiegendes Vorgehen im Projekt
Quelle: SwissQ Consulting AG (2019)
Erwarteter Nutzen von Agilität
Doch warum führen Organisationen agile Methoden ein? Was ist die Erwartung an die Agilität? Auch hierzu machen die Studien von SwissQ und Digital.ai eine Aussage. Es ist nicht verwunderlich, dass die Anpassungsfähigkeit in beiden Studien zuoberst steht. SwissQ nennt hier «Fähigkeit mit sich ändernden Prioritäten umzugehen» mit 98% (SwissQ Consulting AG, 2019). Digital.ai bezeichnet dies als «Ability to manage changing priorities» mit 70% (Digital.ai, 2020).
Somit steht die Fähigkeit der Anpassungsfähigkeit an oberster Stelle bezüglich des erwarteten Nutzens von Agilität.
Abbildung 5: Ziele von Agilität - Digital.ai
Quelle: Digital.ai (2020)
Abbildung 6: Ziele von Agilität – SwissQ
Quelle: SwissQ Consulting AG (2019)
Erreichung des erwarteten Nutzens von Agilität
Werden die Aussagen bezüglich der Zufriedenheit und dem Nutzen betrachtet, so stellt man fest, dass sich hier ein Spannungsfeld öffnet. Lediglich 3.2% der Befragten haben angeben, dass alles super läuft. Respektive 23.5% der befragten Personen geben an, dass der Nutzen erfüllt wird. 8% geben sogar an, dass die Erwartungen nicht erfüllt werden. Ein Lichtblick ist hier, dass dieser Wert gegenüber dem Vorjahr um 4.6% abgenommen hat (SwissQ Consulting AG, 2019), siehe Abbildung 7.
Abbildung 7: Zufriedenheit mit «Agile»
Quelle: SwissQ Consulting AG (2019)
Geht man ins Detail und betrachtet den Projekterfolg in agilen Projekten und die entsprechenden Antworten darauf (Abbildung 8), so stellt man seit 2017 eine Verlagerung von «Erfolgreich» nach «Challenged» fest. Während diese Verlagerung bei den agilen Projekten in den letzten drei Jahren konstant ersichtlich ist, ist diese bei den Projekten welche klassisch nach Wasserfall abgewickelt wurden erst seit 2019 ersichtlich (SwissQ Consulting AG, 2019).
Abbildung 8: Auswertung bisheriger Projekterfolg von agilen Projekten
Quelle: SwissQ Consulting AG (2019)
Abbildung 9: Auswertung bisheriger Projekterfolg von Projekten nach Wasserfall
Quelle: SwissQ Consulting AG (2019)
Somit ist bei agilen Projekten wie auch bei Projekten nach der Wasserfallmethode dieselbe Verlagerung ersichtlich. Dies wiederum wirft die Frage auf, in wieweit die Methodik hierfür verantwortlich ist als vielmehr andere Einflussfaktoren und Umstände.
Im Zusammenhang mit der Erreichung des erwarteten Nutzens stellt sich auch die Frage, wie dies in den Organisationen gemessen wird. Leider macht die Studie von SwissQ hierzu keine Aussage, während Digital.ai eine Aussage zu dieser Frage beinhaltet. Mit 46% ist «Business value delivered» als Messkriterium an erster Position, gefolgt von «Customer/User satisfaction» mit 45% (Digital.ai, 2020).
Abbildung 10: Messkriterien für Agilität
Quelle: Digital.ai (2020)
Herausforderungen bei der Einführung von Agilität
Doch was sind die grössten Herausforderungen bei der Einführung von agilen Methoden und Strukturen in einer Organisation? Während immer mehr Organisationen entsprechende Implementierungen vornehmen, tun sich diese meist mit denselben Punkten schwer. Oft sind die Hindernisse im Bereich von «Strukturen und Prozesse», «Unternehmenskultur» und «Unternehmens- und Mitarbeiterführung» (All for One Group SE, 2020). Auch die Firma SwissQ versucht entsprechende Hindernisse und Hemmnisse in Ihrer jährlichen Studie zu erheben, siehe Abbildung 11.
Abbildung 11: Die grössten Hemmnisse für Agilität
Quelle: SwissQ Consulting AG (2019)
Ein ähnliches Bild zeigt auch die Studie von Digital.ai (Digital.ai, 2020). Die Top drei Herausforderungen bei der Einführung von agilen Methoden und Strukturen stehen im Zusammenhang mit der Kultur und dem Mindset. Dies sind genereller Widerstand der Organisation bezüglich Veränderung, nicht genug Leadership (Führung) und inkonsistente Prozesse und Vorgehensweisen in den Teams, siehe
Abbildung 12.
Abbildung 12: Herausforderungen bei der Einführung von Agilität
Quelle: Digital.ai (2020)
Auch die ZHAW hat Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren bei der Einführung von Agilität in einer Ihrer Studien untersucht (Majkovic, Gundrum, Benz, Dzsula, & Huber, 2019). Dabei kommt die Studie auf der Seite der Misserfolgsfaktoren, sprich den Herausforderungen, zu identischen Aussagen.
Tabelle 1: Erfolgs- und Misserfolgsfakturen bei der Einführung von Agilität
Quelle: Majkovic et al. (2019)
Bezeichnend für Agilität und den damit verbundenen Erwartungen und Herausforderungen ist ein Zitat von Hans C. Werner, Leiter Group Human Resources bei Swisscom.
«Es macht bei uns nicht für alle Teams Sinn, agile Arbeitsmethoden anzuwenden. Aber es macht für alle Mitarbeitenden Sinn, eine agile Denkweise anzunehmen.»
(Zitat von Hans C. Werner, Quelle: Majkovic et al. (2019))
1.1.2 Forschungsproblem
Wie die erwähnten Studien aufzeigen, ist Agilität immer mehr verbreitet in den Organisationen. Dabei wird Agilität von vielen Organisationen als die herausragende Lösung für alle ihre Probleme und Herausforderungen betrachtet. So nimmt die Verbreitung von Jahr zu Jahr zu. Betrachtet man auf der anderen Seite die Zufriedenheit und die Erreichung des erwarteten Nutzens, so sind diese rückläufig. Und trotzdem starten immer mehr Organisationen für sich eine agile Transformation. Hier könnte man annehmen, dass Agilität als solches nicht hinterfragt und deren Zweckmässigkeit vor dem Start der Einführung nicht geprüft wird. Auf der anderen Seite machen drei unterschiedliche Studien identische Aussagen bezüglich Herausforderungen, Hindernissen sowie Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren. Was wiederum eine gute Indikation gibt, worauf zu achten ist, damit der erwartete Nutzen und das gesteckte Ziel erreicht werden können. Und trotzdem zeigt sich oben beschriebenes Bild bei welchem Erwartung, in Form von erwarteter Nutzen und Zielen, und Ergebnis immer mehr auseinander gehen. Dieses Verhalten der Organisationen ist so auf den ersten Blick nicht verständlich. Diese Art der Einführung von Agilität kann die Organisationen viel Zeit, Geld und am Ende die Existenz kosten.
1.1.3 Forschungsfrage
Wie in Kapitel «1.1.1 Ausgangslage» ersichtlich, führen immer mehr Organisationen agile Methoden in einzelnen Bereichen oder der ganzen Organisation ein. Auf der anderen Seite ist die Zufriedenheit gering und auch der «Erfolg» ist rückläufig. Daher stellt sich nicht nur die Frage bezüglich Ursache, sondern auch die Frage, warum immer mehr Firmen Agilität einführen, wenn die Erfüllung des Nutzen, sprich des erwarteten Ergebnisses rückläufig ist (SwissQ Consulting AG, 2019). Dieser Fragestellung wird sich diese Master Thesis annehmen und versuchen möglichen Ursachen auf den Grund zu gehen und Erklärungen zu liefern. Die Forschungsfrage dieser Master Thesis lautet daher:
Immer mehr Unternehmen führen agile Methoden und Strukturen ein. Gleichzeitig wird der erwartete Nutzen in den meisten Fällen als nicht erfüllt angegeben. Was ist die Ursache dafür und wie kann die Erreichung des erwarteten Nutzens gesteigert werden?
1.2 Zielsetzungen, inhaltliche Abgrenzung
Wie oben aufgrund von Studien, Auswertungen und Umfragen aufgezeigt, scheint hier eine immer grösser werdende Diskrepanz zwischen dem erwarteten Nutzen und den erwarteten Ergebnissen durch die Einführung von agilen Methoden und deren effektiven Erreichung zu entstehen.
Die aufgestellten Thesen möglicher Ursachen sollen durch Interviews plausibilisiert oder widerlegt werden.
Aus diesen Erkenntnissen sollen wiederum konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet, sprich definiert werden, welche Organisationen bei zukünftigen Einführungen von agilen Methoden helfen sollen. Dies mit dem Ziel, diese aktuell immer grösser werdende Diskrepanz zu minimieren oder sogar ganz zu schliessen. Dadurch soll den Organisationen geholfen werden, das volle Potenzial von Agilität für sich abzurufen und Implementationen erfolgreich (gesteckte Ziele, erwartete Ergebnisse werden erreicht) abzuschliessen.
Ziel dieser Master Thesis ist es nicht, anhand der Erkenntnisse einen Implementierungsplan, Richtlinien oder andere Vorlagen zur Verfügung zu stellen. Diese sind pro Organisation sehr spezifisch und können nicht verallgemeinert werden. Jede Organisation muss dies individuell für sich planen und erstellen. Dazu können die Handlungsempfehlungen dieser Master Thesis jedoch helfen.
1.3 Methodik und Aufbau der Master Thesis
Die Grundlage für die Bearbeitung des Themas bildet eine Literaturrecherche. Im ersten Teil soll ein entsprechender Überblick über das Thema gegeben werden. Dies aufgrund von Studien und Umfragen, welche das Thema analysiert haben. Zudem soll ein Grundverständnis geschaffen werden, indem aufgezeigt wird, was man unter Agilität versteht und welche Formen von Agilität weitverbreitet sind. Auch dies basierend auf Literaturrecherchen.
Der zweite Teil der Arbeit widmet sich dann der Erhebung der Daten um die Forschungsfrage zu beantworten. Dazu werden Personen mündlich befragt, welche erst kürzlich in einer Situation waren, welche agile Methoden in Unternehmen eingeführt hat. Die Datenerhebung erfolgt aufgrund eines Leitfadens. Mit diesen erhobenen Daten sollen die Thesen plausibilisiert oder widerlegt werden.
2 Theoretischer Teil
In den letzten Jahren und Jahrzenten hat sich die Art und Weise, wie Projekte geleitet und Produkte entwickelt werden, stark verändert. Dies aufgrund der Tatsache, dass die Zyklen für die Produktentwicklung immer kürzer werden und die Projekte in immer kürzerer Zeit umgesetzt werden müssen. Hauptursache dafür sind die sich immer schneller ändernden Rahmenbedingungen und das sich stetig ändernde Umfeld in dem sich die Organisationen bewegen. Da in der Zwischenzeit nicht nur die Produktentwicklung und Projekte davon betroffen sind, werden agile Methoden auch auf andere Bereiche einer Organisation angewendet. Teilweise sogar auf allen Ebenen.
Im folgenden Teil werden die am meisten genannten Grundsätze, Methoden und Modelle kurz erläutert.
Diese Grundsätze, Modelle und Methoden werden kurz beleuchtet:
· Wasserfallmodell
· «Agile Manifesto»
· Scrum
· SAFe (Scaled Agile Framework)
· Enterprise Agility – Enterprise Business Agility
· Agiles Mindset und Kultur
Interessant ist vor allem der Punkt, «Enterprise Business Agility». Dieser zeigt eines der Modelle, Frameworks auf, welche versuchen die agilen Grundsätze auf die ganze Organisation anzuwenden. Es wird versucht aufzuzeigen, was alles notwendig ist, um eine komplett agile Organisation zu erreichen. Dieses Modell kann als Grundlage für die Gestaltung der eigenen agilen Organisation dienen.
2.1 Klassische Methoden
Unter klassischen Methoden werden meist jene Methoden verstanden und zusammengefasst, welche vor dem Bekanntwerden und verbreiten der Agilität entstanden sind und in den Unternehmen Einzug gehalten haben.
Während die Wasserfall-Methode die bekannteste unter den klassischen Methoden ist, gibt es auch noch weitere Methoden, wie zum Beispiel PRINCE2 (Windolph, 2019).
2.1.1 Wasserfallmodell
«Das Wasserfallmodel ist ein Vorgehensmodell, bei dem der Projektablauf in sequentielle Phasen gegliedert ist, deren Teilergebnisse aufeinander aufbauend zum vorher vollständig spezifizierten Projektergebnis führen.» (Angermeier, 2017)
Zurückgeführt wird das Wasserfallmodell auf die Publikation von Royce, W.W.: «Managing the Development of Large Software Systems, Proceedings of IEEE WESCON, August 1970» (Royce, 1970). Royce verwendet dabei selbst nicht das Wort "Wasserfall", allerdings stellt er sein Vorgehensmodell mit Hilfe von Grafiken so dar, welche an einen Wasserfall erinnern. (Angermeier, 2017)
In der Praxis kommen verschiedene Versionen des Wasserfallmodells zum Einsatz. Gängig sind Modelle, die den Prozess in fünf Phasen unterteilen. Die von Royce definierten Phasen werden teilweise zusammengefasst. (1&1 IONOS SE, 2020)
· Analyse: Planung, Anforderungsanalyse und Anforderungsspezifikation
· Design: Systemdesign und Systemspezifikation
· Implementierung: Programmierung und Modultests
· Test: Systemintegration, System- und Integrationstests
· Betrieb: Auslieferung, Wartung, Verbesserung
Die Darstellung in Abbildung 13 veranschaulicht die einzelnen Phasen. Durch die sequenzielle Darstellung bekam das Modell den Namen «Wasserfall».
Abbildung 13: Darstellung Wasserfallmodell
Quelle: 1&1 IONOS SE (2019)
2.2 Agile Methoden
2.2.1 Was ist Agilität?
Der Begriff der Agilität ist ziemlich unscharf und wird heutzutage eher als «Buzzword» und sehr breit ausgelegt. Es gibt fast so viele Definitionen und Beschreibungen, was Agilität ist, wie Bücher und Artikel dazu veröffentlicht worden sind. Im Grundsatz laufen all die Definitionen auf eine Anpassungsfähigkeit bezüglich neuen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen hinaus. So wird Agilität auch häufig im Management für die digitale Transformation verwendet (Majkovic et al., 2019).
Unternehmen bewegen sich heutzutage in einer sich ständig weiterentwickelnden und sich schnell verändernden Welt. Oft wird in diesem Zusammenhang der Begriff «VUCA World» verwendet (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity). Die Anpassungsfähigkeit, sprich Agilität, soll ein Werkzeug für Firmen in der «VUCA World» darstellen (Fiorucci, 2019a; Petry, 2019).
2.2.2 Agile Manifesto
Das «Agile Manifesto» oder agile Manifest kommt aus der Softwareentwicklung. In ihm wurden 12 Prinzipen agiler Softwareentwicklung festgehalten. (Kent et al., 2001) Diese lassen sich in die folgenden Grundsätze zusammenfassen:
- Arbeit zitieren
- Michael Sturzenegger (Autor:in), 2021, Warum agile Methoden den Erfolg nicht garantieren. Ursachen und Handlungsempfehlungen zum Paradoxon der Agilität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1003878
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