In dieser Arbeit werden mögliche Bedrohungen der kritischen Infrastruktur diskutiert und verschiedene Konzepte für den Schutz sowie Abwehrmaßnahmen zur Sicherstellung der kritischen Infrastrukturen in der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt.
Während des Kalten Krieges (1947-1991) war ein potenzieller Angriff durch Luftstreitkräfte und durch Nuklearwaffen des jeweiligen Gegners ein potenzielles Bedrohungsszenario. Die anhaltenden politischen Spannungen zwischen den marktwirtschaftlich orientierten demokratischen und planwirtschaftlich geleiteten sozialistischen Staaten veranlasste beide Seiten, sich mit Lösungsstrategien für den Schutz wichtiger Versorgungsinfrastruktur zu beschäftigen. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs am 27. Juni 1989 fand in vielen Wirtschaftssektoren, die vormals von staatlichen Monopolen bzw. Unternehmen dominiert wurden, eine Welle der Privatisierung und privatwirtschaftlichen Neugründungen statt. Auf die Privatisierung folgte die Digitalisierung der Wirtschaft und damit der Wandel zu einer zunehmend auch privat vernetzten Gesellschaft mit neu entstehenden Abhängigkeiten und Bedrohungspotenzialen.
Inhaltsverzeichnis
I Abbildungsverzeichnis
II Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition kritischer Infrastrukturen und deren Bedeutung
3. Bedrohung kritischer Infrastrukturen
4. Beispiele für die Bedrohung kritischer Infrastrukturen in Deutschland
5. Strategische Ziele und Akteure zum Schutz kritischer Infrastrukturen
6. Akteure zum Schutz kritischer Infrastrukturen
7. Vorsorgemaßnahmen in Deutschland
7.1. Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübung (Exercise)
7.2. Staatliche Ernährungsvorsorge
7.3. Selbstschutz
7.4. Warnung der Bevölkerung
8. Umfrageanteil
8.1. Bekanntheit der Begrifflichkeit „kritische Infrastruktur“
8.2. Bedrohung kritischer Infrastrukturen
8.3. Wichtigkeit kritischer Infrastruktur
8.4. Persönliche Vorbereitung
8.5. Warnung der Bevölkerung
8.6. Altersstruktur
8.7. Beschäftigungsstatus
8.8. Beschäftigung nach Sektoren
8.9. Abschließende Betrachtung der Befragung
9. Abschließendes Fazit der Seminararbeit
III Literaturverzeichnis
I Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gefährdungspotenzial nach Gefährdungskategorien (n = 99)
Abbildung 2: Gefährdungseinschätzung insgesamt (n = 98)
Abbildung 3: Wichtigkeit nach Sektoren (n = 93)
Abbildung 4: Bevorratungshöhen im Haushalt (n = 92)
Abbildung 5: Nutzung von Warnapps (n = 92)
Abbildung 6: Altersstruktur (n = 92)
Abbildung 7: Beschäftigungsstatus (n = 92)
Abbildung 8: Beschäftigung nach Sektoren (n = 92)
II Abkürzungsverzeichnis
BIWAPP - Bürger Info- & Warn-App
BBK - Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
BMEL - Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
BMI - Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
BLE - Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
BSI - Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
BSI-KritisV - Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik -Kritisverordnung
BTX - Bildschirmtext
DWD - Deutscher Wetterdienst
ESVG - Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz
Finanz- u. Versw. - Finanz- und Versicherungswesen
InfoTech. u. TeleKom. - Informationstechnologie und Telekommunikation
LÜKEX - Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübung (Exercise)
NINA - Notfall-Informations- und Nachrichten-App
KATWARN - Katastrophenwarnung
o.J. - ohne Datum
PSA - Persönliche Schutzausrüstung
THW - Technisches Hilfswerk
ZSKG - Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz
1. Einleitung
Während des Kalten Krieges (1947-1991) war ein potenzieller Angriff durch Luftstreitkräfte und durch Nuklearwaffen des jeweiligen Gegners ein potenzielles Bedrohungsszenario. Die anhaltenden politischen Spannungen zwischen den marktwirtschaftlich orientierten demokratischen und planwirtschaftlich geleiteten sozialistischen Staaten veranlasste beide Seiten, sich mit Lösungsstrategien für den Schutz wichtiger Versorgungsinfrastruktur zu beschäftigen. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs am 27. Juni 1989 fand in vielen Wirtschaftssektoren, die vormals von staatlichen Monopolen bzw. Unternehmen dominiert wurden, eine Welle der Privatisierung und privatwirtschaftlichen Neugründungen statt. Auf die Privatisierung folgte die Digitalisierung der Wirtschaft und damit der Wandel zu einer zunehmend auch privat vernetzten Gesellschaft mit neu entstehenden Abhängigkeiten und Bedrohungspotenzialen.1 Wie der sogenannte BTX-Hack der Hamburger Sparkasse im November 1984 zeigte, sind Bedrohungen digitaler Dienstleistungen keine Erscheinung seit der massiven Verbreitung von Internet und Heimcomputern.2 Die Infiltration und die Ausspähung von Daten des internen Netzwerkes des Deutschen Bundestages im Jahr 20153 und der fast 2 Tage dauernde Stromausfall in einem Berliner Stadtbezirk im Februar 20194 zeigen, dass selbst Einrichtungen, Institutionen und Dienstleistungen, welche subjektiv als sicher empfunden werden, gefährdet sind. Weitere Bedrohungen der Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung können sich durch Naturkatastrophen ergeben. So kam es im November 2005, bedingt durch Schneemassen, zu langanhaltenden Stromausfällen im Münsterland.5 Im Zuge der Covid-19-Pandemie Anfang 2020 wurde durch die vielerorts beobachteten Hamsterkäufe die Angst der Bürger vor dem Ausfall bzw. vor Einschränkungen in der Versorgung mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs deutlich.6
In der vorliegenden Seminararbeit werden mögliche Bedrohungen der kritischen Infrastruktur diskutiert und verschiedene Konzepte für den Schutz sowie Abwehrmaßnahmen zur Sicherstellung der kritischen Infrastrukturen in der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt. Als Grundlage für die Sekundärforschung in Form einer Literaturrecherche wurden vornehmlich offizielle Quellen, wie z.B. Berichte und Veröffentlichungen der Bundesregierung bzw. der verantwortlichen Bundesministerien, Behörden und Ämter herangezogen. Unter Zuhilfenahme einer standardisierten Onlinebefragung wurde das Sicherheitsgefühl deutscher Staatsbürger in Bezug auf die Bedrohung der kritischen Infrastruktur untersucht und den derzeitigen Bemühungen der Bundesregierung zum Schutz derselben gegenübergestellt.
2. Definition kritischer Infrastrukturen und deren Bedeutung
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) definiert kritische Infrastrukturen „als Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden".7
Durch eine Bund-Länderarbeitsgruppe und Abstimmungsprozesse auf Bundesebene haben der Bund und die Länder eine 9 Sektoren umfassende Einteilung der kritischen Infrastrukturen erarbeitet. Zu den Sektoren zählen: „Energie", „Informationstechnik und Telekommunikation", „Transport und Verkehr", „Gesundheit", „Wasser", „Ernährung", „Finanz- und Versicherungswesen", „Staat und Verwaltung" sowie „Medien und Kultur". Zur besseren Betrachtung bzw. Bearbeitung der einzelnen Sektoren wurden diese durch die Bundesressorts in eine auf Bundesebene einheitliche Branchenstruktur von 29 Branchen unterteilt.8 Diese Sektoren und Branchen können jedoch nicht isoliert voneinander betrachtet werden, da unter den einzelnen Sektoren und Branchen Abhängigkeiten bestehen. So kann beispielsweise die medizinische Versorgung ohne ein intaktes Wasserversorgungsund Elektrizitätsnetz nur eingeschränkt erfolgen und das Finanz- und Versicherungswesen ist auf funktionierende Informations- und Telekommunikationstechnologien angewiesen.
Anhand der in der „Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz (BSI-Kritisverordnung - BSI-KritisV)" festgelegten Kriterien kann festgestellt werden, wer Betreiber einer kritischen Infrastruktur ist. Diese Zuordnung erfolgt unter anderem über die Ermittlung des Versorgungsgrades mit Dienstleistungen und Gütern anhand von Schwellenwerten.9 Die Sektoren „Staat und Verwaltung" sowie „Medien und Kultur" unterliegen dabei nicht den gesetzlichen Verpflichtungen nach dem BSI-Gesetzt und der BSI-KritisV.10 Für die übrigen 7 regulierten Sektoren wird von insgesamt nicht mehr als 2.000 Betreibern kritischer Infrastrukturen ausgegangen.11
3. Bedrohung kritischer Infrastrukturen
Die Bedrohung der kritischen Infrastrukturen kann in die 3 Kategorien „Naturereignisse", „Technisches / menschliches Versagen" und „Terrorismus / Kriminalität / Krieg" unterteilt werden. Die permanent bestehende Bedrohung durch Naturereignisse wird durch den wissenschaftlich anerkannten Klimawandel verstärkt, weshalb vor allem Wetterextreme zunehmend an Bedeutung gewinnen. Durch die Terroranschläge am 11. September 2011 ist die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus verstärkt in den Fokus staatlicher Schutz- und Sicherheitsanstrengungen geraten.12
Eine besondere Gefahr für kritische Infrastrukturen sind hybride Bedrohungen. Diese stellen eine Kombination aus offen und verdeckt durchgeführten (militärischen) Operationen, diplomatischem und wirtschaftlichem Druck, Desinformationen und Angriffen im Cyberraum dar. Das Ziel der Angreifer ist es, wirtschaftliche Schäden zu verursachen, Gesellschaften zu destabilisieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen.13 Als Cyberraum wird die global miteinander verbundene digitale Informations- und Kommunikationsinfrastruktur bezeichnet. Das Internet stellt dabei den bedeutendsten und meistgenutzten Teil dar. Durch die weltweite Vernetzung im privaten, wirtschaftlichen und staatlichen Bereich ergeben sich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Sicherheitsaspekte und die Gefahren durch eine weltweite Vernetzung und die daraus entstehenden Abhängigkeiten wurden lange Zeit von der Wirtschaft, staatlichen Stellen und auch vom Militär vernachlässigt. Diese Schwachstellen können von anderen Staaten oder von Kriminellen ausgenutzt werden, um nicht nur die digitale Infrastruktur, sondern auch die damit vernetzten Einrichtungen zu schädigen.14
4. Beispiele für die Bedrohung kritischer Infrastrukturen in Deutschland
Bedrohungen kritischer Infrastrukturen durch Cyberattacken rücken seit der Infiltration und Ausspähung von Daten des internen Netzwerkes des Deutschen Bundestages im Jahr 2015 in den Fokus der Öffentlichkeit.15 Einmal mehr wurde die weiterhin bestehende Verletzbarkeit der öffentlichen Verwaltung durch die Cyberattacke auf die Verwaltung der Landeshauptstadt Potsdam deutlich. Über eine Schwachstelle im System eines externen Anbieters wurde versucht, unautorisiert Daten abzurufen oder Schadsoftware zu installieren. Daraufhin schränkte die Verwaltung der Landeshauptstadt Potsdam die Verfügbarkeit von Onlinedienstleistungen ab dem 22.01.2020 ein. Dies hatte zur Folge, dass onlinebasierte Anwendungen der Stadtverwaltung nur eingeschränkt zur Verfügung standen und die Verwaltung keine E-Mails senden und empfangen konnte und somit Dienstleistungen nur eingeschränkt zur Verfügung standen. Am 28.01.2020 wurde bekanntgegeben, dass die abgeschalteten Dienstleistungen schrittweise wieder zur Verfügung stehen würden. Die Analyse der Server erhärtete den Verdacht einer Cyberattacke, allerdings wurde keine Schadsoftware gefunden. Nach den bisherigen Erkenntnissen fand kein unautorisierter Abruf von Daten statt. Eine Anzeige gegen Unbekannt erfolgte.16
Ein mehr als 30-stündiger Stromausfall im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick am 19.02.2019 zeigte, dass auch Bedrohungen durch menschliches Versagen nicht vernachlässigt werden dürfen. Bei Bauarbeiten an einer Brücke wurden ein Hauptstromkabel und das dazugehörige Ersatzkabel durchtrennt. Daraufhin kam es zu einem Stromausfall bei etwa 31.000 Haushalten und 2.000 Gewerbetreibenden. Ein vom Stromausfall betroffenes Krankenhaus musste im Verlauf des Stromausfalls wegen des zusätzlichen Ausfalls des Notstromaggregates die Räumung der Intensivstation einleiten und wurde, aufgrund der Schließung der Notaufnahme, ebenfalls aus der Notfallfallversorgung abgemeldet. Zusätzlich fielen infolge des Stromausfalls 2 Blockheizkraftwerke aus und konnten somit das Fernwärmenetz der Haushalte nicht versorgen. Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks (THW) und des Malteser Hilfsdienstes richteten Notunterkünfte in Schulen ein und versorgten die vom Stromausfall betroffenen Einwohner mit Nahrung und Getränken. Die Berliner S-Bahn und die Straßenbahn fuhren in den betroffenen Gebieten nur eingeschränkt oder gar nicht.17
Auch durch die Verkettung voneinander unabhängiger Faktoren können Bedrohungen kritischer Infrastrukturen entstehen. So brach am Samstag, den 08.08.2020, in Flecken Lauenau, einer Gemeinde mit 4.000 Einwohnern im Landkreis Schaumburg in Niedersachsen, die Wasserversorgung zusammen. Ursächlich dafür waren der erhöhte Wasserverbrauch aufgrund der anhaltenden hohen Temperaturen in Verbindung mit dem geänderten Urlaubsverhalten der Einwohner aufgrund der Covid-19-Pandemie. Dies alles führte zu einem höheren Wasserverbrauch und damit zum Leerlaufen des für diese Verbrauchsmengen nicht konzipierten Trinkwasserspeichers. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, sich für das Wochenende im Supermarkt mit T rinkwasser zu versorgen. Brauchwasser wurde durch die Freiwillige Feuerwehr zentral bereitgestellt. Eine Allgemeinverfügung, z.B. zum Verbot der Rasenbewässerung, und Maßnahmen zum Wassermanagement sind vorgesehen. Es wird erst im Herbst 2020 mit einer Entspannung der Lage gerechnet.18
5. Strategische Ziele und Akteure zum Schutz kritischer Infrastrukturen
Der Schutz der kritischen Infrastrukturen in Deutschland wird vom Staat und den Betreibern solcher Infrastrukturen als gemeinsame Aufgabe bewältigt. Dazu wurden von den Akteuren strategische Ziele zum Schutz entwickelt, die das Denken, Handeln und Verhalten zum Schutz kritischer Infrastrukturen bestimmen. Diese lauten: „Prävention“, „Reaktion" und „Nachhaltigkeit.“ Unter „Prävention“ werden das Erkennen von Risiken im Vorfeld sowie die Identifizierung kritischer Elemente und Prozesse verstanden. Das strategische Ziel „Reaktion“ beschreibt die Minderung der Folgen gravierender Störungen und Ausfälle durch effektives Notfall- und Krisenmanagement, durch Schaffung von Redundanzen sowie wirkungsvoller Selbsthilfekapazitäten Betroffener. Das strategische Ziel „Nachhaltigkeit“ beschreibt die fortlaufende Gefährdungsanalyse und die Gewinnung von Erkenntnissen aus der Analyse von Störfällen und anderer Ereignisse im In- und Ausland.19
Die Umsetzung der strategischen Ziele geschieht in einem kooperativen Ansatz zwischen Behörden unterschiedlicher Ressorts auf Bundes- und Landesebene und den überwiegend privatrechtlich organisierten und privatwirtschaftlichen Betreibern und Betreiberverbänden bzw. Zweckverbänden der kritischen Infrastrukturen. Der Bund setzt dabei in diesem kooperativen Ansatz auf freiwillige Selbstverpflichtungen, Weiterentwicklung und einen umfassenden Informationsaustausch zwischen allen Akteuren. Er behält sich jedoch die letztendliche Regelungskompetenz vor.20
6. Akteure zum Schutz kritischer Infrastrukturen
„Die Verantwortung für den sicheren Betrieb kritischer Infrastrukturen liegt bei den privaten und öffentlichen Betreibern dieser Infrastrukturen. Der Staat übernimmt die Gewährleistungsverantwortung und schafft in dieser Funktion Rahmenbedingungen, die den Schutz kritischer Infrastrukturen generell sicherstellen. Als Folge daraus unterliegen die unterschiedlichen Sektoren und Branchen den hohen Auflagen aus gesetzlichen Vorgaben sowie aus branchenbezogenen Standards und Regel- werken."21 Das BMI nimmt den Schutz der kritischen Infrastrukturen gegen Gefahren aller Art als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahr. Dabei besteht die Aufgabe des BMI darin, den Schutzauftrag der Betreiber kritischer Infrastrukturen zentral zu koordinieren und ein übergreifendes Lagebild zu erarbeiten.22 Im nachgeordneten Bereich des Ministeriums befinden sich unter anderem das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)23 Das BBK nimmt Aufgaben des Bevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe wahr. Darüber hinaus entwickelt es Vorsorgemaßnahmen und Konzepte zum Schutz der Bevölkerung. Das BSI ist auf Bundesebene für den Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen zuständig und als der zentrale Dienstleister des Bundes für den Bereich IT-Sicherheit verantwortlich. Die Bundesländer und Kommunen sind im Sinne des föderalen Prinzips der Bundesrepublik Deutschland für die Erstellung und Einhaltung von Notfall- und Katastrophenplänen verantwortlich.24
7. Vorsorgemaßnahmen in Deutschland
7.1. Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübung (Exercise)
Durch das Elbehochwasser 2002 und die Ereignisse des 11. September 2011 wurden auf Bundesund Landesebene Schwachstellen im kooperativen und orientierten Zusammenarbeiten der zuständigen Stellen bei der Bewältigung von Katastrophenszenarien aufgedeckt. Daher wurde entschieden, diese Stellen gemeinsam zu beüben. Die Übungsleitung dieser „Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübung (Exercise)" (LÜKEX) obliegt dem BMI. Den Auftrag zur Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung einer LÜKEX für die obere politisch-administrative Ebene unter Abbildung eines Worst-Case-Szenarios erhielt 2004 das BBK.25 Ressort- und länderübergreifende Krisenmanagementübungen, wie die LÜKEX, sind in §14 Satz 1 des Zivilschutz- und Katastrophengesetzes (ZSKG) gesetzlich verankert.26
Zu Übungszwecken wurden seit 2004 unterschiedliche Szenarien aufgestellt. Unter anderem wurden 2005 das Szenario „Terrorismus im Zusammenhang mit der WM 2006", 2007 das Szenario „Weltweite Influenza-Pandemie" und während der LÜKEX 2018 das Szenario „Gasmangellage in Süddeutschland" ausgegeben und durchgespielt.27 Die LÜKEX 21 wird sich mit dem Themenkomplex „Cyberangriff auf Regierungshandeln" befassen.28
7.2. Staatliche Ernährungsvorsorge
Das 2017 in Kraft getretene Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz (ESVG) ist die rechtliche Grundlage für die hoheitliche Bewirtschaftung von Lebensmitteln in einer Versorgungskrise. Die Maßnahmen zur Bewirtschaftung von Lebensmitteln umfassen unter anderem die Bereiche Produktion, Distribution und Preisbildung.29 Auf Bundesebene nimmt die dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstellte Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die Ernährungsvorsorge und Ernährungssicherstellung als wesentlichen Bestandsteil der staatlichen Daseinsvorsorge wahr. Dazu werden die Versorgungssituation mit Lebens- und Futtermitteln und mögliche Risiken, welche zu einer Versorgungsstörung führen könnten, analysiert. Das BLE kauft und lagert, unter Durchführung regelmäßiger Qualitätskontrolle und Wälzung der Bestände, zum Beispiel Reis, Hülsenfrüchte und Kondensmilch ein.30 Die „Bundesreserve Getreide" besteht aus Weizen, Roggen und Hafer. Daraus soll im Krisenfall Mehl für die Brotversorgung der Bevölkerung hergestellt werden. Die „Zivile Notfallreserve" umfasst Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch. Diese gebrauchsfertigen Lebensmittel sollen über Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen an die Bevölkerung ausgegeben werden. Die Menge an bevorrateten Lebensmitteln ist nicht auf eine Vollversorgung der gesamten Bevölkerung in Deutschland, sondern auf die Überbrückung kurzfristiger Engpässe ausgelegt. Je nach Tagesration, Anzahl der zu verpflegenden Personen und Produkt reichen die Vorräte für eine Versorgung zwischen wenigen Tagen und einigen Wochen.31 Im Bundeshaushaltsplan für das Jahr 2020 werden die voraussichtlichen Kosten der zivilen Notfallreserve und der Bundesreserve Getreide mit insgesamt 21 Millionen Euro ausgewiesen. Circa 62% der voraussichtlichen Kosten sind allein für die Lagerhaltung eingeplant.32
7.3. Selbstschutz
Durch den Ausfall kritischer Infrastruktur können wichtige Lebensbereiche der Bevölkerung beeinflusst und die persönliche Lebensführung erschwert werden. Je nach Ausmaß des Ereignisses können die Bereitstellung von Hilfsmaßnahmen und das Eintreffen von Hilfskräften zeitlich stark verzögert werden. Die daraus entstehenden Folgen für die Bevölkerung können durch wirksame Maßnahmen zum Selbstschutz und Selbsthilfe abgemildert werden. Jedoch sind einem Großteil der Bevölkerung in Deutschland Maßnahmen für den Selbstschutz und Selbsthilfe unbekannt. Falls diese in der Theorie angeeignet wurden, fehlt es oft an der Übung zur korrekten und zielgerichteten Anwendung dieser Maßnahmen. In der Regel fehlen in Haushalten Kenntnisse über Erster-Hilfe-Maßnah- men sowie Lebensmittel- und Getränkevorräte für mehrere Tage. Alternativen für die durch die öffentlichen Versorger verfügbargemachten Heiz- und Kochmöglichkeiten bei einem Ausfall eben dieser Versorger, gibt es im häuslichen Umfeld meist nicht. Ursächlich für dieses mangelnde Bewusstsein und die mangelnde Vorbereitung der Bevölkerung ist ein lückenhaftes und nicht wirklichkeitsnahes Bewusstsein über die Risiken, welche Katastrophen bzw. der Ausfall kritischer Infrastrukturen mit sich bringen können.33
Das BBK bietet Informationen für den Selbstschutz und die persönliche Vorbereitung auf einen möglichen Katastrophenfall und der damit gegebenenfalls einhergehenden Beeinträchtigung kritischer Infrastrukturen. Zu den wichtigsten Vorbereitungsmaßnahmen gehören die Bevorratung von Lebensmitteln und Trinkwasser für mindestens 10 Tage pro Person im Haushalt, die Bereithaltung einer Hausapotheke für den persönlichen Bedarf und die Sicherstellung der Informationsversorgung mittels Radio- und Fernsehdurchsagen oder per App.34 Die Informationen des BBK müssen jedoch von den Bürgern angefordert werden. Eine proaktive Verteilung z.B. durch Postwurfsendungen findet nicht statt. Dies kann als eine mögliche Ursache für die mangelnde Vorbereitung der Bevölkerung angesehen werden.35
[...]
1 Lorenz 2020
2 Erdogan 2014
3 Deutscher Bundestag 2019, S. 1
4 Berliner Morgenpost 2019
5 Stadtwerke Münster GmbH 2006, S. 26
6 Dankbar 2020
7 Bundesministerium des Innern 2009, S. 3
8 BSI / BBK o.J.
9 BSI-KritisV § 1
10 BSI / BBK o.J.
11 BSI / BBK o.J. b
12 Bundesministerium des Innern 2009, S. 7
13 Naß 2015
14 Von Heinegg 2015, S. 23-24
15 Deutscher Bundestag 2019
16 Landeshauptstadt Potsdam 2020
17 Berliner Morgenpost 2019
18 NDR 2020
19 Bundesministerium des Innern 2009, S. 10-13
20 Bundesministerium des Innern 2009, S. 10-13
21 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2012, S. 9
22 Bundesministerium des Innern 2016, S. 29-30
23 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat o.J.
24 BSI / BBK o.J. b
25 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2019, S. 4-9
26 ZSKG §14
27 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2019, S. 9
28 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2019 b, S. 1
29 ESVG §1-§4
30 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung 2013, S. 2-5
31 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2020
32 Einzelplan 10 2019, S. 42
33 Allianz Deutschland AG 2008, S. 33-34
34 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2018, S. 9-25
35 Allianz Deutschland AG 2008, S. 35
- Citar trabajo
- Daniel Ecke (Autor), 2020, Kritische Infrastrukturen in Deutschland. Bedrohung und Schutz, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1003754
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